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Hermann Paul Nitsche 25 November 1876 in Colditz 25 Marz 1948 in Dresden war ein deutscher Psychiater Er war im nationalsozialistischen Deutschen Reich Professor fur Psychiatrie Direktor der Heil und Pflegeanstalten Leipzig Dosen und Pirna Sonnenstein Gutachter und medizinischer Leiter der Aktion T4 Als beteiligter Arzt an Totungen in diesen Anstalten wurde er nach dem Krieg zum Tod verurteilt und hingerichtet Paul Nitsche Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 Direktor der Heil und Pflegeanstalt Leipzig Dosen 3 Direktor der Heil und Pflegeanstalt Pirna Sonnenstein 4 Gutachter und medizinischer Leiter der Aktion T4 5 Urteil und Hinrichtung in Dresden 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseHerkunft und Studium BearbeitenPaul Nitsche wurde am 25 November 1876 in Colditz in Sachsen als Sohn des an der dortigen Irrenanstalt angestellten Arztes Wilhelm Hermann Nitsche 1844 1921 geboren Als Schuler besuchte er die Kreuzschule in Dresden Nitsche studierte in Leipzig und Gottingen Medizin und promovierte 1902 in Gottingen mit einer Arbeit uber Gedachtnisstorungen in zwei Fallen von organischer Gehirnkrankheit 1904 bis 1908 war er Assistent beim Psychiater Emil Kraepelin sowie Assistenz bzw Abteilungsarzt an der stadtischen Irrenanstalt in Frankfurt am Main bzw den Universitatskliniken Heidelberg und Munchen 1913 wechselte er als Oberarzt nach Dresden in die stadtische Heil und Pflegeanstalt Mit dem Begrunder der deutschen Rassenhygiene Alfred Ploetz seit 1910 gut bekannt beteiligte sich Nitsche an der Ausstellung zur Rassenhygiene bei der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden 1911 Spater war er als Psychiater in Pirna an der Heil und Pflegeanstalt auf Schloss Sonnenstein tatig die er von 1914 bis Anfang 1918 kommissarisch leitete Direktor der Heil und Pflegeanstalt Leipzig Dosen BearbeitenIm April 1918 wurde er nach dem Tod von Georg Lehmann zum Direktor der Heil und Pflegeanstalt Leipzig Dosen bestellt 1925 zum Professor berufen avancierte Nitsche 1927 zum beratenden Psychiater fur Anstaltsfragen der sachsischen Landesregierung Er befasste sich schon in den fruhen 1920er Jahren mit der Frage wie mit psychisch Kranken und deren Fortpflanzung umgegangen werden sollte In wissenschaftlichen Vortragen sprach er sich fur eine Unterbindung der Fortpflanzungsmoglichkeit von Geisteskranken aus Er zahlte schon vor 1933 zu den fuhrenden Vertretern einer rassenhygienisch ausgerichteten Psychiatrie Direktor der Heil und Pflegeanstalt Pirna Sonnenstein BearbeitenAm 1 August 1928 kehrte Nitsche als Direktor und Nachfolger von Georg Ilberg 1862 1942 an die Heil und Pflegeanstalt Pirna Sonnenstein zuruck Auch hier arbeitete er an wissenschaftlichen Fragestellungen zur Erbbiologie und Forensik Er steuerte als seine bedeutendste Arbeit das Kapitel Allgemeine Therapie und Prophylaxe der Geisteskrankheiten fur das Handbuch der Geisteskrankheiten bei das von Oswald Bumke herausgegeben wurde und als Standardwerk galt Er war Mitherausgeber der Zeitschrift fur psychische Hygiene 1 Einer Zwangssterilisierung stand er schon damals nicht ablehnend gegenuber Um die Fortpflanzung psychisch Kranker zu verhindern forderte Nitsche 1929 neben Eheverboten eine gesetzlich geregelte Unfruchtbarmachung unter bestimmten Bedingungen auch gegen den Willen der Betroffenen 2 So sprach sich Nitsche schon vor 1933 als mit dem Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses Zwangssterilisationen offiziell eingefuhrt wurden vorbehaltlos fur diese Massnahme aus Er bekannte sich nunmehr auch als ein Verfechter der Ideen von Karl Binding und Alfred Hoche Die Vernichtung lebensunwerten Lebens sei kein Verstoss gegen elementare menschliche Grundrechte sondern im Gegenteil ein Gebot der Humanitat Politisch band sich Nitsche bereits 1933 durch seinen Eintritt in die