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Der erweiterte Geist englisch extended mind ist die philosophische und kognitionswissenschaftliche These dass sich kognitive Architektur und somit auch kognitive Prozesse und Zustande uber die Korpergrenzen hinaus in die Welt erstrecken Diese These wurde im Jahr 1998 von Andy Clark und David Chalmers in dem Aufsatz The Extended Mind aufgestellt Im Englischen wird die These des erweiterten Geistes auch als wide computationalism oder environmentalism bezeichnet Der aktive Externalismus engl active externalism oder Vehikel Externalismus engl vehicle externalism ist eine Konsequenz der These des erweiterten Geistes die von Clark und Chalmers zunachst nicht von dieser unterschieden wurde sich aber im Gegensatz zu ihr auf den Gehalt eines mentalen Phanomens bezieht Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsbestimmung 2 Das Paritatsprinzip 3 Evolutionares Argument 4 Externe Zustande 4 1 Uberzeugungen 4 2 Wunsche 4 3 Zustandstrager 5 Externe Prozesse 5 1 Sich etwas merken und an etwas erinnern 5 2 Problemlosen 5 3 Wahrnehmen 6 Konsequenzen 6 1 Externes Bewusstsein 6 2 Neue Grenze der Kognition 6 3 Erstrecken sich Personen in die Umwelt 7 Verhaltnis zu anderen Theorien 7 1 Externalismus 7 2 Funktionalismus 7 3 Neue kunstliche Intelligenz 8 Kritik 8 1 Der Kopplungs Konstitutions Fehlschluss 8 2 Mangel intrinsischen Gehalts 8 3 Kognition ans Nervensystem gebunden 8 4 Geringe Verbindungsbandbreite 9 Siehe auch 10 Literatur 11 Weblinks 12 QuellenBegriffsbestimmung BearbeitenAngelehnt an Hilary Putnam 1 fassen Clark und Chalmers die These des erweiterten Geists wie folgt zusammen 2 Cognitive processes ain t all in the head Kognitive Prozesse sind nicht alle im Kopf nbsp Mitbegrunder der These des erweiterten Geistes David ChalmersDamit wenden sie sich vor allem gegen die Ortsbestimmung des Internalismus Nach dieser finden mentale Phanomene im Gehirn des Subjektes statt welches diese Phanomene hat Vertreter des erweiterten Geists behaupten hingegen zum einen dass sich kognitive Systeme uber den gesamten Korper des Wesens und auch in die Umwelt hinein erstrecken konnen solange aussere Bestandteile eine geeignete Kopplung mit dem Kernsystem haben Zum anderen ist dies meist mit der Behauptung verbunden dass solche Kopplungen in der Welt tatsachlich vorliegen und es somit auch externe Kognition gibt Diese wurde sich zum Beispiel vom kognitiven Kernsystem zumindest zeitweise in den Korper des betreffenden Wesens technische Hilfsmittel oder auch soziale Gemeinschaften hinein erstrecken Clark und Chalmers behaupten jedoch nicht dass diese These dem Common Sense entspricht Daher soll der erweiterte Geist auch keine Analyse unseres gangigen Kognitionsbegriffs sein Vielmehr handelt es sich bei ihm um die Forderung dass Kognition nicht nur als internes Phanomen betrachtet werden sollte Auf diese Weise konnten je nach Erklarungszweck tiefere einheitliche und nutzlichere Erklarungen zustande kommen 3 In der englischsprachigen Debatte zahlen Andy Clark Susan Hurley Richard Menary Mark Rowlands Michael Wheeler Robert A Wilson und Alva Noe zu den Hauptvertretern des erweiterten Geistes aber auch David Chalmers aussert sich im Vorwort zu Clarks Buch Supersizing the Mind 2008 der These positiv gegenuber Als Kritiker lassen sich vor allem Frederick Adams Kenneth Aizawa und Robert Rupert nennen Im deutschen Sprachraum hingegen gibt es noch keine intensive Diskussion uber die These des erweiterten Geistes Ausnahmen