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Die judische Gemeinde in Leer bestand uber einen Zeitraum von rund 300 Jahren von ihren Anfangen im 17 Jahrhundert bis zu ihrem Ende am 23 Oktober 1941 Orte mit judischen Gemeinden in Ostfriesland 1938 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Judischen Gemeinde in Leer 1 1 16 Jahrhundert bis 1933 1 2 1933 bis 1938 1 3 Novemberpogrome von 1938 1 4 Exodus Vertreibung und Ermordung 1 5 Nachkriegszeit 2 Gemeindeentwicklung 3 Gedenkstatten 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte der Judischen Gemeinde in Leer Bearbeiten16 Jahrhundert bis 1933 Bearbeiten nbsp Der alte judische Friedhof in Leer Leer war vor 1933 ein Zentrum des deutschen Viehhandels und infolgedessen fur die im Viehhandel tatigen ostfriesischen Juden ein zentraler Ort Wann genau sich die ersten Juden in Leer niedergelassen haben ist nicht mehr zu ermitteln Fest steht dass sich fur das gesamte Mittelalter auf der ostfriesischen Halbinsel die Anwesenheit von Juden nicht nachweisen lasst Ein erster Nachweis fur judisches Leben in Leer stammt aus dem Jahr 1611 Die judische Gemeinde geht mit grosser Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 1650 zuruck als die erforderliche Zahl von zehn mannlichen Gottesdienstbesuchern fur einen Minjan erreicht wurde Die fruhe Gemeinde nutzte fur ihre Gottesdienste noch angemietete Synagogenraume in der Kirchstrasse und in der Worde in der Nahe der Faldernstrasse Im Unterschied zu den anderen Kindern Ostfrieslands welche laut Polizeiverordnung der Grafin Anna schon seit dem Jahre 1545 schulpflichtig waren bestand fur die Kinder judischer Eltern bis 1803 keine Schulpflicht Kinder armer judischer Familien erhielten in der Synagoge Unterricht in judischer Glaubenslehre und in der hebraischen Sprache Die Kinder reicher judischer Familien erhielten Privatunterricht Im Unterschied zu den anderen judischen Gemeinden Ostfrieslands konnten die Leeraner Juden schon bald nach Grundung der Gemeinde einen Friedhof anlegen Dieser wurde Mitte des 17 Jahrhunderts angelegt und befand sich weit ausserhalb der Stadtgrenzen nahe dem Blutgericht dem Standort des Galgens Dieser befand sich fruher dicht am Ledaufer am Fahrsteg nach Esklum Deshalb hatte die betreffende Stelle des Suder Grashauses die Bezeichnung Galgenhohe oder Galgenvenne Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde die Bezeichnung Israelischer Friedhof eingefuhrt Am 11 Juni 1939 fand die letzte Beisetzung in nationalsozialistischer Zeit statt Nach 1945 liessen sich einige zuruckgekehrte Juden nach ihrem Tode auf dem Friedhof bestatten Um 1840 1850 wird eine judische Schule in einem Gebaude in der Kirchstrasse eingerichtet Im Jahr 1909 errichtete die Gemeinde eine Schule mit Lehrerwohnung an der Deichstrasse heute Ubbo Emmius Strasse 14 Der Gallimarkt der bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts ein reiner Kram und Viehmarkt war hatte eine so grosse wirtschaftliche Bedeutung fur Leer dass es unmoglich war ihn aus irgendwelchen Grunden zu verlegen ausgenommen religiose Grunde Wahrend die christlichen Feiertage bereits seit etwa 1820 berucksichtigt wurden geschah dies fur die judischen Feiertage erst rund 90 Jahre spater 1909 obwohl die Juden einen grossen Teil der Kramer und Viehhandler stellten und diese an den Feiertagen ausblieben Im August 1926 kam es auf dem Leeraner Viehmarkt zu Handgreiflichkeiten zwischen Studenten die ein grosses Hakenkreuz offen an der Jacke trugen und judischen Leeraner Viehhandlern 1933 bis 1938 Bearbeiten Nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatten die Juden in Ostfriesland unter Repressionen staatlicher Organe zu leiden Zunachst wurden sie registriert und die Gestapo uberprufte bei einigen die politische Gesinnung Auch Vereine