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Das Etruskische Nashorn Stephanorhinus etruscus ist eine ausgestorbene Nashornart die vorwiegend im Altpleistozan und im fruhesten Mittelpleistozan vor 2 5 bis 0 7 Millionen Jahren in Europa lebte Sie gehort zur Gruppe der zweihornigen Nashorner Eurasiens die eng mit dem heute in Sudostasien lebenden aber stark bedrohten Sumatra Nashorn Dicerorhinus sumatrensis verwandt ist Der uberwiegende Lebensraum des Etruskischen Nashorns waren offene Waldlandschaften wo es sich von weicher Pflanzennahrung ernahrte Etruskisches NashornSchadel des Etruskischen NashornsZeitliches AuftretenAlt bis fruhestes Mittelpleistozan2 588 Mio Jahre bis 700 000 JahreFundorteEuropaSystematikHohere Saugetiere Eutheria LaurasiatheriaUnpaarhufer Perissodactyla Nashorner Rhinocerotidae StephanorhinusEtruskisches NashornWissenschaftlicher NameStephanorhinus etruscus Falconer 1868 Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung und Lebensraum 2 Korperbau und Lebensweise 3 Systematik und Forschungsgeschichte 4 Stammesgeschichte 5 EinzelnachweiseVerbreitung und Lebensraum Bearbeiten nbsp Verbreitung des Etruskischen Nashorns im Altpleistozan in Europa Die schwarzen Punkte stellen wichtige Fundorte dar Das Etruskische Nashorn bevorzugte weitgehend submediterranes bis gemassigtes Klima Sein Hauptverbreitungsgebiet war West und Sudeuropa wo es im Gebiet des heutigen Frankreichs auf der Iberischen der Apennin der Balkanhalbinsel und der Peloponnes vorkam Nach Osten hin erstreckte sich sein Verbreitungsgebiet bis zum Kaukasus Die Gebiete nordlich der Alpen wurden moglicherweise nur wahrend der warmeren Phasen des Altpleistozans vor circa 2 5 bis 0 8 Millionen Jahren erreicht hier ist es weitaus seltener nachgewiesen Die nordlichsten Vorkommen sind bisher nahe der Nordsee in den heutigen Niederlanden Tegelen und auf den Britischen Inseln East Runton bekannt 1 In West und Sudeuropa koexistierte das Etruskische Nashorn anfangs mit den grossen Nashornvertretern Stephanorhinus jeanvireti und Stephanorhinus megarhinus Vor allem in Osteuropa im Chapri Faunenkomplex des Altpleistozan ist es mit fruhen Vertretern von Elasmotherium einem elefantengrossen Nashorn vergesellschaftet In seiner Spatphase teilte sich die Nashornart ihren Lebensraum mit dem Hundsheimer Nashorn Stephanorhinus hundsheimensis Zahlreiche Fossilien nordalpiner mitteleuropaischer Fundstellen aus dem Ubergang vom Alt zum Mittelpleistozan die ursprunglich mit dem Etruskischen Nashorn in Verbindung gebracht wurden gehoren dieser moderneren Nashornform an Weitere haufig assoziierte Faunenelemente sind der Sudelefant und Bison schoetensacki 1 Korperbau und Lebensweise BearbeitenDas Etruskische Nashorn war ein mittelgrosser Vertreter der Nashorner und erreichte eine Kopf Rumpf Lange von 250 cm bei einer Schulterhohe von rund 160 cm Das Gewicht wird auf zwischen 400 und 750 kg beziffert womit die Nashornart etwa die Grosse des heutigen Sumatra Nashorns Dicerorhinus sumatrensis erreichte 2 3 Der Schadel des Etruskischen Nashorns wurde rund 63 cm lang Das Hinterhauptsbein war wenig herausgezogen und war nahezu rechtwinklig geformt Dies fuhrte zu einer relativ waagerechten Schadelhaltung ebenso wie beim fossilen Waldnashorn Stephanorhinus kirchbergensis als auch beim heutigen Sumatra Nashorn Es besass eine schwach ausgepragten Wulst als Ansatz fur die Nackenmuskulatur 4 Das Nasenbein war eher schwach entwickelt und nur im vorderen Bereich verknochert wies aber eine raue perlartig geformte Oberflache auf die die Lage des vorderen Horns anzeigt Das kleinere zweite Horn sass auf der Stirn und wurde durch ahnliche Oberflachenstrukturen angezeigt Der Naseninnenraum reichte bis zum hintersten Pramolaren Die Augenhohle befand sich oberhalb des dritten Molaren 5 6 7 nbsp Unterkieferfragment von Etruskischen NashornDer Unterkiefer war grazil gebaut und wurde 49 cm lang Er besass eine lange aber schmale Symphyse Wie bei den anderen Stephanorhinus Vertretern war das vordere Gebiss reduziert wahrend das hintere nur