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Der Trost der Philosophie lateinisch Consolatio philosophiae auch De consolatione philosophiae Uber den Trost der Philosophie ist das Hauptwerk des spatantiken romischen Philosophen Boethius Es umfasst funf Bucher und gilt als letztes bedeutendes philosophisches Werk der Antike Boethius verfasste die Consolatio um die Mitte der zwanziger Jahre des 6 Jahrhunderts nachdem er auf Geheiss des Ostgotenkonigs Theoderich verhaftet worden war weil er hochverraterischer Beziehungen zum ostromischen Kaiser verdachtigt wurde Boethius in Gefangenschaft Handschrift Glasgow University Library Hunter 374 aus dem Jahr 1385Das Werk ist als Dialog zwischen dem Autor und der personifizierten Philosophie die ihn trostet und belehrt konzipiert Als Anhanger des Neuplatonismus schopft Boethius sein Gedankengut vor allem aus den Werken Platons des Aristoteles und der Neuplatoniker Oft nimmt er zustimmend auf Lehren Platons Bezug Daneben ist auch der Einfluss stoischer Vorstellungen erkennbar Im Mittelalter war die Consolatio philosophiae ausserordentlich verbreitet Sie zahlte zur Schullekture und war einer der meistkommentierten Texte des Mittelalters Zahlreiche Ubersetzungen in einer Reihe von Sprachen wurden angefertigt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Zeit und Umstande der Abfassung 2 Sprache und literarische Form 3 Inhalt 3 1 Erstes Buch 3 2 Zweites Buch 3 3 Drittes Buch 3 4 Viertes Buch 3 5 Funftes Buch 4 Rezeption 5 Ausgaben und Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenZeit und Umstande der Abfassung BearbeitenZur Zeit des Boethius dessen Geburt wohl in die fruhen achtziger Jahre des 5 Jahrhunderts fallt wurde Italien von den Ostgoten beherrscht Im Jahr 476 hatte Odowakar ein germanischer Offizier in westromischem Dienst den Untergang des westromischen Kaisertums herbeigefuhrt und den Konigstitel angenommen 488 brachen die Ostgoten unter ihrem Konig Theoderich nach Italien auf sie beseitigten Odowakar und etablierten ihre eigene Herrschaft Dabei handelte Theoderich im Auftrag des ostromischen Kaisers das Ostromische Reich erkannte ihn formell als Herrscher Italiens an Traditionsreiche Institutionen des romischen Staates bestanden auch nach dem Ende des westlichen Kaisertums fort es gab weiterhin Konsuln und einen Senat in Rom wahrend Theoderich in Ravenna residierte Die ostgotische Verwaltung setzte die romische bruchlos fort Romer oder Italiker wie die romanische Bevolkerung Italiens nach dem Ende des Westromischen Reichs auch genannt wird traten in den Dienst des ostgotischen Konigs und konnten zu Spitzenamtern aufsteigen Zu ihnen gehorte Boethius der aus einer angesehenen Senatorenfamilie stammte und sich als Gelehrter profiliert hatte Nachdem er 510 mit Theoderichs Einverstandnis als Konsul amtiert hatte stellte ihn der Konig 522 an die Spitze der Reichsverwaltung indem er ihn zum Magister officiorum ernannte Damit erreichte Boethius den Gipfel seiner politischen Karriere Schon nach kurzer Amtszeit geriet Boethius in den Verdacht einer konspirativen gegen die Herrschaft der Ostgoten gerichteten Verbindung mit dem ostromischen Kaiser Seine Gegner die ihn des Hochverrats beschuldigten waren Italiker die Theoderich treu ergeben waren Der Verdacht war unbegrundet fand aber beim Konig Glauben Boethius Fehleinschatzung der Lage und sein ungeschicktes Auftreten trugen wesentlich dazu bei dass er seines Amtes enthoben festgenommen und unter Anklage gestellt wurde Der Senat weigerte sich fur ihn einzutreten Theoderich ubergab den Fall einem