bilden die Philosophen Holger Lyre und Sven Walter Das Paritatsprinzip BearbeitenIm Artikel The Extended Mind stellen Clark und Chalmers folgendes Prinzip auf 2 welches seitdem den Namen parity principle Paritatsprinzip tragt The Parity Principle If as we confront some task a part of the world functions as a process which were it done in the head we would have no hesitation in recognizing as part of the cognitive process then that part of the world is so we claim part of the cognitive process Das Paritatsprinzip Wenn wir einer Aufgabe gegenuberstehen und ein Teil der Welt als ein Prozess funktioniert den wir ohne Zogern als kognitiven Prozess verstehen wurden falls er im Kopf stattfande dann ist dieser Teil der Welt so behaupten wir Teil des kognitiven Prozesses Nach dem Paritatsprinzip ist also nicht die Korpergrenze entscheidend wenn es darum geht ob ein Prozess kognitiv ist Vielmehr geht es um die Funktion eines Prozesses Somit handelt es sich beim Paritatsprinzip um ein funktionalistisches Prinzip Das Paritatsprinzip stellt als solches noch kein Argument fur den erweiterten Geist dar sondern setzt die logische Moglichkeit schon voraus Es scheint den meisten Kritikern auch nicht prinzipiell undenkbar dass sich kognitive Prozesse uber die Grenzen des zentralen Nervensystems hinaus erstrecken konnen Dass dies in der Theorie moglich ist zeigt folgendes Beispiel So erzahlt Daniel C Dennett in seinem 1978 erschienenen Essay Where Am I 4 eine hypothetische Geschichte die davon handelt dass sein Gehirn aus dem Kopf entnommen und neu mit dem Korper gekoppelt wird Hierbei wurde es sich zumindest um Kognition ausserhalb des Korpers handeln wie wohl auch die meisten Kritiker des erweiterten Geistes zugeben mussten Dies ist jedoch nur eine theoretische Moglichkeit Soll aus dem Paritatsprinzip hingegen gefolgert werden dass sich Kognition tatsachlich manchmal in die Welt erstreckt so wird mindestens ein externer Prozess benotigt der ware er im Korper eines Wesens ein kognitiver Prozess dieses Wesens ware Die Frage ob ein solcher Prozess in der Welt aufzufinden ist oder nicht spaltet die Kritiker und Vertreter des erweiterten Geistes So behaupten zum Beispiel Fred Adams und Ken Aizawa dass die psychologischen und funktionalen Unterschiede zwischen internen und externen Prozessen zu fundamental sind um das Paritatsprinzip jemals anwenden zu konnen 5 Evolutionares Argument BearbeitenMark Rowlands versuchte das Paritatsprinzip mit einem Argument zur Evolution plausibel zu machen das er das Barking Dog principle Prinzip des bellenden Hundes nannte und wie folgt beschrieb 6 If it is neccessary for an organism to be able to perform a given adaptive task T then it is selectively disadvantageous for that organism to develop internal mechanisms sufficient for the performance of T when it is possible for the organism to perform T by way of combination of internal mechanisms and manipulation of the external environment Wenn ein Organismus die Fahigkeit haben muss eine adaptive Aufgabe T zu leisten dann ist es selektiv unvorteilhaft fur den Organismus interne Mechanismen fur das Bewaltigen von T zu entwickeln wenn es fur den Organismus moglich ist T durch eine Kombination von internen Mechanismen und Manipulation der externen Umwelt zu leisten nbsp BiberdammDemnach sei anzunehmen dass die Evolution Lebewesen begunstigt die ihre Umwelt so verandern konnen dass ihr Korper weniger leisten muss Als Beispiele lassen sich Spinnen und ihre Netze oder Biber und ihre Damme nennen