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Die Judische Gemeinde Kassel ist die judische Gemeinde von Kassel Sie zahlt heute rund 880 Mitglieder Stand 2013 Die von Albrecht Rosengarten erbaute Synagoge in Kassel von 1839 Stahlstich von G M Kurz Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Die judische Gemeinde im Mittelalter und fruher Neuzeit 1 2 Privilegierung Goldschmidts und die Ausweisung der anderen Familien 1635 1 3 Emanzipation durch Dekret Jerome Napoleons 1808 1 4 Vernichtung der Gemeinde im Nationalsozialismus nach 1933 1 5 Neuanfang 1945 2 Bekannte Gemeindemitglieder 3 Einzelnachweise 4 Literatur 5 WeblinksGeschichte BearbeitenDie judische Gemeinde im Mittelalter und fruher Neuzeit Bearbeiten Bereits im Mittelalter bestand in Kassel eine judische Gemeinde 1262 wurde eine Judengasse genannt was auf eine judische Ansiedlung mindestens in der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts schliessen lasst 1293 wird als Vorvorbesitzerin und Bewohnerin eines Hauses eine Judin Rechelin Rachel genannt Bei der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348 49 wurde die judische Gemeinde vernichtet 1360 wird Jud Joseph von Kassel in Frankfurt erwahnt vermutlich ein Uberlebender der Verfolgung Seit 1368 wurden wieder Juden in Kassel genannt 1398 bestand eine judische Gemeinde mit Synagoge Judenschule Die auch noch im 15 Jahrhundert mehrfach genannte Judengasse lag am Rande der Altstadt zwischen Fuldaufer und Kloster Ahnaberg Spater wohnten Juden in der Gasse Hinter dem Judenbrunnen Nach der Reformation verschlechterte sich die Lage der Juden in Kassel sodass viele auswanderten namentlich nach Frankfurt am Main und Warburg 1605 wohnten nur noch zwei judische Familien in Kassel Wahrend des Dreissigjahrigen Krieges stieg die Zahl der Familien wieder an da Familien aus den Landgemeinden offenbar Schutz in der gut befestigten Stadt suchten und fanden 1620 wurden zehn Familien gezahlt 1623 waren es zwolf 1622 fand in Kassel ein erster Judenlandtag der Juden Hessen Kassels statt Privilegierung Goldschmidts und die Ausweisung der anderen Familien 1635 Bearbeiten Nach dem Krieg lebte nur der Hofjude Hofbankier Benedikt Goldschmidt als einziger Jude mit seiner Familie in der Stadt da es ihm 1635 nach langjahrigen Auseinandersetzungen mit dem orthodoxen Rabbiner Isaak aus Bettenhausen durch seinen starken Einfluss beim Landgrafen Moritz von Hessen gelungen war die Ausweisung aller ubrigen noch in Kassel lebenden Juden sowie zugleich fur die folgenden Jahre das alleinige Siedlungsrecht in Kassel fur seine eigene Familie zu erwirken 1656 wurde daraufhin der Sitz des Landrabbinats nach Witzenhausen verlegt Erst etwa ab 1710 wanderten allmahlich auch andere Juden wieder in die Stadt ein 1726 lebten bereits wieder zwolf Familien in der Stadt Da zur damaligen Zeit ein judischer Name nur aus dem Vornamen und dem Patronym bestand sind Nachforschungen uber die Herkunft der in den folgenden Jahrzehnten nach Kassel eingewanderten Personen schwierig In diesen Jahren wuchs der Druck auf die Juden sich der deutschen Sprache zu bedienen weshalb auch bereits 1739 in der Landgrafschaft Hessen Kassel die Anordnung erging dass Juden in ihrer Geschaftskorrespondenz nicht langer Jiddisch oder Hebraisch benutzen durften 1744 zahlte man 18 Familien die vorwiegend im ostlichen Teil der Altstadt zusammenlebten Eine Ansiedlung in der Oberneustadt der vornehmen Hugenottensiedlung war 1738 untersagt worden In der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts besserte sich allmahlich die rechtliche Situation der judischen Bewohner der Stadt Nach 1767 war es den judischen Familien gestattet sich im ganzen Stadtgebiet niederzulassen Die wenigen reicheren Hofjuden einige Hoffaktoren wie Feidel David und Moses Buding Hofbankiers Hofjuweliere durften nun auch Hauser kaufen andere konnten zumindest Hauser mieten und Handel in offenen Laden betreiben 1772 wurde der Sitz des Landrabbinats Provinzialrabbinat von Witzenhausen nach Kassel verlegt Die Zahl der judischen Einwohner stieg auf etwa 50 Familien um 1800 an Emanzipation durch Dekret Jerome Napoleons 1808 Bearbeiten Im Dezember 1807 wurde Konig Jerome Bonaparte 1784 1860 Napoleons Bruder als Konig von Westphalen von der judischen Bevolkerung Kassels