Die Geschichte der Basken ist wesentlich bestimmt von den Motiven der Selbstbehauptung und Selbstbestimmung. Als ethnische und kulturelle Gemeinschaft war und ist ihnen die baskische Sprache ein vorrangiges IdentitĂ€tsmerkmal und Anliegen. Die Basken bezeichnen sich selbst als Euskaldunes â âBaskisch-Sprecherâ. Ihre Siedlungsgebiete beiderseits der PyrenĂ€en und am Kantabrischen Gebirge, die vor allem eine an EigenstĂ€ndigkeit und Ungebundenheit gewöhnte Kultur von Bergbauern haben entstehen lassen, waren mit ursĂ€chlich dafĂŒr, dass die Basken gegenĂŒber den HerrschaftsansprĂŒchen groĂer historischer Reiche und Machtkomplexe auf regionaler Ebene nahezu durchgĂ€ngig ihr Eigenleben und politische Sonderrechte in Form von Autonomieregelungen bewahren konnten.
Nur einmal waren die Basken am Anfang des 11. Jahrhunderts in einem Herrschaftsgebiet politisch geeint. Die Aufteilung des Baskenlands in ein sĂŒdlich der PyrenĂ€en bestehendes spanisches (Hegoalde) und ein nördlich der PyrenĂ€en gelegenes französisches (Iparralde) hat sich hingegen durch alle geschichtlichen UmbrĂŒche bis in die Gegenwart erhalten. In diversen lokalen Regelungen, die als Foralsystem bezeichnet werden und die auf Selbstverwaltung und auf Begrenzung der jeweiligen ĂŒbergeordneten Herrschaftsmacht zielten, schufen die Basken seit dem SpĂ€tmittelalter ein ihre politische IdentitĂ€t prĂ€gendes RechtsgefĂŒge.
Wirtschaftliche BlĂŒtezeiten erlebten Basken als WalfĂ€nger und Hochseefischer, als Schiffskonstrukteure und Werftenbetreiber, bei der Förderung und dem Export von Eisenerz sowie mit dem Aufbau einer Schwerindustrie. Zu ihren wichtigsten StadtgrĂŒndungen gehören auf französischer Seite Bayonne und Biarritz, im spanischen Baskenland San SebastiĂĄn und Bilbao sowie Gernika als symbolischer Ort baskischer Freiheit und Selbstbehauptung.
Ein Volk am Rande antiker Zivilisation Bearbeiten
Die UrsprĂŒnge des baskischen Volkes sind ungeklĂ€rt. Die rĂ€tselhafte Herkunft der Basken â nach einer Theorie seien sie von SĂŒden gekommen, nach der zweiten aus Norden und nach der dritten aus Asien â ist weiterhin offen. Erwiesen ist allerdings, dass die baskische Sprache als eine mit keiner anderen verwandte vorindogermanische Sprache die Ă€lteste in Westeuropa noch existierende ist. Erste schriftliche Zeugnisse, die die Existenz baskischer StĂ€mme im Baskenland belegen, stammen von römischen Schriftstellern wie Sallust und Plinius dem Ălteren und von Geographen wie Strabon und Claudius PtolemĂ€us. Wie Sprachzeugnisse zeigen, ging das frĂŒhere Siedlungsgebiet der Basken weit ĂŒber das heutige hinaus.
Die GebirgszĂŒge der PyrenĂ€en und des Kantabrischen Gebirges blieben von der römischen Expansion lange ausgenommen, und in den unzugĂ€nglichen Gebirgsgegenden des baskischen Raumes entzogen sich die Stammeskulturen weitgehend der Romanisierung. In gleicher Weise behaupteten die Basken ihre Siedlungsgebiete und ihre Sprache auch gegenĂŒber den nachfolgenden Reichen der Westgoten und der Franken, die von Norden her expandierten, und der von SĂŒden kommenden Mauren. Die baskische Geschichtsschreibung erklĂ€rt die Vielfalt der unterschiedlichen Dialekte innerhalb eines kleinen geographischen Raumes im Baskenland mit einer weitgehend statischen soziokulturellen Entwicklung bei nur geringem Austausch nach auĂen.
Im Wirkungsfeld mittelalterlicher MĂ€chte Bearbeiten
Als Akteure am Rande der Auseinandersetzung zwischen Franken und Mauren widersetzten sich die Basken gelegentlich den von frĂ€nkischer Seite auferlegten Tributen und brachten ihnen 778 in der durch das Rolandslied nachwirkend bekannt gewordenen Schlacht von Roncesvalles eine Niederlage bei. Die anhaltende RivalitĂ€t zwischen Christen und Mauren im Norden der Iberischen Halbinsel brachte im 9. Jahrhundert die Herrschaft von Iñigo Arista ĂŒber das christliche Pamplona hervor, die in der Folge zu einem erblichen Königtum wurde, bekannt auch als Königreich Navarra. Im Baskenland bildeten sich innerhalb des navarrischen Einflussbereichs die Grafschaften Bizkaia, Ălava und Gipuzkoa und der Vizegrafschaften Labourd und Soule heraus. Zum âKönig aller Baskenâ wurde zu Beginn des 11. Jahrhunderts Sancho der GroĂe (Sancho el Mayor), unter dem das Königreich Pamplona, ĂŒber den Nordrand der PyrenĂ€en ausgreifend, seine gröĂte Ausdehnung erreichte, bevor es nach seinem Tod unter seinen Söhnen geteilt wurde. In der Folge waren Gipuzkoa, Ălava und Bizkaia den wechselnden HerrschaftsansprĂŒchen Kastiliens und Navarras ausgesetzt.
Wie alle frĂŒhen kulturellen Impulse von auĂen kam auch die Christianisierung der Basken erst vergleichsweise spĂ€t voran. So scheiterte im 7. Jahrhundert der heilige Amandus mit seinem Missionierungsversuch bei den Basken. Wirksamer erwiesen sich diesbezĂŒglich Kirchenbauten und Klosteranlagen, die spĂ€ter entlang des Jakobswegs entstanden, der zeitweise an der BiskayakĂŒste verlief. Doch in Kernregionen wie Gipuzkoa und Bizkaia stammen die Ă€ltesten erhaltenen Kirchenanlagen meist aus der Gotik; und Klosterleben gab es in diesem Raum erst im SpĂ€tmittelalter. Im Jahr 1534 aber war es der Baske Ignatius von Loyola, der in einer Krypta des Pariser Montmartre den Orden der Jesuiten grĂŒndete, nachdem er seinen baskischen Landsmann Franz Xaver ebenfalls fĂŒr die katholische Sache gewonnen hatte. Die Jesuiten bildeten den ersten Orden, der weltweit missionierte, und Franz Xaver wurde zu diesem Zweck nach Asien ausgesendet und missionierte in Japan, den Molukken und Malaysia, bevor er auf dem Weg nach China 1552 starb. Beide OrdensgrĂŒnder wurden 1662 heiliggesprochen.
