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Homo ergaster ist eine ausgestorbene Art der Gattung Homo aus dem Altpleistozan Dieser Chronospezies werden ausschliesslich Fossilien aus Afrika zugeordnet die 1 9 bis 1 4 Mio Jahre alt sind und in Koobi Fora Ostafrika sowie in Swartkrans Sudafrika entdeckt wurden Einige der Art zugeschriebene Funde stammen auch aus jungeren Schichten und sind moglicherweise nur 1 Mio Jahre alt 1 Homo ergasterDas Fossil KNM ER 3733Zeitliches AuftretenPleistozan1 9 bis 1 4 Mio JahreFundorteAfrikaSystematikMenschenartige Hominoidea Menschenaffen Hominidae HomininaeHomininiHomoHomo ergasterWissenschaftlicher NameHomo ergasterGroves amp Mazak 1975Unterkiefer KNM ER 992 Nachbildung Inhaltsverzeichnis 1 Namensgebung 2 Erstbeschreibung 3 Merkmale 4 Werkzeuggebrauch 5 Klassifikation 6 Ernahrung und Lebensraum 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 Anmerkungen 10 BelegeNamensgebung BearbeitenDie Bezeichnung der Gattung Homo ist abgeleitet von lateinisch homo ˈhɔmoː dt Mensch Das Epitheton ergaster kommt aus dem Griechischen und bedeutet Arbeiter Homo ergaster bedeutet somit der arbeitende Mensch was auf den Gebrauch von Steinwerkzeugen verweist der dieser Art zugeschrieben wird Die altesten Steinwerkzeuge sind mit mindestens 2 5 Millionen Jahren jedoch deutlich alter als die Fossilien von Homo ergaster und wurden vermutlich von Homo rudolfensis und Homo habilis hergestellt Erstbeschreibung BearbeitenHolotypus von Homo ergaster ist ein aus zwei zusammengehorigen Fragmenten bestehender gut erhaltener und fast komplett bezahnter Unterkiefer Sammlungsnummer KNM ER 992 siehe Abbildung eines Erwachsenen der bereits 1971 von Richard Leakey in Koobi Fora Kenia entdeckt und dessen Alter auf etwa 1 5 Mio Jahre datiert worden war 2 Leakey hatte den Fund 1972 publiziert und zur Gattung Homo gestellt ihn aber nicht einer bestimmten Art zugeordnet 3 Die Benennung erfolgte 1975 durch Colin Groves und Vratislav Mazak in einer tschechischen Fachzeitschrift 4 Als Paratypen wurden dem Typusexemplar in der Erstbeschreibung ein Dutzend Unterkiefer und Oberkiefer Fragmente mit einigen erhaltenen Zahnen beigegeben die ebenfalls von Richard Leakey in Kenia am Ostufer des Turkana Sees entdeckt worden waren Bemerkenswert ist dass diese Funde zwar gegen Australopithecus africanus und Homo habilis abgegrenzt wurden nicht jedoch gegen Homo erectus Auch alle in der Erstbeschreibung in die unmittelbare Nahe von Homo ergaster gestellten Funde aus Sudafrika waren bereits 1949 von John T Robinson entdeckt und von ihm als Telanthropus capensis benannt worden 5 In der Erstbeschreibung wurde angemerkt dass die zur Definition von Homo ergaster herangezogenen Fossilien von Richard Leakey entdeckt worden waren und unter normalen Umstanden das Epitheton leakeyi gewahlt worden ware jedoch sei diese Bezeichnung Homo leakeyi bereits 1963 durch Gerhard Heberer fur eine Variante des Homo erectus vergeben worden 6 Die Funde aus Koobi Fora werden im kenianischen Nationalmuseum in Nairobi aufbewahrt A 1 die Funde aus Swartkrans im Transvaal Museum in Pretoria Merkmale BearbeitenDa Homo ergaster zahlreiche Fossilien zugeschrieben werden die anderen Forschern als fruher Homo erectus gelten unterscheiden sich die Merkmale beider Arten kaum Als typisch fur den Kopf gilt u a ein ununterbrochener und massig breiter Knochenwulst uber den weit auseinander liegenden Augen die aus im oberen Bereich des Gesichts nahezu senkrecht stehenden Knochen hervortreten Der Oberkiefer ragt dennoch weit nach vorne heraus so dass die Kiefer eine Art Schnauze bilden der Abstand zwischen