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Die judische Gemeinde in Wittmund bestand uber einen Zeitraum von rund 300 Jahren von ihren Anfangen im 17 Jahrhundert bis zu ihrem Ende am 23 Oktober 1941 Der judische Friedhof in Wittmund an der Auricher Strasse Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Judischen Gemeinde in Wittmund 1 1 17 Jahrhundert bis 1744 1 2 1744 bis 1933 1 3 1933 bis 1941 2 Gemeindeentwicklung 3 Gedenkstatten 4 Judische Personlichkeiten aus Wittmund 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte der Judischen Gemeinde in Wittmund BearbeitenDas Harlingerland das aus den alten Amtern Esens Stedesdorf und Wittmund besteht war bis zu seiner Vereinigung mit der Grafschaft Ostfriesland im Jahre 1600 ein selbstandiges Territorium nbsp Der alte judische Friedhof von Wittmund an der FinkenburgstrasseVerschiedene spatere Quellen deuten darauf hin dass sich Juden hier zunachst in Wittmund niederliessen So berichtet Balthasar Arend Pastor in Berdum 1684 Es haben auch die Juden durch obrigkeitliches Nachsehen schon uber anderthalb hundert Jahre alhier ihre Schule und Zusammenkunft gehabt mussen aber gleich den Mennisten Schutzgeld geben und zu dem Ende Schutzbriefe suchen und erhalten Sie haben auch ausserhalb dem Flecken an den Garten einen Kirchhof liegen welcher vor Zeiten aber viel grosser gewesen sein soll ohne es also zu wissen woher es komme dass er also verkleinert worden Die Juden zu Esens und zur Neustadt in der Herrlichkeit Godens bringen Ihre Toten auch zu diesem Friedhof und sind verpflichtet diesen Kirchhof zugleich mit zu unterhalten 1 Um 1634 soll Jekutiel Blitz in Wittmund geboren sein Er ubersetzte als erster die Bibel ins Jiddische Dies ist nur anhand von Amsterdamer Quellen zu belegen in denen als Geburtsort Wittmund angegeben ist kann dennoch als gesichert angenommen werden da eine judische Familie Blitz seit Beginn des 18 Jahrhunderts in Wittmund nachweisbar ist 17 Jahrhundert bis 1744 Bearbeiten Der erste konkrete Hinweis uber die Anwesenheit von Juden in Wittmund stammt aus dem Jahre 1639 Hier wird in einer Liste der Jude Moyses Nathans zu Wittmund erwahnt der Schutzgeld in Hohe eines halben Rosenobels fur 1637 nachzahlen musste Der von Graf Ulrich II am 13 Juni 1645 ausgestellte Generalgeleitsbrief erwahnt in Wittmund die drei Juden David Abrahams Moyses Nathans und Gottschalk Isaacs Durch Zuzug entwickelte sich die Gemeinde in den folgenden Jahren und schon um 1676 lebten acht judische Familien in Wittmund Fur die zweite Halfte des 17 Jahrhunderts lassen sich Geschaftsverbindungen der Wittmunder Juden zur Messe in Leipzig nachweisen Wie im ubrigen Ostfriesland auch lebten die meisten Juden vom Schlachtergewerbe Laut einem Verzeichnis aller berufstatigen Einwohner des Fleckens Wittmund von 1714 sind von den elf dort aufgefuhrten Juden zehn Schlachter gewesen nur Nathan Elias war Kaufmann 2 Spatestens um 1736 haben sich Juden auch in den umliegenden Orten niedergelassen so in Altfunnixsiel und Carolinensiel Dies geht aus dem Generalgeleitbrief des letzten ostfriesischen Fursten Carl Edzard hervor In ihm lassen sich erstmals Tendenzen nachweisen den judischen Bevolkerungsanteil zu begrenzen So sollten sich im Amt Wittmund nur noch zwolf judische Familien niederlassen durfen 1744 bis 1933 Bearbeiten 1744 fiel Ostfriesland nach dem Aussterben der Cirksena an Preussen und Friedrich II liess eine Generaltabelle der ostfriesischen Juden erstellen Demnach lebten zu dieser Zeit im Flecken Wittmund 13 judische Familien