Autarke (Berg-)Bauern und stÀdtische AnfÀnge Bearbeiten
Noch als Wilhelm von Humboldt zum zweiten Mal das Baskenland bereiste und seine EindrĂŒcke festhielt, erschienen ihm als eigentlicher Kern der baskischen Nation die Bauern mit ihren âoft tief im Gebirgeâ liegenden Einzelgehöften. Die StĂ€dte hingegen seien âein fremder und spĂ€terer Zusatzâ. Wie vermutlich seit den frĂŒhesten Zeiten, so Humboldt, weise Bizkaia eine zerstreute Besiedlung auf, die Höfe einsam, oft in betrĂ€chtlicher Entfernung voneinander liegend. In dieser Abgeschiedenheit nĂ€hre der Baske âden Geist der Freiheit und UnabhĂ€ngigkeit, der ihn auszeichnetâ. Dort entwickle er die Liebe zu den EigentĂŒmlichkeiten seiner Lebensart, seiner Nation und Sprache.
Ein von Humboldt aufgesuchter einfacher Berghof war zweistöckig, aus Stein und Holz gebaut, schornsteinlos und mit flach ablaufenden DĂ€chern. Versammlungsort der Familie war die KĂŒche; die daran anschlieĂenden Kammern dienten zum Schlafen und fĂŒr hĂ€usliche TĂ€tigkeit wie die Leinweberei. Oben gab es Böden und unmittelbar an der KĂŒche den Stall. Die Futterkrippe fĂŒr die von der Feldarbeit zurĂŒckgebrachten Ochsen war an der Trennwand von der KĂŒche zum Stall angebracht, âund in der Wand sind zwei Oefnungen durch welche die Thiere den Hals stecken. So wird Unreinlichkeit vermieden und der Landmann hat doch immer die beiden wichtigsten StĂŒcke seiner Wirtschaft unter unmittelbarer Aufsicht.â
An die Zugehörigkeit zu einem Haus ist die IdentitĂ€t der Basken laut Kurlansky ebenso gebunden wie an die zum Volk. Oft beziehen sich sogar baskische Nachnamen auf Begriffe wie Haus, Steinhaus, neues oder altes Haus. Zu jedem dieser HĂ€user gehören GrĂ€ber fĂŒr die Angehörigen und als geistliches Oberhaupt eine Frau, die fĂŒr SegenssprĂŒche und Gebete zustĂ€ndig ist, die alle Hausangehörigen einschlieĂen: Lebende und Verstorbene. âNoch heute erinnern manche Basken an ihre UrsprĂŒnge, wenn sie sich einem Landsmann in der Fremde nicht mit ihrem Familiennamen vorstellen, sondern mit dem Namen ihres Hauses, eines GebĂ€udes, das vielleicht schon seit Jahrhunderten nicht mehr steht. Der HausgrĂŒnder mag entschwunden, der Familienname untergegangen sein, doch der Name des Hauses dauert fort.â
Im 13. Jahrhundert nahm die wirtschaftliche Bedeutung der KĂŒstengebiete von Bizkaia und Gipuzkoa zu, deren HĂ€fen nun zum Beispiel fĂŒr die Ausfuhr kastilischer Wolle nach England genutzt wurden. Die zunehmende Bedeutung von Handwerk und Handel fĂŒhrte zu StĂ€dtegrĂŒndungen mit wirtschaftlichen Privilegien und eigener Rechtsprechung, die nur der Krone unterstanden. Vorreiter war das 1181 vom navarresischen König gegrĂŒndete San SebastiĂĄn. SpĂ€tere StĂ€dtegrĂŒndungen gingen hauptsĂ€chlich von Kastilien aus. Bilbao wurde 1300 gegrĂŒndet. Zu den HafenstĂ€dten kamen jene an den HandelsstraĂen vom Inland zur KĂŒste. Nach 1330 wurden StadtgrĂŒndungen mit Mauern versehen, um die Bewohner zu schĂŒtzen. AuĂer dem 1366 gegrĂŒndeten Gernika dienten die StadtgrĂŒndungen dieser Zeit durchweg Verteidigungszwecken.
Die auf handwerklichen und merkantilen FĂ€higkeiten beruhenden Wirtschaftsformen der StĂ€dte machten sie zu bĂŒrgerlichen Inseln in lĂ€ndlicher Umgebung. Die dort vorherrschenden Streusiedlungen schlossen sich mit der Zeit zu gröĂeren VerbĂ€nden zusammen, in der Regel bis zu den Grenzen des jeweiligen Tals. Im Zuge der Urbanisierung kam es fĂŒr viele von ihnen zum Anschluss an die StĂ€dte, speziell in Gipuzkoa, wo Ende des 14. Jahrhunderts fast das ganze Gebiet unter stĂ€dtischem Einfluss stand.
Fueros â Selbstbehauptung aus eigenem Recht Bearbeiten
Pestepidemien und klimabedingte Missernten schwĂ€chten im 14. und 15. Jahrhundert die Wirtschafts- und Sozialstrukturen auch im Baskenland. Um die Vorherrschaft ringende verfeindete Grundherren bildeten KampfverbĂ€nde, die untereinander Bandenkriege austrugen bis hin zu Schlachten mit Tausenden von Soldaten. Die zunĂ€chst von Seiten Kastiliens, dann auch von Navarra dagegen aufgebotenen Hermandades, Polizeitruppen, die sich aus Bauern, Stadtbewohnern und einigen Kleinadligen zusammensetzten, bekamen nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen Ende des 15. Jahrhunderts die Oberhand. Dies trug dazu bei, dass die baskischen Territorien sich als politische Einheiten organisierten und innerhalb ihrer jeweiligen Grenzen zu ersten Gesetzgebungen gelangten. Ein sich breit entwickelndes Bewusstsein der juristischen Gleichheit aller Bewohner fĂŒhrte in Gipuzkoa und Bizkaia dazu, dass sich die Bewohner vom kastilischen König den sogenannten âUniversaladelâ verleihen lieĂen, der jedem von ihnen Rechte verlieh, die sonst nur Adligen vorbehalten waren: Waffen zu tragen, zu jagen, zu fischen und MĂŒhlen anzulegen.