Organisationen und Veranstaltungen standen mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur unter Beobachtung Am 28 Marz 1933 erliess Anton Bleeker der Standartenfuhrer fur Ostfriesland ein Schachtverbot fur alle ostfriesischen Schlachthofe und ordnete die Verbrennung der Schachtmesser an Dies fuhrte zu einem ersten grosseren Zwischenfall am 31 Marz 1933 als die Synagoge von bewaffneten SA Mannern umstellt wurde Die SA erzwang die Herausgabe der Schachtmesser um sie anschliessend auf dem Marktplatz zu verbrennen War der Antisemitismus bis 1933 eine unbedeutende Randerscheinung in Ostfriesland geblieben wurde er nun von der Mehrheit getragen Die Boykottaufrufe der Nationalsozialisten verfehlten ihr Ziel nicht Auf dem Viehmarkt in Leer dem grossten Markt dieser Art war jetzt ein Teil fur Juden abgezaunt Dadurch verschlechterte sich die okonomische Lage der Inhaber Einer nach dem anderen musste aufgeben und wurde somit auf kaltem Wege arisiert Novemberpogrome von 1938 Bearbeiten nbsp Synagoge in der Heisfelder Strasse 1885 1938 In der Nacht vom 9 auf den 10 November 1938 kam es auch in Leer zu den von der Reichsleitung der Nationalsozialisten befohlenen Ausschreitungen gegen die Juden die spater als Reichskristallnacht oder Novemberpogrome 1938 bezeichnet wurden Erich Drescher Burgermeister der Stadt Leer wurde von der Gauleitung Oldenburg zu Hause angerufen und in groben Zugen uber die geplanten Aktionen informiert Zusammen mit seinem Neffen der zufallig zu Besuch weilte wurde er von seinem Fahrer Heino Frank zum Rathaus gebracht wo er mit dem Standartenfuhrer Friedrich Meyer eine Unterredung fuhrte die der Abstimmung der Aufgabenbereiche diente Beide wurden in dieser Nacht wahrscheinlich unabhangig voneinander uber die Vorgange informiert 1 Meyer begab sich nach dem Gesprach nach Weener um hier den Befehl an den Fuhrer der SA Sturmbannfuhrer Lahmeyer weiterzugeben Wahrenddessen sammelte sich die SA auf dem Uferplatz im Leeraner Hafen und marschierte weiter zum Lyzeum an der Gaswerkstrasse dem heutigen Teletta Gross Gymnasium Dort wurden die Manner in verschiedene Trupps zum Anzunden der Synagoge und zur Aufholung der Juden eingeteilt Die Synagoge in der Heisfelder Strasse wurde mithilfe von Benzin in Brand gesetzt Ebenso sollte die Wohnung des Kantors und Vorsangers Joseph Wolffs ausgerauchert werden Wir wollen den Wolf in seiner Schlucht ausrauchern wurde von einem beteiligten SA Mann in dieser Nacht vernommen Die anwesende Leeraner Feuerwehr beschrankte ihre Tatigkeit unter den Augen Erich Dreschers anweisungsgemass auf den Schutz der Nachbarhauser Hier wird nicht geloscht das Ding muss weg soll Drescher auf den Gefahrenhinweis der Feuerwehr entgegengebracht haben Fast samtliche Juden aus der Stadt und dem Landkreis Leer wurden im stadtischen Viehhof auf der Nesse zusammengetrieben und misshandelt Im Laufe des Vormittags wurden die Frauen Kinder und nicht arbeitsfahige Manner entlassen sodass noch 56 Manner zusammen mit etwa 200 anderen judischen Ostfriesen nach Oldenburg uberfuhrt wurden Dort wurden sie in einer Kaserne zusammengetrieben Ca 1 000 judische Ostfriesen Oldenburger und Bremer wurden anschliessend in einem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen nordlich von Berlin deportiert wo sie bis Dezember 1938 oder Anfang 1939 in den Lagern inhaftiert blieben Nach und nach wurden sie wieder freigelassen Exodus Vertreibung und Ermordung Bearbeiten Nach der Zerstorung der Synagoge 1938 hielten die in Leer verbliebenen Juden in den oberen Raumen des Hauses Kampstrasse 37 heimlich Gottesdienste ab Die Judische Gemeinde in Leer loste sich nach den Novemberpogromen schnell auf Im Verlauf des Jahres 1938 wurde die Arisierung judischen Besitzes abgeschlossen 1939 wurden die Juden der Stadt gezwungen in sogenannten