vor allem aber Menschen mit ihren vielfaltigen Eingriffen in die Umwelt So konnen Menschen Aufwand sparen wenn sie ihren Besitz von einem Hund bewachen lassen der mit seinem Bellen Fremde abschreckt und auf Bedrohungen aufmerksam macht Wenn diese Uberlegung zutrifft so ist auch anzunehmen dass die Evolution Lebewesen begunstigt die kognitive Prozesse zum Teil in die Umwelt auslagern konnen und eine Kombination aus internen und externen Prozessen verwenden um ihre kognitiven Aufgaben effektiver zu bewaltigen Bei dieser Argumentation wird vorausgesetzt dass kognitive Prozesse beim Losen bestimmter Aufgaben helfen Externe Zustande BearbeitenFolgende Zustande kommen als externe kognitive Zustande in Frage Uberzeugungen Bearbeiten nbsp Ein klassisches Beispiel fur eine externe Uberzeugung Das Museum of Modern Art ist in der 53 Strasse Das klassische Beispiel fur externe mentale Zustande stellen Uberzeugungen dar So beschreiben Clark und Chalmers den fiktiven an Alzheimer erkrankten Otto der ein Notizbuch als externes Gedachtnis verwendet So schreibt Otto neue Informationen in sein Notizbuch wie gesunde Menschen neu gewonnene Informationen im Gehirn speichern Analog zum neuronalen Vorgang des Erinnerns kann Otto bei Bedarf Informationen aus seinem Notizbuch gewinnen und weiterverarbeiten 7 Will er zum Beispiel ins Museum of Modern Art konsultiert Otto sein Notizbuch in das er die Adresse zuvor eingetragen hat Auf den offensichtlichen Einwand dass Otto zunachst nur die Uberzeugung hat dass die gewunschte Information im Notizbuch zu finden ist antwortet Clark dass dies die Erklarung unnotig kompliziert machen wurde da man sonst auch gesunden Menschen zunachst nur die Uberzeugung unterstellen konnte dass die benotigten Informationen in ihrem Gehirn gespeichert sind 8 Wunsche Bearbeiten Aber nicht nur Uberzeugungen sondern auch Wunsche werden von Vertretern des erweiterten Geistes als externe Zustande in Betracht gezogen So schreibt zum Beispiel David Chalmers im Vorwort zu Andy Clarks Buch Supersizing the Mind dass er sein iPhone nutzt um sich seine Lieblingsgerichte in einem bestimmten Restaurant zu merken Bei ihm wurden also die Notizen im Mobiltelefon dieselben Rollen spielen wie es sonst neuronal realisierte Wunsche tun wurden Zustandstrager Bearbeiten Als externe intentionale Zustande wurden schon externe Gedachtnisse wie Notizbucher oder auch Erinnerungsausloser zum Beispiel Knoten in Taschentuchern vorgeschlagen Eine andere Frage ist ob nur vom kognitiven Wesen vorgenommene Veranderungen der Umwelt oder auch ohne die Handlungen des Wesens vorhandene Dinge der Umwelt wie Orientierungspunkte oder Bucher externe kognitive Zustande sein konnen Interessant ist auch die Uberlegung dass in bestimmten Fallen die kognitiven Zustande eines Wesens auch auf andere Wesen ausgedehnt sein konnten Dies ware zum Beispiel der Fall wenn Otto bei Bedarf immer seine Frau anruft wenn er eine Information benotigt die er aufgrund seiner Krankheit vergessen hat oder wenn die Kellner bestimmter Restaurants sich merken wurden welche Gerichte David Chalmers besonders gut gefallen haben Externe Prozesse BearbeitenExterne kognitive Prozesse sind nach Mark Rowlands Aktionsschleifen welche notig fur das Ausfuhren von kognitiven Aufgaben sind und die Manipulation von externen informationstragenden Strukturen beinhalten 9 Sich etwas merken und an etwas erinnern Bearbeiten Wenn es externe Wunsche und Uberzeugungen gibt so mussen diese vom kognitiven Wesen in die Umwelt ausgelagert