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Brod und Wein ist eine Elegie von Friedrich Holderlin mit 160 Versen die umfangreichste der sechs grossen Elegien und zugleich eines der beruhmtesten Gedichte Holderlins uberhaupt 1 Schon Norbert von Hellingrath meinte zu Beginn des 20 Jahrhunderts es wird immer die beste Grundlage bleiben zum Eindringen in Holderlins Gedankenwelt 2 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung Uberlieferung und Rezeption 2 Komposition 3 Thematischer Uberblick 4 Kommentar zu den einzelnen Strophen 4 1 1 Strophe 4 2 2 Strophe 4 3 3 Strophe 4 4 4 Strophe 4 5 5 Strophe 4 6 6 Strophe 4 7 7 Strophe 4 8 8 Strophe 4 9 9 Strophe 5 Holderlins spatere Uberarbeitungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntstehung Uberlieferung und Rezeption BearbeitenDas Gedicht wurde wahrscheinlich im Winter 1800 1801 vorlaufig fertiggestellt 3 spater aber nochmals uberarbeitet Schon der erste Entwurf zur Elegie ist dem 26 Jahre alteren Schriftsteller Wilhelm Heinse gewidmet An Heinze den Holderlin im Juli 1796 kennengelernt hatte als er sich mit Susette Gontard auf der Flucht vor den franzosischen Truppen in Kassel aufhielt Die Widmung bezeugt also die Hochschatzung des vaterlichen Freundes und seines Romans Ardinghello enthalt aber auch einen versteckten biographischen Hinweis auf Diotima die Geliebte Susette Gontard 4 Zu den historischen Bezugen siehe den Schluss des Kommentars zur 9 Strophe Die Elegie trug im ersten Entwurf und in der ersten Reinschrift noch den Titel Der Weingott erst in den Uberarbeitungen erscheint auch die neue Uberschrift Brod und Wein die im Zusammenhang mit einer neuen Akzentsetzung steht Zunachst war das Gedicht ganz auf Dionysos ausgerichtet erst spater wird es an entscheidenden Stellen so umgedichtet dass eine Doppelsinnigkeit entsteht die auf Dionysos und Christus zugleich verweist dazu Genaueres im Kommentar Holderlin hat das Gedicht aber nie zum Druck gegeben Nur die erste Strophe wurde von Leo von Seckendorf nicht autorisiert im Musenalmanach fur das Jahr 1807 unter dem Titel Die Nacht herausgegeben 5 Diese Strophe beeindruckte Clemens Brentano so nachhaltig dass er urteilte Niemals ist vielleicht hohe betrachtende Trauer so herrlich ausgesprochen worden Ich halte sie Die Nacht fur eines der gelungensten Gedichte uberhaupt 6 Es ist diese eine von den wenigen Dichtungen an welchen mir das Wesen eines Kunstwerkes durchaus klar geworden 7 Das ganze Gedicht blieb dagegen bis Ende des 19 Jahrhunderts unbekannt 8 Es wurde erstmals 1894 in einer kleinen Biographie publiziert aber dem Vergessen entrissen wurde es erst so wie Holderlins Gedichte uberhaupt dank der Herausgabe der Werke Holderlins durch Norbert von Hellingrath zu Beginn des 20 Jahrhunderts Nach dem Zweiten Weltkrieg gab Friedrich Beissner dann das Gedicht in der Form heraus in der es bis heute meist gedruckt und zitiert wird 9 In den 70er Jahren begann die Frankfurter Ausgabe zu erscheinen der 6 Band in dem die Elegien enthalten sind erschien 1976 in der die Handschriften als Faksimiles und in Umschrift veroffentlicht wurden so dass zum ersten Mal die gesamten Korrekturen und Veranderungen die Holderlin an dem Gedicht vornahm also die verschiedenen Textstufen sichtbar wurden Schon Beissner hatte im Anhang seiner Ausgabe auf einige Lesarten aufmerksam gemacht aber erst durch die Frankfurter Ausgabe entbrannte die Diskussion um den Stellenwert der einzelnen Fassungen und die Aufmerksamkeit wurde auf die sogenannte Spatfassung der Elegie gelenkt Da aber eine Abschrift der letzten Uberarbeitung nicht erhalten ist bleibt offen wie sie aussah und wie die spateren Korrekturen zu bewerten sind Die Meinungen der Germanisten dazu gehen auseinander D E Sattler und Wolfram Groddeck konstruieren in der Frankfurter Ausgabe aus dem Text und den Korrekturen eine letzte Fassung und Groddeck ist in seiner Studie von 2012 der Meinung dass in den spaten Eingriffen ein radikaler Revisionsprozess zu erkennen ist der den Textbestand der Reinschrift nicht sosehr weiterentwickelt sondern in gewisser Weise dekomponiert Sein Interesse gilt ganz der Spatversion der Elegie dem hypothetischen Text als dem Surrogat der verschollenen Druckvorlage fur die definitive Spatversion der Elegie 10 Jochen Schmidt argumentiert dagegen dass Holderlin die spateren Anderungen in ganz anderem Stil und z T auch mit ganz anderer Konzeption eingetragen hat darin kommt er Groddecks spaterer Haltung durchaus nahe folgert daraus aber dass sie deshalb nicht mit den Partien des ursprunglichen Textes zu einer neuen Fassung verbunden werden konnten 11 In der vorliegenden Darstellung wird die zweite Reinschrift zugrunde gelegt und nach der Grossen Stuttgarter Ausgabe zitiert Komposition BearbeitenIn der zweiten Reinschrift hat die Elegie eine kompositorisch vollkommene Form erreicht Sie besteht aus neun Strophen von denen je drei eine Einheit bilden also aus drei Strophentriaden 3 3 Strophen und jede Strophe enthalt wiederum 3 3 Distichen Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin dass das Gedicht ein Distichon zu wenig hat es umfasst statt der zu erwartenden 81 nur 80 Distichen Schmidt sieht darin ein Versehen Holderlins 12 wahrend Groddeck eine tiefergehende Absicht Holderlins vermutet denn das fehlende Distichon betrifft gerade diejenige Strophe wo der Mangel der gotterfernen Gegenwart am direktesten ausgesprochen wird die siebte Der formal kompositorische Mangel kann daher durchaus auch als ein formsemantisches Indiz gelesen und gedeutet werden indem die Elegie ideal 81 Distichen enthalt real aber nur 80 13 In der idealen Komposition beruht die gesamte Text Architektur nicht nur auf der Drei sondern auch auf der Zweizahl Die Distichen bestehen aus zwei Versen zu je zweimal drei Versfussen Zugleich hat jede Strophe neben der triadischen Form auch eine halftige Struktur indem im funften Distichon bzw im Ubergang vom neunten zum zehnten Vers die Moglichkeit einer Sinnzasur oder