NSDAP Er wurde Richter am Erbgesundheitsobergericht in Dresden Als Schriftfuhrer des Deutschen Vereins fur Psychiatrie entwarf er die Satzung fur die Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater die ihn 1935 zum Geschaftsfuhrer ernannte 1936 fuhrte Nitsche in Pirna Sonnenstein in Eigeninitiative eine Hungerkost fur Patienten ein die nach seinen rassehygienischen Vorstellungen als Ballastexistenzen eine unnotige finanzielle Belastung der Gesellschaft darstellten Anfang 1939 drangte der Leiter der Abteilung Volkspflege im Sachsischen Innenministerium Alfred Fernholz darauf dass die von Nitsche angewandte Hungerkost in weiteren sachsischen Landesanstalten eingefuhrt werden solle 3 Als arztlicher Leiter blieb Nitsche bis zur Umwandlung der Heil und Pflegeanstalt in eine Totungsanstalt fur die Aktion T4 der als Euthanasie verbramten systematischen Totung von Geisteskranken und Behinderten Ende 1939 Zum 1 Januar 1940 wurde Nitsche zur Heil und Pflegeanstalt Leipzig Dosen als Direktor versetzt und ubernahm am 1 Februar 1940 die dortigen Amtsgeschafte Gutachter und medizinischer Leiter der Aktion T4 BearbeitenDer Leiter des Amtes II der Kanzlei des Fuhrers Oberdienstleiter Viktor Brack der mit der Organisation der Aktion T4 beauftragt war bat Nitsche Anfang des Jahres 1940 fur die Totung der Euthanasie Opfer ein medikamentoses Verfahren zu entwickeln und zu erproben Nitsche entschied sich fur das Barbiturat Luminal ein Schlafmittel das unter anderem gegen Epilepsie verwendet wurde und fur den geforderten Verwendungszweck zwei entscheidende Vorteile aufwies Zum einen war es ein in allen Kliniken gangiges und damit auch mengenmassig ausreichend vorhandenes Medikament das zum anderen nur bei hoherer Dosierung todlich war und nicht direkt zum Tode fuhrte sondern zu gesundheitlichen Komplikationen die erst nach einigen Tagen den Tod des Patienten zur Folge hatten Der Tod konnte damit auf eine naturliche Ursache zuruckgefuhrt werden Nitsche pragte hierfur den Begriff Luminalschema und erprobte dieses Verfahren an uber 100 Kranken Ab 28 Februar 1940 als T4 Gutachter tatig wurde Nitsche der einer der 40 Psychiater darunter neun Psychiatrie Professoren 4 zur Selektion von Patienten zur Ermordung 5 war schliesslich am 1 Mai 1940 an die T4 Organisation abgeordnet und dort zunachst als Obergutachter und stellvertretender medizinischer Leiter verwendet Ab Dezember 1941 loste er Werner Heyde als medizinischen Leiter der Aktion T4 ab Nach einer Aussage von Georg Andreae dem Dezernenten fur Fursorge sowie die Heil und Pflegeanstalten der Provinzialverwaltung Hannover am 8 August 1961 ausserte sich Nitsche zur Euthanasie Aktion wie folgt Es ist doch herrlich wenn wir in den Anstalten den Ballast loswerden und nun richtige Therapie treiben konnen Als medizinischer Leiter der Aktion T4 gehorte er zu den Hauptverantwortlichen fur die Totung von ca 70 000 Kranken und Behinderten Ausserdem war er der Veranlasser der medikamentosen Totungen wahrend der sogenannten Aktion 14f13 die nach dem offiziellen Stopp der Aktion T4 im August 1941 diese abloste und nochmals mindestens 30 000 Opfer forderte Als Gutachter wahlte Nitsche auch bei dieser Aktion in den Konzentrationslagern die potentiellen Opfer unter den Haftlingen aus die dann in den beiden Totungsanstalten Pirna Sonnenstein und Hartheim vergast wurden Urteil und Hinrichtung in Dresden Bearbeiten nbsp Das Schwurgericht in Dresden wahrend des Strafantrags des StaatsanwaltsNoch im Fruhjahr 1945 wurde Nitsche in Sebnitz verhaftet Die von sowjetischen Dienststellen vorgenommenen Untersuchungsergebnisse wurden am 20 Juni 1946 an die deutschen Justizbehorden in Sachsen ubergeben Das Landgericht Dresden erhob am 7 Januar 1947 Anklage gegen Nitsche und weitere 14 Tater Nitsche verwies auf seinen Standpunkt wonach die Totung von unheilbar Kranken wissenschaftlich und auch gesellschaftlich