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Seit dem 13 Jahrhundert gibt es Juden in Krems wo sich in Folge eine der bedeutendsten judischen Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Niederosterreich entwickelte Durch die Vertreibung der Juden aus Krems im Jahre 1420 21 horte die mittelalterliche Kremser Judengemeinde zu bestehen auf In den folgenden Jahrhunderten besuchten Juden lediglich als Kaufleute die fur die Region besonders wichtigen Jahrmarkte in Krems Erst nach 1848 wurden Juden wieder sesshaft und bildeten Kultusgemeinden Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde die Gemeinde schliesslich endgultig vernichtet Die Kremser Judengasse Inhaltsverzeichnis 1 Anfange im Mittelalter 1 1 Die mittelalterliche Gemeinde 2 Vertreibung im 15 Jahrhundert 3 Neuzeit 3 1 Vereinzelte Ansiedlungen 3 2 19 und 20 Jahrhundert 4 EinzelnachweiseAnfange im Mittelalter BearbeitenDer erste Jude welcher im Gebiet Osterreichs unter der Enns auftaucht ist der im Jahre 1239 auftretende Bibas der wohl in Krems ansassig war Ob es schon davor zu einer judischen Besiedlung kam ist ungewiss Krems war aber damals ein bedeutender Handelsplatz in der babenbergischen Mark der wohl auch judische Familien anzog Im selben Jahr wurden auch zum ersten Mal Juden in Wiener Neustadt erwahnt welche neben Wien die alteste uberlieferte Gemeinde Osterreichs beherbergte 1 Am 29 April 1264 trat der erste Judenrichter im Gebiet des heutigen Osterreichs in Krems auf Der Kremser Dekan Irnfried und der Judenrichter Ulrich bestatigen eine Schuld der Bruder Haunold und Konrad Burger von Krems bei dem Juden Ismael aus Krems Am 24 Februar 1270 scheint in einer Kremser Zeugenliste ein Jude namens Smoiel auf und ist 1291 als Judenmeister deutsche Bezeichnung fur einen Rabbiner oder einen anderen judischen Funktionar innerhalb der Gemeinde nachweisbar Im fruhen 14 Jahrhundert wirkte der Judenmeister Israel er hinterliess zahlreiche Schriften und wurde Begrunder einer judischen Gelehrtenfamilie Osterreichs Israels Sohn Herschel von Herzogenburg war in der zweiten Halfte des 14 Jahrhunderts ein bekannter Geldverleiher Juden durften ausser dem Geldgeschaft keinen anderen Berufszweig ausuben und ein prominenter Toragelehrter Als Rabbiner amtierte ein gewisser Aharon Blumlein er war ein Enkel des Israel wurde aber im Zuge der Wiener Gesera 1420 21 ermordet Der wohl beruhmteste Nachfahre Israels war der in Wiener Neustadt und in Marburg tatige Rabbiner Israel Isserlein starb 1460 Die Nennung des Judenmeisters Smoiel im Jahr 1291 lasst also auf das Vorhandensein einer Gemeinde im spaten 13 Jahrhundert schliessen 1 Die mittelalterliche Gemeinde Bearbeiten Eine judische Gemeinde stellte eine Gemeinde in der Stadtgemeinde selbst dar und war mit gewisser rechtlicher Autonomie versehen vergleichbar etwa mit den Zunften der Stadte denen ebenfalls gewisse Autonomien zugestanden und gewisse Aufgaben zugeteilt wurden Die Hauptaufgaben der Gemeinde bestanden neben einer Vertretung der Juden nach aussen also gegenuber der christlichen Welt und der Steuereinhebung vor allem in innerorganisatorischen Aufgaben religioser oder auch weltlicher Art Darunter fiel die Sorge fur Recht und Ordnung nach halachischen Gesetzen das Rabbinatsgericht behandelte vor allem Probleme zu Ehe und Erbrecht oder Fragen des Miteinanderlebens Der Schutz der Ehre der Gemeindemitglieder aber auch die Verwaltung des Gemeindebesitzes sowie soziale