Senatsgericht das den vom Konig gewunschten Schuldspruch fallte Boethius der keine Gelegenheit zur Verteidigung vor dem Gericht erhielt wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet Aus der Consolatio geht hervor dass sie im Zeitraum zwischen der Verhaftung und der Hinrichtung entstanden ist Die Bestimmung ihrer Abfassungszeit hangt somit von der umstrittenen Chronologie der dramatischen Ereignisse ab die zum Sturz des Magister officiorum fuhrten und auf ihn folgten Die traditionelle Datierung nach der Boethius 523 verhaftet und 524 oder spatestens 525 hingerichtet wurde hat weiterhin Befurworter Gegen sie argumentieren Forscher die eine Spatdatierung plausibler finden Verhaftung 525 Vollstreckung des Todesurteils 526 kurz vor Theoderichs Tod 2 Unklar ist ob die Schrift schon vor dem Abschluss des Gerichtsverfahrens oder erst nach der Verhangung des Todesurteils entstanden ist Nach der herkommlichen seit dem Mittelalter herrschenden Sichtweise befand sich der Autor im Kerker wo er auf seine bevorstehende Hinrichtung wartete Dies wird allerdings in der Consolatio nicht ausdrucklich festgestellt Boethius druckt sich hinsichtlich seines Aufenthaltsorts vage aus spricht von einem Exil in das er verbannt sei und beklagt den Verlust seiner heimatlichen Umgebung und vor allem seiner Bibliothek Die Erwahnung von Ketten in einem der Gedichte der Consolatio ist als dichterische Metapher zu verstehen und nicht wortlich im Sinne einer realen Fesselung zu deuten Daher wird in der neueren Forschung vermutet dass der Autor sich nicht in Kerkerhaft befand sondern in einem relativ komfortablen Hausarrest Fur diese Annahme wird insbesondere das Argument angefuhrt dass ein Werk mit einer solchen Fulle von literarischen Bezugen wie die Consolatio nicht ohne Zugang zu Buchern verfasst worden sein konne es konne sich keinesfalls ausschliesslich um Zitate aus dem Gedachtnis handeln 3 Reinhold F Glei hat darauf hingewiesen dass die Consolatio ein literarisches Werk ist und der Autor eines solchen Werks sich nicht zu autobiographischer Wirklichkeitstreue verpflichtet fuhlen muss Vielmehr ist mit der Moglichkeit fiktionaler Elemente zu rechnen Die Perspektive des Ich Erzahlers ist nicht notwendigerweise mit der des Autors identisch 4 Sprache und literarische Form BearbeitenUnter formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten lasst sich die Consolatio verschiedenen literarischen Gattungen zuordnen Der Form nach handelt es sich um ein Prosimetrum Prosa mit eingefugten Gedichten wobei eine regelmassige Abfolge von Prosa und Verspartien eingehalten wird Die Consolatio besteht aus 39 Prosatexten und 39 Gedichten den Anfang bildet ein Gedicht Der Begriff Prosimetrum ist mittelalterlich er ist erst im Hochmittelalter bezeugt in der Antike sprach man von einer Menippeischen Satire Mit der Wahl dieser Form greift Boethius eine in der Spatantike beliebte Darbietungsweise auf Die metrische Gestalt der Gedichte ist ausserordentlich vielfaltig Boethius verwendet 28 verschiedene Versmasse 5 Inhaltlich gehort die Consolatio wie schon ihr Titel zeigt als Trostschrift in die Tradition der antiken Konsolationsliteratur In dieser Gattung stellt sie insofern einen Sonderfall dar als es nicht um den Tod eines Angehorigen oder Freundes geht der eine Trostung des Hinterbliebenen erforderlich macht sondern dem Autor sein eigener Tod droht der aber als Gedanke nicht im Vordergrund steht Boethius knupft primar nicht an die Todes sondern an die Exilsthematik der Trostliteratur an ein erheblicher Teil der antiken Trostschriften betraf das