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Die Sprache des Geistes lateinisch lingua mentis englisch language of thought ist eine Hypothese die von der Existenz einer Art Sprache ausgeht in der Denkvorgange stattfinden Der bedeutendste Vertreter dieser These ist Jerry Fodor der die Idee 1975 in seinem Buch The Language of Thought ausarbeitet Der Ausdruck wurde vermutlich 1973 von Gilbert Harman zum ersten Mal in diesem Zusammenhang gebraucht 1 Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsbestimmung 1 1 Die These 1 2 Das Ziel 1 3 Geschichte der Sprache des Geistes 2 Argumente fur die Sprache des Geistes 2 1 Das methodologische Argument 2 2 Produktivitatsargument 2 3 Systemazitatsargument 3 Argumente gegen die Sprache des Geistes 3 1 Eliminativer Materialismus 3 2 Konnektionismus 3 3 Anti Individualismus von Putnam und Burge 3 4 Intentionaler Realismus und das computationalistische Modell des Geistes 3 5 Ist die Sprache des Geistes eine Privatsprache 3 6 Handlungsdispositionen ohne explizite Reprasentation 4 Varianten der Sprache des Geistes 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 QuellenBegriffsbestimmung BearbeitenDie These Bearbeiten Ansgar Beckermann fasst die These der Sprache des Geistes wie folgt zusammen 1 Mentale Reprasentationen sind strukturiert 2 Die Teile dieser Strukturen sind transportierbar dieselben Teile d h typidentische Teile konnen in verschiedenen Reprasentationen auftreten 3 Mentale Reprasentationen haben eine kompositionale Semantik die Bedeutung komplexer Reprasentationen ergibt sich in regelhafter Weise aus der Bedeutung der Teile Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 2 Die Sprache des Geistes auch Mentalesisch genannt besitzt also eine Struktur die sich aus einzelnen bedeutungstragenden Teilen wie in naturlichen Sprachen die Worter zusammensetzt Diese bedeutungstragenden Teile konnen in verschiedenen Reprasentationen vorkommen wie Worter oder Satzteile auch in verschiedenen Satzen vorkommen konnen Ebenso wie in anderen Sprachen lasst sich die Bedeutung der einzelnen Reprasentationen aus der Bedeutung der Teile zusammensetzen Von anderen Sprachen unterscheidet sich das Mentalesische allerdings dadurch dass es nicht akustisch oder optisch realisiert wird sondern durch neuronale Feuerungsmuster oder Bitmuster im Speicher eines Computers Das Ziel Bearbeiten Ziel der Hypothese der Sprache des Geistes ist es den Physikalismus mit einem intentionalen Realismus zu vereinbaren Sie soll erklaren wie kausal wirksame propositionale Einstellungen wie Wunsche Uberzeugungen etc siehe Intentionalitat physisch realisiert sein konnen und sieht dabei von Phanomenen wie Qualia Traumen auditivem und visuellem Vorstellungsvermogen ab Um diese propositionalen Einstellungen zu realisieren setzt das Mentalesische ein computationalistisches Modell des Geistes voraus Ein solches Modell postuliert dass der menschliche Geist in bestimmter Hinsicht wie ein Computer arbeitet Das Denken wird also als Abfolge von Rechenschritten begriffen die allein aufgrund syntaktischer Eigenschaften der Sprachteile funktionieren siehe auch Von Neumann Architektur Geschichte der Sprache des Geistes Bearbeiten Die neuere Diskussion uber die Hypothese der Sprache des Geistes wurde von Jerry Fodor entfacht der sie in seine reprasentationale Theorie des Geistes einbettet Dennoch ist die Idee nicht neu So vergleicht Platon in der Antike das Denken mit dem Lesen im Buch der Seele und Aristoteles meint dass gesprochene Worter nur Zeichen fur Geisteszustande sind Im 18 Jahrhundert postuliert Gottfried Wilhelm Leibniz die Existenz einer sich selbst interpretierenden Sprache des Geistes Argumente fur die Sprache des Geistes BearbeitenFur die Hypothese einer Sprache des Geistes sprechen unter anderem folgende Argumente Das methodologische Argument Bearbeiten Gibt es kausal wirksame intentionale Zustande dann ist es plausibel anzunehmen dass diese Zustande nicht nur einzeln sondern auch in Kombination auftreten konnen Wenn zum Beispiel Reden und Autofahren durch jeweils einen intentionalen Zustand realisiert werden dann scheint es plausibel anzunehmen dass es einen Zustand gibt der gleichzeitiges Reden und Autofahren ermoglicht und dass dieser aus den Einzelzustanden fur Reden und Autofahren zusammengesetzt ist 3 Produktivitatsargument Bearbeiten Ein anderes Argument fur die Sprache des Geistes erklart die Eigenschaft der Produktivitat mentaler Zustande mit der Produktivitat