In Bizkaia, Gipuzkoa und Ălava wurden Versammlungen zur Regelung innerer Angelegenheiten gebildet, die Juntas Generales, die auch als territoriale Interessenvertretungen gegenĂŒber dem Landesherrn fungierten. Die schriftliche Fixierung herkömmlichen Gewohnheitsrecht hatte 1394 in Bizkaia mit dem Fuero Viejo begonnen und wurde 1526 durch den Fuero Nuevo abgelöst, in dem unter anderem Steuerfreiheiten, Universaladel und strafrechtliche Garantien enthalten waren. Das auf dieser Grundlage im 16. Jahrhundert entstandene Foralsystem regelte als ein verschrĂ€nktes Herrschaftssystem, in welcher Form der König seine Macht in den baskischen Provinzen auszuĂŒben berechtigt war. Er oder sein Vertreter war in den Versammlungen prĂ€sent, sodass beide Seiten in den BeschlĂŒssen zusammenwirkten. Die Rechtsprechung geschah im Namen des Königs und durch seine Beauftragten, gegebenenfalls unter Anwendung foralen Rechts. Verboten waren Folter und Inhaftierung ohne richterliches Mandat. Konflikte ergaben sich hĂ€ufig in Bezug auf die Abgaben an den König und auf die BeitrĂ€ge zur Landesverteidigung. DiesbezĂŒglich galt nĂ€mlich grundsĂ€tzlich, dass der Waffendienst der Basken nur fĂŒr Auseinandersetzungen verpflichtend war, die das eigene Territorium betrafen.
Die Basken interpretierten die Fueros gegenĂŒber dem kastilischen Königtum als einen Pakt zwischen einem souverĂ€nen Volk und seinem Schutzherrn, nicht also als herrscherlichen Gunsterweis gegenĂŒber Untertanen. Dementsprechend entwickelte man in spĂ€terer Zeit die Vorstellung von einem zur Selbstbestimmung legitimierten baskischen Volk: âDie fueros werden zum Ausdruck eines seit Menschengedenken bestehenden Gewohnheitsrechts eines freien und souverĂ€nen Volkes, das in spĂ€teren Jahrhunderten in seiner Freiheit fortschreitend beschnitten wurde. Entsprechend wirkt die romantisierende VerklĂ€rung des sich am Grund und Boden orientierenden sozialen GefĂŒges im lĂ€ndlichen Raum machtvoll bis in die Gegenwart hinein [âŠ].â
Meeresfischer, WalfÀnger und Seefahrer Bearbeiten
FĂŒr die KĂŒstenstriche des Baskenlandes beiderseits der PyrenĂ€en war von alters her die Fischerei von zentraler Bedeutung. Doch auch der Walfang wurde schon frĂŒh zu einem eintrĂ€glichen Erwerbszweig der KĂŒstenbewohner. Denn die im Winter aus den zufrierenden nördlichen GewĂ€ssern nach SĂŒden ziehenden Wale schwammen teils auch bis zur Bucht von Biskaya herunter. Ein totes Tier konnte fĂŒr 30 Tonnen Blubber gut sein, der zu Tran verarbeitet wurde. Aus dem Jahr 670 ist in Nordfrankreich der Verkauf von 40 Kannen Waltran durch Basken aus Labourd ĂŒberliefert. Als erste kommerzielle WalfĂ€nger errichteten die Basken im 7. Jahrhundert im ganzen von ihnen bewohnten KĂŒstenbereich eine Vielzahl von WalbeobachtungstĂŒrmen, die zwischen Oktober und MĂ€rz besetzt waren. SpĂ€ter wurde der Wal fĂŒr eine Reihe baskischer StĂ€dte zum Wappenmotiv.
Die von eindringenden Wikingern im 9. Jahrhundert am Adour ausgelösten AbwehrkĂ€mpfe hinterlieĂen bei den Basken wichtige Vorbilder fĂŒr den Bau von Schiffen mit verbesserter Hochseetauglichkeit. Die Erweiterung des Aktionsradius auf See erforderte aber zusĂ€tzlich ausreichend haltbaren Proviant. Auch diesbezĂŒglich lernten die Basken von den Wikingern, die Kabeljau durch Trocknung als Stockfisch konservierten; und sie verbesserten ihrerseits die Haltbarkeit, indem sie den Fisch vor dem Trocknen einsalzten. Indem die Basken fortan den nordatlantischen Kabeljau jagten und ihre Schiffe mit gepökeltem Fisch verproviantierten, konnten sie dem Wal bis in seine SommergrĂŒnde vor Island oder Norwegen folgen. Solcher Hochseewalfang fernab von Spanien hatte fĂŒr die Beteiligten den Vorteil, dass man Fangabgaben an Regierungen und Kirchen umging.
Nach und nach wurden die Basken so auch zu fĂŒhrenden Schiffsbauern, Lotsen und Seefahrern. Baskische Schiffe waren wiederum bei anderen Seefahrernationen wegen ihrer Breite und ihres groĂen Fassungsvermögens stark nachgefragt. Im 15. und 16. Jahrhundert entstanden an der baskischen KĂŒste zahlreiche Werften. Denn das Baskenland hatte sowohl die HĂ€fen als auch die fĂŒr die Schiffsherstellung nötigen Eisenvorkommen und EichenwĂ€lder. Viele der ersten Schiffe, die Afrika, Amerika und Asien erkundeten, so Kurlansky, waren von Basken gebaut worden und wurden oft auch von Basken navigiert. So waren auf den Entdeckungsreisen von Christoph Kolumbus viele baskische Mannschaftsgrade vertreten, und nicht wenige der Schiffe stammten aus baskischer Produktion. Es war der Baske Juan SebastiĂĄn Elcano, der die von Ferdinand Magellan begonnene Weltumsegelung mit der Victoria und mindestens vier weiteren Basken unter den 18 verbliebenen Besatzungsmitgliedern vollendete.
Die von Spanien ausgehende Entdeckung und Kolonisierung Amerikas hatte auch fĂŒr das Baskenland demographische Konsequenzen; denn auch viele Basken lockte die Chance eines Neubeginns in Ăbersee. Davon zeugen unter anderem baskische Bruderschaften, zu denen sich die Auswanderer auf kolonialem Boden zusammenschlossen. Auch einige prominente Konquistadoren waren baskischer Herkunft, unter ihnen Juan de Garay in Argentinien, Francisco de Ibarra in Mexiko, Lope de Aguirre in Peru und Venezuela und Domingo MartĂnez de Irala in Paraguay. Aus dem baskischen Durango stammte der erste mexikanische Erzbischof Juan de ZumĂĄrraga.
Im Spannungsfeld von Absolutismus und Revolution Bearbeiten
WĂ€hrend das baskische Foralwesen vom 16. bis 18. Jahrhundert einerseits das politische Denken der Bevölkerung weiter bestimmte und nachhaltig wirksam wurde, waren die baskischen Territorien andererseits dem zunehmenden Macht- und Integrationsanspruch der Könige Frankreichs und Spaniens im Zeichen des aufkommenden Absolutismus ausgesetzt. Zu sozialen Spannungen fĂŒhrende wirtschaftliche Krisenerscheinungen zeigten sich im 17. Jahrhundert sowohl in der Landwirtschaft, die eine Umstellung auf Mais vollzog, als auch in einem Niedergang der Eisenerzeugung mangels Auslandsnachfrage und in einem Verlust von FischgrĂŒnden in den Nordmeeren, unter anderem wegen des Machtverlusts der spanischen Flotte gegenĂŒber den neuen SeemĂ€chten England und Holland. Die Zentralgewalten in Frankreich und Spanien erhöhten unter dem Eindruck rĂŒcklĂ€ufiger Einnahmen und steigender AusgabenansprĂŒche den Steuerdruck auf die Bevölkerung, zum Beispiel durch eine empfindliche Besteuerung des Salzverbrauchs. Als Anschlag auf das Foralsystem wurden aber auch VorstöĂe der Krone betrachtet, das Gemeindeland als Königsgut zu verkaufen. Mit wiederkehrenden AufstĂ€nden, den Matxinadas, setzten sich die Basken in Hegoalde und Iparralde dagegen zur Wehr.