Schicksal Verbannter Dass die Trostschrift nicht an einen anderen gerichtet ist sondern den Autor selbst trosten soll ist nicht ungewohnlich schon Cicero hatte als erster eine Trostschrift an sich selbst verfasst 6 Abgesehen von der Trostthematik ist die Consolatio auch ein Protreptikos eine zur Philosophie ermunternde Schrift Der Autor ist zwar Philosoph hat aber unter dem Eindruck seines schweren Schicksals grundlegende philosophische Einsichten vergessen das Werk schildert wie er zu ihnen zuruckgefuhrt wird Damit soll es auch dem Leser einen Weg zu den dargestellten Erkenntnissen weisen Im Unterschied zur sonstigen protreptischen Literatur soll der Angesprochene nicht erstmals fur die Philosophie gewonnen werden sondern zur Beschaftigung mit ihr zuruckkehren Im Hintergrund steht dabei der platonische Grundsatz dass alles Lernen eine Erinnerung an etwas der Seele schon fruher Bekanntes und Vertrautes ist Anamnesis Theorie die Kunst des didaktischen Gesprachs soll im Lernenden solche Erinnerung hervorrufen Auch hinsichtlich der Dialogstruktur seines Werks steht Boethius in der Tradition Platons Das letzte Buch scheint sprachlich weniger durchgestaltet und ausgefeilt zu sein als die ersten vier der Schluss wirkt abrupt Daher haben manche Forscher vermutet dass der Autor sein Werk nicht vollenden konnte Diese Hypothese ist sehr umstritten 7 Die sprachliche Gestalt der Consolatio ist stark vom klassischen Latein gepragt doch sind auch zahlreiche Phanomene des spatlateinischen Sprachgebrauchs erkennbar In den Gedichten ist die Orientierung an klassischen Vorbildern deutlicher als in der Prosapartien Inhalt BearbeitenDie Consolatio schildert die Heilung des in der Not der Gefangenschaft seelisch erkrankten Autors Seine Heilung vollzieht sich unter der kundigen Anleitung der Philosophie die ihm als allegorische Gestalt erscheint Sie verhilft ihm in einem unter didaktischen Gesichtspunkten durchgestalteten Dialog zu den Erkenntnissen die er benotigt um der Verzweiflung zu entrinnen und sein Schicksal zu akzeptieren Das Werk lasst sich in zwei Halften gliedern Ungefahr in der Mitte steht das beruhmte neunte Gedicht des dritten Buches das man nach seinen Anfangsworten Incipit O qui perpetua zu benennen pflegt Es bildet den Ubergang und Wendepunkt zwischen den beiden Halften Im ersten negativen Teil der Consolatio beschreibt die Philosophie die Verganglichkeit und Nichtigkeit der irdischen Guter und die Sinnlosigkeit des Strebens nach ihnen Im zweiten positiven Teil stellt sie die Alternative zu diesen vergeblichen Bemuhungen vor die Suche nach dem einzig wahren Gut dem Guten schlechthin Auffallig und erklarungsbedurftig ist der Umstand dass Boethius als Christ angesichts seines Elends und bevorstehenden Todes nirgends auf christliche Glaubenslehren Bezug nimmt sondern seinen Trost ausschliesslich in philosophischen Uberlegungen sucht und findet Dafur sind unterschiedliche Erklarungen vorgeschlagen worden Manche Ansatze gehen von der Annahme aus dass er nur oberflachlich christianisiert war und im Grunde zumindest in seiner letzten Lebensphase wie ein paganer Neuplatoniker dachte und empfand Eine andere Moglichkeit ist dass er zeigen wollte wie man nur von Vernunfterwagungen ausgehend zu einer Einstellung gelangen kann die mit der eines glaubigen Christen in den Grundzugen ubereinstimmt Eine dritte Interpretation besagt dass er synkretistisch dachte das heisst eine umfassende religiose Philosophie als Synthese verschiedener Lehren vertrat In einem solchen Gesamtsystem konnte das Christentum ebenso wie der Neuplatonismus