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Die Eichbaume ist ein Hexametergedicht von Friedrich Holderlin 1796 entworfen erschien es 1797 in Friedrich Schillers Zeitschrift Die Horen 1 Nennt der deutsch Germanist Joachim Wohlleben 1936 2004 1 es einen bescheidenen Lyrismus ein unscheinbares Gedicht so habe es doch Epoche gemacht in Holderlins Lyrik 2 Nach Momme Mommsen ist es das erste bedeutende Gedicht das Holderlins eigenen Ton tragt 3 1 Erstdruck in Die Horen Jahrgang 1797 Zehntes Stuck Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Uberlieferung 3 Text 4 Interpretation 4 1 Zwei Spharen des Daseins 4 2 Huldigung an Schiller 4 3 Ausgleich der Spharen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten1793 endete Holderlins Studienzeit im Tubinger Stift Ende des Jahres wurde er in Waltershausen Hauslehrer fur Fritz von Kalb den Sohn der mit Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe befreundeten Charlotte von Kalb Er arbeitete intensiv an seinem Roman Hyperion Anfang September 1794 schickte er die fruhe Fassung Fragment von Hyperion an Schiller der sie im November in seiner Zeitschrift Thalia veroffentlichte Mit seinem Zogling in Jena traf er im November 1794 Schiller und Goethe zum ersten Mal personlich Mitte Januar 1795 trennte er sich einvernehmlich vom Hause von Kalb Wieder in Jena horte er bei Johann Gottlieb Fichte Vorlesungen kam haufig mit Schiller und Goethe zusammen und befreundete sich mit Isaak von Sinclair Ende Mai oder Anfang Juni aber verliess er Jena plotzlich und kehrte ins Haus seiner Mutter in Nurtingen zuruck Die Grunde der Flucht sind nicht ganz erhellt ausser Sehnsucht nach der Heimat hat sicher das Gefuhl einer druckenden Ubermacht Schillers und Fichtes beigetragen Die Verse Ein vertriebener Wandrer Der vor Menschen und Buchern floh aus dem Entwurf des Gedichts Heidelberg werden als Spiegelung dieses Erlebens aufgefasst 4 Im Januar 1796 trat Holderlin seine nachste Hauslehrerstelle an fur Henry den Sohn des Frankfurter Kaufmanns Jakob Friedrich Gontard Borkenstein 1764 1843 Zwischen Holderlin und Susette der Frau Gontards und Mutter Henrys entstand bald eine tiefe Zuneigung Susette wurde Holderlins Diotima war ihm wohl schon im Brief vom 15 Januar 1796 an seinen Freund Christian Ludwig Neuffer Abbild der ewigen Schonheit 5 Geistiger Hintergrund des Gedichts Die Eichbaume ist aber nicht die Liebe zu Diotima sondern die Arbeit am Hyperion und die Auseinandersetzung mit Goethe und mehr noch Schiller War doch Schiller schon im Tubinger Stift bewundertes und geliebtes Vorbild sowohl im Gedanken einer befreiten Menschheit in der Vorstellung einer kosmischen Harmonie wie in der Form der gereimten Hymnen Diesem Ideal strebte Holderlin etwa in den Hymnen Das Schicksaal von 1794 und An Herkules von 1796 nach Auch die drei uberlieferten Fassungen des Gedichts Diotima von 1796 bis 1797 sind noch vielstrophige Reimhymnen Die Starke der Abhangigkeit von Schiller und das Ringen mit dieser Abhangigkeit Holderlin schreibt Anhanglichkeit spricht aus einem Erklarungsversuch Holderlins gegenuber Schiller fur seine Entfernung aus Jena 6 Nurtingen bei Stutgard d 23 Jul 1795 Ich wusste wohl dass ich mich nicht ohne meinem Innern merklichen Abbruch zu thun aus Ihrer Nahe wurde entfernen konnen Ich erfahr es jeden Tag lebendiger Es ist sonderbar dass man sich sehr glucklich finden kann unter dem Einfluss eines Geistes auch wenn er nicht durch mundliche Mittheilung auf einen wirkt blos durch seine Nahe und dass man ihn mit jeder Meile die von ihm entfernt mehr entbehren muss Ich hatt as auch schwerlich mit all meinen Motiven uber mich gewonnen zu gehen wenn nicht eben diese Nahe mich von der andern Seite so oft beunruhigt hatte Ich war immer in Versuchung Sie zu sehn