einer Sinnzentrierung gegeben ist 14 Ausserdem befindet sich genau in der Mitte des Gedichts eine bedeutsame Aussage die ebenfalls eine entscheidende Zasur markiert 15 Thematischer Uberblick BearbeitenIn der Elegie geht es um die Abwesenheit und die Vergegenwartigung des Gottlichen in der Welt Sie ist eine Klage um den Verlust von erfulltem Leben in einer entfremdeten Welt und zugleich eine hymnische Feier dessen was den Menschen uberragt das Erhabene in der Natur in der Gemeinschaft und der Liebe letztlich ist es das Gottliche 16 Das Gedicht wird durchzogen vom Gegensatz zwischen Tag und Nacht der sich zunachst ganz real auf den Wechsel der Tageszeiten bezieht Doch dann geht die Tag Nacht Thematik ins Metaphorische uber und bezieht sich auf den geschichtsphilosophischen Gegensatz von gotterfullter und gotterloser Zeit 17 Die Nacht wird zur unerfullten geschichtlichen Gegenwart und der Tag steht einerseits fur die glanzvolle erfullte Zeit der griechischen Antike und andererseits fur eine ersehnte zukunftige Zeit der Erfullung in der Gegenwart und Vergangenheit dialektisch verbunden und in neuer Einheit aufgehoben sind Die Elegie fuhrt von der Erfahrung der gegenwartigen Nacht die aber in sich schon die Moglichkeit der Erinnerung birgt in der ersten Strophentrias Strophe 1 3 zur Vergegenwartigung des griechischen Tags in der zweiten Strophentrias Strophe 4 6 und mundet in der dritten Strophentrias erneut in der Nacht diesmal als einer Zeit der Erwartung und inneren Vorbereitung auf die ersehnte Zeit der Erfullung Mit der Tag Nacht Metaphorik und ihrem geschichtlichen Sinn verbinden sich zwei Empfindungen Trauer und Freude die zugleich auch Schlusselbegriffe des Gedichts sind 18 Diese zwei Empfindungsarten wechseln im Gedicht haufig also auch innerhalb der Strophen je nachdem um welche geschichtsphilosophische Epoche es geht und welche Haltung der Sprechende gerade einnimmt So verschrankt die Elegie also den elegischen Ton im engeren Sinn die Trauer mit der Freude uber die zugleich imaginierte und erlebte Gegenwart des Gottlichen also mit dem hymnischen Ton 19 Im Zentrum des Gedichts steht die Gestalt des Dionysos des Weingotts in der griechischen Mythologie 20 Der ursprungliche Titel lautete Der Weingott Dionysos ist auch der Gott der Nacht der dionysischen Begeisterung des inspirierten Wahnsinns der Gott der Dichter und der Freudengott Er erscheint zum ersten Mal in der 3 Strophe als der kommende Gott V 54 In der 2 Strophentrias 4 6 Strophe weitet sich der Blick auf die griechischen Gotter der Antike insgesamt die als Himmlische V 55 71 81 95 und als selige Gotter V 91 benannt werden Am Ende der 6 Strophe wird dann zum ersten Mal auf Christus angespielt spater auch in den Versen 129 130 und in der Schlussstrophe verschmilzt die Dionysos Gestalt mit der des Christus V 155 156 Dieser allumfassende Gott hinterlasst den Menschen die Gaben Brot und Wein als trostliches Zeichen V 131 21 seiner Gegenwart Die Begriffe Brot und Wein symbolisieren nicht nur die Bestandteile des Abendmahls in der christlichen Liturgie sondern auch die Gaben der Demeter und des Dionysos Christliche und antike Konnotationen werden miteinander verschrankt Kommentar zu den einzelnen Strophen Bearbeiten1 Strophe Bearbeiten 0000 Rings um ruhet die Stadt still wird die erleuchtete Gasse 000000 Und mit Fakeln geschmukt rauschen die Wagen hinweg 0000 Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen 000000 Und Gewinn und Verlust waget ein sinniges Haupt0 0 50 Wohlzufrieden zu Haus leer steht von Trauben und Blumen 000000 Und von Werken der Hand ruht der geschafftige Markt 0000 Aber das Saitenspiel tont fern aus Garten vieleicht dass000000 Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann0000 Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit und die Brunnen0 100 0 0 Immerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet 0000 Still in dammriger Luft ertonen gelautete Gloken 000000 Und der Stunden gedenk rufet ein Wachter die Zahl 0000 Jezt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf 000000 Sieh und das Schattenbild unserer Erde der Mond0 150 Kommet geheim nun auch die Schwarmerische die Nacht kommt 000000 Voll mit Sternen und wohl wenig bekummert um uns 0000 Glanzt die Erstaunende dort die Fremdlingin unter den Menschen000000 Uber Gebirgeshohn traurig und prachtig herauf Die Elegie beginnt mit dem Ausklang des Tages die Menschen kehren von den Geschaften des Tages nach Hause zuruck und kommen langsam zur Ruhe Sie bleiben allerdings gedanklich mit den Alltagsgeschaften beschaftigt 4 5 Von ferne aber tont nun Saitenspiel aus Garten 7 und damit wird die Aufmerksamkeit in einen anderen Bereich gelenkt Nun ist die Rede von einem Liebenden oder einem einsamen Mann 8 der nicht an Tagesgeschafte denkt sondern an wesentlichere Dinge Er gedenkt seiner Freunde 9 die fern sind und ihm doch nahestehen erinnert sich an seine Jugendzeit 9 und ist mit der ihn umgebenden Natur innig verbunden Dieser Mann mit seinem Saitenspiel ist eine erste Anspielung auf den Dichter der seit der Antike auch als Sanger dargestellt wird 22 Die Ferne wird durch den Gesang des Dichters in die Nahe geruckt vergegenwartigt Dialektik von Ferne und Nahe das Wort fern erscheint zweimal Schlusselworte dieser Strophe sind still 1 das auch durch die auffallende Durchbrechung des Hexameters hervorgehoben ist und ruhen 1 3 6 Beide Begriffe verweisen auf die Entfernung vom Larm des Alltags auf eine Wendung nach innen Nachdem das Abendgelaut der Glocken verklungen ist das die Stille nur vertieft 11 geht der Mond auf und mit ihm erscheint die Nacht die wie eine gottliche Gestalt dargestellt wird Sie ist die Schwarmerische die uns die Menschen in Erstaunen versetzt und wie aus einer anderen Welt kommt die Fremdlingin unter den Menschen 17 Sie ist allerdings wohl wenig bekummert um uns 16 und dennoch erscheint sie nicht nur glanzend und prachtig sondern auch traurig 18 als sei ihr das menschliche Schicksal doch nicht