Aufgaben Zedaka also die Bereitstellung eines sozialen Auffangnetzes das sowohl gemeindeinternen Armen ohne ausreichende Steuergrundlage mittellosen Studenten aber auch Durchreisenden zugutekam zahlten zu den Aufgaben der Gemeinde Jedes Gemeindemitglied hatte regelmassig einen bestimmten Betrag berechnet an der Hohe des Vermogens an die Gemeinde abzuliefern dazu kamen als potentielle Einnahmen Strafgelder sowie freiwillige Spenden Die Kremser Gemeinde hatte eine Synagoge und einen Friedhof 1878 wurde in der Gaswerkgasse 30 ein Goldmunzenfund gemacht und wurden Knochenreste von rund 20 Skeletten gefunden man vermutet den Friedhof dort Die Synagoge befand sich im Bereich des Burgerspitals zwischen Oberer Landstrasse und Judengasse in diesem Raum liessen sich die meisten Juden nieder Primare Berufsbetatigung blieb der Geldverleih 2 Juden aus Krems zahlten zu den Geldgebern des Adels und der Kloster aber den grossten Teil des Einkommens machten die Darlehen an einfache Burger und Bauern aus Es bestanden zudem enge Verbindungen zur Wiener Judengemeinde oft lassen sich Kremser Juden in Wien nachweisen 1293 kam es hier nach einem Ritualmordvorwurf zu ersten Verfolgungen Ein Pestpogrom geschah in Krems 1349 als die Massen der gesamten Umgebung uber die Juden herfielen Wegen des schnellen und energischen Eingreifens des Herzogs Albrechts II zugunsten der Juden wurde ihm der wohl kaum schmeichelhaft gemeinte Titel eines fautor iudeorum eines Begunstigers der Juden gegeben 3 Der Herzog bestrafte namlich die fur die Gewalttatigkeiten Verantwortlichen indem er umliegende Dorfer brandschatzen liess und die Stadtburger zu hohen Geldbussen verpflichtete Ab etwa 1355 gab es wieder Juden in Krems Eine Heiratsurkunde von 1392 die Kremser Ketubba 4 5 die zahlreichen bekannten Rabbiner und eine funktionierende Gemeinde bezeugen die Wichtigkeit der Gemeinde in Krems Sie blieb bis zur Vertreibung 1420 eine der bedeutendsten in Osterreich Vertreibung im 15 Jahrhundert BearbeitenDas 15 Jahrhundert war durch ein Anschwellen der Judenfeindlichkeit bei kirchlichen Seiten als auch bei weltlichen Seiten gepragt Dank antijudischen Predigten der Kirche erreichte der Judenhass die breite Masse und wurde auch oft durch Dichtungen oder Abbildungen verstarkt Auch die Schutzherren sahen es nicht mehr fur notig Juden zu beschutzen meist wurden Verfolgungen geduldet oder sogar gefordert Meist kam mit der Verfolgung die gezielte Vertreibung der Juden und im heutigen osterreichischen Gebiet betraf dies die Juden im Herzogtum Osterreich Sie fielen der Wiener Gesera von 1420 21 zum Opfer Die schon aufgeheizte Stimmung durch die Hussitenkriege und die Behauptungen die Juden hatten angebliche Verbindungen zu den Hussiten wurden zum Verhangnis fur die judischen Gemeinden Die Rechtfertigung fur die Verfolgungen war demnach eine angebliche Hostienschandung Diese Rechtfertigung wurde erst nach der Vertreibung erhoben Die sehr widerspruchlichen Quellen oder auch ein jiddischer Bericht erwahnen keine Hostienschandung sondern erklaren die Ablaufe der Gefangennahme Zwangstaufe und der brutalen Vertreibung Mitte Juni bis Anfang August fand die Vertreibung der Kremser Juden statt Sie wurden zuallererst gefangen genommen Anschliessend wurden manche getauft die die sich weigerten blieben in Gefangenschaft falls sie wohlhabend waren die armeren wurden vertrieben Die restlichen reichen Juden wurden gefoltert und aufgefordert zu erklaren