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Wie Meereskusten ist ein Gedicht von Friedrich Holderlin Es wird meist bei den Entwurfen eingereiht 1 andererseits aber auch als in sich geschlossenes Werk interpretiert Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Uberlieferung 2 Text 3 Interpretation 4 Literatur 5 EinzelnachweiseEntstehung und Uberlieferung BearbeitenHolderlins Niederschrift steht im unteren Drittel der Seite 68 des Homburger Foliohefts und ist in der Zeit von dessen Niederschrift entstanden zwischen 1802 und 1807 Unmittelbar daruber steht auf Seite 68 der Hymnenentwurf Und mitzufuhlen das Leben Gedruckt wurde Wie Meereskusten zuerst 1916 in Band 4 der von Norbert von Hellingrath und Friedrich Seebass 1887 1963 begonnenen historisch kritischen Ausgabe von Holderlins Werken 2 nbsp Homburger Folioheft Seite 68Der Charakter des Homburger Foliohefts mit vollendeten Gedichten Entwurfen und kleinen Bruchstucken oft ubereinandergeschrieben macht die Erarbeitung eines von Holderlin intendierten Textes schwer und im Ergebnis unsicher In diesem Artikel ist der Text der von Fredrich Beissner Adolf Beck und Ute Oelmann 1949 herausgegebenen historisch kritischen Stuttgarter Ausgabe wiedergegeben 3 Er weicht deutlich von der Hellingrath Seebassschen Ausgabe ab ist aber identisch mit der Leseausgabe von Michael Knaupp Der Text der Leseausgabe von Jochen Schmidt ist orthographisch modernisiert so dass zum Beispiel aus Holderlins Woogen Wogen werden Seinen Titel hat dem im Homburger Folioheft unbetitelten Entwurf Friedrich Beissner gegeben In der historisch kritischen Frankfurter Ausgabe von Dietrich Sattler wird Wie Meereskusten als Teil des Hymnenentwurfs Tinian verstanden Text Bearbeiten0000 0000 0000 0000 Wie Meereskusten 0000 Wie Meereskusten wenn zu baun0000 Anfangen die Himmlischen und herein0000 Schifft unaufhaltsam eine Pracht das Werk0000 Der Woogen eins ums andere und die Erde0 0 50 Sich rustet aus darauf vom Freudigsten eines0000 Mit guter Stimmung zu recht es legend also schlagt es0000 Dem Gesang mit dem Weingott vielverheissend dem bedeutenden0000 Und der Lieblingin0000 Des Griechenlandes0 100 Der meergeborenen schiklich blikenden0000 Das gewaltige Gut ans Ufer Interpretation BearbeitenInterpretationen haben Friedrich Beissner Jochen Schmidt Ludwig Harig Bernhard Boschenstein Gerhard Kurz und Anke Bennholdt Thomsen gemeinsam mit Alfredo Guzzoni gegeben Das Gedicht zu den Entwurfen gezahlt aber doch in sich geschlossen ist ein Vergleich Wie Vers 1 es Meereskusten geschieht also Vers 6 geschieht es dem Gesang Das Gerust des Gleichnisses 4 hat zuerst Friedrich Beissner erklart ihm folgend zum Beispiel Jochen Schmidt 5 Wie lt den gt Meereskusten lt gt also schlagt es Dem Gesang lt gt Das gewaltige Gut ans Ufer Meereskusten ist Dativ Das im Vergleich korrespondierende Gegenstuck ist dem Gesang 6 Gerhard Kurz betont die Enjambements 7 Das Enjambement gibt dem letzten und dem folgenden ersten Wort eine Betonung mit lt gt Die rhythmisierende und rhetorisierende Funktion des Enjambements zeigt besonders das Fragment Wie Meereskusten In einer grandiosen Aufnahme des alten Topos von der Dichtung als Schifffahrt wird das Gelingen des Werk s