Mund und Nasenoffnung ist recht gross Zu den morphologischen Eigenmerkmalen von H ergaster im Vergleich mit H erectus zahlen generell etwas grazilerer Skelettbau langere und schmalere Molaren komplexe Wurzeln der Pramolaren dunnere Schadelknochen kein Knochenkiel auf dem Schadel schwacherer Uberaugenwulst hohere Schadelwolbung geringere postorbitale Schadeleinschnurung schmalere Schadelbasis 7 Das Gehirnvolumen von Homo ergaster lag zwischen 750 und 900 cm3 Einige dieser Art zugeordnete Funde hatten jedoch ein deutlich kleineres Gehirn fur das Fossil KNM ER 1805 wurden zum Beispiel nur 582 cm3 berechnet Ob diese grosse Spanne als Ausdruck einer tatsachlich vorhandenen Variationsbreite zum Beispiel infolge geschlechtsspezifischer Unterschiede zu deuten ist oder ob die Fossilien womoglich zu zwei verwandten Arten gehoren ist ungeklart 8 Geht man vom Nariokotome Jungen aus dann hatte dieses beim Tod etwa 1 50 bis 1 60 m grosse Individuum im ausgewachsenen Zustand vermutlich 1 85 m gemessen und ware dann knapp 70 kg schwer gewesen Arm und Beinlange gleichen denen des modernen Menschen Aus dem Bau der Schulterblatter und der Schienbeinknochen wurde jedoch gefolgert dass junge Exemplare sich langer als die Kleinkinder des heutigen Menschen auf vier Beinen fortbewegten Im Unterschied zu einigen ursprunglichen Merkmalen im Bereich des Kopfes sind Knochen der Beine fur ausdauerndes aufrechtes Laufen geeignet Hinweise auf einen haufigen Aufenthalt auf Baumen fehlen 9 Werkzeuggebrauch BearbeitenHomo ergaster wurde Werkzeugherstellung und Werkzeuggebrauch zugeschrieben worauf auch das Art Epitheton abhebt Allerdings stammen die Fundstucke vom Oldowan Typ zum Teil aus Schichten aus denen man auch Fossilien geborgen hat die zu Paranthropus boisei gestellt wurden Andere ergaster Fossilien stammen aus Schichten aus denen keine Werkzeuge bekannt sind daher gilt der Werkzeuggebrauch fur Homo ergaster zwar als wahrscheinlich aber nicht als gesichert 10 Klassifikation Bearbeiten nbsp Homo ergaster und die aus ihm hervorgegangenen Arten der Gattung HomoDer Erstbeschreibung durch Groves und Mazak lagen keine neu entdeckten Fossilien zugrunde die Benennung der neuen Art Homo ergaster beruhte 1975 vielmehr auf einer Umgruppierung und Neuordnung zahlreicher teils Jahrzehnte zuvor beschriebener Fossilien In den auf die Erstbeschreibung folgenden Jahren wurde die Publikation von Groves und Mazak nur sehr selten von anderen Palaoanthropologen zitiert und die Bezeichnung Homo ergaster wurde nur sehr selten erwahnt da dieser Artname als Synonym fur Homo erectus erachtet wurde 11 In den 1990er Jahren wiesen dann aber einige Forscher darauf hin dass die als afrikanischer Homo erectus ausgewiesenen Fossilien sich deutlich von den klassischen Funden aus Asien Java Mensch und Peking Mensch unterscheiden Als moglicher Vorfahr von Homo ergaster wird daher von diesen Wissenschaftlern Homo rudolfensis angesehen Homo erectus soll aus Homo ergaster hervorgegangen sein Aus der gleichen Epoche und aus den gleichen Regionen Afrikas gibt es Funde anderer Arten der Hominini mit denen sich Homo ergaster demnach seinen Lebensraum teilte Paranthropus boisei Homo rudolfensis und moglicherweise Homo habilis Ob Homo ergaster den Status einer eigenstandigen Art zu Recht zugesprochen bekam oder ob die Fossilien bloss als fruhe und regionale Varianten von Homo erectus einzustufen sind ist in der Palaoanthropologie zwischen sogenannten Lumpern und Splittern weiterhin umstritten 12 Viele Fossilien die heute von bestimmten Forschern zu Homo ergaster gestellt werden waren wie im Abschnitt Erstbeschreibung erwahnt