gerechtfertigt sei und verwahrte sich gegen die Mordanklage Mit Urteil vom 7 Juli 1947 wurde er jedoch zum Tode verurteilt Nach Ablehnung der Berufung durch das Oberlandesgericht Dresden wurde das Urteil am 25 Marz 1948 durch das Fallbeil vollstreckt und sein Leichnam der Anatomie in Leipzig uberantwortet Siehe auch BearbeitenListe von NS Arzten und Beteiligten an NS MedizinverbrechenLiteratur BearbeitenGotz Aly Hrsg Aktion T4 1939 1945 Die Euthanasie Zentrale in der Tiergartenstrasse 4 Reihe Deutsche Vergangenheit 26 2 erweiterte Auflage Edition Hentrich Berlin 1989 ISBN 3 926175 66 4 Boris Bohm Hagen Markwardt Hermann Paul Nitsche 1876 1948 Zur Biografie eines Reformpsychiaters und Hauptakteurs der NS Euthanasie In Stiftung Sachsische Gedenkstatten Hrsg Nationalsozialistische Euthanasieverbrechen Beitrage zur Aufarbeitung ihrer Geschichte in Sachsen Schriftenreihe der Stiftung Sachsische Gedenkstatten zur Erinnerung an die Opfer Politischer Gewaltherrschaft 10 Michael Sandstein Dresden 2004 ISBN 3 937602 32 1 S 71 104 Ernst Klee Euthanasie im NS Staat Die Vernichtung lebensunwerten Lebens S Fischer Verlag Frankfurt am Main 1983 ISBN 3 10 039303 1 Ernst Klee Hrsg Dokumente zur Euthanasie Fischer Taschenbuch Verlag 4327 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1985 ISBN 3 596 24327 0 Joachim S Hohmann Der Euthanasie Prozess von Dresden 1947 Eine zeitgeschichtliche Dokumentation Lang Frankfurt am Main u a 1993 ISBN 3 631 45617 4 Alexander Mitscherlich Fred Mielke Hrsg Medizin ohne Menschlichkeit Dokumente des Nurnberger Arzteprozesses Fischer Bucherei 332 ISSN 0173 5438 Fischer Bucherei Frankfurt am Main u a 1960 Thomas Schilter Unmenschliches Ermessen Die nationalsozialistische Euthanasie Totungsanstalt Pirna Sonnenstein 1940 41 Kiepenheuer Leipzig 1999 ISBN 3 378 01033 9 Zugleich Berlin Humboldt Universitat Dissertation als Die Euthanasie Totungsanstalt Pirna Sonnenschein 1940 41 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Paul Nitsche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Webseite der Stiftung Sachsische Gedenkstatten zu Pirna Sonnenstein Euthanasie Verbrechen auf dem Sonnenstein in Pirna PDF Julian Schwarz Biographie von Hermann Paul Nitsche In Biographisches Archiv der Psychiatrie BIAPSY 2015 Urteil des LG Dresden gegen Nitsche beim Staatsarchiv Sigmaringen Boris Bohm Paul Nitsche in NDB online Einzelnachweise Bearbeiten Ernst Rudin Robert Sommer Wilhelm Weygandt Hans Roemer Paul Nitsche Hrsg Zeitschrift fur psychische Hygiene Offizielles Organ des Deutschen Verbandes fur psychische Hygiene und Rassenhygiene und des Verbandes Deutscher Hilfsvereine fur Geisteskranke Unter Mitwirkung des Herausgebers der Allgemeinen Zeitschrift fur Psychiatrie Georg Ilberg Band 1 8 Walter de Gruyter amp Co Berlin 1928 1935 Paul Nitsche Allgemeine Therapie und Prophylaxe der Geisteskrankheiten In Oswald Bumke Hrsg Handbuch der Geisteskrankheiten Band 4 Allgemeiner Teil 4 Springer Berlin 1929 S 1 131 hier S 126 doi 10 1007 978 3 642 90848 4 1 Boris Bohm Alfred Fernholz Ein Schreibtischtater im Dienste der Volksgesundheit In Christine Pieper Mike Schmeitzner Gerhard Naser Hrsg Braune Karrieren Dresdner Tater und Akteure im Nationalsozialismus Sandstein Dresden 2012 ISBN 978 3 942422 85 7 S 154 161 hier S 155 Berthold Kihn Friedrich Mauz Friedrich Panse Kurt Pohlisch Otto Reisch Carl Schneider Werner Villinger und Konrad Zucker Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 84 85 Normdaten Person GND 120271710 lobid OGND AKS VIAF 69755744 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Nitsche PaulALTERNATIVNAMEN Nitsche Hermann Paul vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt medizinischer Leiter der Aktion T4GEBURTSDATUM 25 November 1876GEBURTSORT ColditzSTERBEDATUM 25 Marz 1948STERBEORT Dresden Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Paul Nitsche amp oldid 238110419