ganzlich gleichgultig Schon hier vollzieht sich also der Ubergang von der Nacht als einem Naturereignis zu einer mythischen Gestalt zur Sphare des Gottlichen 2 Strophe Bearbeiten 0000 Wunderbar ist die Gunst der Hocherhabnen und niemand0 200 0 0 Weiss von wannen und was einem geschiehet von ihr 0000 So bewegt sie die Welt und die hoffende Seele der Menschen 000000 Selbst kein Weiser versteht was sie bereitet denn so0000 Will es der oberste Gott der sehr dich liebet und darum000000 Ist noch lieber wie sie dir der besonnene Tag 0 250 Aber zuweilen liebt auch klares Auge den Schatten000000 Und versuchet zu Lust eh es die Noth ist den Schlaf 0000 Oder es blikt auch gern ein treuer Mann in die Nacht hin 000000 Ja es ziemet sich ihr Kranze zu weihn und Gesang 0000 Weil den Irrenden sie geheiliget ist und den Todten 0 300 0 0 Selber aber besteht ewig in freiestem Geist 0000 Aber sie muss uns auch dass in der zaudernden Weile 000000 Dass im Finstern fur uns einiges Haltbare sei 0000 Uns die Vergessenheit und das Heiligtrunkene gonnen 000000 Gonnen das stromende Wort das wie die Liebenden sei 0 350 Schlummerlos und vollern Pokal und kuhneres Leben 000000 Heilig Gedachtniss auch wachend zu bleiben bei Nacht Diese gottliche Sphare wird in der 2 Strophe weiter entfaltet Die Nacht ist nun die Hocherhabne deren Gunst wunderbar ist die die Welt und die hoffende Seele der Menschen bewegt und in der der oberste Gott erscheint der sehr dich liebet 23 Der Angeredete ist hier zunachst Heinse dem das Gedicht gewidmet ist 23 aber im weiteren Sinn ist auch der Leser gemeint und damit prinzipiell alle Menschen Die Treuen 27 haben Zugang zu dieser himmlischen Sphare sie erahnen das Gottliche und weihen der Nacht Kranze 28 Sie gibt ihnen in der gegenwartigen Epoche der geschichtsphilosophischen Nacht 24 Halt 32 und gonnt ihnen die Vergessenheit und das Heiligtrunkene 33 d h das Vergessen der Alltagsmuhen und das Eintauchen in die heilige dionysische Verzuckung 25 Vor allem gewahrt gonnt sie auch das Bewahren des Gedachtnisses 36 der Erinnerung an die vergangene Zeit der Erfullung und damit ermoglicht sie auch die Vergegenwartigung dieser erfullten Zeit 3 Strophe Bearbeiten 0000 Auch verbergen umsonst das Herz im Busen umsonst nur000000 Halten den Muth noch wir Meister und Knaben denn wer0000 Mocht es hindern und wer mocht uns die Freude verbieten 0 400 0 0 Gottliches Feuer auch treibet bei Tag und bei Nacht 0000 Aufzubrechen So komm dass wir das Offene schauen 000000 Dass ein Eigenes wir suchen so weit es auch ist 0000 Fest bleibt Eins es sei um Mittag oder es gehe000000 Bis in die Mitternacht immer bestehet ein Maas 0 450 Allen gemein doch jeglichem auch ist eignes beschieden 000000 Dahin gehet und kommt jeder wohin er es kann 0000 Drum und spotten des Spotts mag gern frohlokkender Wahnsinn 000000 Wenn er in heiliger Nacht plozlich die Sanger ergreift 0000 Drum an den Isthmos komm dorthin wo das offene Meer rauscht0 500 0 0 Am Parnass und der Schnee delphische Felsen umglanzt 0000 Dort ins Land des Olymps dort auf die Hohe Citharons 000000 Unter die Fichten dort unter die Trauben von wo0000 Thebe drunten und Ismenos rauscht im Lande des Kadmos 000000 Dorther kommt und zuruk deutet der kommende Gott In der 3 Strophe geht es weiterhin um uns die Menschen aber das Wir sind nun Meister und Knaben 38 worin schon die griechische Antike anklingt in der die Knaben von den Meistern durch den padagogischen Eros in die geistigen Geheimnisse der Welt eingeweiht wurden Die Eingeweihten die in ihrem Innern ihr Herz 37 und die Freude 39 bewahrt haben konnen nicht daran gehindert werden dieses im Inneren Verborgene nach aussen zu tragen und zu erleben Das gottliche Feuer 40 treibt sie dazu an Dieser Aufbruch steht im Mittelpunkt der 3 Strophe Wohin aber soll es gehen So komm Dass wir das Offene schauen Dass ein Eigenes wir suchen so weit es auch ist 41 42 Es geht also um eine Erweiterung des Blicks um die Erfahrung einer Offenheit die hinausfuhrt uber die Beschrankungen und Einengungen der gegenwartigen Epoche und zugleich um die Suche nach dem Eigenen dem innersten Wesen das sich verwirklichen mochte Die erste Aufforderung zum Aufbruch genugt jedoch nicht es bedarf eines dreimaligen Anlaufs Zweimal wird das Komm wiederholt eingeleitet jeweils durch ein insistierendes Drum 47 49 Erst dann wird deutlich welches Ziel die imaginare Reise 26 hat Es geht um das antike Griechenland um die Heimat des Dionysos Schon der frohlokkende Wahnsinn 47 der die Sanger ergreift 48 weist auf den Gott der orgiastischen Begeisterung hin in dessen Gefolge sich auch die gottlich inspirierten Dichter Sanger befinden Aber nun nach der dritten Anrufung wird das mythische Land in grosser Breite beschworen Der Isthmos die Landenge bei Korinth der Ubergang vom Festland zur Halbinsel Peloponnes evoziert die Isthmischen Festspiele die ahnlich wie die Olympischen Spiele alle Volker Griechenlands versammelten und steht insofern fur das Land als Ganzes Dann werden drei heilige Berge genannt Der Parnass mit Delphi verweist auf Apollon der Olymp auf die Gesamtheit der Gotter und schliesslich der Citharon Kithairon das Waldgebirge bei Theben auf Dionysos dessen Kult mit diesem Ort eng verbunden war Dorthin zogen die von Dionysos Ergriffenen um ihm zu huldigen 27 Fichten und Trauben sind Attribute des Weingottes Dorther kommt und zuruk deutet der kommende Gott 54 Dionysos wird nicht beim Namen genannt sondern als der kommende Gott bezeichnet Gemeint ist damit nicht nur dass er in Zukunft erscheinen wird sondern auch dass er seinem Wesen nach ein Kommender ist eine Anspielung auf die grossen Wanderzuge des Dionysos von Osten nach Westen von Indien und Kleinasien nach Griechenland 28 und im tieferen Sinn darauf dass er als ein Gott der Ankunft des Advents verstanden wird 29 Dionysos ist eine mythische Metapher fur eine Hoffnung die Holderlin auch in anderen Gedichten entwickelt hat Der Archipelagus Am Quell der Donau Germanien dass namlich die