und der Aristotelismus seinen Platz finden ohne dabei notwendigerweise die zentrale Rolle des einzigen unerlasslichen Weges zum Heil zu spielen 8 Erstes Buch Bearbeiten nbsp Boethius und die Philosophie in einer Inkunabel von 1485Das erste Buch beginnt mit einem Klagegedicht Der Gefangene beklagt sein trauriges Schicksal und die Treulosigkeit des Glucks das ihn einst begunstigte Ihm ist das Leben verhasst doch vergeblich ersehnt er den erlosenden Tod Als er seine Klage aufzeichnen will erscheint ihm die Philosophie als ehrwurdige Frauengestalt Zunachst vertreibt sie die Dichtermusen die sich um das Krankenlager des Gefangenen versammelt haben Sie wirft ihnen vor Buhnenhuren zu sein die unfruchtbare Leidenschaften nahren und dem Philosophen ihre sussen Gifte einflossen womit sie die Saat der Vernunft ersticken Dann wendet sie sich dem Leidenden zu stellt ihm Heilung in Aussicht und trocknet mit ihrem Gewand seine Tranen Nun erst erkennt er wer sie ist Sie erinnert ihn daran dass seit jeher Philosophen verfolgt worden sind wobei sie unter anderem auf die Schicksale des zum Tode verurteilten Sokrates und Senecas hinweist Er soll aussprechen worin sein Kummer besteht Darauf schildert er ausfuhrlich die Geschehnisse die ihn in sein jetziges Elend gebracht haben Er sei eigentlich Wissenschaftler habe aber aus Pflichtbewusstsein eine politische Aufgabe ubernommen um zu verhindern dass Verbrecher den Staat zugrunde richten Da er stets fur Gerechtigkeit eingetreten sei habe er sich die Feindschaft von Ubeltatern zugezogen Bosartige Verleumder hatten ihn ins Ungluck gesturzt Der Senat fur den er sich selbstlos eingesetzt habe habe ihn im Stich gelassen die schlecht informierte Offentlichkeit halte ihn fur schuldig Die Philosophie weist ihn zurecht Er habe zwar in der Tat seine Heimat verloren aber nicht weil er seinen gewohnten Wohnsitz eingebusst hat und sich in Haft befindet sondern weil er aus eigenem Antrieb sein wirkliches Vaterland verlassen habe Aus diesem Vaterland gemeint ist ein Reich geistiger Werte konne niemand vertrieben werden nur freiwillig konne man es verlassen und dies habe er getan Auf Befragen bekennt er sich zur Uberzeugung dass die Welt einer gottlichen Lenkung und Fursorge untersteht Es stellt sich aber heraus dass es ihm an Kenntnis seiner selbst und des Endzwecks der Welt fehlt und dass er das Walten der Vorsehung nicht versteht Die Philosophie stellt ihm Behebung dieser Unwissenheit in Aussicht Zweites Buch Bearbeiten nbsp Eine Seite einer mittelalterlichen franzosischen Ubersetzung der Consolatio philosophiae in der Handschrift Paris Bibliotheque nationale de France Fr 809 fol 40r 15 Jahrhundert Die Buchmalerei zeigt links Boethius mit der personifizierten Philosophie rechts das Rad der Fortuna Im zweiten Buch setzen sich die beiden Gesprachspartner mit Fortuna der Glucks und Schicksalsgottin der romischen Mythologie auseinander Der Gefangene sehnt sich nach seinem verlorenen Gluck er meint Fortuna habe ihre Einstellung zu ihm geandert Die Philosophie macht ihn darauf aufmerksam dass das nicht zutrifft weil Fortuna von Natur aus unbestandig und treulos ist ebendies ist ihre konstante Einstellung diese Veranderlichkeit macht ihr Wesen aus und ist das einzige Zuverlassige an ihr Ausserdem erinnert ihn die Philosophie daran dass er sich freiwillig der Herrschaft Fortunas unterworfen hat Er hat sich diese treulose Gottin als seine Gebieterin ausgesucht daher muss er nun die Folgen seiner Entscheidung in Kauf nehmen Dann ubernimmt die Philosophie im Dialog die Rolle der Fortuna als Fortuna verteidigt