und sah Sie immer nur um zu fuhlen dass ich Ihnen nichts seyn konnte Ich sehe wohl dass ich mit dem Schmerze den ich so oft mit mir herumtrug nothwendiger weise meine stolzen Forderungen busste weil ich Ihnen so viel seyn wollte musst ich mir sagen dass ich Ihnen nichts ware lt gt Es ist sonderbar dass ich Ihnen diese Apologie gab Aber eben darum weil diese Anhanglichkeit in der That mir heilig ist such ich sie in meinem Bewusstseyn von allem was durch eine scheinbare Verwandtschaft sie entwurdigen konnte zu sondern und warum sollt ich mich uber sie nicht vor Ihnen aussern wie sie vor mir erscheint da sie doch Ihnen angehort Ich bin in ewiger Achtung Ihr dd Verehrer dd dd dd M Holderlin dd dd dd dd dd Noch am 20 Juni 1797 schrieb Holderlin an Schiller 7 von Ihnen dependir ich unuberwindlich Diesem Brief legte er den im April erschienenen ersten Band seines Hyperion sowie Manuskripte der Gedichte An den Aether Der Wanderer und wahrscheinlich Die Eichbaume bei nbsp 2 Erster Entwurf Seite 1 nbsp 3 Erster Entwurf Seite 2 nbsp 4 Zweiter Entwurf Seite 1 nbsp 5 Zweiter Entwurf Seite 2Uberlieferung BearbeitenDrei Manuskripte sind in der Wurttembergischen Landesbibliothek in Stuttgart erhalten und als Digitalisate verfugbar Die Manuskriptvorlage fur den Druck in den Horen 1 dagegen ist verloren nbsp 6 Abschrift aus den Horen Seite 1 nbsp 7 Abschrift aus den Horen Seite 2Ein erster Entwurf in dem Stuttgarter Konvolut Dejanira an Herkules Cod poet et phil fol 63 I 32 umfasst auf zwei Blattern 12 Verse Die Uberschrift lautete zunachst Die Eichen 2 Der Entwurf endet mit Eine Welt ist jede von euch 3 In einem zweiten Entwurf in dem Konvolut Homburger Quartheft Homburg B wird eine Alternative zu den Versen 14 bis 17 versucht 5 Holderlin hat das Gedicht aus den Horen vermutlich Ende 1799 noch einmal abgeschrieben Diese dritte Manuskriptfassung im Konvolut Stuttgarter Foliobuch Cod poet et phil fol 63 I 6 unmittelbar nach Holderlins Abschrift der ersten Fassung seiner Elegie Der Wanderer tragt unter dem Titel den Vermerk als Proemium zu gebrauchen 6 Die Verse 14 bis 17 sind eingeklammert und darunter steht ein Prosatext wohl Entwurf einer Alternative fur die eingeklammerten Verse 7 Holderlin wird hier nach der von Friedrich Beissner Adolf Beck und Ute Oelmann 1949 besorgten historisch kritischen Stuttgarter Ausgabe seiner Werke zitiert Die von Dietrich Sattler herausgegebene historisch kritische Frankfurter Ausgabe 8 die Leseausgabe von Jochen Schmidt und bis auf Zusammenschreibung wiedergepflegt Vers 3 die Leseausgabe von Michael Knaupp bieten damit identische Texte Text Bearbeiten0000 0000 0000 0000 0000 Die Eichbaume0000 Aus den Garten komm ich zu euch ihr Sohne des Berges 0000 Aus den Garten da lebt die Natur geduldig und hauslich 0000 Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleissigen Menschen zusammen 0000 Aber ihr Ihr Herrlichen steht wie ein Volk von Titanen0 0 50 In der zahmeren Welt und gehort nur euch und dem Himmel 0000 Der euch nahrt und erzog und der Erde die euch geboren 0000 Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen 0000 Und ihr drangt euch frohlich und frei aus der kraftigen Wurzel 0000 Unter einander herauf und ergreift wie der Adler die Beute 0 100 Mit gewaltigem Arme den Raum und gegen die Wolken0000 Ist euch heiter und gross die sonnige Krone gerichtet 0000 Eine Welt ist jeder von euch wie die Sterne des Himmels0000 Lebt ihr jeder ein Gott in freiem Bunde zusammen 0000 Konnt ich die Knechtschaft nur erdulden ich neidete nimmer0 150 Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben 0000 Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich 0000 Das von Liebe nicht lasst wie gern wurd ich unter euch wohnen Interpretation BearbeitenHolderlin hatte schon fruher