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Die Fluchtlinge in Schleswig Holstein waren ab 1945 eines der grossten Probleme der Nachkriegszeit in Deutschland Gemessen an der Bevolkerungszahl nahmen die Provinz Schleswig Holstein und das neue Land Schleswig Holstein zwischen 1944 und 1947 nach Mecklenburg Vorpommern die zweitmeisten Fluchtlinge und Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches auf 1 Bei ihrer Unterbringung Versorgung und Integration half das Wirtschaftswunder Ankunft von Fluchtlingen in Meldorf Inhaltsverzeichnis 1 Zuflucht 1 1 Unterbringung und Versorgung 1 2 Arbeitsplatze 1 3 Angste 2 Politik 3 Erinnerung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseZuflucht Bearbeiten nbsp Heide 1943 Hauptartikel Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel und Osteuropa 1945 1950 Britische Besatzungszone und Fluchtlingslager Oksbol Schon seit 1943 waren uber 200 000 Menschen aus den zerbombten Stadten in die Landgebiete nordlich der Unterelbe gebracht worden Hamburg war durch die Operation Gomorrha zerstort worden Als die Rote Armee 1944 die Grenzen des Deutschen Reiches 1933 1945 erreichte flohen Millionen Deutsche nach Westen Wahrend der Verwundeten und Fluchtlingstransporte uber die Ostsee brachten 700 Schiffe der Kriegsmarine uber zwei Millionen Menschen nach Mecklenburg und Schleswig Holstein Nachdem von Westen dann die British Army in Niedersachsen einmarschierte drangten immer mehr Soldaten und Fluchtlinge nach Norden nach Schleswig Holstein und Danemark Nach der Kapitulation der Wehrmacht erreichten Hunderttausende von Fluchtlingen und Vertriebenen Stadte und Dorfer Allein von Anfang Marz bis Ende Juni waren es fast 700 000 Daruber hinaus wurden uber eine Million Wehrmachtssoldaten in zwei Britischen Sperrgebieten in Norddeutschland G Dithmarschen Eiderstedt und F Plon interniert 2 Die Internierungslager wurden im April 1946 aufgelost allerdings verblieben in Fluchtlingslagern uber 200 000 ehemalige sogenannte Fremdarbeiter und Zwangsarbeiter 365 000 Fluchtlinge und Vertriebene kamen bis Ende 1946 dazu Bei der ersten gesamtdeutschen Volkszahlung im Oktober 1946 lebten in Schleswig Holstein ohne die Displaced persons 2 6 Millionen Menschen rund eine Million mehr als vor 1939 Die Kriegstoten abgerechnet bedeutete das drei Hinzugezogene auf vier Einheimische In Niedersachsen war das Verhaltnis 1 2 in Bayern 1 3 3 1956 wurden in Schleswig Holstein 755 000 Fluchtlinge und Vertriebene gezahlt das waren 32 2 der Bevolkerung 4 Der Mangel an Wohnraum Nahrung und Arbeitsplatzen war erdruckend Unterbringung und Versorgung Bearbeiten nbsp Baracke des Trampedachlagers in Flensburg Murwik 2012 nbsp ERP Siedlung Flensburg Jurgensby 1951Auch nach dem Luftangriff auf Lubeck am 29 Marz 1942 und den Luftangriffen auf Kiel war in Schleswig Holstein relativ viel Wohnraum erhalten geblieben die vier kreisfreien Stadte Flensburg Kiel Lubeck und Neumunster nahmen aber in den ersten Jahren nur ein Funftel der Fluchtlinge auf Hingegen verdoppelte sich die Einwohnerzahl im Kreis Eckernforde und im Kreis Stormarn In Grosshansdorf standen 1500 Einheimische 3500 Fluchtlingen gegenuber In Rendsburg und auf Eiderstedt betrug der Zuwachs 65 Zimmer und Wohnungen mussten geteilt oder abgegeben Kuchen und Toiletten gemeinsam genutzt werden Da viele abgetretene Raume und Notunterkunfte ungeheizt waren wurden Brennhexen aufgestellt Kohle und Holz waren knapp und teuer Wo es moglich war wurde deshalb Torf als Heizmaterial verwendet Am 1 April 1950 gab es noch 728 Fluchtlingslager mit 127 756 Menschen Die Sauberhaltung der Lager der Zugang zum Waschraum und Besuch waren reglementiert 3 Als es Anfang der 1950er Jahre wieder Kapital und Baustoff gab kam der Wohnungsbau in Gang Es entstanden reine Fluchtlingssiedlungen wie Trappenkamp und das erste systematische einheitliche und zentral gelenkte Wohnungsbauprogramm in Westdeutschland nach dem Krieg das ERP Sonderprogramm Bau von 10 000 Fluchtlingswohnungen unter Fuhrung der Deutschen Gewerkschaften wurde an 84 Standorten