erfullte Zeit die Ankunft des Gottlichen bevorstehe und sich von Hellas dem Griechenland der Antike nach Hesperien dem Abendland insbesondere nach Deutschland verlagert habe Insofern kommt der Gott aus Griechenland nach Hesperien und deutet zugleich fur die heutigen Menschen Hesperiens auf das antike Griechenland zuruck 54 d h er wird zum Medium der Erinnerung an die damalige erfullte Zeit 30 4 Strophe Bearbeiten 0 550 Seeliges Griechenland du Haus der Himmlischen alle 000000 Also ist wahr was einst wir in der Jugend gehort 0000 Festlicher Saal der Boden ist Meer und Tische die Berge 000000 Wahrlich zu einzigem Brauche vor Alters gebaut 0000 Aber die Thronen wo die Tempel und wo die Gefasse 0 600 0 0 Wo mit Nectar gefullt Gottern zu Lust der Gesang 0000 Wo wo leuchten sie denn die fernhintreffenden Spruche 000000 Delphi schlummert und wo tonet das grosse Geschik 0000 Wo ist das schnelle wo brichts allgegenwartigen Gluks voll 000000 Donnernd aus heiterer Luft uber die Augen herein 0 650 Vater Aether so riefs und flog von Zunge zu Zunge000000 Tausendfach es ertrug keiner das Leben allein 0000 Ausgetheilet erfreut solch Gut und getauschet mit Fremden 000000 Wirds ein Jubel es wachst schlafend des Wortes Gewalt0000 Vater heiter und hallt so weit es gehet das uralt0 700 0 0 Zeichen von Eltern geerbt treffend und schaffend hinab 0000 Denn so kehren die Himmlischen ein tiefschutternd gelangt so000000 Aus den Schatten herab unter die Menschen ihr Tag Mit der 4 Strophe beginnt die 2 Strophentrias der Mittelteil der Elegie in dem die erfullte Zeit entfaltet wird Zunachst wird ungebrochen und voller Begeisterung das seelige Griechenland der Antike beschworen und als gegenwartig gefeiert 55 58 als sei es Wirklichkeit geworden Die ideale Landschaft das Haus der Himmlischen alle 55 stellt einen Naturraum dar der offen ist fur die Kultur und sich mit ihr zu einer harmonischen Einheit verbindet Festlicher Saal der Boden ist Meer und Tische die Berge 57 Aber schon nach wenigen Versen setzt der Zweifel ein die Gegenwartigkeit des sehnsuchtig Erwarteten wird wieder in Frage gestellt Beginnend mit einem aber wird in sich steigernder Folge mit achtmaligem wo nach den Zeichen der gottlichen Zeit gefragt nach den Thronen den Tempeln den mit Nektar gefullten Gefassen usw 59 64 Aber die Erwartung des Lesers die Klage daruber dass sie nicht mehr da sind die schon in den Fragen enthalten ist werde nun deutlicher ausgedruckt erfullt sich nicht Zwar wechselt das Tempus zunachst vom Prasens ins Prateritum 65 66 aber dann findet es wieder zuruck ins Prasens Der Sprechende vertieft sich so sehr in die Erinnerung an den tausendfachen Jubel dass er den Zweifel hinter sich lassen kann und die vergangene Zeit ihm erneut zur Gegenwart wird Er stimmt in den Jubel mit ein er ruft gemeinsam mit den anderen den damaligen Menschen den Vater Aether an 65 69 Mit dem heiteren 69 Aether der allumfassenden gotterfullten Luft dem gottlichen Atem der alle Wesen der Welt verbindet konnen pantheistische Vorstellungen verbunden werden Der naturphilosophische Begriff des Aethers auch des Vater Aether geht auf antike Tradition zuruck 31 zugleich verweist er auch auf die biblische Vorstellung von Gott als dem Vater sowie auf den heiligen Geist der alle Menschen verbindet Wie wichtig dieser Begriff fur Holderlin war zeigt sich auch daran dass er in mehreren Hymnen eine zentrale Rolle spielt An den Aether Der Archipelagus Man kann den Vater Aether auch als einen Ausgleich zur dionysischen Uberwaltigung verstehen 32 Denn der unstete und plotzlich erscheinende Dionysos kann zerstorerisch sein er treibt mit verzehrendem Feuer 40 er bricht donnernd aus heiterer Luft herein 64 und deshalb bedarf es eines Gegengewichts das Dauer und Halt gewahrt und Zusammengehorigkeit begrundet und festigt Holderlins Freund Heinse hatte den Aether als eigentliche Kraftquelle der griechischen Religiositat geruhmt 33 vielleicht hat Holderlin ihm deshalb seine Elegie gewidmet 5 Strophe Bearbeiten 0000 Unempfunden kommen sie erst es streben entgegen000000 Ihnen die Kinder zu hell kommet zu blendend das Gluk 0 750 Und es scheut sie der Mensch kaum weiss zu sagen ein Halbgott 000000 Wer mit Nahmen sie sind die mit den Gaaben ihm nahn 0000 Aber der Muth von ihnen ist gross es fullen das Herz ihm000000 Ihre Freuden und kaum weiss er zu brauchen das Gut 0000 Schafft verschwendet und fast ward ihm Unheiliges heilig 0 800 0 0 Das er mit seegnender Hand thorig und gutig beruhrt 0000 Moglichst dulden die Himmlischen diss dann aber in Wahrheit000000 Kommen sie selbst und gewohnt werden die Menschen des Gluks0000 Und des Tags und zu schaun die Offenbaren das Antliz000000 Derer welche schon langst Eines und Alles genannt 0 850 Tief die verschwiegene Brust mit freier Genuge gefullet 000000 Und zuerst und allein alles Verlangen beglukt 0000 So ist der Mensch wenn da ist das Gut und es sorget mit Gaaben000000 Selber ein Gott fur ihn kennet und sieht er es nicht 0000 Tragen muss er zuvor nun aber nennt er sein Liebstes 0 900 0 0 Nun nun mussen dafur Worte wie Blumen entstehn In der 5 Strophe wird nun genauer beschrieben wie das Kommen der Himmlischen auf die Menschen wirkt Zunachst kommen sie unempfunden 73 d h die Menschen nehmen sie uberhaupt nicht wahr Nur die Kinder streben ihnen entgegen 73 74 sie allein sind noch so unverbildet und empfindungsfahig dass sie die Anwesenheit des Gottlichen spuren und freudig annehmen konnen Doch dann in einer nachsten Stufe nimmt der Mensch die Gegenwart der Himmlischen zwar wahr aber er scheut sie da ihm das Gluck zu hell zu blendend erscheint 74 75 Hier spricht Holderlin zum ersten Mal ein Motiv an das er dann in der 7 Strophe wieder aufgreift 113 114 den Gedanken dass die Erfahrung des Gottlichen fur den Menschen schwer zu ertragen ja unertraglich ist Aber da die Himmlischen ihm Muth geben 77 im Sinn von Lebensmut Kraft griechisch ϑymos thymos kann er doch ihre Freuden 78 und ihre Gaaben 76 annehmen Allerdings kann er