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Unter einem Hostienwunder versteht man ein eucharistisches Wunder das unerklarte Erscheinungen an einer konsekrierten Hostie beinhaltet Die haufigsten Erzahlungen uber Hostienwunder seit dem 12 Jahrhundert sind Berichte uber Bluthostien an denen sich auf wunderbare Weise Blut gezeigt haben soll Beschreibung des Hostienwunders Wunderbarliches Gut von AugsburgDie Erscheinungen werden oft im Zusammenhang mit ritueller Nachlassigkeit mit Glaubenszweifeln oder mit angeblichem Hostienfrevel beschrieben Im letzteren Fall waren es oft Juden denen Hostienfrevel zur Last gelegt wurde so bei den Hostienwundern von Rottingen Deggendorf Sternberg und Flassau Hostienwunder waren daher auch Anlass fur antijudische Pogrome Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund und Geschichte 2 Erscheinungen im Vorstellungskreis der eucharistischen Wunder 3 Abgrenzung zu Blutreliquien 4 Theologisch begrundete Kritik 5 Heutige Beurteilung 6 Literatur 6 1 Lexikonartikel 6 2 Beitrage 6 3 Monographien 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund und Geschichte BearbeitenDa nach der im 11 und 12 Jahrhundert diskutierten kirchlichen Lehre bei der Messe Brot und Wein substanziell in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden Realprasenz entstanden im Mittelalter zahlreiche Legenden daruber dass diese normalerweise nicht sinnlich wahrnehmbare Verwandlung nach aussen sichtbar geworden sei Solche Wunderberichte spielten auch bei der Entstehung des Fronleichnamsfestes eine Rolle Nachdem im 11 Jahrhundert Berengar von Tours eine materielle Verwandlung der eucharistischen Gaben bestritten hatte wurden Bluthostien zu einer Art Gottesurteil uber die wahre Lehre Es gibt auch Berichte nach denen sich in der Heiligen Messe die Hostie in Fleisch und der Wein in Blut verwandelt haben sollen Als erstes Hostienwunder der Kirchengeschichte wird seit einigen Jahrzehnten haufiger das eucharistische Wunder von Lanciano genannt Es wird erstmals in einem Dokument aus dem Jahr 1631 erwahnt das den Ursprung einer in Lanciano dem legendaren Geburts und Sterbeort des heiligen Longinus aufbewahrten Blut und Hostienreliquie mit einem Wunder erklart das angeblich im 8 Jahrhundert einem griechischen Monch widerfahren sein soll Die dortige Hostie soll Untersuchungen zufolge eine mumifizierte Scheibe menschlichen Herzgewebes sein die mit Zwecknageln auf einem Holzbrett befestigt wurde Reliquien mit Blutstropfen die im eucharistischen Kontext entstanden sein sollen werden u a auch in Brugge Mantua und Bolsena verehrt wo allerdings keine Hostienreste erhalten sind Ein Grund dafur dass das Phanomen gehauft seit dem 13 Jahrhundert auftrat durfte neben dem frommigkeitsgeschichtlichen Umschwung zur Gotik mit ihrer leiborientierten Schmerzensmystik auch sein dass etwa seit dem 12 Jahrhundert in der lateinischen Kirche ungesauerter Brotteig fur Hostien verwendet wird denn das Bacterium prodigiosum kann auf Sauerteigen nicht wachsen Hostienwunder riefen teils nur kurzlebige teils auch bis heute andauernde Wallfahrtsbrauche hervor Die markische Wunderblutkirche Wilsnack und die Kapelle des Heiligen Blutes in Sternberg wurden wegen solcher Hostienwunder in Nordeuropa zu Zielen von Wallfahrten Die Wunderblutkirche Wilsnack war Ziel des Pilgerwegs von Berlin nach Wilsnack Im Suden war Seefeld in Tirol wegen seines Hostienwunders ein beliebter Pilgerort Auf der Basis dieser Sage schrieb und inszenierte der Autor und Regisseur Holm Dressler das Theaterstuck Das Hostienwunder von Seefeld das im September 2016 in Seefeld in Tirol uraufgefuhrt wurde Erscheinungen im Vorstellungskreis der eucharistischen Wunder Bearbeiten nbsp Messe des hl Papstes Gregor Ulm oder Ravensburg um 1480 Bode Museum Berlin Zum Vorstellungskreis der eucharistischen Wunder gehoren auch Erscheinungen die dem Priester wahrend der Messe zuteilgeworden sein sollen Bekanntestes Beispiel ist die Gregorsmesse ein seit dem 13 Jahrhundert verbreiteter Bildtyp der auf einen Bericht