Insgesamt lebten 65 Personen judischen Glaubens in Wittmund An der Erwerbsstruktur hatte sich nichts geandert Immer noch lebten die meisten vom Schlachtergewerbe einige wenige betatigten sich als Pferdehandler und Textilhandler Lediglich zwei Juden betrieben als Nebenerwerb den Geldverleih Eine 1749 im Amt Wittmund durchgefuhrte Zahlung erfasste 16 judische Familien Wie schon die Cirksena wollten auch die Preussen den judischen Bevolkerungsanteil in Wittmund senken So sollten im Amt Wittmund nur noch zehn judische Haushalte geduldet werden Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die judische Gemeinde deren Mitgliederzahl 1775 immer noch 16 Familien umfasste 3 nbsp Ehemalige judische Schule in WittmundZunachst besass die judische Gemeinde in Wittmund nur ein Schullocal Das Privathaus in dem es untergebracht war diente der Gemeinde uber viele Jahre als Gemeindezentrum und Synagoge Das genaue Baudatum ist unbekannt jedoch liegt ein Versicherungsbeleg der Brandkasse aus dem Jahr 1905 vor in dem in der Spalte Alter des Gebaudes ca 150 Jahre steht 4 1897 brach im Nachbargebaude ein Brand aus in dessen Folge auch das Gemeindehaus in Mitleidenschaft gezogen wurde Die Schaden konnten bald ausgebessert werden jedoch entsprach das Gebaude nicht mehr den Anforderungen und so plante die Gemeinde zunachst den Abbruch des Gebaudes und einen Neubau auf dem Grundstuck Dieser Plan wurde jedoch bald verworfen und das Gebaude schliesslich an den Kaufmann Blessmann verkauft der somit sein 1897 abgebranntes Haus um das angrenzende Gebaude erweitern konnte Der neue Plan sah nun vor das Schulgebaude an der Buttstrasse zu bauen wo die Gemeinde bereits 1851 ein Gebaude fur 425 Reichsmark Gold von der Familie Behrends gekauft und als Armenhaus genutzt hatte Der Plan sah vor das alte Armenhaus abzureissen und hier jetzt ein Schulgebaude mit Wohnung fur den Lehrer und ein Ritualbad zu errichten Noch 1910 begannen die Bauarbeiten und schon im Dezember 1911 konnte die feierliche Einweihung stattfinden Die Schule wurde bis 1924 genutzt und das Gebaude ist bis heute in seinem ehemaligen Zustand erhalten Zu Beginn des 19 Jahrhunderts plante die judische Gemeinde in Wittmund den Bau einer eigenstandigen Synagoge Zuvor wurden die Gottesdienste in einem Privathaus welches gleichzeitig als Schule diente abgehalten Diese Vorhaben trug der damalige Synagogenvorsteher Abraham Arends Neumark dem Burgermeister des Fleckens Muller vor Die judische Gemeinde wollte einen Teil der Baukosten durch eine Haus Collekte aufbringen Dieses wurde zunachst durch die obere Behorde abgelehnt schliesslich aber am 1 April 1815 durch den Zivilgouverneur von Vinke uber einen Zeitraum von acht Wochen genehmigt Das Gebaude war ein einstockiger Klinkerbau In Richtung Kirchstrasse Ostseite befand sich zwischen zwei hohen Fenstern eine Steintafel mit dem Text aus dem 2 Buch Mose 19 6 in hebraischer Schrift Und Ihr sollt mir ein Konigreich von Priestern und ein heilig Volk sein 5 An der Nordseite befanden sich vier hohe Fenster Der Eingang war auf der Sudseite zwischen dem Kaufhaus Blessmann und der Synagoge und konnte durch eine ca 1 50 m breite Lohne erreicht werden Das Gebaude war bei der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse mit 5000 Mark versichert Die Lange des Gebaudes betrug 10 30 m die Breite 6 90 m die Hohe unter dem Dach 8 00 m Die bebaute Grundflache betrug somit 71 m Sie bot Platz fur 60 80 Personen Die Platze fur die Frauen befanden sich an der Westseite auf einer Empore Zwischen zwei Bankreihen