www.wikidata.de-de.nina.az
Die judische Gemeinde in Norden bestand uber einen Zeitraum von rund 450 Jahren von ihren Anfangen im 16 Jahrhundert bis zu ihrem Ende im Oktober 1940 Zur Gemeinde in Norden gehorten auch die Juden auf Norderney die ab 1878 eine eigene Synagoge betrieben ihre Verstorbenen jedoch weiterhin auf dem judischen Friedhof in Norden beerdigten Judische Gemeinden in Ostfriesland vor 1938 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Judischen Gemeinde in Norden 1 1 16 Jahrhundert bis 1933 1 2 1933 bis 1938 1 3 Reichspogromnacht 1938 1 4 Exodus Vertreibung und Ermordung 1 5 Nachkriegszeit 2 Gemeindeentwicklung 3 Gedenkstatten 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte der Judischen Gemeinde in Norden Bearbeiten nbsp Der judische Friedhof von NordenWann genau sich die ersten Juden in Norden niedergelassen haben ist nicht mehr zu ermitteln Eine zeitgenossische Quelle erwahnt 1581 zum ersten Mal einen im Ort ansassigen Juden Aufgrund spaterer Quellen ist jedoch davon auszugehen dass es zu diesem Zeitpunkt bereits eine judische Gemeinde im Ort gegeben haben muss Das geht aus einem Schreiben des in Norden ansassigen Hofjuden Meyer Calmans an die Furstin Christine Charlotte hervor Er schrieb am 22 August 1669 dass die Juden in Norden schon vor hundert Jahren ein Stuck Land gepachtet hatten um darauf einen Friedhof anzulegen Dies war der alteste judische Friedhof in Ostfriesland Auch die Juden von Emden und Aurich begruben ihre Toten zunachst hier Bei der Erneuerung des Pachtvertrages im September 1669 wurden diese Angaben bestatigt und darauf hingewiesen dass die Juden nach Anweisung die Heuer alle Jahr richtig bezahlt und erstattet hatten 16 Jahrhundert bis 1933 Bearbeiten 1577 verfassten die Juden von Norden und Emden ein Schreiben an die Grafin Agnes von Hoya Agnes von Hoya war mit dem Grafen Johann II von Rietberg und Herren des Harlingerlandes verheiratet und war die Mutter von Walburga der Erbtochter der Grafschaft von Rietberg und spateren Frau Enno III brachten ihre Bedenken gegen eine drohende Ausweisung aus Ostfriesland zum Ausdruck und baten sie sich fur die Juden Ostfrieslands beim Grafen Edzard II einzusetzen Grund fur dieses Schreiben war ein Streit zwischen der Stadt Emden und dem Grafen in Aurich die beide jeweils fur sich und allein die Erhebung von Schutzgeldern und Judengeleiten in Anspruch nahmen Ob sich Agnes fur die Juden eingesetzt hat ist unbekannt jedenfalls scheint der Graf als Sieger aus diesem Konflikt hervorgegangen zu sein denn die Juden wurden nicht ausgewiesen Der Konflikt war damit jedoch keineswegs gelost und die ostfriesischen Stadte setzten ihre Beschwerden gegen die Juden fort nbsp Ruine der Synagoge NordenDie erste Synagoge wurde 1804 errichtet Im Gegensatz zu den anderen ostfriesischen Orten sah sich die judische Gemeinde in Norden allerdings mit einem offenen Antisemitismus konfrontiert der sich mit dem verstarkten Zuzug von polnischen und russischen Juden infolge der Pogrome von 1881 bis 1884 sogar noch verstarkte So wurde Recha Freier 29 Oktober 1892 in Norden Ostfriesland 2 April 1984 in Jerusalem Israel geborene Schweitzer schon in ihrer Kindheit mit diesem Antisemitismus konfrontiert als sie mit ihrer Familie durch ein Schild am Betreten des Blucherplatzes gehindert wurde Daruber hinaus gab es zur Jahrhundertwende Geruchte wonach die zugezogenen Juden die Cholera ubertragen wurden Der Ostfriesische Kurier schrieb dazu u a das mehr ungezogene als ernst zu nehmende Gebaren gegen die Fleischnot birgt auch in Bezug auf die drohend ihr Haupt erhebende Cholera ernste Gefahren Denn mit der Oeffnung der Grenze kommen nicht nur russische Schweine sondern auch russisch polnische Juden uber die Grenzen 1 Das amtliche Kreisblatt von Norden schlagt in dieselbe Kerbe und schreibt Viel gefahrlicher sind in ihrer unglaublichen Unsauberkeit die