werden und im Bedarfsfall aus dieser ausgelesen werden Dieses Auslagern ist folglich ein externer Prozess des Sich etwas Merkens Das Auslesen hingegen ein Prozess des Erinnerns welcher zum Beispiel darin besteht dass das betroffene kognitive Wesen im Kalender nachschlagt um eigene Vorhaben herauszufinden oder eine bestimmte auffallige Landmarke sucht um den richtigen Weg zu finden Problemlosen Bearbeiten nbsp Ein Beispiel fur externes Problemlosen Proberotieren bei TetrisEin weiterer Typ externer mentaler Prozesse ist das Losen von Problemen Dieses ist dadurch gekennzeichnet dass durch Manipulationen der Umwelt neue Wunsche oder Uberzeugungen erzeugt werden Es handelt sich also um epistemische im Gegensatz zu pragmatischen Handlungen deren Ziel neues Wissen oder auch Wunschen ist Das bekannteste Beispiel fur solche epistemischen Handlungen ist das Videospiel Tetris mit welchem Clark und Chalmers die These des erweiterten Geistes einleiten So behaupten sie dass das interne Proberotieren der Steine im Kopf das externe Rotieren durch das Drucken von Knopfen und das interne Rotieren durch ein neuronales Implantat gleichwertige epistemische Aktionen sind Diese sollten daher alle als kognitive Prozesse angesehen werden Diesem Beispiel gingen Forschungen von David Kirsh und Paul Maglio voraus welche in Experimenten mit Tetris feststellten dass viele Rotationen nicht zielgerichteten sondern eher epistemischen Charakter haben Dies fuhrt zur Definition einer epistemischen Handlung deren primare Funktion es ist Kognition durch folgende Faktoren zu verbessern Reduzierung des fur die mentale Berechnung benotigten Speichers Komplexitat des Raums Reduzierung der benotigten Schritte um eine mentale Berechnung durchzufuhren Zeitkomplexitat Reduzierung der Fehlergefahr mentaler Berechnung Unzuverlassigkeit 10 Als weitere Beispiele fur epistemisches Handeln sind schriftliches Rechnen oder auch Neuanordnen der Buchstaben bei Scrabble zu nennen Wahrnehmen Bearbeiten nbsp Grafische Darstellung der WahrnehmungsketteAuch die Wahrnehmung wird von manchen Vertretern des erweiterten Geistes als externer Prozess betrachtet Diese Herangehensweise hat jedoch weniger mit Manipulationen der Umwelt als mit epistemischem Handeln zu tun Die Wahrnehmungskette als Modell der Wahrnehmung schliesst neben den Elementen Reiz Transduktion Verarbeitung Wahrnehmung und Wiedererkennung auch das Element des Handelns ein Dieses findet sich in der visuellen Wahrnehmung zum Beispiel in den permanenten Sakkaden welchen es gelingt durch viele verschiedene Fixationen den Eindruck zu erwecken immer ein vollstandiges Bild bewusst wahrzunehmen obwohl wir nur einen kleinen Teil der uns umgebenden Szene tatsachlich fixieren konnen Konsequenzen BearbeitenDie These des erweiterten Geistes ist mit weitreichenden Konsequenzen verbunden Externes Bewusstsein Bearbeiten Unklar ist das Verhaltnis von Bewusstsein und externen mentalen Zustanden So scheint es moglich Bewusstsein auch ausserhalb des Korpers zu haben so lange sich das Gehirn ausserhalb des Korpers befindet Dies ware zum Beispiel der Fall wenn einige Teile oder das ganze zentrale Nervensystem dem Korper entnommen und mit ihm neu verkoppelt werden wurde 11 Faktisch jedoch verorten viele Vertreter des erweiterten Geistes phanomenales Bewusstsein ausschliesslich im Gehirn und sehen somit externe Prozesse und Zustande von vornherein als unbewusst an Im Gegensatz dazu vertreten unter anderem Alva Noe und J Kevin O Regan die These dass Kopplung des