dargestellt also schlagt es Dem Gesang Das gewaltige Gut ans Ufer Das Gedicht besteht aus einer einzigen verschachtelten Satzperiode deren rhythmische Spannung von den Enjambements erzeugt und getragen wird Alle Zeilen bis auf die letzte enden in Enjambements Die stauenden Pausen der Enjambements lt gt bilden die rhythmische Achse des Gedichts Das kunstvolle Gebilde sei dem Anprall einer Meereswoge vergleichbar findet Ludwig Harig Aus einer zerstuckelten Grammatik Holderlins harter Fugung 8 entbinde sich dichterischer Gesang als das gewaltige Gut das im Spiel der Wogen an die Kuste geworfen werde Holderlin hat das Meer nur einmal gesehen zwischen etwa Mitte Januar und Mitte April 1802 als Hauslehrer bei dem Weinhandler und hamburgischen Konsul Daniel Christoph Meyer 1751 1818 in Bordeaux Harig erinnert an die Spiegelung dieses Erlebnisses in dem Gedicht Andenken Dort an der luftigen Spiz An Traubenbergen wo herab Die Dordogne kommt Und zusammen mit der pracht gen Garonne meerbreit Ausgeht der Strom 9 Nichts spricht dagegen dass Holderlin die Kuste des Meeres aufgesucht und tief beeindruckt vom rhythmischen Spiel des Wellenschlags diesen Naturvorgang fest im Gedachtnis aufbewahrt hat 10 Holderlin selbst hat sein Bordeauxer Gesamterlebis in Einem Satz umrissen Das gewaltige Element das Feuer des Himmels und die Stille der Menschen ihr Leben in der Natur hat mich bestandig ergriffen und wie man Helden nachspricht kann ich wohl sagen dass mich Apollo geschlagen 11 Was geschieht den Meereskusten im Wenn Nebensatz und was fur ein gewaltiges Gut wird dem Gesang im also Hauptsatz ans Ufer geschlagen Der konditionale oder temporale Wenn Nebensatz reicht bis zu recht es legend Vers 6 Boschenstein prazisiert dass das Werk Der Woogen Subjekt ist und dass Hereinschiffen transitiv verwendet wird Das Werk der Woogen schifft eine Pracht eins ums andere herein an die Kusten 12 Die Pracht konnten die Produkte des Handels sein die der Handelsherr hereinschifft Holderlin preist ihn in Der Archipelagus Siehe da loste sein Schiff der fernhinsinnende Kaufmann Froh denn es wehet auch ihm die beflugelnde Luft und die Gotter Liebten so wie den Dichter auch ihn und preist seine Waren Purpur und Wein und Korn und Vliesse 13 Was fragen Bennholdt Thomsen und Guzzoni soll aber alsdann das Bauen der Himmlischen das zudem hier nicht nur als prasentisch sondern als gerade anhebend eingefuhrt wird Fur sie ist das Werk Der Woogen vielmehr die Gestaltung der ganzen Erdoberflache durch das Meer im Sinne des Neptunismus Die grundlegende Vorstellung ist also die erdgeschichtliche des Neptunismus wonach das Urmeer sich langsam zuruckziehend nach und nach das was sich auf seinem Boden durch Sedimantation oder Kristallisation abgelagert hatte hinterlasst und so das dadurch entstehende Festland samt den Inseln freigibt 14 Dies Werk ist das Bauen Vers 1 der Himmlischen wie in der Hymne Der Rhein wo das Alpengebirge die gottlichgebaute Die Burg der Himmlischen heisst und der Vatergott der der die Berge gebaut Und den Pfad der Strome gezeichnet 15 Mittels der Wogen schaffen die Himmlischen alles heran was zum Bau der Erde benotigt wird eins ums andere Mit guter Stimmung zu recht es legend so dass die Erde