den vordersten Pramolaren zuruckgebildet hatte und aus drei Pramolaren und drei Molaren je Kieferast bestand Die Zahnformel lautete demgemass 0 0 3 3 0 0 3 3 displaystyle frac 0 0 3 3 0 0 3 3 nbsp Bei einzelnen Individuen kann aber der erste Pramolar noch ausgebildet sein Die Backenzahne waren deutlich niederkronig brachyodont Die Pramolaren und vorderen Molaren wiesen einen eher quadratischen bis rechtwinkligen Umriss auf der hinterste Molar war annahernd dreieckig geformt Der zweite Molar stellte den grossten Zahn im Gebiss dar 6 8 Das Rumpfskelett ist aufgrund zahlreicher Funde recht gut bekannt Die Wirbelsaule umfasste basierend auf einem nahe der mittelitalienischen Stadt Terni gefundenen weitgehend vollstandigen Skelett Stephanorhinus typisch wenigstens 7 Hals 18 Brust und 4 Lendenwirbel Die Gliedmassen waren sehr schlank gebaut noch schlanker als beim etwa gleich grossen aber schwereren Hundsheimer Nashorn Stephanorhinus hundsheimensis Der Oberarmknochen erreichte 39 cm Lange die Ulna 48 cm Der Oberschenkelknochen wurde 44 cm das Schienbein 37 cm lang Die jeweils dreistrahligen Hande und Fusse besassen einen massiven Mittelstrahl Metapodium III wobei der jeweilige Mittelhandknochen 20 cm und der Mittelfussknochen 18 cm lang wurde 8 5 Die waagerechte Kopfhaltung und die niederkronigen Zahne lassen annehmen dass sich das Etruskische Nashorn weitgehend von weicher Pflanzenkost ernahrte browsing Dadurch sollten Blatter Rinde Bluten oder Knospen die Hauptnahrungsquellen gewesen sein Es kann aber nicht ausgeschlossen werden dass ein geringer Anteil an harter Grasnahrung ebenfalls verzehrt wurde Allerdings sollte dieser vergleichbar mit dem heutigen Panzernashorn Rhinoceros unicornis weit weniger als 50 der gesamten verzehrten Pflanzen ausgemacht haben Womoglich lebte die Nashornart in halboffenen Waldlandschaften worauf auch die relativ schlanken Gliedmassen hinweisen 9 Systematik und Forschungsgeschichte Bearbeiten nbsp Hugh FalconerDas Etruskische Nashorn gehort zur Gattung Stephanorhinus einer Gruppe weitgehend eurasischer Nashornvertreter die vom Miozan bis zum Pleistozan vorkamen und dessen nachster heute lebender Verwandter das Sumatra Nashorn ist Die Verwandtschaftsverhaltnisse innerhalb der Stephanorhinus Linie sind noch weitgehend unbekannt generell werden zwei Linien angenommen Stephanorhinus megarhinus Stephanorhinus kirchbergensis und Stephanorhinus etruscus Stephanorhinus hundsheimensis Stephanorhinus hemitoechus Allerdings wird die nahere Verbindung von Etruskischem zu Hundsheimer Nashorn auch teils bezweifelt da letzteres wesentlich archaischere Backenzahne aufweist Der Vorfahr des Etruskischen Nashorns war Stephanorhinus jeanvireti Beide stellen moglicherweise Immigranten aus Asien in Europa dar 10 11 Von den meisten Forschern wird das Etruskische Nashorn als relativ unveranderlich in seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung beschrieben 11 Friedrich Zeuner wies aber bereits 1934 auf die Grossenzunahme der vorderen Hornbasis im Verhaltnis zur Schadellange hin die vor allem bei den spatesten Vertretern bemerkbar ist 4 Von Claude Guerin wurden daraufhin zwei Unterarten S e etruscus und S e brachycephalus eingefuhrt 12 Die spatere Form S e brachycephalus die weitgehend aus dem mittleren Pleistozan stammt wird heute aber als Hundsheimer Nashorn angesehen welches anatomischen Untersuchungen zufolge tatsachlich ein grosseres Nasalhorn aufwies Nach Paul Mazza ist das Etruskische Nashorn identisch mit der chinesischen Variante Stephanorhinus yunchuchenensis was das Verbreitungsgebiet dieser Art bis nach Ostasien erweitern wurde 8 Bisher unterlagen die einzelnen Mitglieder der Gattung Stephanorhinus vor allem die ostasiatischen aber keiner grosseren Revision 10 Die Erstbeschreibung des Etruskischen Nashorns als Rhinoceros etruscus wurde 1868 von Hugh Falconer verfasst dessen Bericht aber posthum veroffentlicht wurde Jedoch hatte Falconer den Namen bereits 1859 in einem Brief an David Thomas Ansted erwahnt Die Beschreibung erfolgte anhand von Fossilien