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Dieser Artikel behandelt den philosophischen Begriff Zur Verwendung in der medizinischen Fachsprache siehe beispielsweise Totenflecke Hypostase altgriechisch ὑpostasis hypostasis allgemein Grundlage philosophisch Seinsstufe ist ein Begriff der seit der Spatantike in philosophischen Texten verwendet wird zunachst fur den konkreten Bestand einer Sache In der christlichen Trinitatslehre wird er benutzt um die drei gottlichen Personen Vater Sohn und Heiliger Geist unter dem Gesichtspunkt ihrer jeweiligen Besonderheit zu bezeichnen im Gegensatz zu dem ihnen gemeinsamen Wesen ihrer ousia ein Wesen drei Hypostasen Immanuel Kant pragte das Verb hypostasieren fur all diejenigen Falle in denen das Denken real gar nicht existierender Objekte mit deren angeblicher Erkenntnis verwechselt wird Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung und allgemeine Bedeutungen 2 Philosophischer Fachbegriff 2 1 Antike 2 2 Neuzeit 3 Christliche Theologie und Religionswissenschaft 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenUrsprung und allgemeine Bedeutungen BearbeitenDas Substantiv ὑpostasis hypostasis ist vom Verb ὑϕisthmi hyphistemi auch ὑpisthmi hypistemi abgeleitet das intransitiv darunter stehen und allgemeiner vorhanden sein oder bestehen transitiv darunter stellen legen oder stutzen bedeutet Als medizinischer und naturwissenschaftlicher Begriff kommt Hypostasis seit Hippokrates und Aristoteles vor die Hauptbedeutungen sind Unterlage und Stutze sowie das was sich unten ansammelt ein Bodensatz ein Niederschlag oder beispielsweise auch vom Baum herunterrinnendes Harz Im Zeitalter des Hellenismus wurden daraus abgeleitete abstrakte Bedeutungen wie Grundlage und Gesamtplan oder auch Grundkonzeption gebrauchlich Der philosophische Sprachgebrauch ist wohl vom Bild des Bodensatzes abgeleitet Der Bodensatz ist das was zunachst in der Flussigkeit verborgen war dann aber abgesunken ist und sich angesammelt und verdichtet hat so ist es sichtbar geworden und bleibt danach bestehen auch wenn die Flussigkeit verdunstet Hypostasis bedeutet hier dauerhafter Bestand oder Wirklichkeit eine nicht nur scheinbare oder eingebildete Existenz In diesem Sinne kommt das Wort ab dem 2 Jahrhundert v Chr vor Es war aber zunachst kein streng definierter auf eine bestimmte Bedeutung eingeengter Fachbegriff Versuche der alteren Forschung einen spezifischen Sprachgebrauch der Stoiker oder der Peripatetiker nachzuweisen sind gescheitert 1 Erst spater wurde Hypostasis auch als Synonym von Substanz griechisch ousia verwendet Es besteht aber doch wie Textstellen zeigen ein Bedeutungsunterschied Hypostasis bezeichnet die in Erscheinung tretende Verwirklichung des mit ousia gemeinten abstrakten Seins wortlich der Seiendheit das konkrete Vorhandensein in der Realitat So schreibt der Aristoteles Kommentator Alexander von Aphrodisias dass Stoff und Form sich nach ihrem Sein kat ousian unterscheiden in ihrem Bestand hypostasei und Vorkommen aber untrennbar sind 2 Philosophischer Fachbegriff BearbeitenAntike Bearbeiten Neben seinen bisherigen allgemeinen dehnbaren Bedeutungen erhielt der Begriff Hypostasis in der griechischen Philosophie der romischen Kaiserzeit aber auch eine konkrete Bedeutung als Fachbegriff vor allem im Neuplatonismus In dieser Verwendung bezeichnet er eine eigenstandige Existenzform die von anderen Existenzformen abgegrenzt werden soll Damit ist nicht die Existenz von Einzeldingen gemeint die von anderen Einzeldingen derselben Art unterschieden werden sondern eine besondere Art des Bestehens der Realitat So betrachtete der Skeptiker Sextus Empiricus Begriffe wie weiss und suss als Hypostasen nicht aber Steigerungsformen wie weisser oder susser Er erorterte auch die Frage ob der Linie dem Ganzen oder der Zahl eine eigene Realitat zuzuschreiben ist und sie somit als Hypostasen zu betrachten sind Bisweilen schrieben Philosophen etwas sei eine bzw keine Hypostase wenn sie meinten dass es eine bzw keine Hypostase aufweise Im Neuplatonismus und spater im Christentum burgerte sich dieser Sprachgebrauch ein Der