Hexameter geschrieben zuletzt 1792 in Kanton Schweiz Die vorherrschende lyrische Form seiner Tubingen Zeit aber waren die Reimhymnen nach Schillers Muster Nicht zuletzt die Arbeit am Hyperion machte ihm klar dass er so seine dichterische Eigenart nicht entfalten konnte Sein Spracherlebnis gescharft durch den Hyperion forderte den reimlosen nur auf der Wirkung des Metrums beruhenden Vers nach den Vorbildern der Antike 9 Die Eichbaume markiert die Wende Kurz danach entstanden das Hexametergedicht An den Aether und die erste Elegie Der Wanderer In Hyperions Schicksaalslied aus dem zweiten Band des Hyperion experimentierte Holderlin mit einem freien Rhythmus Vor allem eroberte er sich in Frankfurt die Meisterschaft als Odendichter 10 Mit Die Eichbaume vollzog Holderlin die schopferische Hinwendung zu den antiken Gedichtformen 11 Mit diesem neuen Klassizismus bleibt Holderlin Schiller und Goethe nah lost sich aber zugleich von ihnen Wie das Verlassen Jenas Emanzipation von den Verehrten versuchte so versucht es das Gedicht nicht nur durch seine Form auch durch seinen Inhalt Es stellt zwei Formen des Daseins einander gegenuber Zwei Spharen des Daseins Bearbeiten Die eine Form ist jene aus der das lyrische Ich kommt die es verlasst die zahmere Welt Vers 5 der Garten im ersten Entwurf der Dorfer 2 wo Gartenpflanzen vom fleissigen Menschen gepflegt werden wo geselliges Leben Vers 15 herrscht Dieses Dasein empfindet das Ich als Knechtschaft Die andere Daseinsform wird wesentlich nachdrucklicher in einer rauschenden Kaskade von Versen geschildert Es ist jene in die das lyrische Ich tritt der Wald Vers 15 der Sohne des Berges Holderlin hat den Titel Die Eichen in Die Eichbaume korrigiert 2 statt der anonymisierenden Gattungsbezeichnung Individuen genannt 12 Die Eiche ist ihrer mythischen Bedeutung bei Griechen und Germanen wegen gewahlt In der Hymne an den Genius der Jugend von 1792 strebt und rauscht der Eichenhain 13 und im freirhythmischen Gedicht von Ende 1803 oder Anfang 1804 Lebensalter sitzt das Ich unter Wohleingerichteten Eichen 14 Die mythischen Konnotationen bahnen die Verwandlung der Eichen aus blossen hoch wachsenden Pflanzen zu mythischen Wesen einem Volk von Titanen In der zahmeren Welt Es ist die Daseinsform schaffender Autarkie die das lyrische Ich mit den Versen 0000 Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen lt gt 0000 Eine Welt ist jeder von euch wie die Sterne des Himmels0000 Lebt ihr jeder ein Gott in freiem Bunde zusammen fast plakativ evoziert Holderlin wunscht seine dichterische Zukunft in freiem Bunde Vers 16 Huldigung an Schiller Bearbeiten Betont das Gedicht Emanzipation Autonomie so bleibt es zugleich eine Huldigung an Schiller denn die Hauptmetapher entspricht der von Schillers 1795 in den Horen veroffentlichter Elegie wo das lyrische Ich des Zimmers Gefangniss verlasst und in die Einsamkeit der erhabenen Berge steigt 15 Mommsen weist auf die Ahnlichkeit einer Stilfigur hin In emphatischer Wiederholung heisst es in Die Eichbaume 0 Aus den Garten komm ich zu euch ihr Sohne des Berges 0 Aus den Garten da lebt die Natur geduldig und hauslich und in der Elegie 0 Hinter mir blieb der Garten der Hecken vertraute Begleitung 0 Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hande zuruck Ausgleich der Spharen Bearbeiten Um die letzten vier Verse hat sich Holderlin besonders bemuht In der Horen Fassung deuten sie an dass der Verzicht auf das gesellige Leben schmerzhaft ist in der konkreten Biographie der Verzicht auf das Zusammensein mit Schiller schmerzhaft war weil das Herz lt gt von Liebe nicht lasst In einer fruheren namlich der zweiten Manuskriptfassung 5 entscheidet er sich ohne dies Bedenken fur die Sphare der Eichbaume 16 0000 Lebt ihr jeder ein Gott in freiem Bunde