nicht angemessen mit ihnen umgehen er weiss sie nicht zu brauchen und verschwendet sie 78 79 Doch die Himmlischen dulden dies 81 Und hier genau in der Mitte des gesamten Elegie erscheinen sie nun in Wahrheit offenkundig sie werden offenbar und sichtbar die Menschen schauen ihr Antliz 83 D h sie werden nun erst in ihrem Wesen wahrgenommen das vorher verhullt war Der Begriff der Wahrheit wird hier im Sinn des griechischen Wortes fur Wahrheit verwendet ἀlhϑeia aletheia Unverborgenheit Offenbarsein Doch die Himmlischen waren den Eingeweihten schon immer bekannt sie wurden Eines und Alles genannt 84 also mit der zentralen pantheistischen Formel die auf Heraklit und die Neuplatoniker zuruckgeht ἓn kaὶ pᾶn hen kai pan 34 Aber die Unfahigkeit der Menschen mit dem Gluck umzugehen bleibt bestehen So ist der Mensch wenn da ist das Gut und es sorget mit Gaaben Selber ein Gott fur ihn kennet und sieht er es nicht 87 88 Selbst hier im Mittelteil des Gedichts in dem die Gegenwart des Gottlichen gefeiert wird verweist Holderlin immer wieder darauf dass die Menschen nur bedingt bereit und fahig sind diese Gegenwart in ihrem Leben zu erfahren Die Anwesenheit der Himmlischen schlagt dialektisch immer wieder in Abwesenheit um das eine geschieht nicht ohne das andere Diese beiden Verse verweisen zugleich auf den Beginn des Johannesevangeliums in dem es ebenfalls darum geht dass Gott in Christus in die Welt kam die Welt ihn aber nicht erkannte und nicht annahm Das war das wahre Licht das alle Menschen erleuchtet Es war in der Welt und die Welt ist durch dasselbe gemacht und die Welt erkannte es nicht Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf Joh 1 9 11 6 Strophe Bearbeiten 0000 Und nun denkt er zu ehren in Ernst die seeligen Gotter 000000 Wirklich und wahrhaft muss alles verkunden ihr Lob 0000 Nichts darf schauen das Licht was nicht den Hohen gefallet 000000 Vor den Aether gebuhrt mussigversuchendes nicht 0 950 Drum in der Gegenwart der Himmlischen wurdig zu stehen 000000 Richten in herrlichen Ordnungen Volker sich auf0000 Untereinander und baun die schonen Tempel und Stadte000000 Vest und edel sie gehn uber Gestaden empor 0000 Aber wo sind sie wo bluhn die Bekannten die Kronen des Festes 1000 0 Thebe welkt und Athen rauschen die Waffen nicht mehr0000 In Olympia nicht die goldnen Wagen des Kampfspiels 000000 Und bekranzen sich denn nimmer die Schiffe Korinths 0000 Warum schweigen auch sie die alten heilgen Theater 000000 Warum freuet sich denn nicht der geweihete Tanz 1050 Warum zeichnet wie sonst die Stirne des Mannes ein Gott nicht 000000 Drukt den Stempel wie sonst nicht dem Getroffenen auf 0000 Oder er kam auch selbst und nahm des Menschen Gestalt an000000 Und vollendet und schloss trostend das himmlische Fest Im ersten Teil der 6 Strophe wird die Gegenwart des Gottlichen in der Welt noch einmal gefeiert und zunachst entsteht der Eindruck es gehe auch um die geschichtliche Gegenwart aber im Laufe der Verse wird deutlich dass es nur um die Antike geht um den Hohepunkt der griechischen Kultur mit dem Bau der Tempel und der edlen Stadte Theben Athen und Olympia Aber schon in der Mitte der Strophe schlagt der hymnische Ton die Gewissheit der gottlichen Anwesenheit wieder um in die elegische Klage um die Abwesenheit den Verlust Und wieder stellt Holderlin diese Trauer wie schon in der 4 Strophe durch die insistierende Wiederholung von Fragen dar die eigentlich eher klagende und fast anklagende Ausrufe sind Warum nicht 103 105 Dennoch schliesst auch diese Strophe nicht mit der Klage sondern mit einer uberraschenden Wendung Safranski 211 die unvermittelt einen ganz anderen Gedankenraum eroffnet namlich den christlichen Oder er kam auch selbst und nahm des Menschen Gestalt an Und vollendet und schloss trostend das himmlische Fest 107 108 Hier wird zum ersten Mal deutlich auf die Menschwerdung Gottes in Christus angespielt und auf seinen trostenden Abschied womit die Trostreden vor seinem Tod und vor allem die Verheissung des Trosters des Heiligen Geistes gemeint sind Joh 14 16 35 Auffallend ist dass Christus hier nicht als Beginn einer neuen Zeit verstanden wird sondern als Abschluss der alten Zeit als die letzte Erscheinung der gotterfullten Zeit Das himmlische Fest 108 der glanzende Tag der antiken Ara findet mit Christus sein Ende 36 7 Strophe Bearbeiten 0000 Aber Freund wir kommen zu spat Zwar leben die Gotter 1100 0 Aber uber dem Haupt droben in anderer Welt 0000 Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten 000000 Ob wir leben so sehr schonen die Himmlischen uns 0000 Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefass sie zu fassen 000000 Nur zu Zeiten ertragt gottliche Fulle der Mensch 1150 Traum von ihnen ist drauf das Leben Aber das Irrsaal000000 Hilft wie Schlummer und stark machet die Noth und die Nacht 0000 Biss dass Helden genug in der ehernen Wiege gewachsen 000000 Herzen an Kraft wie sonst ahnlich den Himmlischen sind 0000 Donnernd kommen sie drauf Indessen dunket mir ofters 1200 0 Besser zu schlafen wie so ohne Genossen zu seyn 0000 So zu harren und was zu thun indess und zu sagen 000000 Weiss ich nicht und wozu Dichter in durftiger Zeit 0000 Aber sie sind sagst du wie des Weingotts heilige Priester 000000 Welche von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht Mit der 7 Strophe beginnt der 3 Teil der Elegie in der die Trauer um die verlorene erfullte Zeit zum Ausdruck gebracht wird in der es aber auch um die bewahrende Erinnerung an den Gottertag geht Zunachst klagt der Sprechende uber den Verlust Aber Freund Wir kommen zu spat 109 Aber in die Klage mischt sich ein anklagender trotziger ja rebellischer Ton Zwar leben die Gotter Aber in einer anderen Welt Sie scheinens wenig zu achten Ob wir leben 109 112 Doch diese Anklage der Gotter wegen ihrer gleichgultigen Abwesenheit wird sogleich zuruckgenommen indem er erklart dass ihre Entfernung aus Rucksicht auf die Schwache der Menschen geschehe so sehr schonen die Himmlischen