sprachahnlicher Strukturen So gehen Vertreter dieses Arguments davon aus dass es potenziell unendlich verschiedene propositionale Einstellungen gibt Diese potentielle Unendlichkeit findet sich auch bei sprachlichen Ausdrucken die aus immer neuen Kombinationen der Konstituenten entstehen Diese Analogie legt nahe dass es auch geistige Konstituenten gibt die sich in beliebig verschiedenen Kombinationen zusammensetzen lassen 3 Systemazitatsargument Bearbeiten Ein drittes Argument das fur die Sprache des Geistes spricht ist die Systemazitat propositionaler Einstellungen So kann prinzipiell jeder der die Uberzeugung hat dass Romeo Julia liebt auch die Uberzeugung haben dass Julia Romeo liebt Dies lasst sich erklaren wenn man mindestens folgende Komponenten dieser Uberzeugungen annimmt Julia Romeo liebt Eine solche zusammengesetzte Systemartigkeit findet sich auch in Laut Schrift und Gebardensprache deren Ziel es ist die Gedanken einer Person auszudrucken Nimmt man an dass es eine Sprache des Geistes gibt lasst sich annehmen dass sich diese Systemazitat der naturlichen Sprachen mit der Systemazitat des Mentalesischen erklaren lasst 3 Argumente gegen die Sprache des Geistes BearbeitenGegen die Theorie der Sprache des Geistes sprechen verschiedene Argumente und philosophische Theorien Eliminativer Materialismus Bearbeiten Hauptartikel Eliminativer Materialismus Der eliminative Materialismus der zum Beispiel von Patricia Churchland und Paul Churchland vertreten wird behauptet dass es mentale Zustande in der Realitat nicht gibt Nimmt man aber an dass mentale Zustande nicht existieren ist auch die Annahme einer Sprache des Geistes uberflussig da intentionale Zustande nirgendwo realisiert werden Konnektionismus Bearbeiten Hauptartikel Konnektionismus Der Konnektionismus bietet eine Alternative zum computationalistischen Modell des Geistes Er behauptet dass intelligentes Verhalten von Lebewesen auf neuronalen Netzen und nicht auf zeichenmanipulierenden Systemen basiert die einer Von Neumann Architektur ahnlich sind Es gibt also auch keine Satzkonstituenten die von einem solchen System manipuliert werden Anti Individualismus von Putnam und Burge Bearbeiten Der Anti Individualismus vertreten von Hilary Putnam und Tyler Burge behauptet dass der Inhalt intentionaler Zustande einer Person sich nicht alleine aus der Betrachtung der Person ergibt sondern dass auch ihre Umgebung und Sprachgemeinschaft eine wichtige Rolle spielen Damit stellt sich der Anti Individualismus gegen das computationalistische Modell des Geistes da dieses voraussetzt dass der intentionale Zustand des Geistes vollstandig durch nicht relationale Eigenschaften bestimmt ist Intentionaler Realismus und das computationalistische Modell des Geistes Bearbeiten Soll die Sprache des Geistes wie es zum Beispiel Jerry Fodor versucht einen intentionalen Realismus mit dem Physikalismus vereinbar machen ergibt sich folgendes Problem Wahrend der intentionale Realismus verlangt dass die Bedeutung der Zustande kausal relevant ist schreibt das computationalistische Modell des Geistes den formalen Eigenschaften der Zustande diese Rolle zu Ist die Sprache des Geistes eine Privatsprache Bearbeiten In Anlehnung an Ludwig Wittgensteins Privatsprachen argument bestreiten einige Philosophen dass die Sprache des Geistes eine Semantik besitzen kann da Bedeutung nur durch Konventionen entsteht Sprachkonventionen benotigen aber ein soziales System Ein einzelnes Gehirn oder gar einzelne Gehirnteile bilden kein soziales System und konnen deshalb auch keine bedeutungsgebenden Konventionen entstehen lassen Haben die Vertreter dieses Arguments Recht konnen die Ausdrucke der Sprache des Geistes keine Bedeutung haben Handlungsdispositionen ohne explizite Reprasentation Bearbeiten Daniel C Dennett bietet eine plausible Alternative zum intentionalen Realismus die er mit folgendem Beispiel veranschaulicht In a recent conversation with the designer of a chess playing program I heard the following criticism of a rival program it thinks it should get its queen out early This ascribes a propositional attitude to the program in a very useful and predictive way for as the designer went on to say one can usefully count on chasing that queen around the board But for all the many levels of explicit representation to be found in that program nowhere is anything roughly synonymous with I should get my queen out early explicitly tokened The level of analysis to which the designer s remark