Zu einem weiteren das herkömmliche Foralsystem in Frage stellenden Streitpunkt zwischen Madrid und dem spanischen Baskenland wurden die VorstöĂe der Krone ab 1718, die Zollgrenzen fĂŒr die Wareneinfuhr nach Spanien vom baskischen Hinterland an die baskische KĂŒste vorzuverlegen, um höhere Einnahmen zu erzielen und Schmuggel zu unterbinden. Auch dagegen richteten sich der Volkszorn in Matxinadas â mit zwischenzeitlichen Erfolgen. Die Auseinandersetzungen darum zogen sich bis ins 19. Jahrhundert hin.
FĂŒr Iparralde kam das Ende des Foralsystems gleichsam ĂŒber Nacht mit der Französischen Revolution, als vom 4. auf den 5. August 1789 die Nationalversammlung neben der Aufhebung des Feudalsystems auch die Beseitigung aller regionalen Verfassungen beschloss, also auch der baskischen. Selbst die baskischen Abgeordneten aus Soule und Labourd stimmten dem zu. Ein Antrag von Dominique Garat aus Labourd, ein eigenes baskisches Departement zu bilden, wurde verworfen. Nicht einmal als gesonderte Distrikte innerhalb des neu geschaffenen Departements Basses PyrĂ©nĂ©es (seit 1969 DĂ©partement PyrĂ©nĂ©es-Atlantiques) blieben die baskischen Provinzen erhalten. Eine staatliche Förderung der baskischen Sprache wurde abgelehnt, und einige Tausend Basken, die man als KonterrevolutionĂ€re verdĂ€chtigte, wurden umgesiedelt.
Carlistenkriege und Industrialisierung Bearbeiten
In Hegoalde gingen die Auseinandersetzungen um den Fortbestand der Fueros nach dem Ende der napoleonischen Vorherrschaft in Spanien, der sich die Basken geschlossen widersetzten, im Zuge der Restauration der spanischen Monarchie unter Ferdinand VII. weiter. Dabei fand die an einem einheitlichen Handels- und Wirtschaftsraum interessierte spanische Krone im liberalen BĂŒrgertum baskischer StĂ€dte UnterstĂŒtzung, denn auch dessen wirtschaftliche Interessen waren zunehmend auf groĂe, zollfreie AbsatzmĂ€rkte gerichtet. Die hartnĂ€ckigen Verteidiger des Foralsystems im spanischen Baskenland waren also speziell Landadel und lĂ€ndliche Bevölkerung sowie die in ihm wirkende Mehrheit des katholischen Klerus, dem seit der Französischen Revolution die Gefahr der Enteignung von Kirchenbesitz vor Augen stand. Als es nach dem Tod Ferdinands VII. 1833 zu einem Streit um die Thronfolge kam, um die seine erst zweijĂ€hrige Tochter Isabella II. â mit UnterstĂŒtzung der Mutter Maria Christina sowie der Liberalen â und sein Bruder Carlos MarĂa Isidro von Bourbon konkurrierten, stellten sich die konservativen Basken mit den kleinen und mittleren Bauern, dem Stadtproletariat und den traditionellen lĂ€ndlichen Eliten sowie den die Dorfbevölkerung als Wanderprediger mobilisierenden katholischen Ordensleuten an die Seite des Carlos, der diese UnterstĂŒtzung mit einem Bekenntnis zu den Fueros abzusichern suchte. Ihnen gegenĂŒber stand das BĂŒrgertum baskischer StĂ€dte, das die liberale Ausrichtung Isabellas II. unterstĂŒtzte. In den mit Unterbrechungen bis 1876 andauernden drei Carlistenkriegen vermochten sich Isabella und der ihr nachfolgende Sohn Alfons XII. letztlich zu behaupten. Am 21. Juli 1876 wurden die Fueros in den Provinzen Gipuzkoa, Bizkaia und AlavĂĄ per Gesetz endgĂŒltig abgeschafft. Stattdessen wurde den dort lebenden Basken unter dem Titel Conciertos EconĂłmicos in der Folge eine beschrĂ€nkte Autonomie zugestanden.
Nach dem Ende der Carlistenkriege und der endgĂŒltigen Integration Hegoaldes in den spanischen Markt kam es vergleichsweise spĂ€t zu einer raschen Industrialisierung in Bizkaia und Gipuzkoa. Ausgangsbereich war der mit neuerlicher IntensitĂ€t betriebene Bergbau, dessen Zustand Wilhelm von Humboldt bei seinem Besuch zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch als desolat beschrieben hatte. Der Eisenerzabbau nahm ab 1878 (1,3 Millionen Tonnen) einen sprunghaften Aufschwung und betrug 1890 bereits 5 Millionen Tonnen. Da das baskische Eisenerz fĂŒnfmal billiger angeboten werden konnte als das britische, gingen zwischen 1878 und 1900 mehr als 50 Millionen Tonnen als Exporte nach GroĂbritannien. Im Gegenzug wurde britische Kohle fĂŒr den Aufbau der baskischen Schwerindustrie importiert. In dem halben Jahrhundert zwischen 1881 und 1931 produzierten die baskischen Fabriken Hegoaldes zwei Drittel des spanischen Roheisens.
Mit der Industrialisierung Hegoaldes wurden die sozialen und politischen Grundlagen der modernen baskischen Gesellschaft gelegt; denn dazu parallel formierten sich die Sozialisten als Vertreter der Arbeiterschaft, das an Spanien orientierte liberale Unternehmertum und der baskische Nationalismus. Diese drei politischen Ausrichtungen verbreiteten sich, ausgehend von der Metropole Bilbao, in ganz Hegoalde. Am 31. Juli 1895 wurde die EAJ-PNV (Eusko Alderdi Jeltzalea-Partido Nacionalista Vasco â âBaskische Nationalistische Parteiâ) gegrĂŒndet. Ihr ideologischer Vorreiter war Sabino Arana mit seiner Devise âGott und Altes Gesetzâ, die auf die Bewahrung der katholischen und foralen Traditionen zielte. Arana war auch der Impulsgeber fĂŒr die baskische Fahne und Hymne. In der EAJ-PNV gab es von Anbeginn zwei Lager: die auf UnabhĂ€ngigkeit des Baskenlandes fixierten radikalen Nationalisten und die bĂŒrgerlichen Liberalen, die auf weitgehende baskische Autonomie innerhalb Spaniens setzten.