Judenhausern so unter anderem in der Kampstrasse 37 zu leben Noch bis 1939 hinaus konnten die Juden nach Zahlung einer Auswanderer Abgabe das Land verlassen Eine Initiative ostfriesischer Landrate und des Magistrats der Stadt Emden fuhrte Ende Januar 1940 zu der Weisung der Gestapo Leitstelle Wilhelmshaven wonach Juden Ostfriesland bis zum 1 April 1940 verlassen sollten Die ostfriesischen Juden mussten sich andere Wohnungen innerhalb des deutschen Reiches mit Ausnahme Hamburgs und der Linksrheinischen Gebiete suchen Als letzte judische Familie verliess die Familie Hirschberg Leer Ihr Haus in der Groninger Strasse Ecke Kampstrasse wurde 1940 als Ghetto fur die verbliebenen Juden aus dem Landkreis genutzt Von hier aus wurde die in Leer verbliebene judische Bevolkerung auf den Weg in die Vernichtungslager gebracht Ab 1943 fuhr jeden Dienstag ein Guterzug aus dem Durchgangslager Westerbork eine grosse Gruppe Haftlinge uber Assen Groningen und den Grenzbahnhof Nieuweschans nach Osten uberwiegend in die Vernichtungslager KZ Auschwitz Birkenau und Sobibor Die Fahrt dauerte ungefahr drei Tage Der Zug wurde bis Nieuweschans von niederlandischem Bahnpersonal unterstutzt und ab dort von deutschem Personal ubernommen In Leer hatten diese Zuge meistens zwei bis drei Stunden Aufenthalt an Gleis 14 des Hauptbahnhofs inmitten der Stadt Dort wurden sie von SS Mannern mit Maschinenpistolen bewacht Nachkriegszeit Bearbeiten Wahrend des Holocausts sind mindestens 236 Juden aus Leer ermordet worden drei starben durch Suizid und bei 61 ist das Schicksal ungeklart Uberlebt haben 107 Sie leben uber die ganze Welt verstreut 2 Anfang der 1980er Jahre wurde eine der zwei Bundestafeln die fruher uber dem Eingang zur Synagoge angebracht waren in einem Schrebergarten in der Stadt wieder aufgefunden Durch eine Initiative Leeraner Burger wurde sie nach Israel verbracht und dort an der Synagoge Ichud Schiwat Zion in der Ben Jehuda Strasse in Tel Aviv angebracht In Leer fanden 1948 bis 1950 Strafgerichtsprozesse gegen verschiedene verantwortliche Personen aus dem Landkreis Leer statt darunter auch gegen Oldersumer Sie endeten mit vergleichbar milden Urteilen Die meisten der verhangten Freiheitsstrafen mussten aufgrund von Amnestiebestimmungen nicht angetreten werden Viele Verantwortliche wurden gerichtlich nicht belangt Wenige uberlebende Juden kehrten nach 1945 in ihre Heimatstadt Leer zuruck Sie sind heute Teil der Synagogengemeinde Oldenburg An der Stelle der Synagoge wurde in den 1960er Jahren eine Autowerkstatt errichtet die bis zur Wende 1989 90 erhalten blieb So konnte den Geruchten uber eventuell noch unversehrte Kellergewolbe der Synagoge 3 lange nicht nachgegangen werden Im September 2019 legte der neue Eigentumer der Flache Plane zur Bebauung der brachliegenden Flachen vor 4 Im Neubau soll laut Aussage der Planer ein Anbau mit einem Raum der Stille auf die Synagoge hinweisen Der Archaologische Dienst der Ostfriesischen Landschaft fuhrte im Vorfeld der Neubebauung eine archaologische Untersuchung durch 5 Im Zuge der Untersuchungen liess sie im Juni 2020 zwei Baggerschnitte auf dem Gelande durchfuhren Im ersten Schnitt entdeckten die Archaologen in zwei Metern Tiefe das Fundament der nordlichen Aussenwand der Synagoge deren genaue Lage auf dem Grundstuck damit geklart ist Auf dem Fundamentboden fanden sich die Brandschicht des Feuers aus dem November 1938 sowie eine etwa 50 cm machtige Lage aus Bau und Brandschutt der Synagoge Der Zweite Schnitt offnete den Eingang in das Untergeschoss der ehemaligen Rabbinerwohnung Dort fuhren drei Stufen hinab auf einen rotlichen Zementestrich In diesem Bereich ist nach den Bauplanen der Eingangsbereich in den Heizungskeller und moglicherweise auch in das Tauchbad zu finden Um die letzten Reste der Synagoge vor ihrer