zuvor als Homo erectus eingeordnet und werden von anderen Forschern noch immer Homo erectus zugeschrieben Zudem gilt das Holotypus Exemplar aufgrund der vermutlich grossen und vor allem grossenabhangigen Variationsbreite der Unterkiefer von Homo erectus Homo ergaster als unglucklich gewahlt Als die Namensgeber von H ergaster die Merkmale des Kieferknochens KNM ER 992 beschrieben zeigten sie keine charakteristischen Unterschiede auf durch die sich andere von ihnen ebenfalls H ergaster zugeschriebene Fossilien von H habilis unterscheiden wurden 13 Ein nicht charakteristisches Holotypus Exemplar fuhrt bei der Zuordnung von anderen Funden zu dieser Art jedoch rasch zu Unstimmigkeiten In einem Review Artikel der Fachzeitschrift Nature 14 ordnete Bernard Wood 1992 dennoch weitere Funde bei Homo ergaster ein beispielsweise die gut erhaltenen fossilen Schadel KNM ER 3733 und 3883 die von ihren Entdeckern zu Homo erectus gestellt worden waren an gleicher Stelle stufte er auch den Nariokotome Jungen als Vertreter von Homo ergaster ein 15 Der Holotyp KNM ER 992 wird umgekehrt von einzelnen Palaoanthropologen zu Homo erectus gestellt von anderen zu Homo habilis John T Robinson schrieb 1972 in Nature sogar dieses Fossil sei nicht von Australopithecus africanus zu unterscheiden 16 Manche anderen Fossilien die zu Homo ergaster gestellt wurden sind so unvollstandig dass sie nur aufgrund ihres Alters so eingeordnet wurden nicht aber aufgrund ihrer morphologischen Beschaffenheit Ernahrung und Lebensraum BearbeitenWelche Nahrung Homo ergaster aufgenommen hat ist bisher nicht nachvollziehbar seine im Vergleich mit den Australopithecinen kleineren Backenzahne lassen jedoch auf eine weichere Nahrung als bei diesen oder auf eine durch Werkzeuge bearbeitete Nahrung schliessen 9 Ahnlichkeiten bei Zahnen Kiefer und Muskelansatzstellen legen die Vermutung nahe dass seine Ernahrung der von Homo habilis ahnelte 12 Aus Begleitfunden kann geschlossen werden dass Homo ergaster sich in einem Mosaik von Lebensraumen aufhielt zu dem Walder mit dichtem Unterholz offene Wasserflachen und zeitweise uberschwemmte Graslandschaften gehorten Aus diesen okologischen Befunden wurde wiederum gefolgert dass vermutlich auch im Wasser lebende Tiere in saisonal austrocknenden Gewassern leicht zuganglich zur Versorgung mit eiweissreicher Kost beigetragen haben 17 Ein Knochenfund aus Koobi Fora Sammlungsnummer KNM ER 1808 weist Veranderungen auf wie sie bei ubermassigem Vitamin A Konsum auftreten konnen Am wahrscheinlichsten ist dass dieses Vitamin A aus der Leber von Tieren stammt ob die Tiere gejagt oder als Aas erbeutet wurden ist fossil nicht belegt Die US amerikanische Evolutionsbiologin Marlene Zuk wies darauf hin dass Homo ergaster als erste Art der Hominini aufgrund seines Korperbaus zum ausdauernden Langstrecken Laufen befahigt war Dies habe es den Individuen dieser Art vermutlich moglich gemacht rasch zu den Resten der Beute von grossen Raubtieren zu gelangen und als Aasfresser sich auch dank anspruchsvoller Steinwerkzeuge mit proteinreicher Kost zu versorgen 18 Ein zumindest mittelbar enger Kontakt mit Raubtieren und Aasfressern kann auch aus genetischen Studien an Bandwurmern der Gattung Taenia hergeleitet werden So sind die auch beim Menschen vorkommenden Arten Taenia saginata und Taenia asiatica eng verwandt mit einem Bandwurm der in afrikanischen Lowen vorkommt und Taenia solium ist eng verwandt mit einem Bandwurm der Hyanen Hatte man zunachst vermutet diese Bandwurmer seien erst mit Aufkommen der Viehzucht vor rund 10 000 Jahren auf den Menschen ubergegangen wurden die genetischen Studien