Sich rustet aus So gewaltiges Gut schlagt es also Vers 6 dem Gesang ans Ufer Wer das es ist bleibt unbestimmt wahrscheinlich der Freudigsten eines aus der Zeile daruber und damit einer der Gotter 16 Zwei Gotter werden dann genannt beide dem Meer verbunden der Weingott Dionysos Sohn des Zeus und der Semele der als kleines Kind zusammen mit seiner Mutter in einem Holzkasten ins Meer geworfen wurde und die Lieblingin Des Griechenlandes die meergeborene Aphrodite Mit deren Hilfe lt gt fuhrt der oberste Gott lt dem Gesang gt das gewaltige Gut zu 17 Sie kommen mit dem gewaltigen Gut das in erfullten Zeiten dem Gesang zuwachst um es zu beseelen und harmonisch zu ordnen 18 Das Gut ist alles was die Wogen geschaffen haben die gesamte Natur Das Poetische im engeren Sinne die formale Seite von Gestaltung und Durchfuhrung kommt nicht eigens zur Sprache lt gt Der ganze Vergleich zielt auf die Dichtung unter besonderer Berucksichtigung der Weise wie ihre materielle Komponent herbeigefuhrt und verarbeitet wird 19 Boschenstein spricht von einer geradezu enzyklopadischen Konzeption des Dichtens und fuhrt die vielen spaten Stichworte Holderlins zu nie geschriebenen Hymnen an zum Beispiel aus den Ansatzen zu einer Uberarbeitung der Hymne Patmos Und jetzt Mocht ich die Fahrt der Edelleute nach Jerusalem und das Leiden irrend in Canossa Und den Heinrich singen 20 Die Interpreten zusammennehmend ware zu paraphrasieren Wie es den Meereskusten wenn die Himmlischen zu bauen anfangen und die Wogen unaufhaltsam eine Pracht ans Ufer schiffen eins ums andere wenn so die Erde sich ausrustet und eines der Himmlischen mit guter Stimmung alles zurechtlegt wie es den Meereskusten so ein gewaltiges Gut ans Ufer schlagt also schlagt es dem Gesang unter Mitwirkung des Weingotts und der Lieblingin Griechenlands der meergeborenen schicklich blickenden Aphrodite ein gewaltiges Gut ans Ufer Holderlin hat daraus ein Gebilde machtig an und wieder abschwellender Silbenschlage lt gt dem Anprall einer Meereswoge vergleichbar geformt 21 Boschenstein fragt ob Holderlin nicht nach seinen alkaischen und asklepiadeischen Oden seinen Elegien und an Pindar angelehnten Hymnen einen vierten aus der Antike uberlieferten Gedichttypus nachzubilden strebte namlich das in sich geschlossene sich selbst genugende Fragment Die Antike habe einen solchen Gedichttypus freilich nicht hervorgebracht nur der ruinosen Uberlieferung sei er zu verdenken 22 Fur Harig ist in Wie Meereskusten die Meereswelle Apotheose alles Griechischen lt gt eigener Gesang geworden 23 Literatur BearbeitenAdolf Beck und Paul Raabe Holderlin Eine Chronik in Text und Bild Insel Verlag Frankfurt am Main 1970 Anke Bennholdt Thomsen Alfredo Guzzoni Die Kusten In Analecta Holderliniana III Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2007 ISBN 978 3 8260 3590 6 S 11 29 Bernhard Boscheinstein Das Gut des Gesangs Zu Holderlins Gedicht Wie Meereskusten In text kritik 1996 ISBN 3 88377 520 7 S 213 221 Ludwig Harig Ein kostbares Gastgeschenk Interpretation von Holderlins Wie Meereskusten In Marcel Reich Ranicki Hrsg Frankfurter Anthologie Band 17 S 47 50 Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1994 Friedrich Holderlin Homburger Folioheft