stand die Bima der erhohte Platz fur den Rabbiner Kronleuchter und Altardecke wurden von Philipp Neumark einem Gemeindemitglied anlasslich seines 71 Geburtstages gestiftet Zwischen den beiden hohen Fenstern an der Ostseite stand der Thoraschrank in ihm wurde die Thorarolle aufbewahrt Noch 1829 verfugte die judische Gemeinde in Wittmund uber eine eher armliche Sozialstruktur Von den 16 im Ort ansassigen Familien waren sechs bettelarm Auch ein eigenstandiges judisches Schulwesen entwickelte sich in Wittmund erst spat so dass die schulpflichtigen Kinder noch 1843 die christliche Ortsschule besuchen mussten Lediglich der Religionsunterricht fand im Gemeindezentrum statt auch wenn die Schuler oft langere Zeit ohne Lehrer auskommen mussten In diesen Zeiten ubernahmen Jugendliche die Unterweisung der jungeren Mitschuler Der judische Friedhof lag inzwischen innerhalb der Ortschaft und war nahezu voll belegt Da Erweiterungen hier nicht mehr moglich waren erwarb die judische Gemeinde 1899 ausserhalb des Ortes ein Grundstuck an der Auricher Strasse welches von 1902 bis 1939 genutzt wurde Inzwischen hatten neue Gesetze die Burgerrechte auch fur Juden in Ostfriesland gebracht Auch die Berufsbeschrankungen fur judische Burger fielen weg so dass die Erwerbsstruktur nun etwas vielfaltiger geworden war Das Verzeichnis der Gewerbetreibenden in Wittmund listet hier Colonialwarenhandler Gemuse und Obsthandler Handler mit Haushaltsgegenstanden und anderen Produkten Kleinviehhandler Kesselflicker Lotteriekollekteure Manufakturwarenhandler Pferdehandler Schlachter Schneider Schuhwarenhandler Tagelohner Trodler und Viehhandler 6 Im Ersten Weltkrieg zogen Wittmunder Juden fur das Deutsche Reich an die Front Mindestens einer liess hierbei sein Leben und mindestens acht wurden verwundet Die judische Gemeinde beteiligte sich auch an den Kriegssammlungen Wahrend der Weimarer Republik ging die Zahl der in Wittmund ansassigen judischen Burger auf 45 1930 zuruck 1933 bis 1941 Bearbeiten nbsp Gedenkplakette am Standort der abgebrochenen Synagoge in der Kirchstrasse 12Hatten wirtschaftliche Grunde schon vor 1933 einen verstarkten Wegzug der judischen Bevolkerung bewirkt begann nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten der Exodus der Wittmunder Juden Nach 1933 wurde die Synagoge kaum noch genutzt da die erforderliche Zahl von zehn mannlichen Gottesdienstbesuchern fur einen Minjan nicht mehr erreicht wurde Der letzte Prediger Lehrer und Kantor Abraham Strassfeld wanderte am 27 Marz 1935 mit seiner Familie in die USA aus Die Synagoge wurde schliesslich im Juni 1938 von der judischen Gemeinde an einen Kaufmann auf Abbruch verkauft Sie fiel somit den Novemberpogrome nicht zum Opfer sondern wurde bereits vorher abgerissen Dennoch wurden auch in Wittmund Hauser judischer Burger aufgebrochen ihre Geschafte und ihr Privateigentum geplundert sowie 20 Gemeindemitglieder zusammengetrieben Diese verbrachte die SA zunachst zum Marktplatz Nachdem sie dort unter Bewachung einige Stunden stehen mussten wurden sie zur Gastwirtschaft Bauer gebracht wo sie in einen Stall gesperrt wurden Die Frauen wurden im Verlauf des nachsten Vormittages entlassen Die Manner wurden zusammen mit etwa 200 anderen judischen Ostfriesen nach Oldenburg uberfuhrt und dort in einer Kaserne zusammengetrieben Ca 1 000 judische Ostfriesen Oldenburger und Bremer wurden dann mit einem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen nordlich von Berlin deportiert wo sie bis Dezember 1938 oder Anfang 1939 inhaftiert blieben