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Explosivstoffe sind feste und flussige Stoffe sowie Stoffgemische die bei ausreichender energetischer Aktivierung eine bestimmte starke chemische Reaktion durchlaufen bei der sich Warmeenergie und Gase entwickeln Explosivstoffe haben bei ihrer Reaktion eine heftige expandierende Wirkung die erhebliche Zerstorungen anrichten kann bei unsachgemassem Umgang besteht Lebensgefahr Warnzeichen nach ISO 7010 GHS Symbol Gefahrgutklasse 1 Explosivstoffe und Gegenstande die Explosivstoffe enthalten Gefahrensymbol E Explosionsgefahrlich veraltete EU Kennzeichnung Im regulatorischen Sinne mussen Stoffe bestimmte Prufkriterien erfullen um nach Gefahrstoffrecht 1 als explosionsgefahrlich bzw nach Transportrecht 2 in die Gefahrgutklasse 1 Explosivstoffe eingestuft zu werden Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Einteilung 2 1 Einteilung nach der Verwendung 2 2 Klassifizierung der Gefahrlichkeit 3 Parameter zur Charakterisierung 3 1 Beispiele fur die Berechnung 4 Verwendung 5 Geschichte 6 Rechtliche Normen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenExplosivstoffe bestehen meist aus chemischen Verbindungen oder Stoffgemischen die unter anderen Elementen Sauerstoff enthalten welcher die verbrennbaren Bestandteile des Molekuls also die brennbaren Komponenten des Gemisches mit enormer Geschwindigkeit oxidieren lasst Diese Reaktion wird naher charakterisiert durch die Begriffe Detonation falls die Reaktionsgeschwindigkeit uber der innerstofflichen Schallgeschwindigkeit liegt bzw Deflagration falls die Reaktionsgeschwindigkeit unter der innerstofflichen Schallgeschwindigkeit liegt Dabei ist die Oxidationsgeschwindigkeit einer der unterschiedlichen Faktoren die die Energie und die Gase fur die Explosion freisetzen In der Zusammensetzung von explosiven Stoffen ist der verfugbare Sauerstoff meist an Stickstoff in Nitro und Nitratgruppen oder an Chlor in Chloraten und Perchloraten gebunden die verbrennbaren Bestandteile sind fast immer Kohlenstoff und Wasserstoff in Gemischen auch Schwefel Aluminium oder Zink Ausnahmen bilden beispielsweise Azide Fulminate und Tetrazen Die Wahrscheinlichkeit fur die Zundung eines explosionsfahigen Stoffes hangt von seiner Empfindlichkeit gegen mechanische oder thermische Einwirkung ab Sehr empfindliche Explosivstoffe wie die Initialsprengstoffe konnen nur in kleinen Mengen auf einmal hergestellt und verarbeitet werden Gewerbliche Sprengstoffe auf Basis von Sprengolen und Ammoniumnitrat gehoren in die Gruppe der weniger empfindlichen Explosivstoffe Unempfindliche Explosivstoffe wie die ANC und Wettersprengstoffe oder gegossenes TNT benotigen neben der Sprengkapsel noch eine Verstarkerladung Einteilung BearbeitenEinteilung nach der Verwendung Bearbeiten Explosivstoffe werden eingeteilt in Initialsprengstoffe Pyrotechnika Sprengstoffe Treibmittel Schwarzpulver rauchschwache Nitrozellulosepulver NC Pulver und rauchlose Schiesspulver ZundmittelKlassifizierung der Gefahrlichkeit Bearbeiten Explosivstoffe sind als Gefahrgut nach dem ADR in die Gefahrgutklasse 1 Explosive Stoffe mit den Unterklassen 1 1 bis 1 6 eingeordnet mit der Gefahrnummer 3 oder 4 Fur die Kennzeichnung als Gefahrstoff gelten fur Explosionsgefahrliche Stoffe das oben dargestellten GHS Symbol und je nach spezieller