aus der Toskana wovon sich auch der Artname als ehemaliges Besiedlungsgebiet der Etrusker ableitet Aufgrund der spater erkannten naheren Verwandtschaft zum Sumatra Nashorn einigende Merkmale sind die beiden ausgebildeten Horner und das teils verknocherte Nasenbein wurde der Gattungsname in Dicerorhinus abgeandert 6 Miklos Kretzoi fuhrte 1942 den heute gultigen Gattungsnamen Stephanorhinus ein den er aufgrund der Unterschiede in der vorderen Bezahnung zwischen dem Sumatra Nashorn und den pleistozanen Nashornern Eurasiens etablierte 11 Stammesgeschichte BearbeitenErstmals aufgetreten ist das Etruskische Nashorn im fruhen Pleistozan moglicherweise auch schon im ausgehenden Pliozan In Europa erscheint es nahezu gleichzeitig mit dem Equiden Equus stenonis Zu den altesten Fundstellen gehort jene von Chilhac in Frankreich welche dem Gelasium zugewiesen wird 13 Zu jener Zeit war die Nashornart haufig im westlichen Europa anzutreffen kam aber auch in Osteuropa vor In Mitteleuropa tritt die Nashornart erstmals im spaten Altpleistozan auf und ist unter anderem in der Erpfinger Hohle in Baden Wurttemberg nachgewiesen Das letzte Auftreten des Etruskischen Nashorns ist in Atapuerca in Spanien einer Fundstelle die auch mit bedeutenden fruhmenschlichen Fossilien siehe auch Homo antecessor und Hinterlassenschaften in Verbindung steht vor mehr als 700 000 Jahren verburgt 1 11 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Ralf Dietrich Kahlke Nuria Garcia Dimitris S Kostopoulos Frederic Lacombat Adrian M Lister Paul P A Mazza Nikolai Spassov Vadim V Titov Western Palaearctic palaeoenvironmental conditions during the Early and early Middle Pleistocene inferred from large mammal communities and implications for hominin dispersal in Europe In Quaternary Science Review 2010 S 1 28 Walter Steiner Europa in der Urzeit Munchen 1993 ISBN 3 576 10276 0 Jean Philip Brugal Roman Croitor Evolution ecology and biochronology of herbivore associations in Europe during the last 3 million years In Quaternaire 18 2 2007 S 129 152 a b Friedrich E Zeuner Die Beziehungen zwischen Schadelform und Lebensweise bei den rezenten und fossilen Nashornern Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg 34 1934 S 21 80 1 a b Mikael Fortelius Paul Mazza Benedetto Sala Stephanorhinus Mammalia Rhinocerotidae of the Western European Pleistocene with a revision of S etruscus Falconer 1868 In Palaeontographia Italica 80 1993 S 63 155 a b c H Loose Pleistocene Rhinocerotidae of W Europe with reference to the recent two horned species of Africa and S E Asia In Scripta Geolica 33 1975 S 1 59 Oierluigi Ambrosetti Lo scheletro di Dicerorhinus etruscus Falc di Capitore Umbria meridionale In Geologica Romana Roma 11 1972 S 177 198 a b c Paul Mazza The Tuscan Early Pleistocene rhinoceros Dicerorhinus etruscus In Palaeontographia Italica Pisa 75 1988 S 1 87 Paul Palmqvist Darren R Grocke Alfonso Arribas Richard A Farina Paleoecological reconstruction of a lower Pleistocene large mammal community using biogeochemical d13C d15N d18O Sr Zn and ecomorphological approaches In Paleobiology 29 2 2003 S 205 229 a b Frederic Lacombat Phylogeny of the genus Stephanorhinus in the Plio Pleistocene of Europe In Hallesches Jahrbuch fur Geowissenschaften 23 2007 S 63 65 a b c d Jan van der Made The rhinos from the Middle Pleistocene of Neumark Nord Saxony Anhalt In Dietrich Mania et al Hrsg Neumark Nord Ein interglaziales Okosystem des mittelpalaolithischen Menschen Halle Saale 2010 ISBN 978 3 939414 37 7 S 433 527 Veroffentlichungen des Landesmuseums fur Vorgeschichte 62 Claude Guerin Les Rhinocerotidae Mammalia Perissodactyla du Miocene terminal au Pleistocene superieur d Europe occidentale compares aux especes actuelles tendances evolutives et relations phylogenetiques In Geobios 15 1982 S 599 605 Odile Boeuf Le Dicerorhinus etruscus Rhinocerotidae Mammalia du site Pliocene superieur de Chilhac Haute Loire France In Geobios 28 3 1995 S 383 391 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Etruskisches Nashorn amp oldid 233156576