begeistert als Befreier gefeiert Per Dekret erhielten sie am 27 Januar 1808 Freiheit und Gleichberechtigung im ganzen Konigreich und mussten Familiennamen annehmen No 30 Konigliches Decret vom 27 Januar 1808 welches die den Juden aufgelegten Abgaben aufgebt Wir Hieronymus Napoleon von Gottes Gnaden und durch die Constitution Konig von Westphalen franzosischer Prinz haben nach Ansicht des 10ten und 15ten Artikels der Constitution vom 15 November 1807 verordnet und verordnen wie folgt Art 1 Unsere Unterthanen welche der Mosaischen Religion zugethan sind sollen in Unsern Staaten dieselben Rechte und Freyheiten geniessen wie Unsere ubrigen Unterthanen Art 2 Denjenigen Juden welche ohne Unsere Unterthanen zu seyn durch Unser Konigreich reisen oder darin sich aufhalten sollen dieselben Rechte und Freyheiten zustehen die jedem anderen Fremden eingeraumt werden 1 Die rechtliche Verbesserung der Juden fuhrte zu einem starken Wachstum der Gemeinde Die Zahl der Familien verdoppelte sich von 1800 bis 1812 auf etwa 100 Familien Auch nach Ruckkehr des Kurfursten Wilhelm von Hessen Kassel 1743 1821 im November 1813 wurden viele Reformen beibehalten aber erst 1833 wurde die volle Emanzipation der Juden durchgesetzt Am 8 August 1839 wurde die von dem Kasseler Architekten Albrecht Rosengarten erbaute neue Synagoge eingeweiht zu deren Bau insbesondere die Familien Goldschmidt Buding und Gans namhafte Geldbetrage gespendet haben Zu dieser Zeit gab es in Kassel nur funf christliche aber 15 judische Bankiers darunter vier aus der Familie Goldschmidt und drei namens Buding Im 19 Jahrhundert nahm die Zahl der judischen Einwohner durch starken Zuzug aus den Landgemeinden weiter zu 1835 wurden 1870 Gemeindeglieder gezahlt um 1875 etwa 3000 Das judische Gemeindeleben wurde gepragt durch die Aktivitaten zahlreicher judischer Vereine von denen ein grosser Teil Ziele im Bereich der Wohlfahrtspflege hatte Unter anderem bestanden der Israelitische Krankenpflegeverein e V gegrundet 1773 die Gesellschaft der Humanitat gegrundet 1802 der Israelitische Frauenverein gegrundet 1811 der Verein fur Israelitische Armenpflege gegrundet 1878 die Ferienkolonie der Sinai Loge U O B B gegrundet 1888 die Israelitische Bruderschaft Chewras Gemiluth Chasodim gegrundet 1874 der Bikkur Cholim Verein gegrundet 1925 der Reichsbund judischer Frontsoldaten die Zionistische Vereinigung u a m Es bestanden zahlreiche Stiftungen An Anstalten und Einrichtungen gab bis in die 1930er Jahre das Israelitische Altersheim das Israelitische Waisenhaus und der Kinderhort des Israelitischen Frauenvereins Die Kasseler Juden waren auch Mitglieder in allgemeinen Vereinen wie den Turnvereinen Karnevalsgesellschaften usw Hinsichtlich der Berufsstruktur lebten zunachst die meisten Familien bis Anfang des 19 Jahrhunderts vom Handel mit Waren aller Art In der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts nach der gesetzlichen Emanzipation erlernten viele junge judische Leute einen Handwerksberuf Um 1840 gab es 15 judische Bankiers in Kassel nur funf nichtjudische Mitte des 19 Jahrhunderts gab es die ersten beiden judischen Ingenieure Alsbald gab es judische Arzte Rechtsanwalte Lehrer aber auch judische Hoteliers und Inhaber von Gaststatten Zahlreiche Industriebetriebe wurden von judischen Unternehmern aufgebaut Lang ist die Liste von Handels und Gewerbebetrieben die judischen Geschaftsleuten gehorten Von Bedeutung war z B die Familie Gotthelft die ab 1841 eine Druckerei betrieb und ab Dezember 1853 die Tageszeitung Gewerbliches Tageblatt und Anzeiger erst unter preussischer Oberhoheit ab 1873 konnte sie den Namen Casseler Tageblatt annehmen herausgab Dieses vielgelesene Blatt erschien ab 1900 taglich in zwei Ausgaben bei einer Auflage von 21000 Exemplaren Nationalsozialistische Boykottpropaganda fuhrte zu einem Ruckgang des Anzeigenteils und der Leserschaft und die letzte Ausgabe erschien am 30 September 1932 Im Ersten Weltkrieg fielen aus Kassel 62 judische Manner Bis weit ins 20 Jahrhundert hinein waren mehrere bedeutende Rabbiner in der Stadt tatig u a Philipp Roman Lazarus Adler Isaak Prager Max Doctor Gotthilf Walter und 1936 39 noch Robert Raphael Geis Die judischen Kinder besuchten teilweise die allgemeinen Schulen am Ort teilweise die offentliche israelitische