BĂŒrgerkrieg, Franco-Diktatur und ETA Bearbeiten
Als nach den drei ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Weltwirtschaftskrise auch Spanien erreichte, das sich im Ersten Weltkrieg neutral gehalten hatte (sodass nur die Basken Iparraldes fĂŒr Frankreich daran teilgenommen hatten), musste die Monarchie 1931 der Zweiten Spanischen Republik weichen. Sie wurde am 14. April zuerst im baskischen Ort Eibar ausgerufen. Den Basken und anderen regionalen MinoritĂ€ten in Spanien wurden nun neue Autonomierechte zugesichert; doch zog sich die VerstĂ€ndigung ĂŒber ein diesbezĂŒgliches Statut hin, das erst im November 1933 in Bizkaia und Gipuzkoa groĂe Mehrheiten erreichte, als in Madrid eine konservative Regierung nach Wahlen die linksliberale ablöste. GegenĂŒber den mit zunehmender HĂ€rte ausgetragenen sozialpolitischen KĂ€mpfen und GewaltausbrĂŒchen gerieten Autonomieregelungen wie die baskische jedoch in den Hintergrund. Erst nach dem knappen Wahlsieg der linken Volksfront (Frente Popular) gegen die Nationale Front (Frente Nacional) im Februar und dem in den Spanischen BĂŒrgerkrieg fĂŒhrenden MilitĂ€rputsch im Juli 1936 wurde das Autonomiestatut von der Regierung im Oktober desselben Jahres in Kraft gesetzt.
Die regierende linke Volksfront selbst hatte die HerbeifĂŒhrung des MilitĂ€rputsches noch im Vorfeld durch die Versetzung fĂŒhrender Offiziere an andere Standorte zu verhindern gesucht, dabei aber selbst veranlasst, dass Emilio Mola als einer der aufstĂ€ndischen Hauptakteure in Pamplona stationiert wurde, das schon seit 1931 ein Zentrum antirepublikanischer Verschwörungen gewesen war. Mola gewann dort die UnterstĂŒtzung der Carlisten fĂŒr den Putsch, sodass in Navarra insgesamt 17.000 freiwillige Carlisten und Falangisten die Putschisten unterstĂŒtzten â mehr als ein Drittel aller spanischen Freiwilligen. Nach schneller MachtĂŒbernahme in Navarra griffen die AufstĂ€ndischen Gipuzkoa an und drangen im Herbst 1936 bis zum Fluss Deba vor, wo die republiktreuen Truppen sie vorerst aufhielten.
Am 31. MĂ€rz 1937 begann Mola, unterstĂŒtzt von der Legion Condor, eine GroĂoffensive mit Bombardement auf Durango, das jede Widerstandsbereitschaft der Bevölkerung brechen sollte. Die fast vollstĂ€ndige Zerstörung Gernikas in einem dreieinhalbstĂŒndigen Luftbombardement geschah am 26. April 1937. Ende Juni war auch der Westen Bizkaias mit Bilbao in den HĂ€nden der Putschisten. Bizkaia und Gipuzkoa wurden zu âVerrĂ€terprovinzenâ erklĂ€rt und die Conciertos EconĂłmicos als verbliebene Sonderrechte getilgt. Der militĂ€rische Erfolg der AufstĂ€ndischen und die daran anschlieĂenden Repressionen, von denen auch Hunderte Priester betroffen waren und die zwischen 1936 und 1945 Tausende von Hinrichtungen brachten, fĂŒhrten dazu, dass insgesamt mehr als 150.000 Bewohner des spanischen Baskenlandes sich nach Iparralde absetzten und dort zunĂ€chst in FlĂŒchtlingslagern untergebracht wurden. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg dominierten in Iparralde spanischstĂ€mmige Basken den Partisanenkampf gegen die Besatzer.
Nach dem tödlichen Flugzeugabsturz Emilio Molas im Juni 1937 wurde Francisco Franco der unbestrittene FĂŒhrer der Putschisten und BegrĂŒnder einer fast vier Jahrzehnte wĂ€hrenden Diktatur in Spanien. Der Franquismus brachte fĂŒr die Basken unter anderem ein Verbot ihrer Sprache in der Ăffentlichkeit. AktivitĂ€ten der baskischen Exilregierung in Frankreich und Streikaktionen im spanischen Baskenland wĂ€hrend der Nachkriegsjahre blieben erfolglos, da die antikommunistische Ausrichtung Francos im Kalten Krieg das westliche Ausland zur Hinnahme seiner Diktatur brachte und Investitionen nach Spanien lenkte, die stabilisierend wirkten und auch fĂŒr Hegoalde in den 1960er Jahren zu wirtschaftlicher ProsperitĂ€t fĂŒhrten. Diese zog Einwanderer aus anderen Regionen Spaniens in groĂer Zahl an, sodass die Bevölkerung von Bizkaia zwischen 1960 und 1975 um 54 Prozent, in Gipuzkoa um 43 Prozent anstieg. Daraus ergab sich eine Krise der tradierten baskischen Werte, die zu neuen Konflikten fĂŒhrte.
Neuer Widerstand gegen das Franco-Regime artikulierte sich 1959 in der GrĂŒndung der ETA (Euskadi Ta Askatasuna â âBaskenland und Freiheitâ), die aktives Eintreten fĂŒr die baskische Sprache und Kultur forderte und eine Theorie des bewaffneten Kampfes zur Befreiung des Baskenlandes entwickelte: Der Staat sollte durch Attentate auf AmtstrĂ€ger und SicherheitskrĂ€fte zu repressiven Reaktionen gegen die Bevölkerung provoziert werden, bis diese sich schlieĂlich massenhaft gegen ihre UnterdrĂŒcker erhöbe. Eine bewaffnete Auseinandersetzung, heiĂt es bei Seidel, sei seinerzeit von einer wachsenden Zahl von Sympathisanten als legitim betrachtet worden. UnterstĂŒtzung sei auch vom niedern baskischen Klerus gekommen, sodass sich ETA-Leute im kirchlichen Umfeld relativ sicher und frei hĂ€tten bewegen können. Laut Kerstin Römhildt kamen die WiderstĂ€ndigen oft von dörflichen Bauernhöfen mit je eigener NamensidentitĂ€t, den baserrias, die eine zentrale Rolle bei der individuellen IdentitĂ€tskonstruktion gespielt hĂ€tten. Die Zweit- und Drittgeborenen solcher Höfe seien gern in Priesterseminaren untergebracht worden und hĂ€tten in einer Gemengelage von persönlichen Erfahrungen mit der Franco-Diktatur sowie unter dem Einfluss religiöser und marxistischer Ideologien eine Einstellung entwickelt, die baskischen Nationalismus und politische Gewalt als notwendige Antwort auf die gesellschaftliche Situation einschloss. Von 1967 an kam es zu ETA-Aktionen wie BankĂŒberfĂ€llen, BombenanschlĂ€gen und Attentaten â bis hin zu jenem 1973 auf den designierten Franco-Nachfolger Luis Carrero Blanco, der mit seinem Auto in die Luft gesprengt wurde. Noch kurz vor seinem Tod lieĂ Franco 1975 im Gegenzug fĂŒnf illegale WiderstĂ€ndler, darunter zwei ETA-Mitglieder hinrichten.