Begrunder der neuplatonischen Tradition Plotin verwendet den Begriff Hypostase haufig aber noch nicht im Sinne eines besonderen Fachterminus Er spricht von drei Naturen physeis im hierarchisch aufgebauten Bereich des Geistigen dem Einen dem Nous und der Seele Das Eine nennt er auch erste Hypostase Die Materie betrachtet Plotin als nicht im eigentlichen Sinne existierend und damit nicht als Hypostase Als Fachbegriff speziell fur Naturen im Sinne von Seinsformen oder Seinsstufen ist Hypostase erst bei Plotins Schuler Porphyrios gelaufig Dieser bezeichnet den Nous die Seele und den Weltkorper als ganze und vollkommene Hypostasen unterhalb des Einen in anderem Zusammenhang wird deutlich dass er auch das Eine selbst als vollkommene Hypostase betrachtet Neben diesen vollkommenen Hypostasen in der rein geistigen Welt nimmt er unvollkommene Hypostasen an die sich in Raum und Zeit manifestieren Die jeweils untergeordnete Seinsstufe erscheint in diesem neuplatonischen Stufenmodell als Ausfluss der nachsthoheren sie geht aus der hoheren hervor ohne dass diese dadurch verandert oder gemindert wird In anderem Zusammenhang nennt Porphyrios Platon auslegend das Gute den Demiurgen Weltschopfer und die Weltseele die drei Hypostasen des Gottlichen Anscheinend ist Porphyrios auch der Urheber der philosophischen Verwendung des Gegenbegriffs parhypostasis Dieser diente zur Bezeichnung der scheinbaren Existenz von etwas was nicht wirklich vorhanden ist sondern nur einen Mangel an etwas Wirklichem darstellt Eine solche unreale Existenzweise schrieben die antiken Neuplatoniker besonders Proklos dem Bosen zu das sie als blossen Mangel auffassten Neuzeit Bearbeiten Im 17 und 18 Jahrhundert wurde der Begriff Hypostase in der philosophischen Terminologie ungebrauchlich in den Fachlexika wurde er nicht behandelt Erst Immanuel Kant griff den Wortstamm wieder auf indem er das Verb hypostasieren pragte Damit bezeichnete er die Erzeugung einer irrigen Vorstellung die entsteht wenn einem blossen Gedanken unberechtigterweise gegenstandliche Realitat untergeschoben wird obwohl es keine Grundlage fur die Annahme gibt dass dem Gedanken in ebenderselben Qualitat ein wirklicher Gegenstand ausserhalb des denkenden Subjekts entspreche Kant befand die Vernunft werde irregefuhrt wenn man Ideen hypostasiere das heisst wenn man eine bloss subjektive Maxime der Vernunft fur die gegenstandliche Bestimmung der Objekte der empirischen Erfahrung nehme und dann meine die den hypostasierten Ideen entsprechenden Objekte erkennen zu konnen So gebe man das Denken eines Objekts fur dessen Erkenntnis aus Ein solches Vorgehen beruhe auf einem blossen Blendwerke Nicht nur Gedanken sondern auch sinnliche Vorstellungen konne man hypostasieren 3 Unter dem Einfluss Kants gingen die Ausdrucke hypostasieren und Hypostasierung in den philosophischen Sprachgebrauch ein So schrieb Arthur Schopenhauer der menschliche Wille bringe den Theismus hervor weil also gebetet werden soll wird ein Gott hypostasirt nicht umgekehrt 4 Der Neukantianer Wilhelm Windelband 1848 1915 bezeichnete die Metaphysik als Hypostasierung von Idealen im reinsten Falle von logischen Idealen 5 Windelband konstatierte diese Hypostasierung beruhe darauf dass die Philosophie immer das Recht in Anspruch genommen habe die Welt so zu denken dass uber alle Unzulanglichkeiten ihrer Erscheinung hinaus in ihrem tiefsten Grunde die Wertbestimmungen des Geistes lebendige Wirklichkeit sein sollten 6 Dieses Recht sei ihr zwar vom Positivismus bestritten worden doch handle es sich nicht um ein in der Wurzel verfehltes Bestreben Vielmehr gebe es dafur nicht nur wie Kant meinte eine Begrundung durch die praktische Vernunft sondern auch rein theoretische Grunde die durchaus berechtigt seien 7 Max Horkheimer kritisierte das falsche Selbstbewusstsein des burgerlichen Gelehrten das im Neukantianismus einen besonders pragnanten Ausdruck gefunden habe Dieser habe einzelne Zuge der theoretischen Tatigkeit des Fachgelehrten zu universalen Kategorien gemacht gleichsam zu Momenten des Weltgeistes des ewigen Logos Das sei eine Hypostasierung des Logos als der