dahingehend interpretiert dass der Ubergang moglicherweise schon vor 1 7 Millionen Jahren stattgefunden hat 19 20 Siehe auch BearbeitenHominine Fossilien von Dmanisi Liste homininer FossilienWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Homo ergaster Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienAnmerkungen Bearbeiten Die Abkurzung KNM in der Sammlungsnummer steht fur kenianisches Nationalmuseum Belege Bearbeiten Ulrich Welsch Die Fossilgeschichte des Menschen Teil 1 Wie aus den ersten Primaten Homo wurde In Biologie in unserer Zeit Nr 1 2007 S 42 50 Abbildung des Fossils KNM ER 992 Auf efossils org Richard Leakey Further Evidence of Lower Pleistocene Hominids from East Rudolf North Kenya 1971 In Nature Band 237 1972 S 264 269 doi 10 1038 237264a0 Colin Groves und Vratislav Mazak An Approach to the Taxonomy of the Hominidae Gracile Villafrancian Hominids of Africa In Casopis pro mineralogii a geologii Band 20 1975 S 225 247 Nachdruck in W Eric Meikle Sue Taylor Parker Naming our Ancestors An Anthology of Hominid Taxonomy Waveland Press Prospect Heights Illinois 1994 ISBN 0 88133 799 4 S 107 125 Robert Broom und John T Robinson A new type of fossil man In Nature Band 164 1949 S 322 323 doi 10 1038 164322a0 Gerhard Heberer Uber einen neuen archantropinen Typus aus der Oldoway Schlucht In Zeitschrift fur Morphologie und Anthropologie Band 53 1963 S 171 177 Aufgegriffen wurde die Bezeichnung Homo leakeyi zehn Jahre spater durch Bernard G Campbell A new taxonomy of fossil man In Yearbook of Physical Anthropology Band 17 1973 S 194 201 Ulrich Welsch Die Fossilgeschichte des Menschen S 48 Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2008 S 104 ISBN 978 3 8274 1915 6 a b Bernard Wood und Nicholas Lonergan The hominin fossil record taxa grades and clades In Journal of Anatomy Band 212 Nr 4 2008 S 361 doi 10 1111 j 1469 7580 2008 00871 x Volltext PDF 292 kB Memento vom 20 Oktober 2012 im Internet Archive Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen S 102 W Eric Meikle Sue Taylor Parker Naming our Ancestors An Anthology of Hominid Taxonomy Waveland Press Prospect Heights Illinois 1994 ISBN 0 88133 799 4 S 106 a b Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen S 100 Gary J Sawyer Viktor Deak Der lange Weg zum Menschen S 104 Solche Review Artikel stellen normalerweise den jeweils aktuellen Stand des gesicherten Wissens in einem bestimmten Fachgebiet dar ihnen kann aber auch die Funktion zukommen einer bestimmten Position zu einem Sachverhalt in der Forschergemeinde zum Durchbruch zu verhelfen Bernard Wood Origin and evolution of the genus Homo In Nature Band 355 1992 S 783 790 vergl dazu auch Bernard Wood Early hominid species and speciation In Journal of Human Evolution Band 22 Nr 4 5 1992 S 351 365 doi 10 1016 0047 2484 92 90065 H John T Robinson The Bearing of East Rudolf Fossils on Early Hominid Systematics In Nature Band 240 1972 S 239 240 doi 10 1038 240239a0 Ian Tattersall Masters of the Planet The Search for Our Human Origins Palgrave Macmillan 2012 S 108 ISBN 978 0 230 10875 2 Marlene Zuk Paleofantasy What evolution really tells us about sex diet and how we live W W Norton amp Company New York und London 2014 S 27 28 ISBN 978 0 393 08137 4 Tapeworms tell tales of deeper human past In Science News vom 4 April 2001 doi 10 2307 3981638 E P Hoberg N L Alkire A D Queiroz und A Jones Out of Africa origins of the Taenia tapeworms in humans In Proceedings of the Royal Society B Online Veroffentlichung vom 22 April 2001 doi 10 1098 rspb 2000 1579 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homo ergaster amp oldid 239995752