Anhaltendes Autonomiestreben im demokratischen Spanien Bearbeiten
Bereits in der Ăbergangsphase Spaniens von der Franco-Diktatur zu einer Demokratie westlichen Zuschnitts lieĂen die Basken in ihrem Abstimmungsverhalten Vorbehalte erkennen: Ihre Zustimmungsrate zu den politischen Reformen und zur neuen Staatsverfassung fiel deutlich geringer aus als in anderen Teilen Spaniens. Zwar war das nach den Verhandlungen gewĂ€hrte Autonomiestatut teils weiter gefasst als zu den Zeiten der Zweiten Republik: Erziehung, Kultur- und Sprachpflege, örtliche Polizei und innere Finanzangelegenheiten wurden darin zugestanden. Die aus Gipuzkoa, Bizkaia und AlavĂĄ bestehende Autonome Gemeinschaft erhielt den Namen Euskadi (Baskenland). Die im âStatut von Gernikaâ, dem diesbezĂŒglichen baskischen Entwurf, geforderte Anerkennung der SouverĂ€nitĂ€t des baskischen Volkes sowie ein Zusammenschluss der drei baskischen Provinzen Euskadis mit Navarra kam fĂŒr die Volksvertretung in Madrid jedoch nicht in Frage.
Von den Anfang 1976 noch 600 ETA-HĂ€ftlingen in spanischen GefĂ€ngnissen wurde im Laufe des Jahres etwa die HĂ€lfte entlassen, wĂ€hrend weitere 300 Etarras aus dem französischen Exil zurĂŒckkehrten. In der Folge wurde auch den baskischen Forderungen nach vollstĂ€ndiger Amnestie weitgehend nachgegeben; doch auch die im Mai 1977 noch einsitzenden 27 als besonders gefĂ€hrlich eingestuften ETA-HĂ€ftlinge kamen nach einem Generalstreik, bei dem allein in Bizkaia 300.000 Arbeiter in den Ausstand traten, im Zuge einer nun allgemeinen Amnestie fĂŒr politisch motivierte Straftaten frei. Damit gingen die AktivitĂ€ten der meisten gewalttĂ€tigen extremistischen Gruppen nach und nach zu Ende, nicht aber die der ETA.
FĂŒr die ETA, die zunĂ€chst weiterhin ĂŒber einigen gesellschaftlichen RĂŒckhalt verfĂŒgte, ergaben die neuen VerhĂ€ltnisse auch mit Verfassung und Autonomiestatut keinen Grund zur Einstellung des bewaffneten Kampfes. Die Forderungen nach vollstĂ€ndiger Selbstbestimmung waren unerfĂŒllt geblieben, und die polizeilichen Repressionen wurden Ă€hnlich wie zu Francos Zeiten fortgesetzt. Auf Zeiten der Lageberuhigung folgten neue Konflikteskalationen. Ein Bombenanschlag der ETA im Juni 1987 auf einen Supermarkt in Barcelona kostete 21 Menschenleben; im Dezember desselben Jahres wurden nach einem Autobomben-Attentat auf eine Wohnkaserne der Guardia Civil in Saragossa 12 Tote geborgen. Als negative Folgen des ETA-Terrors nennt Walther L. Bernecker Vertrauensschwund in die Politik der Regierung, Abwanderung von Industrien und Zunahme der sozialen Probleme. â1980 registrierte das hochindustrialisierte Baskenland 17 Prozent Arbeitslose, 1984 sogar 21,4 Prozent â ein sozialer Sprengsatz, der den radikalen ETA-Forderungen möglicherweise noch neuen Zulauf verschaffte und die Lösung der politischen Aufgaben nicht nur erschwerte, sondern nahezu unmöglich machte.â Von 2005 bis 2007 sich hinziehende Verhandlungen der ETA-Spitze, die einen Waffenstillstand ausgerufen hatte, mit Vertretern der Regierung Zapatero endeten ergebnislos. Durch AnschlĂ€ge in Urlaubsorten, etwa auf Mallorca, suchte die ETA wiederum eine breite Ăffentlichkeit im Ausland zu erreichen und mit dem Tourismus zugleich einen wichtigen spanischen Wirtschaftszweig zu treffen. Nachdem die französischen Behörden in einen ĂŒbergreifenden Antiterrorkampf mit eingetreten waren, kam es vermehrt zu Fahndungserfolgen mit dem Ergebnis, dass am Ende der 2000er Jahre neuerlich ĂŒber 600 ETA-Mitglieder in Haft saĂen. Durch einen Paradigmenwechsel und einer Neuorientierung der FĂŒhrung der ETA im Jahre 2010 zeigte sich die ETA offen fĂŒr eine gewaltfreie Lösung des Konfliktes. Am 21. Oktober 2011 gab sie nach einer Vermittlung durch Kofi Annan das Ende aller bewaffneten AktivitĂ€ten bekannt. Am 8. April 2017 ĂŒbergab die ETA ihr Waffenarsenal. Am 3. Mai 2018 löste sich die ETA nach eigenem Bekunden auf.
Politisch fĂŒhrende Kraft in Euskadi blieb auch im demokratisch erneuerten Spanien die baskisch-nationalistisch orientierte EAJ-PNV, die sich unter anderen zwischen der an der ETA orientierten Batasuna und dem das Arbeitermilieu vertretenden PSOE dauerhaft behaupten und seit der TransiciĂłn mit einer Ausnahme stets den MinisterprĂ€sidenten (Lehendakari) stellen konnte. In den StĂ€dten Ă€uĂerten sich die lebhaften politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte in den weit verbreiteten politischen Wandmalereien. Ausdruck fortdauernder AnsprĂŒche auf Selbstbestimmung und UnabhĂ€ngigkeit der Basken war der Plan Ibarretxe, der 2001 vorgestellt und 2003 im spanischen Parlament abgelehnt wurde. Recht erfolgreich verlaufen sind dagegen die BemĂŒhungen um die Wiederbelebung der baskischen Sprache, die in allen Schulen Euskadis gelehrt sowie ĂŒber Zeitungen, Radio- und einen Fernsehsender verbreitet wird. Auch die Möglichkeit eines Hochschulstudiums auf Baskisch findet vielfachen Zuspruch.