Eigenschaft einer der folgenden H Satze H200 Instabil explosiv H201 Explosiv Gefahr der Massenexplosion H202 Explosiv grosse Gefahr durch Splitter Spreng und Wurfstucke H203 Explosiv Gefahr durch Feuer Luftdruck oder Splitter Spreng und Wurfstucke H204 Gefahr durch Feuer oder Splitter Spreng und Wurfstucke H240 Erwarmung kann Explosion verursachen H241 Erwarmung kann Brand oder Explosion verursachen Parameter zur Charakterisierung BearbeitenSauerstoffbilanz Die Sauerstoffbilanz gibt an ob zu viel oder zu wenig Sauerstoff zur vollstandigen Oxidation zur Verfugung steht Normalgasvolumen Das Normalgasvolumen Schwadenvolumen ist das Gesamtvolumen der bei der vollstandigen Umsetzung des Explosivstoffs entstehenden Gase bezogen auf Normalbedingungen Explosionswarme Die Explosionswarme ist die bei der Explosion freigesetzte Warmeenergie Aus Explosionswarme und Normalgasvolumen ergibt sich die Arbeitskraft eines Explosivstoffs Die Dichte wird nach ublichen Methoden bestimmt Fur Explosivstoffe ist der Begriff der Ladedichte gebrauchlich definiert als Verhaltnis des Gewichts des Explosivstoffs zum Volumen des Explosionsraumes Bei Explosivstoffen gleicher Zusammensetzung kann die Dichte variiert werden Hierbei fuhrt eine geringe Dichte wegen grosserer innerer Oberflache und Porositat zu erhohter Detonationsfahigkeit eine Erhohung der Dichte bei Verringerung der Detonationsfahigkeit zu erhohter Brisanz und Sprengkraft Die Detonationsgeschwindigkeit bzw Abbrandgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit in m s mit welcher die Explosion in einem Explosivstoff fortschreitet Sie kann von wenigen m s Deflagration bis zu 10000 m s Detonation reichen Ihre Bestimmung erfolgt auch heute noch teilweise nach der Dautriche Methode Dabei wird der in einem Metallrohr verdammte Explosivstoff gezundet und lost an zwei Messpunkten Sprengkapseln aus Diese losen beidseitig die Detonation einer Sprengschnur aus deren Mitte auf einer Bleiplatte markiert ist Die zusammentreffenden Detonationswellen hinterlassen eine Einkerbung auf der Bleiplatte Aus der bekannten Detonationsgeschwindigkeit der Sprengschnur dem Abstand der Messpunkte und dem Abstand der Einkerbung von der Markierung der Bleiplatte kann die Detonationsgeschwindigkeit errechnet werden Fur genauere Messungen gibt es elektrische und optische Messmethoden Die Bestimmung der Sprengkraft beruht auf Vergleichsmethoden Eine Moglichkeit besteht in der Bestimmung einer Bleiblockausbauchung nach Trauzl Dabei werden in einem Bleizylinder von 200 mm Durchmesser und 200 mm Hohe am Boden einer Bohrung von 125 mm Tiefe und 25 mm Durchmesser 10 g des in Stanniol gewickelten Sprengstoffes mit einer Sprengkapsel von 2 g Fullung gezundet Danach wird die mit Quarzsand verdammte Bohrung wieder gesaubert der aufgebauchte Hohlraum dient dann zur Beurteilung der Leistung Eine andere Moglichkeit bietet der seitlich ausschwingende ballistische Morser wobei der erzielte Pendelausschlag als Mass fur die Leistungsfahigkeit des Explosivstoffe dient Die Brisanz Stossdruck eines Explosivstoffs als Produkt aus Dichte spezifischem Explosionsdruck und Detonationsgeschwindigkeit wird mit dem Kastschen Apparat bestimmt in dem ein Kupferzylinder gestaucht wird Schlagempfindlichkeit Reibempfindlichkeit und Stahlhulsentest sind Kriterien fur die Empfindlichkeit