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Die Brillenhohle fruher Zwickerhohle ist die Ruine einer ehemaligen Horizontalhohle im Achtal bei Weiler im Alb Donau Kreis Baden Wurttemberg Sie ist ein bedeutender jungpalaolithischer Fundplatz der baden wurttembergischen Urgeschichte BrillenhohleBrillenhohleBrillenhohleLage Weiler Baden Wurttemberg DeutschlandHohe 600 m u NNGeographischeLage 48 24 19 N 9 46 40 O 48 405277777778 9 7777777777778 600 Koordinaten 48 24 19 N 9 46 40 OBrillenhohle Baden Wurttemberg Katasternummer 7524 13Geologie Weisser Jura Grenzbereich Delta EpsilonTyp KuppelhohleBeleuchtung keineGesamtlange 23 m Inhaltsverzeichnis 1 Geographische Lage 2 Topographie 3 Forschungsgeschichte 4 Funde 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeographische Lage BearbeitenDie Brillenhohle liegt an der nordlichen Flanke des Achtals in einem Weissjura Felsmassiv des Felsenlabyrinths etwa 60 m uber der Talsohle und auf 600 m u NHN Die Hohle ist uber einen nur teilweise befestigten Wanderweg zu erreichen Topographie Bearbeiten nbsp Grundriss der Brillenhohle mit Fundlage der Elfenbeinanhanger rot und Trockenmauern braun in Schicht VIIEin etwa 6 m langer Gang von bis zu 3 5 m Hohe und 6 5 m Breite mundet leicht ansteigend in eine 17 m lange und 16 m breite kuppelformige Hohlenhalle Die 6 m hohe Hohlendecke weist zwei Offnungen auf die beim teilweisen Einsturz der Hohle vor ca 30 000 Jahren entstanden und der Hohle ihren Namen gaben Das kreisrunde sudliche Fenster hat einen Durchmesser von 2 5 m das annahernd ovale nordliche Fenster ist 3 4 m lang und 2 4 m breit In der Ostwand befindet sich die Barennische ein etwa 5 m grosser Hohlraum der nach Beendigung der archaologischen Ausgrabungen im Jahr 1963 wieder verfullt wurde und heute nur noch andeutungsweise zu erkennen ist In der nordwestlichen Hohlenecke verjungt sich eine kaminartige Auswaschung nach oben und mundet dort in eine etwa 17 cm breite Deckenspalte Durch dieses Rauchloch gelangten wahrend des Pleistozans grossere Mengen rotbraunen Lehms in die Hohle 1 Forschungsgeschichte BearbeitenNach wenig erfolgreichen Sondagen durch Robert Rudolf Schmidt 1906 Peter Goessler 1911 und Albert Kley 1951 wurden unter Leitung des Tubinger Prahistorikers Gustav Riek zwischen September 1955 und Oktober 1963 grosse Teile der Brillenhohle ergraben und wissenschaftlich ausgewertet In elf Kampagnen legte Riek elf Profile frei in welchen er insgesamt XXII Schichten unterscheiden und zahlreiche Stein und Knochenwerkzeuge Elfenbein Schmuck menschliche Skelettreste und keramische Scherben bergen konnte 1 Anfang der 1990er Jahre gelang es der Tubinger Archaologin Anne Scheer die zeitgleiche Besiedlung von Brillenhohle Hohle Fels und Geissenklosterle wahrend des Gravettiens nachzuweisen da sich Silexartefakte aus den Gravettienhorizonten der verschiedenen Fundstellen passend aneinander anlegen liessen 2 Da verschiedene Bereiche der Hohle noch nicht ergraben sind ist zum Schutz vor Raubgrabern und Vandalismus der Hohleneingang durch ein Gitter verschlossen Funde BearbeitenAurignacien In der bis zu 0 85 m machtigen Schicht XIV fanden sich mit zwei gebrochenen Knochenspitzen bei einer handelt es sich moglicherweise um eine Knochenspitze mit gespaltener Basis 3 die beiden altesten Artefakte der Brillenhohle Da sich keine weiteren aurignacienzeitlichen Werkzeuge oder Feuerstellen nachweisen liessen ist davon auszugehen dass die Hohle zu dieser Zeit nicht von Menschen bewohnt war und die Speerspitzen eventuell durch einen bejagten verendenden Hohlenbaren eingebracht wurden wie zahlreiche Knochenreste dieser Spezies in unmittelbarer Fundumgebung vermuten lassen Gravettien Die meisten Funde konnten in Schicht VII geborgen werden Neben 52 Werkzeugen aus Tierknochen Rengeweih und Mammut Elfenbein fanden sich hier auch mehr als 1000 Steinwerkzeuge wie Klingen Schaber Stichel und Schlagsteine Als Rohmaterial wurden hierfur zu 90 Hornsteinknollen verwendet der Rest besteht aus Jaspis oder Radiolarit wobei alle drei Materialien in verschiedenen farblichen Auspragungen vorliegen Mehr als 80 Artefakte konnten als Schmuckstucke angesprochen werden darunter zahlreiche tropfenformige Anhanger aus Elfenbein Perlen aus Rohrenknochen durchlochte