sie sich gegen die erhobenen Vorwurfe Sie argumentiert sie habe dem Klagenden kein Unrecht getan da sie ihm zu nichts verpflichtet sei Auf nichts von dem was er von ihr fordere konne er einen Anspruch geltend machen Sie drehe das Rad durch dessen Schwung das Tiefste und das Hochste immer wieder die Platze tauschen das sei ihr Spiel Wer mitspielen und aufsteigen wolle musse die Bedingung akzeptieren dass er spater wieder hinabzusteigen hat Sie habe ihn schon uberreich beschenkt Ihm wird vor Augen gestellt welche Gaben er schon empfangen hat er hat eine hervorragende Erziehung in einer der fuhrenden Familien erhalten eine gluckliche Ehe gefuhrt eine glanzende politische Karriere gemacht seine beiden Sohne haben die Konsulwurde erlangt In seinem Leben hat das Erfreuliche uberwogen daher ist sein Jammer uber sein Schicksal unberechtigt Alle derartigen Guter erweisen sich aber als verganglich ihrer Natur nach unbefriedigend und somit nicht wirklich erstrebenswert Auch wer einen Teil von ihnen hat leidet unter dem Mangel dessen was ihm fehlt Alle Sussigkeit ist mit Bitterkeit uberstreut Hinzu kommt die standige Furcht vor dem Verlust dessen was man besitzt spatestens mit dem Tod busst man alles ein Die Philosophie vertieft diese Uberlegungen indem sie die einzelnen Guter der Reihe nach beschreibt und ihre Fragwurdigkeit aufzeigt Reichtumer der Glanz der Edelsteine Naturschonheit schone Kleidung Verfugung uber eine Dienerschaft Wurden Macht und Ruhm erweisen sich als Scheinguter Dass Besitztumer keine echten Guter seien erkenne man daran dass sie ihren Eigentumern auch schaden konnen ein wirkliches Gut konne seinem Besitzer niemals schaden Wenn Wurden und Amter wahre Guter waren konnten sie Unwurdigen nicht zufallen Zu solchen Einsichten gelange man eher unter widrigen Verhaltnissen als unter gunstigen Daher sei das was ausserlich als Ungluck erscheint sogar vorteilhaft Es sei ein Verdienst Fortunas dass sie sich den Menschen so zeige wie sie wirklich ist und ihnen damit Gelegenheit biete das trugerische Scheingluck zu durchschauen Drittes Buch Bearbeiten Den Ausgangspunkt der Uberlegungen im dritten Buch bildet die Feststellung dass alle menschlichen Bemuhungen so unterschiedlich sie auch sind letztlich auf ein einziges Ziel die Gluckseligkeit beatitudo ausgerichtet sind Da die Natur dem menschlichen Geist die Begierde nach diesem Ziel eingepflanzt hat suchen alle danach wenn auch meist auf Irrwegen Die Philosophie definiert die Gluckseligkeit als einen Zustand der Vollendung der in der Vereinigung samtlicher Guter besteht sie ist das hochste Gut das alle Guter in sich enthalt Das Erkennungsmerkmal des hochsten Gutes ist dass es keine Wunsche ubrig lasst Zu seiner Vollkommenheit gehort auch die Unverlierbarkeit Wer es hat dem kann man es nicht entziehen somit ist er bedurfnislos angst und sorgenfrei Nochmals werden die irdischen Guter unter dem Gesichtspunkt untersucht ob sie zur Erreichung des Ziels verhelfen konnen In Betracht kommen Reichtum Ehre Macht Ruhm Vergnugungen korperliche Vorzuge Freundschaften und Familie Es zeigt sich dass allem Gluck das solche Guter erzeugen das Definitionsmerkmal fehlt das die Gluckseligkeit auszeichnet Wer die ersehnten Guter erlangt hat der benotigt immer noch mehr und anderes und sie entheben den Menschen nicht der Angst und Sorge Hinzu kommen weitere Nachteile und Unzulanglichkeiten welche die Philosophie ausfuhrlich schildert Damit hat der Dialog den Punkt erreicht an dem die Alternative zu den Scheinlosungen die wahre und vollendete Gluckseligkeit als hochstes Gut ins