kognitiven Systems mit der Aussenwelt zu externem Bewusstsein fuhrt Dies scheint zum Beispiel moglich wenn sich vor allem phanomenales Bewusstsein rein funktionalistisch erklaren lassen wurde Ware dies der Fall so liesse sich das Paritatsprinzip auch hier anwenden und Bewusstseinsprozesse in der Umwelt waren zumindest nicht ausgeschlossen Ob eine rein funktionalistische Erklarung des Bewusstseins moglich ist ist jedoch stark umstritten Auch in der Parapsychologie gibt es Thesen die dem erweiterten Geist ahnlich sind So behauptet beispielsweise Rupert Sheldrake mit der Idee der morphischen Felder dass sich das Bewusstsein eines Wesens nicht nur in seinem Korper lokalisieren lasst Auf diese Weise hofft er verschiedene Phanomene wie zum Beispiel Telepathie erklaren zu konnen 12 Neue Grenze der Kognition Bearbeiten Da der erweiterte Geist die Grenze des Korpers als Grenze des Geistes verwirft werden Bedingungen benotigt um zu bestimmen wann externe Prozesse und Zustande kognitiv sind Ein Kriterium ist das Paritatsprinzip welches fordert dass Prozesse die wenn sie im Korper stattfinden wurden ganz klar als kognitiv gelten wurden auch ausserhalb des Korpers kognitiv sind Fur externe Uberzeugungen stellen Clark und Chalmers folgende Bedingungen auf 13 Die Informationen mussen konstant und problemlos abrufbar sein Die Informationen mussen schon einmal verarbeitet worden sein Aufgenommene Informationen mussen sofort gebilligt werden Weder diese Bedingungen noch das Paritatsprinzip scheinen klare Regeln dafur aufzustellen ob ein Zustand kognitiv ist oder nicht Es scheint also als wurde der erweiterte Geist eine unscharfe Grenze des Mentalen einschliessen Dies wird von Kritikern beanstandet welche meinen dass eine klare Definition des Begriffes Kognition benotigt wird So meinen sie dass die Vertreter des erweiterten Geistes erst zeigen konnen dass Kognition auch extern sein kann wenn sie den Begriff Kognition definiert haben Erstrecken sich Personen in die Umwelt Bearbeiten Eine andere Konsequenz des erweiterten Geistes scheint zu sein dass sich mit den kognitiven Prozessen und Zustanden auch Personen uber den Korper hinaus in die Welt erstrecken Ist die These des erweiterten Geistes wahr so raubt man einem Alzheimerkranken seine Erinnerungen wenn man ihm seinen Notizblock wegnimmt Naturliche kognitive Wesen sollten also nicht mehr als rein biologisch sondern als Kombination biologischer und externer Komponenten betrachtet werden Dies scheint offensichtlich soziale moralische und rechtliche Konsequenzen zu haben Zum Beispiel wenn es darum geht Organizer Taschenrechner oder Notizblocke anderer Leute zu verandern oder auch nur zu durchsuchen Eine weitere Implikation des erweiterten Geistes ist dass durch eine unscharfe Grenze des Mentalen auch die Wesen selber nicht mehr klar von dem Rest der Welt unterschieden werden konnen Auch ist es moglich dass sich die kognitiven Architekturen und Zustande verschiedener Wesen uberschneiden oder dass rechtlich gesehen die kognitive Architektur eines Wesens einem anderen gehort Dies ware zum Beispiel gegeben wenn im Zuge des Neuro Enhancement ein direkter Zugriff des Gehirns zu Wissensdatenbanken moglich ware Verhaltnis zu anderen Theorien Bearbeiten nbsp Hilary Putnam Mitbegrunder des Funktionalismus und des semantischen ExternalismusEin besonderes Verhaltnis hat die These des erweiterten Geistes zu folgenden Theorien Externalismus Bearbeiten Der erweiterte Geist hat als logische Konsequenz den aktiven Externalismus oder