des Paulus Diaconus uber eine Messe Gregors des Grossen zuruckgeht Abgebildet ist die Erscheinung Jesu als Schmerzensmann der ihm in der Messe erschienen sein soll Bei Paulus Diaconus ist allerdings nur von einem blutigen Finger die Rede Ein typisches Beispiel fur eine fruhe Wundererzahlung ist auch der bohmische Priester Peter von Prag der nach Zweifeln an der Wirklichkeit der Wandlung 1263 in Bolsena das Brot fur die Kommunion gebrochen und dabei Blutstropfen entdeckt haben soll Abgrenzung zu Blutreliquien Bearbeiten Hauptartikel Blut Christi Blutwunder und Blutreliquien Von eucharistischen Wundern zu unterscheiden sind Legenden uber den Verbleib des Blutes Jesu das bei seiner Kreuzigung aufgefangen worden sein soll Zur Zeit der Kreuzzuge verband sich die Legende von Josef von Arimathaa der das Blut Jesu aufgefangen haben soll mit dem Ritterepos von der Artusrunde zur Gralssage Andere Legenden berichteten dass Maria Magdalena oder der romische Offizier Longinus das Blut aufgefangen hatten Im 13 Jahrhundert wurden Blutreliquien popular Ampullen mit dem Blut Jesu oder eines Martyrers die an bestimmten Tagen durch Flussigwerden ihre Wunderkraft zeigten Oft wurden derartige Blutreste mit eucharistischen Wundern in Zusammenhang gebracht oder erklart Theologisch begrundete Kritik BearbeitenSchon seit der Entstehungszeit dieses Wundertyps gab es daran theologisch begrundete Kritik Albertus Magnus hielt derartige Wunder fur Visionen Thomas von Aquin betrachtete sie skeptisch da er ihren Sinn in Frage stellte und sie als Widerspruch zu seiner Lehre von der streng ubernaturlichen und darum ausserlich definitionsgemass nicht wahrnehmbaren Transsubstantiation ansah Auch Nikolaus von Kues wandte sich entschieden gegen den Bluthostienkult ebenso Jan Hus auf dem Konzil von Konstanz desgleichen die Erfurter Theologen die gegen die Wallfahrt nach Wilsnack eintraten und dazu auf die kritische Haltung des Thomas von Aquin zum eucharistischen Wunder verwiesen Sie konnten sich nicht gegen die papstliche Kurie durchsetzen die die Wallfahrt 1453 sanktionierte In den theologischen Diskussionen des Mittelalters warfen vor allem der theologische Zweck solcher Erscheinungen die unklare Logik des Wundergeschehens und die damals noch uneinheitlich gehandhabte Praxis der Aufbewahrung geweihter Hostien Fragen auf Heutige Beurteilung BearbeitenHeute geht man auch unter romisch katholischen Fachleuten uberwiegend davon aus dass es sich bei den historisch uberlieferten Erscheinungen grossteils um fromme Legenden um Betrug Selbsttauschungen oder auch anderweitig erklarbare Phanomene handelt Nur bei uberzeugenden Hinweisen auf ein mogliches ubernaturliches Geschehen erlaubt die romisch katholische Kirche auch heute noch Verehrungshandlungen so etwa in Polen wo am 17 April 2016 der Bischof von Liegnitz die Verehrung einer im Dezember 2013 aufgetauchten Hostie genehmigte welche die charakteristischen Merkmale eines eucharistischen Wunders aufweise 1 2 Ein etwa gleichzeitig im Bistum Salt Lake City in den USA untersuchtes Ereignis wurde hingegen nicht anerkannt 3 nbsp Serratia marcescens auf Brot wachsendInsbesondere das Bakterium Serratia marcescens auch Bacterium prodigiosum genannt Wunderbakterium soll fur viele Erscheinungen vom Typ eines Hostienwunders verantwortlich sein 4 Dabei treten rotliche Gewachse an den Hostien auf die als Blutreste gedeutet werden Das Bakterium entfaltet sich besonders rasch auf mit Wein getrankten Hostien fruher die ubliche Aufbewahrungsweise des Allerheiligsten im Tabernakel Auch der Schimmelpilz Neurospora crassa kann auf Hostien gedeihen und diese rot verfarben was ebenfalls den falschen Eindruck eines Blutwunders erweckt 5 Auch bei gewasserten Hostien kommt derartiger Pilz oder Bakterienbewuchs oft vor Auflosung in Wasser ist ubliche Art der Vernichtung geweihter Formen die wegen Verschmutzung oder Beschadigung nicht mehr konsumiert werden konnen Durch Pilz und Bakterienbefall nicht zu erklaren sind Wunder bei denen menschliches Blut oder Korperzellen