wo sie ihr Vermogen hielten Der gesamte mobile Besitz wurde beschlagnahmt Pfand und Schuldurkunden entweder verbrannt oder eingezogen letzteres war wohl ein wichtiges Anliegen fur viele Adelige Geistliche und Burger da sie meist ihre Schulden nicht zuruckzahlen konnten und sich durch die Gefangennahme der Juden einer Zuruckzahlung entziehen konnten Wahrend der Folter starb der Rabbiner von Krems Aaron Blumlein Die Uberlebenden siedelten sich in Ungarn und Bohmen an nbsp Informationstafel auf der Burgerspitalkirche 1470 wurden die Hauser der Vertriebenen Juden abgerissen Im Herzogtum Osterreich beendete die Gesera die judische Besiedlung fur den Rest des Mittelalters Krems hatte zwar kein erzwungenes Ghetto dennoch siedelten sich die meisten Juden um die Synagoge an die ein symbolisches und geografisches Zentrum des Judenviertels war Nach der Vertreibung wurden die Hauser und die Synagoge abgerissen und an der Stelle eine Kirche erbaut Neuzeit BearbeitenVereinzelte Ansiedlungen Bearbeiten Die Wiederbesiedlung dauerte lange an und gestaltete sich in ganz Niederosterreich schwer Es hielten sich zwar wenige privilegierte Hofjuden in Niederosterreich auf zu einer dauerhaften Ansiedlung kam es aber nicht mehr Ein erster Zuzug aber erreichte Niederosterreich durch die Ausweisung der Juden in Steiermark und Karnten durch Maximilian I um 1496 97 Die Ausweisung war keineswegs von Pogromen begleitet sondern sehr organisiert Siehe Ausweisung der Juden aus dem Herzogtum Steiermark So wurde es den Juden auf kaiserlichen Befehl erlaubt sich im Burgenland wieder anzusiedeln spater auch in Niederosterreich In Krems selbst wurden keine Juden mehr aufgenommen Nichtsdestotrotz liessen sich Juden in den umliegenden Dorfern und Gemeinden nieder nicht zuletzt wegen den Hauptverkehrsachsen fur Handler entlang der Donau Insgesamt blieb die judische Bevolkerung sehr klein Steuerverzeichnisse offenbaren die marginale Besiedlung So lebten in Stein von 1652 bis 1671 nur insgesamt 9 Juden In Niederosterreich entwickelte sich vom 16 Jahrhundert bis 1671 judische Landgemeinden deswegen wird diese Periode auch als Zeit der Landjuden bezeichnet Die zweite Vertreibung von 1669 71 brachte ein Ende dieser Landgemeinden mit sich 6 19 und 20 Jahrhundert Bearbeiten Zu Beginn des 18 Jahrhunderts boykottierten die auswartigen judischen Handler die Kremser Markte weil sie sich dort ungerecht behandelt fuhlten Zu der Zeit bestand die judische Besiedlung aus Handlern welche nur zu gewissen Jahrmarkten kamen Der Kremser Magistrat der um seine Einnahmen furchtete konnte aber ihre Ruckkehr auf die Markte bewirken Im 19 Jahrhundert grundete sich die neuzeitliche judische Gemeinde in Krems die einen zahlenmassigen Hochststand von ca 200 Mitgliedern erreichte Die Gemeinde enstadt wohl aus Zuzuglern der umliegenden Gebiete An Stelle eines vermutlich in der Drinkaveldergasse schon bestehenden Bethauses liess die Judenschaft 1894 eine neue Synagoge in der Dinstlstrasse nach einem Entwurf des bekannten Wiener Architekten Max Fleischer errichten Der Neubau ahnelte im Stil einer neugotischen Kirche die Strassenfassade aber war einem Burgerhaus der Renaissance nachempfunden Den Einweihungsfeierlichkeiten unter Leitung des Wiener Oberrabbiners Dr Moritz Gudemann blieben die katholischen Geistlichen fern da sie nicht ihrer Kirche untreu werden wollten 2 Nach dem Ersten Weltkrieg fiel es der kleiner gewordenen judischen Gemeinde oft schwer