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Dieser Artikel behandelt eine Objektgattung in der Archaologie Zu Lochstaben als Form von Zierleisten siehe Stab Ornamentik Als Lochstab neuerdings auch Kultstab wird ein im Jungpalaolithikum und Mesolithikum verbreiteter Fundgegenstand aus Ren und Rothirschgeweih oder Elfenbein bezeichnet der in West Mittel und Osteuropa vorkam Die Funktion ist umstritten Die meisten dieser Objekte stammen aus dem Magdalenien Sudfrankreichs und werden als Baton de commandement Kommandostabe bezeichnet Lochstab aus Rentier Geweih aus dem Magdalenien im PetersfelsInhaltsverzeichnis 1 Material Verarbeitung und Dekor 2 Mogliche Nutzung 3 Siehe auch 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseMaterial Verarbeitung und Dekor BearbeitenLochstabe bestehen meist aus Abwurfstangen von Ren oder Rothirsch seltener aus Elfenbein des Wollhaarmammuts 1 Die Abwurfstangen wurden proximal und distal von der Gabelung zweier Sprossen abgeschnitten und im Bereich der Gabelung durchbohrt Die Oberflache ist haufig geglattet und oft mit geometrischen oder figurlichen Ritzlinien verziert Durch die zum Teil komplexen bildlichen Darstellungen sind Lochstabe wichtige Objekte der jungpalaolithischen Kleinkunst Die Technik der Gravuren ist zur selben Zeit auch in Gestalt der Petroglyphen auf Felswanden bekannt Lochstabe nbsp Rengravur vom Kesslerloch Rosgartenmuseum Konstanz nbsp Lochstab des Magdaleniens Museum von Toulouse nbsp Verzierter Lochstab aus dem Landesmuseum Konstanz nbsp Lochstab aus Mammutelfenbein Kostenki Russland nbsp Lochstab der Grotte de MontgaudierIm Aurignacien wurden die ersten meist unverzierten Lochstabe hergestellt Zu diesen gehoren die Lochstabe aus Mammut Elfenbein der Vogelherdhohle 2 sowie aus dem Geissenklosterle Aus dem Gravettien gibt es unverzierte Lochstabe wie zum Beispiel aus der Brillenhohle und dem Hohlen Fels bei Blaubeuren 3 aber auch mit ersten oberflachigen Ritzverzierungen Das Dekor besteht aus einfachen geometrischen Mustern wie Linien Kreuzen oder Zickzackbandern Erst ab dem Proto Magdalenien in Sudfrankreich gibt es figurliche Motive auf den Lochstaben Ein Beispiel ist der Lochstab aus Laugerie Haute mit der Darstellung zweier sich gegenuberstehender Mammuts 4 Im fruhen Magdalenien wurden die Lochstabe meist mit groben Tierkopfen aber auch mit einfachem linearem Dekor verziert Daraus entwickelte sich in der Folgezeit eine naturnahe und immer komplexer werdende Verzierungsart Ein beruhmtes Beispiel hierfur ist die Phallusdarstellung auf dem Lochstab aus der Gorge d Enfer 5 oder das Fragment eines Lochstabes aus der Hohle von Isturitz das einen Bisonkopf als Flachrelief zeigt Letzterer kann mit einer Darstellung in der Hohle von Niaux in Verbindung gebracht werden und gehort laut Andre Leroi Gourhan zum Kunst Stil IV 6 Pferde Fische und verschiedene Hakenzeichen sind am haufigsten abgebildet seltener auch menschliche Figuren 7 Ein solches Objekt wurde in Saint Marcel Indre entdeckt Es zeigt eine mannliche Person die durch das gebohrte Loch im mittleren Bereich in zwei Halften geteilt wird 8 Neben der Speerschleuder gehort der Lochstab zu den typischen Gerateformen des Magdalenien Ein Lochstab aus Mammutknochen wurde auch in der Clovis Station Murray Springs in Arizona gefunden Im Mesolithikum gibt es eine Reihe von Lochstaben aus Rothirschgeweih 9 Mogliche Nutzung BearbeitenDer Verwendungszweck der Lochstabe ist unklar Wahrend die ersten Vermutungen einen rein dekorativen Kommandostab favorisierten 10 11 geht die neuere Forschung von einem Werkzeug aus Hier kommt die Funktion als Strecker von Speeren bzw Pfeilen in Frage um mittels Hebelwirkung aus gekrummten Geweihstangen oder Holz uber