Nach und nach wurden sie wieder freigelassen Die Judische Gemeinde in Wittmund loste sich nach den Novemberpogromen schnell auf Auf Veranlassung ostfriesischer Landrate und des Magistrats der Stadt Emden erliess die Gestapo Leitstelle Wilhelmshaven eine Weisung wonach Juden Ostfriesland bis zum 1 April 1940 verlassen sollten Die ostfriesischen Juden mussten sich andere Wohnungen innerhalb des deutschen Reiches mit Ausnahme Hamburgs und der Linksrheinischen Gebiete suchen Am 16 April 1940 wurde Wittmund vom Kreisoberinspektor fur judenfrei erklart Gemeindeentwicklung BearbeitenJahr Gemeindemitglieder1645 3 Familien1676 8 Familien1710 51 Personen1749 16 Familien1775 16 Familien1802 60 Personen1867 93 Personen1885 86 Personen1905 71 Personen1925 53 Personen1925 45 PersonenGedenkstatten Bearbeiten nbsp Gedenkstatte fur die ermordeten judischen Burger WittmundsDie Gedenkstatte fur die ermordeten judischen Burger Wittmunds wurde am 3 September 2000 auf dem judischen Friedhof eingeweiht Dort werden die Namen von 48 seit der Erganzung der Namen von Max und Josef Julius Neumark inzwischen 50 ermordeten Personen genannt Gedenkplakette am Standort der abgebrochenen Synagoge in der Kirchstrasse 12 Die Umrisse der Synagoge sind durch schwarze Basaltsteine gekennzeichnet Judische Personlichkeiten aus Wittmund BearbeitenFritz Neumark Finanzwissenschaftler verfasste das Steuergesetzbuch fur die Turkei Moritz Neumark 1866 1943 Industrieller und Erfinder Jekutiel Blitz ubersetzte als erster die hebraische Bibel ins JiddischeSiehe auch BearbeitenGeschichte der Juden in Ostfriesland Ostfriesland zur Zeit des NationalsozialismusLiteratur BearbeitenDas Ende der Juden in Ostfriesland Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlass des 50 Jahrestages der Kristallnacht Verlag Ostfriesische Landschaft Aurich 1988 ISBN 3 925365 41 9 Daniel Fraenkel Wittmund In Herbert Obenaus Hrsg Historisches Handbuch der judischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen Verlag Wallstein Gottingen 2005 ISBN 3 89244 753 5 S 1567 1573 Edzard Eichenbaum Hrsg Die Wittmunder Synagoge Gegen das Vergessen In Heimatverein Wittmund e V Heimatkundliche Blatter Wittmund 2005 Heft 2 Edzard Eichenbaum Genealogie von 21 judischen Familien aus Wittmund in Wort und Bild unveroffentlicht Edzard Eichenbaum Dokumentation der judischen Friedhofe in Wittmund 1 und 2 mit Angaben unveroffentlichtWeblinks BearbeitenHeimatverein WittmundEinzelnachweise Bearbeiten Balthasar Arend in H Reimers Hrsg Landesbeschreibung vom Harlingerland Wittmund 1930 S 157 Herbert Reyer Martin Tielke Hrsg Frisia Judaica Beitrage zur Geschichte der Juden in Ostfriesland Aurich 1988 ISBN 3 925365 40 0 S 172 Selma Stern Der preussische Staat und die Juden III Die Zeit Friederichs des Grossen Tubingen 1971 S 1470 f Edzard Eichenbaum Hrsg Die judische Schule in Wittmund und Ihre Lehrer In Heimatverein Wittmund e V Heimatkundliche Blatter Wittmund 2005 Heft 2 S 1 Edzard Eichenbaum Hrsg Die Wittmunder Synagoge Gegen das Vergessen In Heimatverein Wittmund e V Heimatkundliche Blatter Wittmund 2002 Heft 1 S 4 Herbert Reyer Martin Tielke Hrsg Frisia Judaica Beitrage zur Geschichte der Juden in Ostfriesland Aurich 1988 ISBN 3 925365 40 0 S 17553 583333333333 7 75 Koordinaten 53 35 N 7 45 O Ehemalige judische Gemeinden in Ostfriesland Judische Gemeinde Aurich Judische Gemeinde Bunde Judische Gemeinde Dornum Judische Gemeinde Emden Judische Gemeinde Esens Judische Gemeinde Jemgum Judische Gemeinde 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