Tierzahne und gekerbte Knochenstabchen Neben mehreren zum Teil grossflachig angelegten Feuerstellen konnten in diesem Horizont auch Reste zweier Trockenmauern sogenannte Steingehause freigelegt werden die als Fundament fur Uberdachungen aus Tierhauten aufgeschichtet wurden wodurch der zu beheizende Raum in der Hohle deutlich verkleinert werden konnte Magdalenien Das Inventar der Schichten VI bis IV umfasste 57 Knochenwerkzeuge darunter Speerspitzen ein und zweireihige Harpunen Knochennadeln einen Trommelschlagel und einen kurzen Lochstab Uber 1100 lithische Werkzeuge konnten bestimmt und analysiert werden In Schicht IV fanden sich auf einer Flache von 4 m annahernd funfzig menschliche Skelettreste die mindestens vier Individuen zugerechnet werden konnen darunter die fast vollstandig erhaltene linke Unterkieferhalfte eines etwa 8 bis 10 jahrigen Kindes ausserdem Rippenstucke Zahne Hand und Fussphalangen Teile von Schulterblattern sowie vierzehn Schadelfragmente aus denen das Stirnbein eines etwa 40 bis 60 Jahre alten Mannes rekonstruiert werden konnte Da viele Knochen scharfkantige Bruchflachen und deutliche Schnittspuren aufwiesen und durch die Lagerung in Ascheschichten dunkel verfarbt waren erkannte Riek Parallelen zu den Krapinafunden und schloss Kannibalismus als Ursache fur deren Beschaffenheit nicht aus Heute nimmt man an dass es sich um die Gebeine einer Sekundarbestattung handelt Im nordlichen und westlichen Randbereich der Hohle fanden sich vier als Sitzgelegenheit genutzte etwa 30 cm hohe Steinquader in deren Umfeld das Hohlensediment durch haufiges Auftreten stark verdichtet sowie mit zahlreichen Silex und Hornstein Absplissen und Kernstucken ubersat war Diese Klingenschlagerplatze verfugten jeweils uber eine kleine Feuerstelle mehrere Steinambosse und waren durch ihre Nahe zum nordlichen Deckendurchbruch gut ausgeleuchtet 1 Neolithikum und Bronzezeit In den stark durchmischten oberen Schichten II und I konnten jungsteinzeitliche sowie fruh und spatbronzezeitliche keramische Gefass und Wandscherben nachgewiesen werden Rossener Kultur Stichbandkeramik und Urnenfelderkultur nbsp Hohlenvorplatz und Eingang nbsp Schmuckanhanger aus Mammut Elfenbein nbsp Gekerbte Geschossspitze nbsp Schmuckanhanger aus Mammut Elfenbein nbsp Trommelschlagel aus RengeweihLiteratur BearbeitenNicholas J Conard Michael Bolus Ewa Dutkiewicz Sibylle Wolf Eiszeitarchaologie auf der Schwabischen Alb Kerns Verlag Tubingen 2015 ISBN 978 3 935751 24 7 S 153 156 Luc Moreau Geissenklosterle Das Gravettien der Schwabischen Alb im europaischen Kontext Kerns Verlag Tubingen 2009 ISBN 978 3 935751 11 7 Kapitel 3 Das Gravettien der Brillenhohle S 135 176 Hans Binder Herbert Jantschke Hohlenfuhrer Schwabische Alb DRW Verlag Leinfelden Echterdingen 2003 ISBN 3 87181 485 7 S 143 Gustav Riek Das Palaolithikum der Brillenhohle bei Blaubeuren Schwabische Alb Teil I Verlag Muller amp Graff Stuttgart 1973 ISBN 3 87532 055 7 Gustav Riek Das Palaolithikum der Brillenhohle bei Blaubeuren Schwabische Alb Teil II Die jungpleistozanen Tierknochenfunde aus der Brillenhohle Verlag Muller amp Graff Stuttgart 1973 ISBN 3 87532 056 5 Georg Hiller Stefanie Kolbl Hrsg Welt Kult Ur Sprung Jan Thorbecke Verlag Ulm 2016 ISBN 978 3 7995 1168 1 zur Eiszeitkunst der Alb deutsch und englisch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Brillenhohle Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien 3D Modell der Brillenhohle Datenauswertebogen und Karte im Steckbrief des flachenhaften Naturdenkmals im Schutzgebietsverzeichnis der Landesanstalt fur Umwelt Baden Wurttemberg Geotop Steckbrief BrillenhohleEinzelnachweise Bearbeiten a b c Gustav Riek Das Palaolithikum der Brillenhohle bei Blaubeuren Schwabische Alb Teil I amp II Muller amp Graff Stuttgart 1973 geo uni tuebingen de The Danube Corridor after 29 000 BP New results on raw material procurement patterns in the Gravettian of southwestern Germany Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive PDF 1 21 MB Conard N J Bolus M 2003 Radiocarbon dating the appearance of modern humans and timing of culutural innovations in Europe new results and new challenges J Hum Evol 44 Fig 7 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brillenhohle amp oldid 233426408