Elementarschule 1933 an dieser Schule 176 Kinder Vernichtung der Gemeinde im Nationalsozialismus nach 1933 Bearbeiten 1933 wurden 2301 judische Einwohner in Kassel gezahlt Zu ersten gewaltsamen Aktionen gegen Juden kam es bereits 1933 am 24 Marz 1933 wurde der Rechtsanwalt Max Plaut von Kasseler Nationalsozialisten so brutal misshandelt dass er zehn Tage spater an den inneren Verletzungen starb Zum Boykott der judischen Geschafte wurde bereits seit 1930 in der NS Zeitung Hessische Volkswacht aufgerufen Nach einer Rede von Julius Streicher in der Stadthalle in Kassel am 11 Dezember 1936 wurden die Geschafte judischer Inhaber gesturmt Bis 1938 waren die meisten judischen Gewerbebetriebe zur Aufgabe gezwungen worden oder arisiert Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge verwustet und wenig spater abgebrochen s u zahlreiche judische Geschafte wurden demoliert Uber 250 judische Manner wurden verhaftet und in das KZ Buchenwald gebracht wo sie mehrere Wochen festgehalten wurden In den folgenden Jahren waren die in Kassel noch lebenden Juden einer volligen Entrechtung ausgesetzt 1940 wohnten noch 1300 Juden in der Stadt Nach der Deportation von 1000 Kasseler Juden ins Ghetto Riga im Dezember 1941 2 und weiteren Deportationen bis Anfang 1945 wurde Kassel weitgehend judenfrei gemacht Im Gedenkbuch Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933 1945 sind die Namen von 1007 ermordeten judischen Einwohnern aufgezahlt Neuanfang 1945 Bearbeiten nbsp Mitgliederentwicklung der Judischen Gemeinde von 1989 2000 3 Nach 1945 grundeten etwa 300 judische Uberlebende des Holocausts etwa 80 von ihnen Fluchtlinge aus dem Osten Displaced Persons eine neue judische Gemeinde Ein grosser Teil von ihnen wanderte zwar 1948 50 nach Israel oder nach Amerika aus dennoch blieb eine Gemeinde bestehen die 1965 88 Mitglieder zahlte darunter zwolf Kinder Seit den 1990er Jahren erfuhr die Gemeinde starken Zuwachs aus der ehemaligen Sowjetunion und zahlte im Jahre 2006 wieder etwa 1300 Mitglieder Auf Grund von Abwanderung junger Menschen in grossere Stadte und Uberalterung schrumpfte die Zahl der Gemeindemitglieder auf zuletzt 725 Mitglieder im Jahr 2018 4 Bekannte Gemeindemitglieder BearbeitenSigmund Aschrott 1826 1915 Kaufmann Industrieller Bankier und Immobilienunternehmer Felix Blumenfeld 1873 1942 Kinderarzt Moses Buding 1748 1749 1811 Bankier Ludwig Mond 1839 1909 Chemiker und Industrieller Benedikt Goldschmidt um 1575 1642 Hofbankier Hofjuwelier Erster Vorsteher und Schtadlan der Landesjudenschaft Simon Goldschmidt 1600 1658 Hofbankier Hofjuwelier Erster Vorsteher und Schtadlan der Landesjudenschaft Hesse Goldschmidt 1689 1690 1733 Kaufmann Adolph Gotthelft 1828 1901 Druckereibesitzer und Zeitungsverleger Carl Gotthelft 1817 1880 Druckereibesitzer und Zeitungsverleger Sara Nussbaum 1868 1956 Gemeindeschwester KZ Uberlebende erste weibliche Ehrenburgerin von Kassel Max Plaut 1888 1933 Rechtsanwalt Albrecht Rosengarten 1810 1893 Architekt Erbauer der Hauptsynagoge in Kassel Franz Rosenzweig 1886 1929 Historiker und Philosoph Max Rothfels 1854 1935 Rechtsanwalt Frieda H Sichel 1889 1976 deutsche Nationalokonomin und sudafrikanische SozialarbeiterinEinzelnachweise Bearbeiten Gesetz Bulletin des Konigreiches Westphalen Erster Teil Cassel 1808 S 254 259 Kogon Eugen Der SS Staat S 243 Und sie sollen mir machen ein Heiligtum Judische Gemeinde Kassel Eigenverlag Judische Gemeinde Kassel In zentralratderjuden de abgerufen am 14 Marz 2020 Literatur BearbeitenShulamit Volkov Die Juden in Deutschland 1780 1918 In Enzyklopadie deutscher Geschichte Band 16 R Oldenbourg Verlag Munchen 1994 Paul Arnsberg Die judischen Gemeinden in Hessen Zwei Bande Societats Verlag Frankfurt Main 1971 Rudolf Hallo Aus der Geschichte der Kasseler Gemeinde In Judische Wochenzeitung fur Cassel Hessen und Waldeck Kassel 1930 Rudolf Hallo Geschichte der judischen Gemeinde Kassel unter Berucksichtigung der Hessen Kassler Gesamtjudenheit Kassel 1931 Weblinks BearbeitenZur judischen Geschichte in Kassel und zur Geschichte der Synagogen bei Alemannia JudaicaJudische Gemeinden im Landesverband Hessen Bad Nauheim Darmstadt Fulda Giessen Hanau Kassel Limburg Marburg Offenbach Wiesbaden Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Kassel amp oldid 230913312