endgultigen Zerstorung zu dokumentieren sollen in Abstimmung mit der Stadt Leer sowie der Bauherrengesellschaft weitere archaologische Untersuchungen stattfinden Anschliessend wird das Gelande neu bebaut 6 Gemeindeentwicklung Bearbeiten nbsp Der judische Friedhof in Leer LogaDie judische Gemeinde in Leer war mit 289 Mitgliedern die drittgrosste in Ostfriesland Jahr Gemeindemitglieder1802 175 Personen1867 219 Personen1885 306 Personen1905 266 Personen1925 289 PersonenGedenkstatten Bearbeiten nbsp Gedenktafel auf dem judischen Friedhof Eine Gedenkstatte fur die zerstorte Synagoge an der Heisfelder Strasse befindet sich seit 2002 direkt gegenuber dem einstigen Standort des Gotteshauses Die Statte wurde vollstandig durch Spenden von Leeraner Burgern finanziert 7 An der Stelle der alten Synagoge ist lediglich eine Gedenktafel angebracht da auf dem Grundstuck mittlerweile eine Autowerkstatt steht So konnte den Geruchten uber eventuell noch unversehrte Kellergewolbe 8 der Synagoge noch nicht nachgegangen werden Eine weitere Gedenktafel findet sich auf dem alten judischen Friedhof an der Groninger Strasse Die Ehemalige Judische Schule Leer ist seit dem 1 September 2013 eine Kultur und Gedenkstatte zum judischen Leben damals und heute Siehe auch BearbeitenGeschichte der Juden in Ostfriesland Ostfriesland zur Zeit des NationalsozialismusLiteratur BearbeitenJohannes Roskamp Zur Geschichte der Juden in Leer Leer 1985 Edzard Busemann Disselhoff Olaf Hennings Auf den Spuren ehemaliger judischer Mitburger in Leer Ein Stadtspaziergang fur Jugendliche ab 14 Jahren Leer ca 2010 Bernd Buttjer Leeraner Juden vor Gericht Eine Auseinandersetzung auf dem Viehmarkt in Leer 1926 Leer 1985 Herbert Reyer Martin Tielke Hrsg Frisia Judaica Beitrage zur Geschichte der Juden in Ostfriesland Aurich 1988 ISBN 3 925365 40 0 Das Ende der Juden in Ostfriesland Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlass des 50 Jahrestages der Kristallnacht Verlag Ostfriesische Landschaft Aurich 1988 ISBN 3 925365 41 9 Daniel Fraenkel Leer In Herbert Obenaus Hrsg in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel Historisches Handbuch der judischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen Wallstein Gottingen 2005 ISBN 3 89244 753 5 S 942 957 Weblinks BearbeitenOldersum 1933 1945 Christen und Juden in unserer Stadt Schulprojekt der Europaschule Friesenschule Memento vom 21 Mai 2013 im Internet Archive Synagoge in Leer aus dem Photo Archive der israelischen Holocaust Gedenkstatte Yad Vashem Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen LeerEinzelnachweise Bearbeiten Website Stadt Leer Wir wollen den Wolf in seiner Schlucht ausrauchern Memento des Originals vom 29 September 2007 imInternet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www stadt leer de Archivpadagogische Anlaufstelle der Stadt Leer Shoa Aus der Reihe Unterrichtsmaterialien der ApA eingesehen am 29 April 2011 Wir wollen den Wolf in seiner Schlucht ausrauchern Stadt Leer abgerufen am 24 August 2012 Leer Schandfleck im Stadtbild soll weg Abgerufen am 18 September 2019 Leer Ratsel um Synagoge konnte gelost werden Abgerufen am 18 September 2019 Pressemitteilung der Ostfriesischen Landschaft vom 11 Juni 2020 Synagogen Gedenkstatte abgerufen am 21 April 2016 Synagogen in Leer abgerufen am 21 April 201653 233333333333 7 4333333333333 Koordinaten 53 14 N 7 26 O Ehemalige judische Gemeinden in Ostfriesland Judische Gemeinde Aurich Judische Gemeinde Bunde Judische Gemeinde Dornum Judische Gemeinde Emden Judische Gemeinde Esens Judische Gemeinde Jemgum Judische Gemeinde Leer Judische Gemeinde Neustadtgodens Judische Gemeinde Norden Judische Gemeinde Norderney Judische Gemeinde Weener Judische Gemeinde Wittmund Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Leer amp oldid 220854172