Homburg F Digitalisat der Wurttembergischen Landesbibliothek Stuttgart Abgerufen am 4 Januar 2014 Friedrich Holderlin Homburger Folioheft Diachrone Darstellung Rekonstruktion der Entstehung des Gedichts in der Handschrift Arbeitsphasen 3 bis 16 Website der A und A Kulturstiftung Koln und der Wurttembergischen Landesbibliothek Stuttgart Abgerufen am 15 Marz 2021 Friedrich Holderlin Samtliche Werke Grosse Stuttgarter Ausgabe Herausgegeben von Friedrich Beissner Adolf Beck und Ute Oelmann Kohlhammer Verlag Stuttgart 1946 bis 1985 Friedrich Holderlin Samtliche Werke Historisch kritische Ausgabe in 20 Banden und 3 Supplementen Herausgegeben von Dietrich Sattler Frankfurter Ausgabe Verlag Stroemfeld Roter Stern Frankfurt am Main und Basel 1975 2008 Friedrich Holderlin Samtliche Werke und Briefe Herausgegeben von Michael Knaupp Carl Hanser Verlag Munchen 1992 bis 1993 Friedrich Holderlin Gedichte Herausgegeben von Jochen Schmidt Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 618 60810 1 Gerhard Kurz Macharten Uber Rhythmus Reim Stil und Vieldeutigkeit Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 ISBN 3 525 34013 3 Einzelnachweise Bearbeiten zum Beispiel Stuttgarter Ausgabe siehe Literatur Friedrich Holderlin Samtliche Werke Herausgegeben von Norbert von Hellingrath und Friedrich Seebass Band 4 Propylaen Verlag Berlin 1943 S 390 391 Stuttgarter Ausgabe Band 2 1 S 205 Stuttgarter Ausgabe Band 2 2 S 838 Schmidt 1992 S 1060 Boschenstein 1996 S 213 Kurz 1999 S 33 34 Den Begriff harte Fugung vonGesang ἁrmonia aὐsthra pragte Norbert von Hellingrath Der Stil sei gekennzeichnet durch Harte der Fugen zwischen den sprachlichen Elementen irrationaler und minder gebunden als bei ublicher Prosa Im Satzgefuge gebe es Anakoluthe pradikatlos hingestellte Worte bald weitgespannte Perioden die zwei oder dreimal neu einsetzen und dann doch uberraschend abbrechen stets voll jahen Wechsels in der Konstruktion Friedrich Norbert von Hellingrath Pindarubertragungen von Holderlin Prolegomena zu einer Erstausgabe Breitkopf amp Hartel Leipzig 1910 Stuttgarter Ausgabe Band 2 1 S 189 Harig 1994 Beck und Raabe 1970 S 64 Boschenstein 1996 S 213 Stuttgarter Ausgabe Band 2 1 S 105 Bennholdt Thomsen Guzzoni 2007 S 21 22 Stuttgarter Ausgabe Band 2 1 S 142 und 147 Bennholdt Thomsen Guzzoni 2007 S 27 Bennholdt Thomsen Guzzoni 2007 S 27 Schmidt 1992 S 1060 1061 Bennholdt Thomsen Guzzoni 2007 S 29 Boschenstein 1996 S 218 Harig 1994 Boschenstein 1996 S 219 Harig 1994 Werke von Friedrich Holderlin RomanHyperion oder Der Eremit in GriechenlandDramaDer Tod des EmpedoklesLyrikAbbitte Abendphantasie Andenken An die Madonna An die Parzen An Zimmern Brod und Wein Der Abschied Der Archipelagus Der Gang aufs Land An Landauer Der Nekar Der Rhein Der Tod furs Vaterland Der Wanderer Der Winkel von Hahrdt Des Morgens Die Eichbaume Die Heimath Die Kurze Halfte des Lebens Heidelberg Heimath Hyperions Schicksalslied Ihr sichergebaueten Alpen Lebensalter Lebenslauf Meiner verehrungswurdigen Grosmutter zu ihrem 72sten Geburtstag Menons Klagen um Diotima Patmos Rukkehr in die Heimath Sokrates und Alcibiades Wie Meereskusten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wie Meereskusten amp oldid 226173121