in 50 Stadten und Gemeinden Schleswig Holsteins mit Grundsteinlegung am 5 Marz 1950 in Neumunster realisiert 5 In vielen Stadten und Gemeinden erinnern Strassennamen Ostpreussenring Pommernweg Breslauer Strasse und viele andere noch heute an die Herkunft der zugezogenen Menschen In den ersten Nachkriegsjahren hungerten viele Menschen In Schleswig Holstein waren Fluchtlinge und Vertriebene in besonderer Weise betroffen Die Rationierungen auf den Lebensmittelkarten reichten nicht Neue Schrebergarten sollten den Fluchtlingen bei der Selbstversorgung helfen Der Schwarzmarkt Erntearbeit und das Nachstoppeln abgeernteter Felder boten die Aussicht auf Lebensmittel Fur warme Kleidung wurde Wolle von den Zaunen gesammelt und versponnen Aus alten Uniformen Decken und Bettzeug entstanden neue Anzuge und Kleider 3 1 Arbeitsplatze Bearbeiten Bezahlte Arbeit war knapp und gefragt war oft nicht das was man in Ostpreussen oder Pommern gelernt hatte Auch Uberqualifizierte mussten umlernen und annehmen was sich bot Unter den 69 000 fruheren Selbststandigen uberwogen landwirtschaftliche Berufe Bis 1949 hatte nur ein Funftel dieser Gruppe wieder einen eigenen Betrieb Abhilfe schafften das Fluchtlingssiedlungsgesetz vom August 1949 und das sogenannte 30 000 Hektar Abkommen das die Grossgrundbesitzer zur Abgabe von Land verpflichtete 6 Trotzdem fuhrten 1958 lediglich 4246 Vertriebene einen eigenen land oder forstwirtschaftlichen Betrieb Nur die Halfte dieser Bauernstellen war uber 10 Hektar gross Leichter hatten es Handwerker Mit der Reparatur von Konsumgut tat sich in der Notzeit ein weites Betatigungsfeld auf Im Bereich der Handwerkskammer Flensburg wurde von den 1946 zugelassenen 2 368 Betrieben mehr als die Halfte von Fluchtlingen oder Vertriebenen gefuhrt 3 Fur Kiel waren die aus Ostpreussen geflohenen Fischer ein Gewinn Alle Angestellten und Arbeiter litten in den ersten Jahren unter dem Stellenmangel aber die Fluchtlinge und Vertriebenen waren von Arbeitslosigkeit starker als die Einheimischen betroffen Wahrend des Wirtschaftswunders sank die Zahl der arbeitslosen Fluchtlinge zwischen 1951 und 1957 von 135 144 auf 22 143 Dabei war die Einwohnerzahl in den ersten Jahren weiter gestiegen 1949 uberschritt sie 2 7 Millionen Die Landesregierung von Schleswig Holstein hatte schon 1948 erkannt dass eine halbe Million Fluchtlinge nur in anderen Landern Lohn und Brot finden konnte Ein Plan zur Umsiedlung in die ehemaligen Westzonen war deshalb eine der ersten Massnahmen der deutschen Bundesregierung Bis 1960 zogen 400 000 Fluchtlinge und Vertriebene aus Schleswig Holstein vor allem nach Nordrhein Westfalen und Baden Wurttemberg 3 Siehe auch Wellingdorf Ostpreussische Fischer und Bodenreform in Deutschland Bodenreform in den westlichen Besatzungszonen Angste Bearbeiten Bei der katastrophalen Lage warnte Otto Hoevermann im Oktober 1945 vor der Kluft zwischen den Fluchtlingen und der eingesessenen Bevolkerung Ausser der materiellen Not erschwerten Reibereien und offener Hass das Zusammenleben Die einen furchteten Niederpreussisch und Ostpommerscher Dialekt wurden das Plattdeutsch verdrangen die anderen klagten uber Mischehen zwischen den Eingesessenen und den Aufgenommenen Bei der Entnazifizierung konnten die Fluchtlinge sich ohne Urkunden und Schriftstucke leichter entlasten als die Einheimischen Politik Bearbeiten nbsp Treffen der Ministerprasidenten der Britischen Zone in Flensburg im November 1947 zu Fluchtlings und Landwirtschaftsfragen In Sudschleswig wendeten Einheimische sich in grosser Zahl der danischen Minderheit zu Die Zahl ihrer im Sudschleswigschen Verein organisierten Mitglieder stieg vom Ende der NS Zeit bis 1946 von 2700 auf 62 000 an Die sogenannten Neudanen die haufig auch abwertend Speckdanen genannt wurden setzten auf eine Abtrennung Sudschleswigs vom neu entstehenden Deutschland und auf die Ausweisung der Fluchtlinge 7 Um dem verbreiteten Unmut zu begegnen und kein Forum fur Konfliktpotential zu schaffen sollten die Fluchtlinge in den Aufbau des Landes eingebunden werden Diese Politik