auch Vehikel Externalismus Wahrend der Externalismus behauptet dass die mentalen Zustande eines Systems nicht nur von den internen Zustanden dieses Systems abhangen lasst sich die These des aktiven Externalismus wie folgt ausdrucken Aktiver Externalismus Der Gehalt eines mentalen Zustands eines Systems S hangt nicht nur von den internen Zustanden von S sondern auch von der Umwelt von S ab und zwar in der Weise dass diese Variation des Gehalts eine prinzipielle Verhaltensrelevanz fur S haben kann Damit setzt sich der aktive Externalismus vom besonders Hilary Putnam und Tyler Burge zugeschriebenen semantischen Externalismus ab da bei diesem der Unterschied im mentalen Gehalt keinerlei Anderung im Verhalten eines Systems herbeifuhrt Auch macht der aktive Externalismus eine Behauptung uber den Ort eines mentalen Phanomens wahrend der semantische Externalismus nur eine Behauptung uber den Gehalt eines solchen Phanomens macht Gemeinsam haben beide Varianten des Externalismus dass sie sich gegen den Internalismus richten Dies lasst sich unter anderem daran sehen dass fur beide Varianten ein Zwillingserde Gedankenexperiment gemacht werden kann bei dem die inneren Faktoren eines Wesens gleich bleiben sich der mentale Gehalt aber andert Wahrend sich beim semantischen Externalismus zum Beispiel die Zusammensetzung von Wasser unterscheidet und sich somit Gedanken an Wasser nicht mehr auf H2O beziehen ware beim aktiven Externalismus der Unterschied ein Eintrag im Notizbuch des an Alzheimer erkrankten Otto Dieser Eintrag konnte zum Beispiel dafur sorgen dass Otto nicht mehr die wahre Uberzeugung hat dass sich das Museum of Modern Art in der 53 Strasse befindet sondern dass es in der 51 Strasse sei 3 Trotz aller Unterschiede sind beide Theorien jedoch kompatibel Es spricht nichts gegen intentionale Zustande ausserhalb des Gehirns welche auch extern individuiert werden Funktionalismus Bearbeiten Das Paritatsprinzip macht ebenso wie der Funktionalismus Gebrauch vom Argument der multiplen Realisierbarkeit geistiger Zustande Es ist also nicht entscheidend wie oder wo genau mentale Phanomene realisiert sind solange ihre Funktion gleich bleibt Aufgrund dieser Ahnlichkeit scheint folgender Zusammenhang zumindest plausibel zu sein Wenn der Funktionalismus wahr ist dann gilt auch das Paritatsprinzip Dies konnte zwei Arten von Konsequenzen haben Man konnte als Verfechter des Funktionalismus das Paritatsprinzip als logische Konsequenz des Funktionalismus sehen und somit versuchen den erweiterten Geist zumindest als Moglichkeit plausibel zu machen Andererseits konnten Kritiker des Funktionalismus das Paritatsprinzip auch als unintuitiven Schwachpunkt des Funktionalismus herausstellen und somit ein Argument gegen diesen finden Ob externe Prozesse aber die gleiche Funktion besitzen konnen wie interne hangt vor allem davon ab wie man Input und Output der Funktionen bestimmt So konnen wir beispielsweise den an Alzheimer erkrankten Otto der sein Notizblock als externes Gedachtnis verwendet auf zwei verschiedene Arten betrachten Einerseits konnen wir sagen dass er als Input eine Einladung ins Museum of Modern Art bekommt und infolge dieser Einladung zum Museum lauft Bei einer solchen Betrachtungsweise spielt der Notizblock in dem er nachschaut um den Ort des Museums zu erfahren die gleiche Rolle wie es bei anderen das Gehirn spielen wurde Andererseits konnen wir aber auch einzelne akustische visuelle und taktile Signale ans Gehirn als Input und Signale an die Muskeln als Output