an den Hostien gefunden werden die histopathologisch untersucht und naher bestimmt werden konnen oder wo Wucherungen aus solchen Zellen an den Hostien gefunden werden meist als Herzgewebe identifiziert Ein solches Wunder soll sich 2013 in Liegnitz ereignet haben 6 Allerdings waren an der Untersuchung der dort an gewasserten Hostien entdeckten Zellen strengglaubige Pathologen beteiligt die bereits 2009 ein gleichartiges angebliches Hostienwunder in einer anderen polnischen Diozese positiv begutachtet hatten 7 8 9 Literatur BearbeitenLexikonartikel Bearbeiten Walter Michel Blut und Blutglaube im Mittelalter In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 6 de Gruyter Berlin New York 1980 ISBN 3 11 008115 6 S 737 738 Bluthostien In Carl Andersen Georg Denzler Worterbuch Kirchengeschichte Aktualisierte Lizenzausgabe marix Wiesbaden 2004 ISBN 3 937715 23 1 Erstausgabe Kosel Munchen 1982 1997 ISBN 3 466 20227 2 S 134 f Dirk Kocks Blutwunder Blut Heiliges Bluthostien In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 2 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1983 ISBN 3 7608 8902 6 Sp 292 f Alois Doring Bluthostien In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 2 Herder Freiburg im Breisgau 1994 Sp 539 Alois Doring Blutwunder In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 2 Herder Freiburg im Breisgau 1994 Sp 541 Beitrage Bearbeiten Luigi Garlaschelli Chemie der Wunder In Chemie in unserer Zeit Band 33 1999 Nr 3 S 152 157 Werner Kohler Blutwunder und Wunderblutbakterien In Angelika Lozar Sybill De Vito Egerland Hrsg Mittelalter und Renaissance In honorem Fritz Wagner Saur Munchen 2004 ISBN 3 598 73018 7 S 47 72 Peter Browe Die eucharistischen Verwandlungswunder des Mittelalters In ders Die Eucharistie im Mittelalter Liturgiehistorische Forschungen in kulturhistorischer Absicht Vergessene Theologen Band 1 5 Auflage Lit Verlag Berlin 2010 S 265 289 Monographien Bearbeiten Johannes Heuser Heilig Blut in Kult und Brauchtum des deutschen Kulturraumes Bonn 1948 DNB 481653996 Dissertation Universitat Bonn Philosophische Fakultat 12 August 1948 262 Seiten Olaf B Rader Hokuspokus Bluthostien zwischen Wunderglaube und Budenzauber Wilhelm Fink Paderborn 2015 ISBN 978 3 7705 5738 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Pigmentfaule und blutende Hostien Quellen und Volltexte nbsp Commons Eucharistisches Wunder Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Neues Eucharistisches Wunder in Polen In CNA Deutsche Ausgabe vom 19 April 2016 abgerufen am 11 Juli 2016 Bekanntmachung des Bischofs von Liegnitz Abgerufen am 6 Januar 2018 US Bistum Vermeintliches Blutwunder war nur ein Schimmelpilz In kath net vom 18 Dezember 2015 abgerufen am 8 Januar 2019 Stefan Winkle Das Blutwunder als mikrobiologisches und massenpsychologisches Phanomen Beitrag zur Geschichte des Bacterium prodigiosum Serratia marcescens und zur Phanomenologie der Intoleranz In Laboratoriumsmedizin 7 1983 Heft 9 S 143 149 US Bistum Vermeintliches Blutwunder war nur ein Schimmelpilz In kath net 18 Dezember 2015 einschrankend dazu Michael O Loughlin Utah s bleeding host isn t a miracle Church says In Crux 16 Dezember 2015 abgerufen am 8 Januar 2019 englisch Aus dem dort zitierten Originalton der Pressemitteilung des Bistums Salt Lake City wird klar dass offen bleiben muss ob die Ursache der Verfarbungen tatsachlich ein roter Schimmelpilz wie Neurospora crassa oder nicht doch das Bacterium prodigiosum Serratia marcescens war Elizabeth Scalia Miracles aren t making a comeback they never went away In Catholic Herald vom 8 Juli 2016 abgerufen am 11 Juli 2016 Eucharistisches Wunder In Tag des Herrn 6 Juli 2016 abgerufen am 15 Mai 2018 Andrzej Wendrychowicz Das Hostienwunder von Legnitz In Humanistischer Pressedienst 19 Juli 2016 abgerufen am 14 Mai 2018 Johanna Klimowicz Sokolka Nikt nie maczal palcow w cudzie In Gazeta Wyborcza 14 Oktober 2009 abgerufen am 14 Mai 2018 polnisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hostienwunder amp oldid 237981638