sollte auch die Entstehung von Fluchtlings und Vertriebenenparteien verhindern Das 1945 von der britischen Militarregierung erlassene Verbot wurde 1948 aufgehoben Die deutschen Oberbehorden und spater die ernannten und gewahlten Landesregierungen hatten den Willen der Briten wenn auch mit abnehmender Tendenz zu berucksichtigen Welche Ausrichtung die deutsche Politik in diesem Spannungsfeld hatte ist noch nicht erforscht 8 1950 formierte sich der Gesamtdeutsche Block Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Bei der Landtagswahl in Schleswig Holstein 1950 gewann der BHE 23 4 der Stimmen Es verbreitete sich die Angst von Fluchtlingen regiert zu werden Doch sowohl der BHE als auch die Gegenpartei Schleswig Holsteinische Gemeinschaft SHE gingen bald in der Christlich Demokratischen Union Deutschlands auf Man fand sich in einer Notgemeinschaft die Otto Hoevermann im September 1945 noch als Hoffnung fur das Land beschrieben hatte 3 Erinnerung Bearbeiten Hauptartikel Liste der Vertriebenendenkmale in Schleswig Holstein Das Zentrum gegen Vertreibungen kuratierte 2011 die Ausstellung Angekommen Die Integration der Vertriebenen in Deutschland 9 2013 erinnerte die Ausstellung Fremdes Zuhause Fluchtlinge und Vertriebene in Schleswig Holstein nach 1945 an jene Jahre 10 Das Trampedachlager im fruheren Sonderbereich Murwik soll zum Museum umgestaltet werden Ferner haben verschiedene Stadte Patenschaften fur Vertriebenen Heimatorte ubernommen Literatur BearbeitenManfred Jessen Klingenberg In allem widerstrebt uns dieses Volk Rassistische und fremdenfeindliche Urteile uber die Heimatvertriebenen und Fluchtlinge in Schleswig Holstein 1945 46 In Karl Heinrich Pohl Hrsg Regionalgeschichte heute Das Fluchtlingsproblem in Schleswig Holstein nach 1945 Verlag fur Regionalgeschichte Bielefeld 1997 ISBN 3 89534 252 1 S 81 95 Willy Diercks Anke Joldrichsen und Martin Gietzelt Hg Fluchtlingsland Schleswig Holstein Erlebnisberichte vom Neuanfang Boyens Heide Holstein 1998 ISBN 3 8042 0802 9 Ulrich Lange Ingwer E Momsen Eckhart Dege und Hermann Achenbach Hg Historischer Atlas Schleswig Holstein seit 1945 Bd 1 Wachholtz Verlag Neumunster 1999 ISBN 978 3529024450 Hermann Heidrich und Ilka E Hillenstedt Fremdes Zuhause Fluchtlinge und Vertriebene in Schleswig Holstein nach 1945 Wachholtz Verlag Neumunster 2009 ISBN 978 3529028007 Weblinks BearbeitenEckhard Hubner Schleswig Holsteins Weg in die Bundesrepublik Vom Weltkriegschaos zum demokratischen Aufbruch Der Ministerprasident des Landes Schleswig Holstein 2009 Fluchtlinge in Schleswig Holstein vimu info Schleswig Holsteins Weg in die Bundesrepublik schleswig holstein de Einzelnachweise Bearbeiten a b Schleswig Holstein Der Weg in die Bundesrepublik In schleswig holstein de Abgerufen am 21 Dezember 2019 Sperrgebiet F a b c d e f Martin Gietzelt Fluchtlinge Am Anfang war die Not In Schleswig Holstein von A bis Z Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte abgerufen am 21 Dezember 2019 Westermanns Monatsheft Atlas Welt und Wirtschaft Georg Westermann Verlag Braunschweig 1958 S 13 Arbeitsgemeinschaft fur zeitgemasses Bauen e V Hrsg Johannes Scharre Ulrich Haake Der Bau von 10 000 Fluchtlingswohnungen in Schleswig Holstein ERP Sonderprogramm 1950 Ergebnis Methode Erfahrungen und Folgerungen Arbeitsgemeinschaft fur produktive Fluchtlingshilfe e V Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums fur den Wohnungsbau Nr 148 2404 05 Bauforschungsbericht der Arbeitsgemeinschaft fur zeitgemasses Bauen e V Nr 2 Kiel 1952 S 10 Die Bodenreform von 1945 in Schleswig Holstein Bauernblatt Schleswig Holstein vom 16 Marz 2012 Memento vom 9 April 2014 im Internet Archive Carina Werner Die Geburt der Bundesrepublik Fluchtlingsstrome und Neudanentum Schleswig Holstein In ndr de 14 April 2009 archiviert vom Original am 16 August 2016 abgerufen am 21 Dezember 2019 Martin Gietzelt 2014 Angekommen Museen Nord Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fluchtlinge in Schleswig Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg amp oldid 236291258