zusammen 0000 Enger vereint ist unten im Thal das gesellige Leben 0000 Vester bestehet es hier und sorgenfreier und stolzer 0000 Denn so will es der ewige Geist Aus dem Prosaentwurf am Ende der Abschrift der Horen Fassung schliesslich 7 klingt der Wunsch nach einem Ausgleich der Spharen des geselligen Miteinander und des freien autonomen Individuums 17 O dass mir nie nicht altere dass der Freuden dass der Gedanken unter den Menschen der Lebenszeichen keins mir unwerth werde dass ich seiner mich schamte denn alle brauchet das Herz damit es Unaussprechliches nenne Der Vermerk als Proemium zu gebrauchen 6 deutet vielleicht an das Holderlin das Gedicht in Richtung auf diesen Ausgleich uberarbeiten wollte vielleicht auch dass er es an den Anfang einer Gedichtsammlung stellen wollte die zu gestalten ihm der nie die demutige Unterwerfung unter Almanach Herausgeber abschutteln lt konnte gt nicht vergonnt war 18 Literatur BearbeitenAdolf Beck und Paul Raabe Holderlin Eine Chronik in Text und Bild Insel Verlag Frankfurt am Main 1970 Friedrich Holderlin Homburger Folioheft Homburg F Digitalisat der Wurttembergischen Landesbibliothek Stuttgart Abgerufen am 1 Juli 2015 Friedrich Holderlin Samtliche Werke Grosse Stuttgarter Ausgabe Herausgegeben von Friedrich Beissner Adolf Beck und Ute Oelmann Kohlhammer Verlag Stuttgart 1943 bis 1985 Friedrich Holderlin Samtliche Werke Historisch kritische Ausgabe in 20 Banden und 3 Supplementen Herausgegeben von Dietrich Sattler Frankfurter Ausgabe Verlag Stroemfeld Roter Stern Frankfurt am Main und Basel 1975 2008 Friedrich Holderlin Samtliche Werke und Briefe Herausgegeben von Michael Knaupp Carl Hanser Verlag Munchen 1992 bis 1993 Friedrich Holderlin Gedichte Herausgegeben von Jochen Schmidt Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 618 60810 1 Momme Mommsen Zu Holderlins Gedicht Die Eichbaume In Wulf Segebrecht Hrsg Gedichte und Interpretationen Band 3 Klassik und Romantik Reclam Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 15 007892 X S 144 152 Joachim Wohleben Ein Gedicht und eine Krise Holderlins Die Eichbaume In Karl Konrad Polheim Hrsg Sinn und Symbol Fest schrift fur Joseph P Strelka zum 60 Geburtstag Peter Lang AG Bern 1987 ISBN 3 261 03582 X S 129 141 Einzelnachweise Bearbeiten Joachim Wohlleben im Onlineverzeichnis der Hochschulgermanistik Abgerufen am 1 Juli 2014 Wohlleben 1987 S 129 138 und 136 Mommsen 1984 S 145 Zum Beispiel Beck und Raabe 1970 S 41 42 Stuttgarter Ausgabe Band 6 1 S 199 200 und 6 2 S 779 780 Stuttgarter Ausgabe Band 6 1 S 175 176 Im ganzen Brief findet sich keine Anrede an Schiller Stuttgarter Ausgabe Band 6 1 S 241 242 und 6 2 S 838 841 Frankfurter Ausgabe Band 3 S 51 Mommsen 1984 S 145 Schmidt 1992 S 489 Wohlleben 1987 S 134 Wohlleben 1987 S 129 Stuttgarter Ausgabe Band 1 1 S 169 Stuttgarter Ausgabe Band 2 1 S 115 Der Spaziergang spatere Fassung der Elegie im Projekt Gutenberg Abgerufen am 2 Juli 2015 Stuttgarter Ausgabe Band 1 2 S 501 502 Stuttgarter Ausgabe Band 1 2 S 502 Wohlleben 1987 S 139 Werke von Friedrich Holderlin RomanHyperion oder Der Eremit in GriechenlandDramaDer Tod des EmpedoklesLyrikAbbitte Abendphantasie Andenken An die Madonna An die Parzen An Zimmern Brod und Wein Der Abschied Der Archipelagus Der Gang aufs Land An Landauer Der Nekar Der Rhein Der Tod furs Vaterland Der Wanderer Der Winkel von Hahrdt Des Morgens Die Eichbaume Die Heimath Die Kurze Halfte des Lebens Heidelberg Heimath Hyperions Schicksalslied Ihr sichergebaueten Alpen Lebensalter Lebenslauf Meiner verehrungswurdigen Grosmutter zu ihrem 72sten Geburtstag Menons Klagen um Diotima Patmos Rukkehr in die Heimath Sokrates und Alcibiades Wie Meereskusten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Eichbaume Holderlin amp oldid 200990520