die fur einen Gottesdienst erforderlichen zehn Manner zusammenzubringen Minjan Nur zu hohen Feiertagen Jom Kippur Rosch ha Schana war die Synagoge gefullt da Juden aus dem Waldviertel anreisten 1912 trat Dr Meir Gabriel Mehrer aus Wien das Amt des Rabbiners an das er bis 1938 innehatte In den 1930er Jahren gehorten zur Kultusgemeinde Krems die Gerichtsbezirke Gfohl Langenlois Mautern Poggstall und Spitz 1880 1882 weihte die Kremser Kultusgemeinde ausserhalb des Stadtgebietes an der Wiener Strasse ihren dritten Friedhof ein der ein in den 1850er Jahren angelegtes Begrabnisareal auf dem Turnerberg abloste In der Zwischenkriegszeit eine Periode gepragt durch Armut und Krise fur die Bevolkerung stieg in ganz Osterreich der Antisemitismus rasant so auch in Krems In den 1920er Jahren war Krems neben Gmund ein Zentrum fur osterreichische NSDAP Mitglieder Die meisten Juden zogen nach Wien wo es bessere wirtschaftliche Moglichkeiten gab 1934 gab es 220 Juden in Krems im Marz 1938 waren es 116 und im November 65 Juden Unmittelbar nach dem Anschluss Marz 1938 wurden einige Kremser Juden inhaftiert kurz darauf aber wieder freigelassen Geschafte judischer Besitzer wurden beschmiert das judische Bethaus in den Dinstlstrasse mit Hakenkreuzen beschmutzt Mitte September 1938 mussten unter SA Aufsicht judische Einwohner den Judentempel ausraumen dabei wurden sie gedemutigt und verspottet Das Synagogengebaude wurde danach als Lager genutzt sodass es in den Novembergpogromen nicht beschadigt wurde Von den 27 bestehenden judischen Gewerbebetrieben wurden bis Jahresende fast alle arisiert 1940 verkaufte die Israelitische Religionsgesellschaft das Friedhofsgelande an die Stadt Krems Die meisten Juden fluchteten 1938 und 1939 1940 lebten in Krems 16 Juden Die restlichen Kremser Juden wurden nach Wien forciert wo sie unter menschenunwurdigen Umstanden in Sammelwohnungen auf engstem Raum mit anderen Juden untergebracht wurden 130 Kremser Juden wurden deportiert und ermordet Anfang April 1945 uberstand die Synagoge einen schweren Bombenangriff fast unbeschadet 1952 wurde sie an die Israelitische Kultusgemeinde zuruckgegeben Der Versuch der Kommune das Gebaude zu erwerben und es fur offentliche Zwecke zu nutzen schlug fehl 1978 wurde das ehemalige judische Bethaus in Krems abgerissen obwohl es sich noch in einem guten Bauzustand befand 7 An seiner Stelle steht heute eine moderne Bankfiliale Einzelnachweise Bearbeiten a b Eveline Brugger Von der Ansiedlung bis zur Vertreibung in Geschichte der Juden in Osterreich Ueberreuter Osterreich S 172 173 a b Klaus Dieter Alicke Aus der Geschichte der judischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum Krems an der Donau Klaus Dieter Alicke 2014 abgerufen am 28 Mai 2020 Birgit Wiedl Die angebliche Hostienschandung in Pulkau 1338 und ihre Rezeption in der christlichen und judischen Geschichtsschreibung In medaon Magazin fur judisches Leben in Forschung und Bildung 6 2010 Osterreichische Nationalbibliothek Cod Hebr 218 Krems Ketubbah auf The Center for Jewish Art Barbara Staudinger Die Zeit der Landjuden und der Wiener Judenstadt in Geschichte der Juden in Osterreich S 236 242 Ernst Kalt Die Kremser Synagoge ein dunkles Kapitel der Denkmalpflege In DAVID Judische Kulturzeitschrift DAVID Judischer Kulturverein Juli 2014 abgerufen am 31 Mai 2020 mit Fotos der Synagoge Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte der Juden in Krems amp oldid 238437686