russisch polnischen Juden 1 Dieser offene Antisemitismus in Norden durfte dazu beigetragen haben dass sich der Zionismus von Norden aus uber Ostfriesland und die Niederlande ausbreitete Ab 1897 gab es zionistische Vortrage in Norden In einem Artikel von Die Welt heisst es dazu Norden Unsere ostfriesischen Juden ein korperlich und geistig kerngesunder Stamm welcher aus spagnolischer und aschkenasischer Mischung hervorgegangen ist hatte vor einigen Tagen zum erstenmale Gelegenheit vom Zionismus zu horen und sich fur ihn zu begeistern Herr Dr Loewe aus Jaffa der Palastina schon oft in allen seinen Teilen bereist hat hielt hier einen ebenso glanzenden wie interessanten Vortrag uber Palastina Land und Leute Kein Mitglied der Gemeinde versaumte es dem Esra in dessen Namen der Propagandavortrag stattfand beizutreten zum Theil mit sehr namhaften Beitragen Herr Dr Loewe wird morgen in zwei anderen Stadten Ostfrieslands judisch nationale Beitrage Vortrage halten um dann die zionistische Propaganda nach den Niederlanden zu tragen Die Furcht vor dem bosen Zionismus die geflissentlich von gewissen Rabbinern in s Volk getragen wurde ist hier unbekannt Gleichwohl darf man diese Erfolge umso weniger unterschatzen als sie die Grundlage einer nach Westfriesland und Holland gerichteten Agitation sein werden Wir wunschen dem Rufer im Streite weiteren guten Erfolg 2 1903 erfolgte ein Neubau der Synagoge an gleicher Stelle Neben ihr bildeten eine Schule ein Mikwe rituelles Tauchbad Hauser fur den Lehrer den Kantor und den Synagogendiener sowie das Sekretariat das judische Gemeindezentrum im Synagogenweg ehemals Judenlohne genannt 1933 bis 1938 Bearbeiten nbsp ehemalige judische Schule in Norden nbsp ehemaliges judisches Sekretariat in NordenNach der Machtubernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatten die Juden in Norden wie uberall in Deutschland unter den Repressionen des NS Staates zu leiden Zunachst wurden sie registriert die Gestapo uberprufte bei einigen von ihnen uberdies die politische Gesinnung Vereine Organisationen und Veranstaltungen standen mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur gleichfalls unter Beobachtung Am 28 Marz 1933 wurden alle judischen Geschafte in Norden geschlossen Am selben Tag erliess Anton Bleeker der Standartenfuhrer fur Ostfriesland ein Schachtverbot fur alle ostfriesischen Schlachthofe und ordnete an dass die Schachtmesser verbrannt werden Am 29 Marz wurde die Bevolkerung von Norden mit einer Anzeige der SA im Ostfriesischen Kurier uber die weitere Durchfuhrung des Boykotts informiert in der es hiess Bekanntmachung Das Aktionskomitee des Kreises Norden zur praktischen planmassigen Durchfuhrung des Boykotts judischer Geschafte judischer Waren judischer Aerzte und judischer Rechtsanwalte befindet sich in Norden in der Borse Telephon 2188Die SA Fuhrung 3 Die Namen der Burger die weiterhin in judischen Geschaften kauften wurden in der Presse veroffentlicht Der Boykott wurde am 5 April offiziell beendet da die Hetze inzwischen vollstandig verstummt sei 4 Dennoch wurde die Diskriminierung mittels Propaganda Verordnungen und Gesetzen weiter betrieben So wurde 1934 die judische Schule zur Privatschule erklart was die staatlichen Zuschusse auf ein Minimum reduzierte In Norden gab es Ubergriffe der SA gegen einen jungen Juden und seine arische Freundin wegen sogenannter Rasseschandung Bei diesen Ubergriffen klatschten die Zuschauer Beifall Wenig spater wurde eine junge Frau aufgegriffen der Beziehungen zu einem Juden vorgeworfen wurden sie wurde offentlich durch die Stadt gefuhrt und auf dem Schild das sie um den Hals tragen musste war zu lesen Ich bin ein deutsches Madchen und habe mich vom Juden schanden lassen 5 Reichspogromnacht 1938 Bearbeiten nbsp Die Namen des judischen Gemeindevorstandes in den 1930er Jahren eingeritzt in die Wand des judischen GemeindehausesIn