dem Feuer und Wasserdampf gerade Schafte herzustellen 12 Moglicherweise wurden Lochstabe aber auch dazu benutzt Riemen mit Hilfe von Ol elastischer zu machen Weitere Theorien betreffen die Nutzung der Lochstabe als Zeltheringe fur fruhe Behausungen oder auch als Vorlaufer der zweiteiligen Fibel 13 Lochstabe konnten auch als Nasenbremse gedient haben um widerspenstige Tiere ruhigzustellen 14 Dabei verlauft eine Seilschlinge durch die Bohrung um die Oberlippe des Tieres Beim Anziehen verengt sich die Schlinge und verursacht dem Tier leichte Schmerzen die eine Ausschuttung von Endorphinen bewirkt Das Tier wird ruhig und das Schmerzempfinden ist herabgesetzt 15 Fur diese Deutung spricht einiges Grosse und Form der palaolithischen Lochstabe entsprechen den modernen Es finden sich auch ausgebrochene Lochkanale an den Stellen an denen diese bei entsprechender Nutzung zu erwarten waren Besonders viele Pferde und Rentierzeichnungen finden sich auf den Funden meist nur der Kopf der Tiere Einige dieser Darstellungen zeigen dabei Ornamente am Maul die durchaus als Maulknebel gedeutet werden konnen Vermutlich wurden im Magdalenien Hanf Bast Tiersehnen Leder oder Fellriemen als Schlaufen benutzt Sollte diese Deutung zutreffen ware der Lochstab der erste Beweis einer Tierhaltung die bei Jager und Sammlern allerdings unbelegt ist In der Forschung wird der Lochstab unter anderem auch als eine Form der Speerschleuder gedeutet 16 Dies wurde bedeuten dass bereits im Aurignacien erste Speerschleudern in Gebrauch waren Auch das Volk der Inuit benutzt durchlochte Gerate um die Wurfdistanz zu verlangern doch scheinen die prahistorischen Lochstabe nach Experimenten aufgrund ihres Materials und ihrer Form besser fur die Jagd geeignet gewesen zu sein Einige Archaologen halten diese Gegenstande fur Sexspielzeuge Der britische Archaologe Timothy Taylor meinte dazu Wenn man sich die Grosse die Form und in einigen Fallen die explizite Symbolik der eiszeitlichen Schlagstocke ansieht scheint es unaufrichtig die offensichtlichste und direkteste Interpretation zu vermeiden 17 Siehe auch BearbeitenLochstab von Grube Rosenhof KesslerlochWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Baton de commandement Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienLiteratur BearbeitenNicholas J Conard Hrsg Eiszeit Kunst und Kultur Ostfildern 2009 Franz Eppel Fund und Deutung Eine europaische Urgeschichte Wien Munchen 1958 Franz Eppel Funktion und Deutung der Lochstabe aus dem Magdalenien In Prahistorische Zeitschrift 36 1958 S 220 223 Joachim Hahn Erkennen und bestimmen von Stein und Knochenartefakten Tubingen 1991 Andre Leroi Gourhan Prahistorische Kunst Breisgau 1971 Jacob Ozols Zur Frage der palaolithischen Lochstabe In Kolner Jahrbuch fur Vor und Fruhgeschichte 14 Band Berlin 1974 S 9 16 Gustav Riek Die Eiszeitjagerstation am Vogelherd Tubingen 1934 Leon Underwood Le baton de commandement In Man 65 1965 S 140 143 jstor Einzelnachweise Bearbeiten G Bosinski u D Evers Jagd im Eiszeitalter Schr Jagd u Naturkdemus Burg Bruggen 2 Koln 1979 Riek 1934 S Tafel XXXI Conard 2009 S 121 Hahn 1991 S 295 Conard 2009 S 297 Leroi Gourhan 1971 S 74 Leroi Gourhan 1971 S 71 Leroi Gourhan 1971 S 449 Bernhard Gramsch Zwei neue mesolithische Hirschgeweih Lochstabe mit Verzierungen aus dem Bezirk Potsdam Veroff Mus Ur u Fruhgesch Potsdam 12 1979 S 39 50 Hugo Obermaier Kommandostabe In Max Ebert Hrsg Reallexikon der Vorgeschichte Bd 7 Berlin 1926 S 15 16 Riek 1934 S 66 Hahn 1991 S 294 Eppel 1958 220 Eppel 1958 221 223 Nasenbremse tierarzt stehle de Underwood 1965 S 140 T Taylor The Prehistory of Sex New York Bantam 1996 S 128 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lochstab amp oldid 231175654