Auge gefasst werden kann Ihre Existenz wird aus derjenigen der unzulanglichen Guter erschlossen denn das Unvollstandige und Minderwertige muss seinen Ursprung im Vollstandigen und Vollkommenen haben und nicht umgekehrt Der Ursprung aller Dinge ist Gott Daher ist Gott notwendigerweise das hochste Gut summum bonum denn nichts kann besser sein als sein Ursprung Gabe es etwa Besseres als Gott so ware er nicht dessen Ursprung denn das Bessere ware ihm uberlegen und damit ontologisch ubergeordnet Daraus ergabe sich ein infiniter Regress Nachdem nun im Verlauf der philosophischen Uberlegungen sowohl Gott als auch die Gluckseligkeit als hochstes Gut bestimmt worden sind ergibt sich dass zwischen ihnen kein Unterschied bestehen kann denn es kann nur ein einziges hochstes und absolut vollkommenes Gut geben Gluckseligkeit erlangen heisst somit Gott erlangen und durch das Erlangen adeptio der Gottheit wird der Mensch glucklich So wie man durch das Erlangen der Gerechtigkeit gerecht wird und durch dasjenige der Weisheit weise so wird durch das Erlangen der Gluckseligkeit und damit der Gottheit der Mensch gottlich also ist jeder Gluckselige Gott Omnis igitur beatus deus 9 Da Gott als oberstes Prinzip eine Einheit ist kann es sich dabei nicht um eine Mehrzahl von Gottern handeln sondern um Gottheit der glucklichen Menschen durch Teilhabe participatio an dem einen Gott Alle Lebewesen wollen von Natur aus uberleben keines drangt freiwillig zu seiner Ausloschung Das physische Uberleben beruht auf der Vereinigung von Korper und Seele und auf der Verbundenheit der Teile des Korpers miteinander also auf Einheit wahrend Trennung Zerfall und Untergang bedeutet Somit ist der Uberlebenstrieb ein Streben nach Fortbestand der Einheit und Einheit ist fur das Lebewesen das Gute Da Gott selbst als das Eine die Einheit schlechthin ist sind die Bemuhungen der Lebewesen die eigene Einheit als Gut zu wahren und der Vernichtung zu entgehen letztlich Ausdruck ihres Strebens nach der hochsten Einheit und dem universellen Guten Somit zeigt sich auch hierin dass alles auf Gott als Endziel ausgerichtet ist Viertes Buch Bearbeiten Der Gefangene ist von der Wahrheit der Belehrung die er bisher erhalten hat uberzeugt doch stellt sich ihm nun die Frage der Theodizee Er ist daruber bekummert dass der vollkommen gute Gott das Bose nicht nur zulasst sondern es auch bluhen und herrschen lasst wahrend Tugend nicht nur unbelohnt bleibt sondern sogar bestraft wird Wie das moglich ist ist ihm unbegreiflich Die Philosophie erklart ihm dass alle Menschen gute und bose gleichermassen das gleiche Ziel haben Sie suchen alle die Gluckseligkeit Da wie schon gezeigt die Gluckseligkeit mit dem Guten identisch ist streben also alle nach dem Guten Das Gute erlangen heisst selbst gut werden Somit konnen nur diejenigen die selbst gut sind das Ziel erreichen Die Bosen konnen nur entweder ihre Schlechtigkeit aufgeben oder mit ihren Bemuhungen scheitern Somit sind die Guten machtig und erfolgreich die Bosen schwach und erfolglos Jedem wird unweigerlich das zuteil was ihm zukommt Das Gute tragt seine Belohnung allein in sich selbst ebenso wie die Schlechtigkeit ihre eigene Strafe ist Ein schlechter Mensch busst sogar seine Menschlichkeit ein und nimmt eine tierische Natur an wobei er sich je nach der Art seiner Laster einer bestimmten Tierart angleicht Gelingt es ihm seine Absichten zu verwirklichen so sinkt er eben dadurch nur noch tiefer ins Ungluck In diesem Zusammenhang erinnert die Philosophie an den beruhmten Grundsatz aus Platons Dialog Gorgias dass Unrecht tun schlimmer