betrachten In dieser Sichtweise hat der Notizblock ganz klar eine andere Funktion als es neuronale mentale Zustande haben wurden da er sich nicht im System befindet sondern zunachst wahrgenommen werden muss Diese Grenze von Wahrnehmung und Aktion erscheint auch fur Chalmers die grosste Bedrohung der These des erweiterten Geistes zu sein 14 Neue kunstliche Intelligenz Bearbeiten Der erweiterte Geist wird auch mit neueren Entwicklungen in der Kognitionswissenschaft in Verbindung gebracht Besonders die Embodiment These der mit ihr eng verknupfte Enaktivismus und der Dynamizismus welcher kognitive Systeme als eine bestimmte Klasse dynamischer Systeme begreift scheinen dafur zu sorgen dass die intuitive Grenze zwischen dem kognitiven System und der Aussenwelt nicht mehr klar definiert zu sein scheint Vor allem findet sich in diesen Theorien die Uberlegung wieder dass kognitive Systeme situiert sind und in komplexen Interaktionen mit der Umwelt stehen Dies ist notwendig fur den erweiterten Geist da nur mit der Umwelt interagierende verkorperlichte Systeme kausalen Kontakt mit externen Faktoren haben um diese fur eigene Funktionen nutzbar machen zu konnen Andersrum lasst sich sagen dass Embodiment und auch Enaktivismus nicht zwangslaufig mit dem erweiterten Geist einhergehen mussen da diese zunachst nur Theorien uber kausale und nicht mereologische Zusammenhange sind Auch der Dynamizismus enthalt nicht zwangslaufig die Richtigkeit des erweiterten Geistes Der erweiterte Geist ist sowohl mit Konnektionismus als auch mit klassischer kunstlicher Intelligenz kompatibel Kritik BearbeitenHauptkritiker der These des erweiterten Geists sind Frederick Adams und Kenneth Aizawa welche unter anderem in ihrem 2008 erschienenen Buch The Bounds of Cognition potentielle Probleme dieser These aufzeigen Der Kopplungs Konstitutions Fehlschluss Bearbeiten Dabei unterstellen sie den Vertretern des erweiterten Geistes folgenden Fehlschluss Kopplungs Konstitutions Fehlschluss Der Prozess oder Zustand x ist mit dem kognitiven System S gekoppelt also ist x Teil von S So ist ein Prozess oder ein Zustand der stark mit einem kognitiven System gekoppelt ist nicht unbedingt konstitutiv fur dieses System Fur die externen Zustande welche fur die Vertreter des erweiterten Geistes als kognitiv in Frage kommen gilt nach Adams und Aizawa dass zwar starke kausale Relation zu kognitiven Systemen vorliegt dies aber nicht dazu fuhre dass sie als kognitiv angesehen werden sollten Mangel intrinsischen Gehalts Bearbeiten Des Weiteren behaupten Kritiker dass externen Zustanden intrinsischer Gehalt als wichtiges Schlusselmerkmal des Mentalen fehlt 15 So ist zum Beispiel bei Kandidaten externer Kognition haufig Sprache der Bedeutungstrager Diese erhalt ihre Bedeutung scheinbar durch offentliche Benutzung und soziale Praxis Die Bedeutung von Wortern und Satzen ware demnach nicht intrinsisch Ahnliches gilt laut Adams und Aizawa auch fur andere externe Zustande So schreiben sie 16 Whatever is responsible for non derived representations seems to find a place only in brains Was auch immer fur nicht abgeleitete Reprasentationen verantwortlich ist scheint nur in Gehirnen stattzufinden Auch wenn es also logisch und nomologisch moglich ist dass externe Zustande intrinsischen Gehalt besitzen so scheint dies Adams und Aizawa zufolge kontingenterweise nicht der Fall zu sein Da intrinsischer Gehalt aber ein Merkmal des Kognitiven sei gabe es keine externen kognitiven Prozesse und Zustande Diese Kritik ist