der Nacht vom 9 auf den 10 November 1938 kam es auch in Norden zu den von Goebbels und Hitler befohlenen Ausschreitungen gegen die Juden die spater als Reichskristallnacht oder Novemberpogrome 1938 bezeichnet wurden die allerdings einen in dieser Nacht fur die damaligen Verhaltnisse zunachst ungewohnlichen Verlauf hatten Der Kreisleiter der NSDAP von Norden Krummhorn Lenhard Everwien wurde erst um Mitternacht von dem zufallig in Emden anwesenden Gauhauptstellenleiter Meyer erreicht Dieser teilte ihm mit dass der zustandige SA Fuhrer in Norden Sturmbannfuhrer Wiedekin nicht erreichbar sei Ewerwien solle so im Ablauf dies nun personlich in die Hand nehmen Nachdem Ewerwien zunachst untatig geblieben war wurde er dann gegen 1 Uhr in der Nacht direkt von Oldenburg aus aufgefordert Wiedekin zu wecken Everwien rief daraufhin die Partei und die SA Fuhrung sowie die Feuerwehr in den fruhen Morgenstunden des 10 November zusammen Er informierte sie uber die Weisung dass die Synagoge anzuzunden und alle Juden zu verhaften seien Von der Feuerwehr verlangte er Garantien zum Schutz der Nachbarhauser Der inzwischen geweckte Wiedekin gab nach der Alarmierung der SA den Befehl an die ihm unterstellte SA in Dornum weiter 6 Ab jetzt unterscheidet sich der Ablauf nicht von anderen Orten Kurz darauf brannte die Synagoge die Feuerwehr wurde herbeigeholt um eine Ausbreitung des Feuers auf nichtjudischen Besitz zu verhindern jedoch nicht die brennende Synagoge zu retten Die Juden wurden anhand einer Judenkartei von der SA zusammengetrieben gedemutigt und misshandelt und zum Norder Schlachthof getrieben Am nachsten Tag wurden sie zunachst zu Aufraumarbeiten an der Synagoge eingesetzt wobei die SA sie zwang noch erhaltene Kultgegenstande zu verbrennen Anschliessend wurden die Frauen entlassen und die Manner zum Teil in der Schule zum Teil im Norder Gefangnis untergebracht Am 11 November wurden sie schliesslich zusammen mit etwa 200 anderen judischen Ostfriesen nach Oldenburg uberstellt wo sie in einer Kaserne zusammengetrieben wurden Ca 1 000 judische Ostfriesen Oldenburger und Bremer wurden anschliessend mit einem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen nordlich von Berlin deportiert wo sie bis Dezember 1938 oder Anfang 1939 inhaftiert blieben Nach und nach freigelassen mussten sie aber die Folgekosten der angeordneten Zerstorung der Synagoge selbst aufbringen der Wiederaufbau der Synagoge selbst wurde verboten Alle Konten judischer Burger wurden gesperrt und mit einer Judenabgabe von 500 bis 3000 Reichsmark belegt sie erhielten lediglich einen Freibetrag von 150 Reichsmark im Monat Exodus Vertreibung und Ermordung Bearbeiten Nach den Novemberpogromen loste sich die Judische Gemeinde in Norden schnell auf Wohnten 1938 noch 78 Juden im Ort und weitere 10 im zur Synagogengemeinde gehorenden Marienhafe sank diese Zahl bis zum 16 April 1940 auf 11 Personen Neun von ihnen wurden kurz darauf abtransportiert wahrend die beiden halbwuchsigen Sohne eines judischen Vaters und einer nichtjudischen Mutter ab Oktober 1940 bei auswartigen Verwandten versteckt werden konnten und nicht mehr auffindbar waren So oder so seitens der nationalsozialistischen Dienststellen konnte Norden nun judenfrei gemeldet werden Nachkriegszeit Bearbeiten Fast 50 der judischen Norder wurden im Holocaust ermordet In Norden selbst wurden die Prozesse gegen die Hauptverantwortlichen 1948 und 1951 gefuhrt Das Gericht verhangte in beiden Prozessen bei 13 Verfahrenseinstellungen und sieben Freispruchen Freiheitsstrafen zwischen ein und vier Jahren von denen der grosste Teil auf Bewahrung ausgesetzt wurde Eine judische Gemeinde existiert nicht mehr Gemeindeentwicklung BearbeitenDie judische Gemeinde in Norden unterhielt ab 1878 eine Aussenstelle auf Norderney um den vielen dortigen judischen Badegasten gerecht zu werden Weitere Orte deren judische Burger