ist als Unrecht erleiden Das zugefugte Unrecht macht nicht das Opfer sondern den Tater elend Die Schlechtigkeit des Taters ist eine geistige Krankheit Daher ist es unvernunftig ihn deswegen zu hassen sondern er ist wie ein Kranker zu behandeln und wenn er bestraft wird ist die Strafe als Heilmittel aufzufassen Ausfuhrlich erlautert die Philosophie dass die gottliche Vorsehung auch das Unzulangliche und Schlechte fur gute Zwecke nutzt und bei ihren Fugungen stets die besonderen Gegebenheiten berucksichtigt Nichts geschieht willkurlich oder grundlos Allerdings fehlt den Menschen die Einsicht in die Gesamtheit der komplexen Zusammenhange Daher konnen sie die Schicksalsordnung nur begrenzt verstehen Grundsatzlich lasst sich aber aus der Beweisfuhrung der Philosophie die Erkenntnis gewinnen dass jedes Schicksal ganz und gar gut ist 10 Funftes Buch Bearbeiten Im funften Buch fragt der Gefangene nach der Rolle des Zufalls Die Philosophie erklart ihm dass Zufall ein leeres Wort sei da samtliche Ereignisse in Ursachenverkettungen eingeordnet seien Nur die Unwissenheit der Menschen welche die Zusammenhange nicht kennen fuhre zum Glauben etwas Unerwartetes sei zufallig eingetroffen Der Gefangene sieht das ein fragt nun aber ob es denn in dieser determinierten Welt eine menschliche Willensfreiheit geben konne Die Philosophie bejaht dies mit dem Argument der Mensch verfuge von Natur aus uber die Vernunft mit der er das Wunschenswerte vom Schadlichen unterscheiden konne diese Fahigkeit sei aber nur dann sinnvoll wenn sie mit der Freiheit des Wollens oder Nichtwollens verknupft sei Dagegen wendet der Gefangene ein dass Gott in die Zukunft blicke und das Kunftige irrtumsfrei vorauswisse Daher stehe schon jetzt notwendig fest was geschehen wird einschliesslich der Absichten und Entscheidungen der Menschen Daran konne kein kunftiger Willensakt etwas andern Somit gebe es keine Freiheit des menschlichen Willens Dann aber seien auch alle Ubel ein unmittelbarer Ausfluss des gottlichen Willens was mit Gottes Gute unvereinbar sei Die Philosophie erklart es handle sich um ein Scheinproblem das sich daraus ergebe dass Gottes Wissen falschlich wie ein menschliches Vorauswissen aufgefasst werde Damit gerate man auf einen Irrweg Alles was gewusst wird werde nicht gemass seiner eigenen Natur sondern gemass der des Wissenden erkannt Somit entspreche das gottliche Wissen der Beschaffenheit der gottlichen Substanz Diese sei durch Ewigkeit charakterisiert Gottes Wissen sei nicht ein Erfassen der Zukunft aus der Perspektive eines gegenwartigen Moments im Rahmen des Zeitablaufs vielmehr sei es im Gegensatz zu einem menschlichen Vorauswissen uberzeitlich Fur Gott gebe es keine Zukunft sondern nur ewige Gegenwart Daher seien zukunftsbezogene Begriffe wie Vorauswissen und Voraussehen gar nicht angemessen 11 Rezeption Bearbeiten Hauptartikel BoethiusAusgaben und Ubersetzungen BearbeitenKritische Ausgaben Claudio Moreschini Hrsg Boethius De consolatione philosophiae opuscula theologica 2 Auflage Saur Munchen 2005 ISBN 3 598 71278 2 Ludwig Bieler Hrsg Anicii Manlii Severini Boethii Philosophiae Consolatio Corpus Christianorum Series Latina Band 94 2 Auflage Brepols Turnhout 1984 ISBN 978 2 503 00941 4 Unkritische Ausgaben und Ubersetzungen Ernst Gegenschatz Olof Gigon Hrsg Boethius Trost der Philosophie Consolatio philosophiae Artemis amp Winkler Dusseldorf 2004 ISBN 978 3 7608 4118 2 zuerst 1969 in der Bibliothek der Alten Welt Ernst Neitzke Hrsg Boethius Trost der Philosophie Insel Frankfurt a M 1997 ISBN 978 3 458 32915 2 zweisprachige Ausgabe