Ende des 20. Jahrhunderts wurde das Baskische auch im französischen Baskenland aufgewertet, z. B. mit zweisprachigen Ortsschildern. Das 1995 eingerichtete Pays Basque ist allerdings keine der den DĂ©partements ĂŒbergeordneten offiziellen Regionen Frankreichs, sondern ist organisatorisch unterhalb des DĂ©partements angesiedelt. Die BĂŒrgermeister von 158 Gemeinden Iparraldes beteiligten sich im Oktober 1996 an einer Umfrage, die ergab, dass 93 fĂŒr ein eigenes baskisches Departement Baskenland votierten, 53 dagegen. âDas Ergebnis schlug wie eine Bombe ein, wurde doch bis dahin die Frage nach territorialer Anerkennung, als die Forderung einiger âwildgewordener Nationalistenâ, vertrĂ€umter Unternehmer und verrĂŒckter KĂŒnstler abgetan.â Seit 2017 sind die Basken in Frankreich zu einer CommunautĂ© dâagglomĂ©ration zusammengefasst.
Literatur Bearbeiten
Sachbuch Bearbeiten
- Jean-Louis Davant: Histoire du peuple basque â le peuple basque dans lâhistoire. Elkar, Baiona 1986.
- Manex Goyhenetche: Histoire gĂ©nĂ©rale du Pays basque. 5 Bde. Donostia: Elkarlanean, 1998â2005.
- Michael Kasper: Baskische Geschichte. 2., bibliographisch aktualisierte und mit einem Schlusskapitel von Walther L. Bernecker versehene Auflage, Darmstadt 2008.
- Mark Kurlansky: Die Basken. Eine kleine Weltgeschichte. MĂŒnchen 2000. (Englischsprachige Originalausgabe: New York 1999)
- Ingo Niebel: Das Baskenland. Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts. Promedia, Wien 2009.
- Carlos Collado Seidel: Die Basken. Ein historisches Portrait. MĂŒnchen 2010.
- José Antonio Vaca de Osma: Los vascos en la historia de España. 2a ed. Madrid: Rialp, 1986.
- Cameron Watson: Modern Basque history. Eighteenth century to the present. Basque textbooks series, 2. Reno: Center for Basque studies, University of Nevada, 2003.
Belletristik Bearbeiten
- Fernando Aramburu: Patria. Roman, 2016.
Anmerkungen Bearbeiten
- So beschrieb es schon der Baskenland-Besucher Kurt Tucholsky. (Zitiert nach Seidel 2010, S. 17)
- Auf das besonders hohe Alter der baskischen Sprache weist linguistisch auĂer der isolierten Position auch das Vokabular hin; die Bezeichnungen diverser Trennwerkzeuge vom Beil bis zur Schere enthalten den Wortstamm aitz oder haitz (âSteinâ), was auf einen bis in die Steinzeit (auf der Iberischen Halbinsel bis vor etwa 4.000 Jahren) zurĂŒckreichenden Grundwortschatz schlieĂen lĂ€sst.
- âEindeutige Typonyme baskischen Ursprungs in dem heutigen Baskenland benachbarten Gegenden wie Rioja, den ZentralpyrenĂ€en oder der Gascogne lassen RĂŒckschlĂŒsse auf eine weit ĂŒber das gegenwĂ€rtige Verbreitungsgebiet hinausgehende sprachliche Verankerung des Baskischen zu.â (Seidel 2010, S. 17)
- âJĂŒngste DNA-Analysen bestĂ€rken die Vorstellung einer sozialen Isoliertheit auf engstem Raum.â (Seidel 2010, S. 22)
- Kasper 2008, S. 30â34.
- Seidel 2010, S. 46 f.
- Kurlansky 2000, S. 99â101.
- FĂŒr Niebel ist Humboldts Beschreibung der baskischen Gesellschaft noch heute aktuell. (Niebel 2009, S. 50). Kurlansky nennt ihn einen der VĂ€ter der âBaskologieâ. (Kurlansky 2000, S. 455)
- Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 545.
- Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 548 f.
- Kurlansky 2000, S. 16 f.
- Kasper 2008, S. 37 f.
- Kasper 2008, S. 39.
- Kasper 2008, S. 43â47. âAlle Ă€chte Vizcayer sind also vollkommen gleich, alle sind von Adel und es giebt unter ihnen keinen niedrigeren oder höheren. Der erste Punkt des Stolzes ist das allgemeine Vorrecht der Provinz. Da sich die alten Landeseingebohrnen bei dem Einfall der Mauren in diese Gebirge zurĂŒckzogen, so halten sie ihren Adel fĂŒr vorzĂŒglicher, als den des ĂŒbrigen Königreichs.â (Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 503)
- âDie Vorrechte, welche Biscaya auszeichnen, sind im Ganzen allen drei Provinzen gemein. Aber die Verfassung der einzelnen weicht betrĂ€chtlich voneinĂĄnder ab. Die von Gipucoa ist weniger verwickelt, als die Vizcayische, und beide sind reiner demokratisch als die von Alava. [âŠ] Der König kann bekanntermaĂen den Biscayern keine Abgaben auferlegen; er schreibt nur, wenn es die UmstĂ€nde erfodern, freiwillige Geschenke aus. Diese werden alsdann nach dem VerhĂ€ltniss der Stimmenzahl, welcher jeder Ort geniesst, vertheilt, und um sie aufzubringen, legt jede Gemeinde eine kleine Auflage auf den Verkauf des Fleisches, Weins u. s. f.â (Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 465 und 468)
- Kasper 2008, S. 51â59; Seidel 2010, S. 51â54.
- âZu seiner groĂen Verwunderung musste Humboldt feststellen, dass die Basken wesentliche Vorstellungen der Französischen Revolution bereits Jahrhunderte vor dem Sturm auf die Bastille 1789 umgesetzt hatten: Das Prozessrecht schĂŒtzte den Angeklagten vor JustiwillkĂŒr und Folter. So war es den OrdnungshĂŒtern verboten, ein Haus ohne Einwilligung des EigentĂŒmers zu betreten. Ebenso wenig durften sie einen Basken im Baskenland selbst oder in Spanien mit Folter bedrohen, geschweige denn ihn mit derselben bestrafen. Zivilrechtlich waren Mann und Frau gleichgestellt.â (Niebel 2009, S. 52).
- Seidel 2010, S. 57. Wilhelm von Humboldt notierte diesbezĂŒglich: âAuch könnte die Spanische Regierung, man kann es nicht oft genug wiederholen, nie so viel durch die Erweiterung ihrer Rechte auf Biscaya gewinnen, als sie durch das Sinken des Patriotismus und des Nationalgeistes verlieren wĂŒrde, der eine unausbleibliche Folge der BeschrĂ€nkung der Biscayischen Freiheit seyn wĂŒrde. Klein und nur kĂ€rglich von der Natur ausgestattet besitzt dies sonderbare LĂ€ndchen keinen andern Reichthum, als die Menge und die CharakterstĂ€rke seiner Bewohner.â (Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 596)
- Kurlansky 2000, S. 63â67.