eines Explosivstoffs gegen mechanische und thermische Beanspruchung Beispiele fur die Berechnung Bearbeiten Berechnung der Sauerstoffbilanz und des Normalgasvolumens Tetranitromethan C N 4 O 8 C O 2 2 N 2 3 O 2 displaystyle CN 4 O 8 rightarrow CO 2 2 N 2 3 O 2 Bei der Detonation werden ausser einem Mol Kohlendioxid und zwei Mol Stickstoff drei Mol Sauerstoff frei Die Masse des Sauerstoffs 3 2 15 9994 geteilt durch die Gesamtmolmasse 196 03 ergibt eine positive Sauerstoffbilanz von 49 0 Das Gasvolumen betragt 6 Mol pro Mol oder 30 6 Mol kg Multipliziert mit der Normalgaskonstanten von 22 414 l Mol ergibt sich ein Gesamtvolumen von 686 l kg Ethylenglykoldinitrat C 2 H 4 N 2 O 6 2 C O 2 2 H 2 O N 2 displaystyle C 2 H 4 N 2 O 6 rightarrow 2CO 2 2 H 2 O N 2 Bei der Detonation werden zwei Mol Kohlendioxid zwei Mol Wasserdampf und ein Mol Stickstoff frei Da weder Sauerstoff zur vollstandigen Oxidation benotigt noch frei wird ist die Sauerstoffbilanz ausgeglichen und betragt 0 Das Gasvolumen betragt 5 Mol pro Mol oder 32 88 Mol kg Multipliziert mit der Normalgaskonstanten von 22 414 l Mol ergibt sich ein Gesamtvolumen von 737 l kg Im Gegensatz dazu verlauft bei einer Deflagration die Umsetzung unvollstandig 3 C 2 H 4 N 2 O 6 C O 2 5 C O 5 H 2 O H 2 6 N O displaystyle 3 C 2 H 4 N 2 O 6 rightarrow CO 2 5 CO 5 H 2 O H 2 6 NO Statt der 1020 kJ Mol bei einer Detonation werden nur 293 kJ Mol frei Trinitrotoluol 2 C 7 H 5 N 3 O 6 7 C 7 C O 5 H 2 O 3 N 2 displaystyle 2 C 7 H 5 N 3 O 6 rightarrow 7 C 7 CO 5 H 2 O 3 N 2 Bei der Detonation werden 3 Mol Stickstoff frei Aufgrund der hoheren Affinitat wird der Wasserstoff komplett zu Wasserdampf oxidiert Der restliche Sauerstoff reicht nur um 7 Mol Kohlenstoff zu Kohlenmonoxid zu oxidieren Es verbleiben 7 Mol Kohlenstoff die als Feststoff nicht in die Gasvolumenberechnung eingehen Die Masse des zur vollstandigen Oxidation benotigten Sauerstoffs 5 25 2 15 9994 geteilt durch die Gesamtmolmasse 227 13 ergibt eine negative Sauerstoffbilanz von 74 0 Das Gasvolumen betragt 7 5 Mol pro Mol oder 33 02 Mol kg Multipliziert mit der Normalgaskonstanten von 22 414 l Mol ergibt sich ein Gesamtvolumen von 740 l kg Verwendung BearbeitenFur gewerbliche und militarische Zwecke als Sprengstoffe z B im Steinkohlenbergbau als Wettersprengstoffe beim Bau von Strassen Tunneln Stauseen etc als Gesteinssprengstoffe fur geologische Zwecke als seismische Sprengstoffe als Initialsprengstoffe und Zundmittel zur Auslosung der Detonation weniger empfindlicher Explosivstoffe als Treib und Schiessstoffe zum Antrieb von Geschossen auch als Raketentreibstoffe ferner zur Herstellung pyrotechnischer Artikel wie Feuerwerkskorper und ahnlichem Geschichte BearbeitenDie erste verburgte Darstellung vom Gebrauch von Explosivstoffen stammt aus China im Jahre 1232 Um die Mitte des 13 Jahrhunderts wird von Roger Bacon und Albertus Magnus uber schwarzpulverahnliche Mischungen berichtet Die Wiedererfindung des Schwarzpulvers wird dem legendaren Monch Berthold Schwarz zugeschrieben es wurde in der 2 Halfte des 13 Jahrhunderts erstmals zum Verschiessen noch pfeilformiger Geschosse aus geschlossenen Rohren verwendet Die Geschichte der Explosivstoffe in der Folgezeit ist eng verbunden mit der Entwicklung von Schiessrohren und Kanonen ab dem 14 Jahrhundert Bis weit in das 19 