belongs describes features of the program that are in an entirely innocent way emergent properties of the computational processes that have engineering reality I see no reason to believe that the relation between belief talk and psychological talk will be any more direct Daniel C Dennett Cure for the Common Code 4 Wie das Schachbeispiel zeigt konnen ohne explizite Reprasentation eines bestimmten intentionalen Zustands Handlungen entstehen die so wirken als ware eine solche Reprasentation vorhanden Hat Dennett mit seiner Position recht gibt es nirgendwo in der physikalischen Welt intentionale Einstellungen Sie werden viel eher Systemen zugeschrieben die ein hinreichend komplexes Verhalten zeigen Eine Sprache des Geistes hat in dieser Einstellung keinen Platz Varianten der Sprache des Geistes BearbeitenDie Varianten der Sprache des Geistes lassen sich in zwei Kategorien aufteilen Die eine Gruppe unter anderem vertreten von Stephen Stich schreibt den Ausdrucken der Sprache des Geistes keine semantischen Eigenschaften zu Haben die Vertreter dieser Gruppe recht besitzen die Ausdrucke der Sprache des Geistes nur syntaktische Eigenschaften Sie lassen hochstens eine semantische Interpretation einzelner Vorkommnisse zu Auf der anderen Seite stehen die reprasentationalistischen Theorien derjenigen die den Ausdrucken in der Sprache des Geistes sowohl syntaktische als auch semantische Eigenschaften zuschreiben Diese lassen sich wiederum in eine schwache und eine starke These aufteilen Die schwache These sagt nichts daruber aus wie die Ausdrucke der Sprache des Geistes zu ihren semantischen Eigenschaften kommen Diese These lasst sich also auch damit vereinbaren dass sich die Bedeutung mentalesischer Ausdrucke von den intentionalen Eigenschaften mentaler Zustande herleitet Der starken These zufolge die auch Fodor vertritt leiten sich die intentionalen Eigenschaften mentaler Zustande aus den semantischen Eigenschaften des Mentalesischen ab Daraus aber ergibt sich wiederum die Frage wie die Ausdrucke der Sprache des Geistes zu ihrer Bedeutung kommen Auch hierauf gibt es verschiedene Antworten So vertritt Fodor eine Kausaltheorie des semantischen Bezugs Diese Theorie behauptet dass sich die mentalesischen Ausdrucke auf das beziehen wodurch sie in der Regel verursacht werden Andere Philosophen meinen dass die unzusammengesetzten mentalesischen Teilausdrucke angeboren sind dass wir in der Sprache denken in der wir auch sprechen oder dass es sich bei den semantischen Eigenschaften um emergente Eigenschaften komplexer Systeme handelt Siehe auch BearbeitenKognitionswissenschaft Funktionalismus Philosophie Naturalismus Philosophie Literatur BearbeitenAlex Burri Sprache und Denken de Gruyter Berlin 1997 ISBN 978 3 11 015648 5 Eric B Baum What is Thought Cambridge 2004 ISBN 978 0 262 52457 5 Jerry Fodor The Language of Thought Harvard Univ Press 1980 ISBN 978 0 674 51030 2 Jerry Fodor Psychosemantics MIT Press 1987 ISBN 978 0 262 56052 8 Jerry Fodor The Elm and the Expert Mentalese and Its Semantics MIT Press 1994 ISBN 978 0 262 56093 1 Jerry Fodor The Mind Doesn t Work That Way The Scope and Limits of Computational Psychology MIT Press 2000 ISBN 978 0 262 56146 4 Jerry Fodor LOT 2 Oxford Univ Press 2010 ISBN 978 0 19 958801 5 Steven Pinker Der Sprachinstinkt Wie der Geist die Sprache bildet Droemer Knaur Munchen 1998 ISBN 978 3 426 77363 5 Jesse J Prinz Furnishing the Mind Concepts and Their Perceptual Basis MIT Press 2004 ISBN 978 0 262 66185 0 Stephen P Stich From Folk Psychology to Cognitive Science The Case Against Belief MIT Press 1985 ISBN 978 0 262 69092 8 Katia Saporiti Die Sprache des Geistes Walter de Gruyter Berlin 1997 ISBN 978 3 11 014813 8 Weblinks BearbeitenAnsgar Beckermann Ist eine Sprache des Geistes moglich PDF 63 kB Murat Aydede The Language of Thought Hypothesis In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Matthew Katz The Language of Thought Hypothesis In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Larry Kaye Language of ThoughtQuellen Bearbeiten Siehe Harman G 1973 Thought Princeton NJ Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 2 Auflage De Gruyter Berlin 2001 S 284 ISBN 3 11 017065 5 a b c siehe Fodor J Psychosemantics Cambridge MA 1987 Dennett D C Cure for the Common Code in Brainstorms Philosophical Essays on Mind and Psychology Cambridge Massachusetts MIT Press 1981 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sprache des Geistes amp oldid 238363791