von der Norder Synagogengemeinde aus betreut wurden waren Hage Marienhafe und Westerende Jahr Gemeindemitglieder1802 193 Personen1867 314 Personen1885 253 Personen1905 283 Personen1925 231 Personen1938 88 Personen1940 16 April 11 PersonenGedenkstatten Bearbeiten nbsp Gedenkstatte Platz der Synagoge nbsp Mahnmal auf dem judischen Friedhof von NordenAn die judische Gemeinde erinnern die Gedenkstatte fur die niedergebrannte Synagoge am Synagogenweg und ein Mahnmal auf dem judischen Friedhof Die Gedenkstatte auf dem Grundstuck der ehemalige Synagoge entstand 1987 auf Initiative der Okumenischen Arbeitsgruppe Synagogenweg Zentraler Bestandteil des kleinen Platzes ist ein bereits im September 1985 freigelegtes Grundmauerfragment der alten Synagoge 7 Das sich unterhalb des Strassenniveaus befindliche Mauernfragment wird uber eine mehrstufige terrassenformig angelegte Treppe erschlossen Ein Hinweisschild uber dem Mauernfragment erklart seine Bedeutung Abgerundet wird der Platz der Synagoge durch einen Gedenkstein zur Erinnerung und zur Mahnung Die Einweihung der Anlage erfolgte aus Anlass der Woche der Begegnung 1987 im Beisein ehemaliger Norder Juden und deren Angehorigen 8 Der bis dahin Judenlohne genannte Weg wurde durch die Stadt in Synagogenweg umbenannt Weitere Gebaude des alten judischen Gemeindezentrums sind im unmittelbaren Umfeld der ehemaligen Synagoge vollstandig erhalten Siehe auch BearbeitenGeschichte der Juden in Ostfriesland Ostfriesland zur Zeit des NationalsozialismusLiteratur BearbeitenLina Godeken Rund um die Synagoge in Norden Die Geschichte der Synagogengemeinde seit 1866 Aurich 2000 ISBN 3 932206 18 5 Herbert Reyer Martin Tielke Hrsg Frisia Judaica Beitrage zur Geschichte der Juden in Ostfriesland Aurich 1988 ISBN 3 925365 40 0 Das Ende der Juden in Ostfriesland Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlass des 50 Jahrestages der Kristallnacht Verlag Ostfriesische Landschaft Aurich 1988 ISBN 3 925365 41 9 Hans Forster jun Gunther Schwickert Norden Eine Kreisstadt unterm Hakenkreuz Dokumente aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933 1945 Norden 1988 hrsg von den Norder Jungsozialisten und vom SPD Ortsverein Norden im Eigendruck Daniel Fraenkel Norden Norderney In Herbert Obenaus Hrsg in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel Historisches Handbuch der judischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen Wallstein Gottingen 2005 ISBN 3 89244 753 5 S 1122 1139 Okumenische Arbeitsgruppe Synagogenweg Norden Hrsg Bernd Bohnsack Walter Demandt Almut Holler erinnern gedenken hoffen unter dem davidstern Woche der Begegnung vom 19 bis 24 Juni 2005 in Norden Norden 2006 Einzelnachweise Bearbeiten a b zitiert aus Im deutschen Reich Heft 10 Oktober 1905 S 545 Die Welt Jg 1 Heft 28 vom 10 Dezember 1897 Ostfriesischer Kurier 29 Marz 1933 Rheiderland Zeitung 4 April 1933 die Opfer wurden damit auch hier als Tater dargestellt Das Ende der Juden in Ostfriesland Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlass des 50 Jahrestages der Kristallnacht Verlag Ostfriesische Landschaft Aurich 1988 ISBN 3 925365 41 9 Das Ende der Juden in Ostfriesland 1988 S 30 Ostfriesische Landschaft Fundchronik 1985 abgerufen am 1 Januar 2010 Eine Woche der Begegnung Memento des Originals vom 19 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www norden de abgerufen am 1 Januar 2010 53 583333333333 7 1833333333333 Koordinaten 53 35 N 7 11 O Ehemalige judische Gemeinden in Ostfriesland Judische Gemeinde Aurich Judische Gemeinde Bunde Judische Gemeinde Dornum Judische Gemeinde Emden Judische Gemeinde Esens Judische Gemeinde Jemgum Judische Gemeinde Leer Judische Gemeinde Neustadtgodens Judische Gemeinde Norden Judische Gemeinde Norderney Judische Gemeinde Weener Judische Gemeinde Wittmund Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Norden amp oldid 235062843