Jahrhundert hinein blieb das Schwarzpulver das einzige Treibmittel fur Schusswaffen Die Verwendung von Schwarzpulver fur gewerbliche Zwecke begann um 1620 mit Sprengungen in Steinbruchen und Erzbergwerken Das Zeitalter des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Explosivstoffe begann mit der Entdeckung der Nitrozellulose sowie des Nitroglycerins Mitte des 19 Jh Ihre sichere Handhabung lernte man erst ab ca 1885 Wichtige Erfindungen auf diesem Gebiet stammen von Alfred Nobel In der Folgezeit wurden weitere Explosivstoffe auf Nitroaromatenbasis entwickelt Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den USA die besonders sicheren und preiswerten ANC Sprengstoffe sowie die wasserhaltigen Sprengschlamme erfunden Neueste Entwicklung auf diesem Gebiet sind Emulsionen von Mineralol in konzentrierter wassrigen Ammoniumnitrat Losung Rechtliche Normen BearbeitenDer Umgang und die Verwendung von Explosivstoffen ist durch eine Reihe gesetzlicher Vorschriften und Verordnungen geregelt Sprengstoffgesetz SprengG Deutschland Ausgangsstoffgesetz AusgStG Deutschland Schiess und Sprengmittelgesetz und Pyrotechnikgesetz Osterreich Sprengstoffgesetz SprstG Schweiz Verordnung uber die Verhutung von Unfallen bei Sprengarbeiten LiechtensteinDeutschland ChemPrufV 2 Abs 4 Osterreich Verordnung explosionsfahige Atmospharen VEXAT Literatur BearbeitenJosef Kohler Rudolf Meyer Axel Homburg Explosivstoffe Wiley VCH Weinheim 2008 ISBN 978 3 527 32009 7 Jochen Gartz Vom griechischen Feuer zum Dynamit eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe Mittler Hamburg 2007 ISBN 3 8132 0867 2 Friedrich Trimborn Explosivstofffabriken in Deutschland Verlag Locher Koln 2002 2 Auflage ISBN 3 930054 20 5 Robert Matyas Jiri Pachman Primary Explosives Springer 2013 ISBN 978 3 642 28435 9 Siegfried Julius von Romocki Geschichte der Explosivstoffe Band 1 Geschichte der Sprengstoffchemie der Sprengtechnik und des Torpedowesen bis zum Beginn der neuesten Zeit mit einer Einfuhrung von Max Jahns Survival Press Berlin Radolfzell 1895 Neudrucke Hildesheim 1976 und 1983 Reprint 2003 ISBN 3 8330 0702 8 S J von Romocki Geschichte der Explosivstoffe Band 2 Die rauchschwachen Pulver in ihrer Entwicklung bis zur Gegenwart Survival Press Radolfzell 1896 Reprint 2004 ISBN 3 937933 00 X Thomas M Klapotke Energetic Materials Encyclopedia 3 Bande Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston 2021 ISBN 978 3 11 062488 5 Thomas M Klapotke Chemistry of High Energy Materials 6 Auflage Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston 2022 ISBN 978 3 11 073949 7 Robert Matyas Jiri Pachmann Primary Explosives Springer Verlag Berlin Heidelberg 2013 ISBN 978 3 642 28435 9 Weblinks Bearbeiten Commons Explosivstoffe explosionsgefahrliche Stoffe und Gegenstande die Explosivstoffe enthalten Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Wiktionary Explosivstoff Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten European Commission directive 92 69 EEC test method A 14 Explosive Properties UN Recommendations on the Transport of Dangerous Goods Manual of Tests and Criteria Fourth Revisited Edition 2003 United Nations Publication New York and Geneva ISBN 92 1 139087 7 Normdaten Sachbegriff GND 4016013 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Explosivstoff amp oldid 234425581