uns Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefass sie zu fassen Nur zu Zeiten ertragt gottliche Fulle der Mensch 114 Und er schliesst die Hoffnung an dass in dieser gegenwartigen Gotternacht vielleicht Helden 117 heranwachsen deren Herzen durch die Noth so stark werden 116 dass sie die Anwesenheit der Gotter ertragen konnen Aber der Sprechende der Dichter der sich als Bewahrer der lebendigen Erinnerung versteht lebt in dem Zweifel ob seine Bemuhung uberhaupt einen Sinn hat Er fuhlt sich einsam ihm fehlen die Gleichgesinnten ohne Genossen 120 und er sieht sich sozusagen als Rufer in der Wuste als vergeblichen Mahner und was zu thun indess und zu sagen Weiss ich nicht und wozu Dichter in durftiger Zeit 121 122 Aber auch diese Strophe schliesst mit einer trostlichen Wendung Das Du der angesprochene Freund Heinse gibt ihm Hoffnung indem er ihn den Dichter mit den Priestern des Weingotts Dionysos vergleicht die in heiliger Nacht umherzogen die Gegenwart des Gottes priesen und so die Erinnerung an ihn wachhielten 8 Strophe Bearbeiten 1250 Nemlich als vor einiger Zeit uns dunket sie lange 000000 Aufwarts stiegen sie all welche das Leben beglukt 0000 Als der Vater gewandt sein Angesicht von den Menschen 000000 Und das Trauern mit Recht uber der Erde begann 0000 Als erschienen zu lezt ein stiller Genius himmlisch 1300 0 Trostend welcher des Tags Ende verkundet und schwand 0000 Liess zum Zeichen dass einst er da gewesen und wieder000000 Kame der himmlische Chor einige Gaaben zuruck 0000 Derer menschlich wie sonst wir uns zu freuen vermochten 000000 Denn zur Freude mit Geist wurde das Grossre zu gross 1350 Unter den Menschen und noch noch fehlen die Starken zu hochsten000000 Freuden aber es lebt stille noch einiger Dank 0000 Brot ist der Erde Frucht doch ists vom Lichte geseegnet 000000 Und vom donnernden Gott kommet die Freude des Weins 0000 Darum denken wir auch dabei der Himmlischen die sonst 1400 0 Da gewesen und die kehren in richtiger Zeit 0000 Darum singen sie auch mit Ernst die Sanger den Weingott000000 Und nicht eitel erdacht tonet dem Alten das Lob Die 8 Strophe nimmt zunachst das Thema der Trauer uber die Abwesenheit Gottes noch einmal auf und spricht dann vom Erscheinen eines stillen Genius 129 am Ende des Gottertags mit dem etwas deutlicher als am Schluss der 6 Strophe auf Christus angespielt wird Dieser Genius hinterliess zum Zeichen dass einst er da gewesen und wieder Kame einige Gaaben 131 132 Bevor diese genannt werden insistiert Holderlin vier Verse lang darauf dass sie dazu da sind den Menschen die Freude zu bringen Dreimal kommt dieses Wort in Variationen vor freuen 133 Freude 134 Freuden 136 und wird auch in V 138 noch einmal aufgegriffen Freude gehort einerseits zu Dionysos dem Freudengott andererseits bei Holderlin aber auch in besonderer Weise zu Christus Gerade der Ausdruck Freude mit Geist 134 verweist auf die fur Holderlin wichtigsten biblischen Schriften das Johannesevangelium und die Paulusbriefe 37 Erst dann werden die Gaaben schliesslich genannt es sind Brot und Wein 137 138 Erst hier wird also im Gedicht angesprochen worauf der Titel schon vorausweist Und hier wird nochmals deutlich was schon im Freudenmotiv anklingt dass der Gott von dem die Gaben stammen in erster Linie sozusagen auf der Textoberflache der Weingott Dionysos ist hier in Verbindung mit Demeter der Gottin der Fruchte der Erde und besonders des Getreides des Brots Aber so wie schon der Zusatz Freude mit Geist auf die biblischen Schriften verweist so auch hier die weitere Bestimmung die der Erde das Licht hinzufugt Brod ist der Erde Frucht doch ists vom Lichte geseegnet 137 Die Gaben die der Gott den Menschen bringt erfullen ihn mit Freude und erinnern ihn an die entschwundenen Gotter Darum denken wir auch dabei der Himmlischen 139 Und deshalb ist auch die Aufgabe der Dichter ihr Lob zu singen nicht eitel erdacht sondern mit Ernst 141 142 indem sie existentiell ernst nehmen was sie schreiben 9 Strophe Bearbeiten 0000 Ja sie sagen mit Recht er sohne den Tag mit der Nacht aus 000000 Fuhre des Himmels Gestirn ewig hinunter hinauf 1450 Allzeit froh wie das Laub der immergrunenden Fichte 000000 Das er liebt und der Kranz den er von Epheu gewahlt 0000 Weil er bleibet und selbst die Spur der entflohenen Gotter000000 Gotterlosen hinab unter das Finstere bringt 0000 Was der Alten Gesang von Kindern Gottes geweissagt 1500 0 Siehe wir sind es wir Frucht von Hesperien ists 0000 Wunderbar und genau ists als an Menschen erfullet 000000 Glaube wer es gepruft aber so vieles geschieht 0000 Keines wirket denn wir sind herzlos Schatten bis unser000000 Vater Aether erkannt jeden und allen gehort 1550 Aber indessen kommt als Fakelschwinger des Hochsten000000 Sohn der Syrier unter die Schatten herab 0000 Seelige Weise sehns ein Lacheln aus der gefangnen000000 Seele leuchtet dem Licht thauet ihr Auge noch auf 0000 Sanfter traumet und schlaft in Armen der Erde der Titan 1600 0 Selbst der neidische selbst Cerberus trinket und schlaft In der 9 Strophe erscheint Dionysos als der Weltenlenker 144 als das bewegende Prinzip des Kosmos und als die Kraft die alle Gegensatze ausgleicht und miteinander versohnt 143 Und er ist derjenige der die Spur der entflohenen Gotter Gotterlosen hinab unter das Finstere bringt 147 148 der also die Verbindung zwischen Gottern und Menschen aufrechterhalt Im Folgenden ist nun davon die Rede dass der Alten Gesang von Kindern Gottes geweissagt habe 149 Wahrend die Wendung der Alten Gesang eher an die griechische Antike denken lasst verweist die Formulierung von den Kindern Gottes auf den biblischen Kontext 38 So leitet dieser Satz die Vereinigung von antiker und christlicher Religion in der letzten Strophe ein die in der Elegie zuvor schon angedeutet wurde 6 und 8 Strophe 39 Die Weissagung dass die Menschen zu Kindern Gottes wurden hatte ja zuerst das Heil im Orient verkundet 40 hier wird sie aber nun auf das Abendland bezogen Siehe wir sind es wir Frucht von Hesperien ists 150 