- Kurlansky 2000, S. 68â70. Derartige Abgaben konnten mitunter âdie Zungen aller gefangenen Wale und oft den kompletten ersten Wal der Saison oder aber einen Streifen vom Kopf bis zum Schwanzâ umfassen. (Ebenda, S. 70)
- Eisen wurde von den Basken auch ins europÀische Ausland exportiert. Nach SchÀtzungen stammten 15 Prozent der gesamten europÀischen Eisenproduktion im 16. Jahrhundert aus dem Baskenland. Etwa ein Drittel der Bevölkerung von Bizkaia und Gipuzkoa waren seinerzeit im Bereich der Eisenerzgewinnung beschÀftigt. (Seidel 2010, S. 64)
- Kurlansky 2000, S. 71 f. und S. 78â80.
- Seidel 2010, S. 66.
- Kasper 2008, S. 65â72.
- Kasper 2008, S. 72â74.
- Seidel 2010, S. 75 f.
- Seidel 2010, S. 78â82.
- âDie baskische Landbevölkerung stellte sich mehrheitlich hinter den mĂ€nnlichen ThronanwĂ€rter, weil sie befĂŒrchtete, die Liberalen wĂŒrden die Fueros abschaffen. Die fĂŒhrenden Kreise in Bilbao unterstĂŒtzten aus eben diesem Grund die Königin MarĂa Christina.â (Niebel 2009, S. 55)
- âDie starke und ĂŒberaus erfolgreiche politische Implikation des baskischen Klerus fĂŒhrte ĂŒber den Krieg hinaus zu einer langfristig intensiven und gegenseitig identitĂ€tsstiftenden Wechselbeziehung: Der baskische Nationalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts war zutiefst katholisch geprĂ€gt, und der baskische Raum wies bis zum grundlegenden Gesellschaftswandel in der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts die spanienweit höchste Identifikationsrate mit der katholischen Kirche auf.â (Seidel 2010, S. 84)
- âDie Provinzen bekamen fast vollstĂ€ndige Steuerautonomie und muĂten dafĂŒr an den Staat jĂ€hrlich eine vorher festgelegte variable Quote bezahlen. Auch die Kontrolle der kommunalen Haushalte wurde den Diputaciones ĂŒbertragen. Weitere Vollmachten der Provinzen waren der StraĂen- und Eisenbahnbau, die Bildung von Polizeieinheiten, Ausgabe von öffentlichen Anleihen usw.â (Kasper 2008, S. 116 f.)
- âWeniger kunstmĂ€ssig als hier, kann Bergbau nirgend betrieben werden, Ackersleute, die schlechterdings keinen Begriff davon besitzen, und nie etwas ausser ihrem Berge gesehen haben, die so wenig zĂŒnftige Bergleute zu nennen sind, dass sie sich nicht einmal durch eine eigene Kleidung unterscheiden, wĂŒhlen die Erde aufs Gerathewohl um, machen ein Loch, hauen den Eisenstein, den sie unter ihren HĂ€nden finden, mit der Picke aus, und wenn sie eine Zeitlang gearbeitet haben, und die Grube eine ihnen unbequeme Tiefe bekommt, oder die Wasser zu mĂ€chtig werden, so verlassen sie den Ort, und machen ein neues Loch, gleich ungeschickt, als das vorige.â (Wilhelm von Humboldt: Werke in fĂŒnf BĂ€nden. Herausgegeben von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darmstadt 1961, Band 2: Schriften zur Altertumskunde und Ăsthetik. Die Vasken. S. 578 f.)
- Kasper 2008, S. 119 und 122.
- Kasper 2008, S. 125â132.
- Seidel 2010, S. 122.
- Kasper 2008, S. 153â155.
- âAus einem Bericht geht hervor, daĂ 715 baskische Pfarrer in irgendeiner Weise Opfer der franquistischen Repression waren, die sie bis ins GefĂ€ngnis bringen konnte.â (Kasper 2008, S. 166.)
- Seidel 2010, S. 132.
- Kasper 2008, S. 158â164.
- Seidel 2010, S. 136â138; Kasper 2008, S. 172â174.
- Seidel 2010, S. 144 f.
- Kerstin Römhildt: Nationalismus und ethnische IdentitĂ€t im âspanischenâ Baskenland. S. 102â110. Als verallgemeinerungsfĂ€hige Untersuchungsbeispiele benennt Römhildt die Dörfer Itziar und Elgeta in der Provinz Gipuzkoa und betont das Sondergewicht der Spracherhaltung fĂŒr IdentitĂ€t und Widerstand unter den Basken. (Ebenda, S. 116 f. und 129 f.)
- Kasper 2008, S. 174â183.
- Seidel 2010, S. 152â156; Kasper 2008, S. 186â188.
- Kasper 2008, S. 185; Seidel 2010, S. 151 f.
- Niebel 2009, S. 96â103. FĂŒr die BombenanschlĂ€ge auf Madrider VorortzĂŒge am 11. MĂ€rz 2004 unmittelbar vor den Parlamentswahlen machte die spanische Regierung zunĂ€chst ebenfalls die ETA verantwortlich, wĂ€hrend tatsĂ€chlich Al-Qaida dahinter stand. (Ebenda, S. 124â126)
- Walther L. Bernecker: Das französische Baskenland erhebt zaghaft seine Stimme. In: Reiner Wandler (Hrsg.): Euskadi. EinLesebuch zu Politik, Geschichte und Kultur des Baskenlands. Berlin 1999, S. 26.
- Niebel 2009, S. 96â103.
- Seidel 2010, S. 164 f.
- â Ingo Niebel: Baskenland | bpb. Abgerufen am 25. November 2021.
- Reiner Wandler: Baskische ETA löst sich endgĂŒltig auf: Entschuldigung fĂŒr all das Leid. In: Die Tageszeitung: taz. 20. April 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 25. November 2021]).
- âIn der Tat hat das Baskische eine integrative Wirkung entfalten können, was sich allein daran ablesen lĂ€sst, dass von den verschiedenen Schultypen Euskadis, die sich vor allem in der Verankerung des Baskischen im Lehrplan unterscheiden, gerade die Schulen durchgesetzt haben, in denen Baskisch die Regelsprache ist. Sie werden von deutlich ĂŒber die HĂ€lfte aller SchĂŒler besucht.â (Seidel 2010, S. 171).
- Seidel 2010, S. 170 f.
- Michel Garicoix: Das französische Baskenland erhebt zaghaft seine Stimme. In: Reiner Wandler (Hrsg.): Euskadi. Ein Lesebuch zu Politik, Geschichte und Kultur des Baskenlands. Berlin 1999, S. 77.
- Vgl. Michel Espagne: Rezension zu: Niebel, Ingo: Das Baskenland. Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts. Wien 2009. In: H-Soz-u-Kult, 19. Februar 2010.