Wirklichkeit 8 Christliche Theologie und Religionswissenschaft BearbeitenDie antiken Christen fassten den Begriff Hypostase anfanglich im damals gangigen philosophischen Sinn auf so wird er im Neuen Testament verwendet In der Spatantike erfuhr der Begriff jedoch in der Diskussion um die Trinitat eine Umdeutung Als Hypostasen bezeichnete man nun die Personen der Trinitat Vater Sohn und Heiliger Geist wahrend deren Einheit ousia Wesen genannt wurde Die Formel von dem einen Wesen Gottes in drei Hypostasen Personen wurde zum Bestandteil des christlichen Dogmas Ein fundamentaler Unterschied zur nichtchristlichen philosophischen Bedeutung von Hypostase besteht darin dass in der christlichen Lehre die Hypostasen nicht hierarchisch gestuft sondern wesensgleich sind Sie besitzen dieselbe Substanz und sind nur ihrer Relation nach verschieden Ab dem letzten Viertel des 4 Jahrhunderts wurde in der Christologie der Begriff Hypostase der anfanglich ein Synonym von Natur physis gewesen war zunehmend im Sinne der neuen Terminologie umgepragt Nachdem sich die neue Bedeutung im 5 Jahrhundert durchgesetzt hatte unterschied man zwischen der einen Hypostase Person Christus und seinen beiden Naturen der menschlichen und der gottlichen Diese Unterscheidung ermoglichte eine dogmatische Formulierung mit der sowohl die Verschiedenheit der Naturen als auch die Einheit der Person gewahrt bleiben sollte Die vom Konzil von Chalkedon im Jahr 451 beschlossene Formel besagt dass Christus einerseits die beiden Naturen aufweise die unvermischt seien andererseits aber in ihm die Einheit Gottes und des Menschen auf der Ebene der Hypostase verwirklicht sei Diese Einheit wird in der Theologie hypostatische Union genannt Die Auslegung der Formel hangt vom Verstandnis des Verhaltnisses von Natur und Person ab und ist unter Theologen umstritten 9 In der Religionswissenschaft bezeichnet man die Konkretisierung unterschiedlicher Wirkungsweisen einer Gottheit als Hypostase Literatur BearbeitenBernard Besnier Hypostase In Encyclopedie philosophique universelle Band 2 Les notions philosophiques Dictionnaire Teil 1 Philosophie occidentale A L Presses universitaires de France Paris 1990 ISBN 2 13 041 442 7 S 1178 1183 Heinrich Dorrie Platonica minora Fink Munchen 1976 ISBN 3 7705 1108 5 enthalt S 13 69 Hypostasis Wort und Bedeutungsgeschichte S 286 296 Zum Ursprung der neuplatonischen Hypostasenlehre Jurgen Hammerstaedt Hypostasis In Reallexikon fur Antike und Christentum Band 16 Hiersemann Stuttgart 1994 ISBN 3 7772 9403 9 Sp 986 1035 Kuno Lorenz Matthias Gatzemeier Hypostase In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie 2 Auflage Band 3 Metzler Stuttgart 2008 S 489 f Basil Studer Hypostase In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 3 Schwabe Basel 1974 Sp 1255 1259Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Hypostase Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenAnmerkungen Bearbeiten Jurgen Hammerstaedt Hypostasis In Reallexikon fur Antike und Christentum Band 16 Stuttgart 1994 Sp 986 1035 hier 990 f Alexander von Aphrodisias Kommentar zu den Analytica priora des Aristoteles 4 10 f und 4 13 Immanuel Kant Kritik der reinen Vernunft A 384 386 A 392 A 395 A 580 A 692 694 Siehe dazu Hypostasierung hypostasieren In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 3 Basel 1974 Sp 1259 f Jindrich Karasek Hypostasieren In Marcus Willaschek u a Hrsg Kant Lexikon Band 2 Berlin 2015 S 1058 f Arthur Schopenhauer Parerga und Paralipomena hrsg von Arthur Hubscher 2 Auflage Band 1 Wiesbaden 1946 S 126 Wilhelm Windelband Einleitung in die Philosophie Tubingen 1914 S 34 38 Wilhelm Windelband Einleitung in die Philosophie Tubingen 1914 S 34 Wilhelm Windelband Einleitung in die Philosophie Tubingen 1914 S 34 41 Max Horkheimer Kritische Theorie Eine Dokumentation hrsg von Alfred Schmidt Band 2 Frankfurt 1968 S 146 f Notger Slenczka Hypostatische Union In Religion in Geschichte und Gegenwart 4 neu bearbeitete Auflage Band 3 Tubingen 2000 Sp 1981 f Normdaten Sachbegriff GND 4161136 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hypostase amp oldid 236608247