Diese Weissagung wird sich wunderbar und sehr bald erfullen 41 jedenfalls fur diejenigen die es nach reiflicher Prufung glauben Glaube wer es gepruft 152 Doch kaum ist diese hoffnungsvolle Erwartung ausgesprochen folgt wieder die Klage uber die Gottesferne der Gegenwart wie so oft durch ein aber eingeleitet aber so vieles geschieht Keines wirket denn wir sind herzlos Schatten 152 153 Die Menschen lassen das was geschieht dass namlich die Gotter sich ihnen nahen nicht wirken sie sehen und erkennen es nicht 42 Aber es bleibt nicht bei der Klage die Wendung zum Zweifel wird aufgefangen in einem erneuten hoffnungsvollen Aufschwung bis unser Vater Aether erkannt jeden und allen gehort 153 154 Es besteht also trotz allem die Zuversicht dass alle Menschen sei es nun bald oder dereinst in Gott aufgehoben sein werden Und diese Zuversicht wird bis zum Ende der Elegie aufrechterhalten Noch einmal wird die Ankunft des Gottes unter den Menschen beschworen Aber indessen kommt als Fakelschwinger des Hochsten Sohn der Syrier unter die Schatten herab 155 156 und diesmal ist dieser Gottessohn ganz deutlich eine Verschmelzung von Dionysos und Christus Alle drei Bezeichnungen der Fakelschwinger des Hochsten Sohn der Syrier verweisen auf beide Kulturspharen auf die antike und die christliche auf Dionysos ebenso wie auf Christus 43 In sehr poetischen Bildern die zugleich einen weiten kulturgeschichtlichen Raum eroffnen klingt das Gedicht aus Seelige Weise sehens ein Lacheln aus der gefangnen Seele leuchtet dem Licht thauet ihr Auge noch auf 157 158 Das Auge meint hier geistiges Sehen es ist das Auge der Seele des Herzens Die Seele ist zwar gefangen in der irdischen Welt aber das von oben kommende gottliche Licht lost sie aus ihrer Gefangenschaft aus ihrer Erstarrung das Auge thaut ihr auf und ermoglicht ihr den ankommenden Gott zu erkennen und ihm entgegenzulacheln 44 Der folgende Vers Sanfter traumet und schlaft in Armen der Erde der Titan 159 verweist auf die mythische Figur des Titanen Typhon eine den Gottern und Menschen feindliche und zerstorerische Macht die durch die Ankunft des Gottes besanftigt und beruhigt wird 45 Auch im letzten Vers Selbst der neidische selbst Cerberus trinket und schlaft 160 geht es um die Uberwindung einer feindlichen Macht Der Hollenhund Cerberus der den Eingang zum Totenreich bewacht evoziert den Mythos dass ein Gott in die Unterwelt hinabsteigt und auch die Toten erlost Nach der Sage steigt Dionysos in den Hades schlafert Cerberus mit Wein ein deshalb trinket Cerberus und befreit seine Mutter Semele Ebenso steigt auch Christus hinab in das Reich des Todes vgl die Stelle im Glaubensbekenntnis 46 So schliesst das Gedicht mit dem Bild einer allumfassenden Versohnung und Harmonie Die Haltung des Neides die fur Holderlin ein Kennzeichen der zerrissenen Gegenwart ist wird uberwunden und die Menschen offnen sich der gottlichen Schonheit der Welt Die beiden letzten Verse der Elegie entwerfen jedoch nicht nur eine utopische Zukunftsvision sondern sie spielen auch auf die aktuelle politische Situation der Entstehungszeit an 47 Nach der Schlacht von Marengo im Juni 1800 war es zu einem Friedensangebot Napoleons gekommen doch Osterreich nahm es zunachst nicht an Es gab Friedensverhandlungen Waffenstillstande und eine weitere Schlacht bis schliesslich im Februar 1801 der Friede in Luneville endgultig unterzeichnet wurde Holderlin geht in seinen Briefen immer wieder auf das Werden des Friedens ein und er setzte enorm hohe Hoffnungen in diesen Frieden wie ein Brief an seinen Bruder zeigt Nimm zum Abschiede die stille aber unaussprechliche Freude meines Herzens Du fragst mich welche Diese teure Seele dass unsere Zeit nahe ist dass uns der Friede der jetzt im Werden ist gerade das bringen wird was er und nur er bringen konnte Nicht dass irgend eine Form irgend eine Meinung und Behauptung siegen wird dies dunkt mir nicht die wesentlichste seiner Gaben Aber dass der Egoismus in allen seinen Gestalten sich beugen wird unter die heilige Herrschaft der Liebe und der Gute dass Gemeingeist uber alles in allem gehen wird dies mein ich dies seh und glaub ich 48 Der traumende Titan und der schlafende Cerberus konnen also auch als mythologische Zeichen auf die Waffenruhe vor dem Friedensschluss hinweisen wenn auch wie der Kontext in der Elegie und der Brief zeigt in einem weit uber das konkret Politische hinausdeutenden Sinn 49 Holderlins spatere Uberarbeitungen BearbeitenHolderlin hat spater die Elegie mehrmals uberarbeitet indem er neue Fassungen uber die ursprunglichen Verse schrieb So entstanden an verschiedenen Stellen Varianten von denen einige auch in sich geschlossene Partien bilden In den ersten beiden Strophen veranderte Holderlin nichts ausser einem allerdings bedeutungsvollen Wort in der ersten Strophe Ebenbild statt Schattenbild V 19 in der dritten Strophe nur wenig in den folgenden Strophen dagegen viel so dass ein ganz neuer Text entsteht Diese Varianten und Fassungen konnen in der Frankfurter Ausgabe im Einzelnen nachvollzogen werden die sie in Faksimiles und deren Umschriften bietet Groddeck deutet sie in seiner Darstellung von 2012 sehr ausfuhrlich und detailgenau Hier kann nur auf eine exemplarische Stelle in der letzten Strophe eingegangen werden die das Befremdliche und Ratselhafte der Korrekturen deutlich macht zu der aber auch verschiedene Deutungsversuche unternommen wurden Sie beginnt im Vers 152 nach Glaube wer es gepruft 00000000000000000000 Namlich zu Haus ist der Geist0000 Nicht im Anfang nicht an der Quell Ihn zehret die Heimat000000 Kolonie liebt und tapfer Vergessen der Geist 0000 Unsere Blumen erfreun und die Schatten unserer Walder000000 Den Verschmachteten Fast war der Beseeler verbrannt Schmidt deutet die Stelle indem er sie auf den Dionysos Mythos bezieht Der Gott der dem Wesen nach ein Wandernder ist vgl den Kommentar zum Ende der dritten Strophe liebt Kolonie d h er ist derjenige Gott der nicht an einem Ort bleibt sondern immer neue