an vielen Stellen angreifbar Zum einen ist nicht klar was intrinsischer Gehalt uberhaupt sein soll Des Weiteren scheint die Behauptung dass ein solcher im Gehirn und nur im Gehirn vorkommen kann unbegrundet zu sein Zuletzt stellt sich naturlich die Frage ob intrinsischer Gehalt wirklich notwendig fur kognitive Zustande ist 17 Kognition ans Nervensystem gebunden Bearbeiten Ein ahnlicher Einwand wie der des intrinsischen Gehalts geht ebenso von Frederick Adams und Kenneth Aizawa aus So leiten sie aus der Tatsache dass wir Kognition bisher nur in Nervensystemen vorgefunden haben ab dass Kognition nur in solchen stattfindet Ein kognitives System welches sich uber Grenzen des Nervensystems hinaus erstreckt ist also nicht moglich 18 Es handelt sich bei dieser Kritik also um eine empirisch begrundete Ablehnung der These der multiplen Realisierbarkeit Geringe Verbindungsbandbreite Bearbeiten Ein weiterer Einwand auf den Clark und Chalmers schon in The extended Mind eingehen ist dass externe Zustande nicht dem kognitiven System zugerechnet werden konnen da sie schlechter zuganglich sind als interne Zustande Eine Analogie macht diesen Einwand klar So wurden wir wenig Probleme haben den Inhalt eines externen Datenspeichers auch zum Inhalt des Computers zu zahlen solange dieser Zugriff beinahe ebenso schnell erfolgt Anders sieht es jedoch aus wenn wir den Speicher eines Computers dadurch entlasten wollten dass wir den Inhalt einiger Dateien auf Papier drucken und diese bei Bedarf einscannen 19 Vertreter des erweiterten Geistes konnen hier jedoch entgegnen dass die Verbindung zwischen dem an Alzheimer erkrankten Otto und seinem Notizbuch deutlich besser ist als die zwischen einem Computer und ausgedruckten Dateien So wurden wir zum Beispiel einer Person die aufgrund eines Unfalls einen langsamen Zugriff auf die eigenen internen Erinnerungen hat auch nicht diese Erinnerungen aberkennen solange der Zugriff auf sie mit hinreichender Zuverlassigkeit und ohne fremde Hilfe erfolgt 20 Doch auch wenn Kritiker durch diese Argumentation nicht uberzeugt werden konnen ist es alles andere als klar dass neuronale Prozesse schneller sind als epistemisches Handeln in der Aussenwelt So stellten zum Beispiel Kirsh und Maglio fest dass beim Spielen von Tetris eine direkte Manipulation des Spiels schneller vonstattengeht als eine mentale Rotation 10 Siehe auch BearbeitenKognitionswissenschaft Funktionalismus Philosophie Semantischer Externalismus KognitionLiteratur BearbeitenFred Adams Ken Aizawa 2008 The Bounds of Cognition Oxford Blackwell David Chalmers 2008 Foreword to Andy Clark s Supersizing the Mind Oxford Oxford University Press PDF Andy Clark 2001 Reasons robots and the extended mind Mind and Language 16 121 145 Andy Clark 2003 Natural Born Cyborgs Minds Technologies and the Future of Human Intelligence Oxford Oxford University Press Andy Clark 2005 Intrinsic content active memory and the extended mind Analysis 65 1 1 11 Andy Clark 2007 Curing cognitive hiccups A defense of the extended mind Journal of Philosophy 104 4 163 192 Andy Clark 2008 Supersizing the Mind Embodiment Action and Cognitive Extension Oxford Oxford University Press Andy Clark David Chalmers 1998 The extended mind Analysis 58 1 S 7 19 Text als HTML Susan Hurley 1998 Consciousness in Action Cambridge MA Harvard University Press Susan Hurley 2001 Perception and action Alternative views Synthese 291 3 40 Susan Hurley 2010 Varieties of Externalism In R 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