Pflanzstatten aufsucht 50 Und dass er schon von Osten her nach Griechenland gekommen ist deutet darauf hin dass die neue Kolonie zu der er weiterwandert noch weiter westlich liegt also eine hesperische Kolonie ist Zu diesem Weiterziehen in neue Pflanzstatten Kolonien gehort dass er die alten verlasst deshalb ist von tapfer Vergessen die Rede 51 Auch die beiden folgenden Verse 155 156 beziehen sich auf Dionysos Der Beseeler Dionysos verbrannte fast bei seiner Geburt da Zeus ihn zeugte indem er als Blitz auf Semele Dionysos Mutter herabfuhr die dabei den Tod fand Der Sage nach wurde er dann von Nymphen in Waldern und unter Blumen aufgezogen Vor diesem Hintergrund wird auch der erste Satz verstandlich Der Geist Gott ist nicht in seinem Herkunftsbereich dem Orient zu Hause sondern weiter im Westen in den neuen Pflanzstatten Der Mythos von den Wanderungen des Dionysos wird so zum Gleichnis des Kulturstroms der sich nach Holderlins wie zahlreicher Zeitgenossen Vorstellung von Osten nach Westen von Indien uber Kleinasien Griechenland und Italien nach Deutschland bewegt 52 Literatur BearbeitenNorbert von Hellingrath Hrg Holderlin Samtliche Werke Vierter Band Berlin 1916 Hellingrath Friedrich Holderlin Samtliche Werke Grosse Stuttgarter Ausgabe Herausgegeben von Friedrich Beissner und Adolf Beck Kohlhammer Stuttgart 1946 bis 1985 StA Friedrich Holderlin Samtliche Werke Historisch kritische Ausgabe in 20 Banden und 3 Supplementen Herausgegeben von Dietrich Sattler Frankfurter Ausgabe Stroemfeld Roter Stern Frankfurt am Main und Basel 1975 2008 FHA Jochen Schmidt Hrg Friedrich Holderlin Samtliche Gedichte Text und Kommentar Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt 1992 Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch Frankfurt 2005 zitiert als Schmidt nach der Taschenbuchausgabe Johann Kreuzer Hrg Holderlin Handbuch Leben Werk Wirkung Metzler Stuttgart und Weimar 2002 Handbuch Das Kapitel uber die Elegien stammt von Wolfram Groddeck Jochen Schmidt Holderlins Elegie Brod und Wein Die Entwicklung des hymnischen Stils in der elegischen Dichtung De Gruyter Berlin 1968 Schmidt 1968 Wolfram Groddeck Holderlins Elegie Brod und Wein oder Die Nacht Stroemfeld Frankfurt Basel 2012 Groddeck 2012 Uwe Beyer Friedrich Holderlin 10 Gedichte Erlauterungen und Dokumente Reclam Stuttgart 2008 Rudiger Safranski Holderlin Komm ins Offene Freund Hanser Munchen 2019 S 205 218 Safranski Manfred Frank Der kommende Gott Vorlesungen uber die Neue Mythologie Suhrkamp Frankfurt a M 1982 1 und 9 11 Vorlesung Martin Thurner Gnadenhafte Verborgenheit Meister Eckharts psychologische und Friedrich Holderlins geschichtsphilosophische Begrundung des Gottesentzugs In Munchener Theologische Zeitschrift Band 72 Nr 3 2021 S 215 242 Weblinks BearbeitenBrod und Wein auf www zeno org abgerufen am 16 August 2018 Holderlins Reinschrift des Gedichts mit spaten Uberarbeitungen auf Friedrich Holderlin Homburger Folioheft Diachrone Darstellung Website der A und A Kulturstiftung Koln und der Wurttembergischen Landesbibliothek Stuttgart abgerufen am 14 Marz 2021 Ulrich Knoop Dionysos und Christus Uberlegungen zu den Versen 155 und 156 von Holderlins Elegie Brod und Wein Einzelnachweise Bearbeiten Handbuch S 327 Hellingrath Bd 4 S 317 f So folgert Schmidt aus der historisch aktuellen Anspielung in den beiden Schlussversen vgl Schmidt S 722 Vgl Handbuch S 328 Handbuch S 327 Zitiert in StA 7 2 407 Zitiert in StA 7 2 434 Vgl Handbuch S 327 auch zum Folgenden Vgl StA Groddeck S 32 Schmidt S 723 Er bezieht sich dabei auf eine Markierung Holderlins vgl Schmidt S 723 Handbuch S 328 329 Handbuch S 329 Genaueres dazu im Kommentar zur 5 Strophe Safranski S 205 Schmidt S 723 724 Schmidt S 724 Vgl Schmidt 1968 Vgl zum Folgenden Schmidt S 724 Im Folgenden wird auf die Verse des Gedichts durch blosse Zahlen in runden Klammern verwiesen Vgl 7 Strophe Dichter in durftiger Zeit V 122 Schmidt S 726 Vgl zu in der zaudernden Weile Schmidt S 726 Vgl Schmidt S 726 und 721 Schmidt S 730 Schmidt S 730 Schmidt S 731 Safranski S 210 Schmidt S 732 Vgl Schmidt S 733 Vgl zum Folgenden Safranski S 210 Safranski S 210 Schmidt S 734 Vgl Schmidt S 736 Safranski S 211 Schmidt schreibt dazu Erst spater sieht er Holderlin Christus als Figur des Ubergangs in eine andere neue Epoche eigenen Rechts in eine Epoche des Geistes und der immer weiter fortschreitenden Vergeistigung nach der antiken Epoche der plastischen Gestalthaftigkeit Schmidt S 737 Schmidt S 739 Schmidt S 741 Schmidt spricht von systematischem Synkretismus S 741 Schmidt S 742 So jedenfalls deutet Schmidt den Vers 151 S 742 Vgl dazu Vers 88 Schmidt S 742 743 dort viele Belege Schmidt entfaltet den weiten kulturhistorischen Horizont dieser Bilder der von Platon uber die Bibel und die fruhchristliche Literatur bis in die Dichtung der Neuzeit reicht vgl 744 Vgl Schmidt S 744 Die Vorstellung geht auf Pindars 1 Pythische Ode zuruck Schmidt S 745 Zum Folgenden Schmidt S 745 Brief aus Nurtingen wohl vom Neujahrstag 1801 zitiert bei Schmidt S 746 Vgl hierzu auch die Hymne Friedensfeier die ebenfalls auf den Frieden von Luneville zuruckgeht sowie V 79f der Elegie Heimkunft Schmidt S 746 Schmidt S 747 Schmidt S 748 Schmidt S 749 Normdaten Werk GND 4455685 8 lobid OGND AKS Werke von Friedrich Holderlin RomanHyperion oder Der Eremit in GriechenlandDramaDer Tod des EmpedoklesLyrikAbbitte Abendphantasie Andenken An die Madonna An die Parzen An Zimmern Brod und Wein Der Abschied Der Archipelagus Der Gang aufs Land An Landauer Der Nekar Der Rhein Der Tod furs Vaterland Der Wanderer Der Winkel von Hahrdt Des Morgens Die Eichbaume Die Heimath Die Kurze Halfte des Lebens Heidelberg Heimath Hyperions Schicksalslied Ihr sichergebaueten Alpen Lebensalter Lebenslauf Meiner verehrungswurdigen Grosmutter zu ihrem 72sten Geburtstag Menons Klagen um Diotima Patmos Rukkehr in die Heimath Sokrates und Alcibiades Wie Meereskusten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brod und Wein amp oldid 227609994