mit einem Vorwort von Ernst Ludwig Grasmuck Karl Buchner Hrsg Boethius Trost der Philosophie Reclam Stuttgart 2016 ISBN 978 3 15 003154 4 nur Ubersetzung mit einer Einfuhrung von Friedrich Klingner Erstveroffentlichung Leipzig 1926 Joachim Gruber Hrsg Anicius Manlius Severinus Boethius Philosophiae Consolatio Trost der Philosophie Lateinisch Deutsch Mittellateinische Bibliothek Hiersemann Stuttgart 2020 ISBN 978 3 7772 2027 7 zweisprachige Ausgabe mit Kommentar Literatur BearbeitenMatthias Baltes Gott Welt Mensch in der Consolatio Philosophiae des Boethius In Matthias Baltes Dianoemata Kleine Schriften zu Platon und zum Platonismus Teubner Stuttgart 1999 ISBN 3 519 07672 1 S 51 80 Joachim Gruber Kommentar zu Boethius De consolatione philosophiae 2 erweiterte Auflage De Gruyter Berlin New York 2006 ISBN 978 3 11 017740 4 Frank Regen Praescientia Vorauswissen Gottes und Willensfreiheit des Menschen in der Consolatio Philosophiae des Boethius Duehrkohp amp Radicke Gottingen 2001 ISBN 978 3 89744 163 7 Helga Scheible Die Gedichte in der Consolatio Philosophiae des Boethius Winter Heidelberg 1972 ISBN 3 533 02246 3 Volker Schmidt Kohl Die neuplatonische Seelenlehre in der Consolatio Philosophiae des Boethius Hain Meisenheim am Glan 1965 Weblinks BearbeitenPhilosophiae consolationis libri quinque in der Bibliotheca Augustana Die Trostungen der Philosophie Ubersetzung von Richard Scheven 1893 De consolatione philosophiae Mit Accessus BSB Clm 15825 blatterbare Handschrift im Kulturportal bavarikonAnmerkungen Bearbeiten Bernd Bastert Kontinuitaten eines Klassikers Zur spatmittelalterlichen deutschen Rezeption der Consolatio Philosophiae des Boethius In Manfred Eikelmann Udo Friedrich Hrsg Praktiken europaischer Traditionsbildung im Mittelalter Wissen Literatur Mythos Berlin 2013 S 117 140 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Fur die Spatdatierung pladiert Charles Henry Coster Late Roman Studies Cambridge Massachusetts 1968 S 66 85 Zustimmung findet dieser Ansatz bei Catherine Morton Marius of Avenches the Excerpta Valesiana and the Death of Boethius In Traditio 38 1982 S 107 136 und John Moorhead Theoderic in Italy Oxford 1992 S 224 226 zogernd Vgl Joachim Gruber Boethius 1925 1998 In Lustrum 39 1997 S 307 383 hier 329 Eine ausfuhrliche Argumentation fur die Fruhdatierung prasentiert Andreas Goltz Barbar Konig Tyrann Berlin 2008 S 363 373 Zu den Forschungsmeinungen siehe Joachim Gruber Boethius 1925 1998 2 Teil In Lustrum 40 1998 S 199 259 hier 223f Fur blossen Hausarrest pladiert Reinhold F Glei In carcere et vinculis Fiktion und Realitat in der Consolatio Philosophiae des Boethius In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft 22 1998 S 199 213 Reinhold F Glei In carcere et vinculis Fiktion und Realitat in der Consolatio Philosophiae des Boethius In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft 22 1998 S 199 213 hier 204 206 Joachim Gruber Boethius 1925 1998 2 Teil In Lustrum 40 1998 S 199 259 hier 224 stimmt Glei zu Bernhard Pabst Prosimetrum Bd 1 Koln 1994 S 194f Joachim Gruber Kommentar zu Boethius De consolatione philosophiae 2 Auflage Berlin New York 2006 S 24 27 Eine Ubersicht uber die Forschungsmeinungen bietet Joachim Gruber Boethius 1925 1998 2 Teil In Lustrum 40 1998 S 199 259 hier 222f Vgl Christine Hehle Boethius in St Gallen Tubingen 2002 S 33 35 Joachim Gruber Boethius 1925 1998 2 Teil In Lustrum 40 1998 S 199 259 hier 232 234 Forschungsubersicht Vgl Danuta Shanzer Interpreting the Consolation In John Marenbon Hrsg The Cambridge Companion to Boethius Cambridge 2009 S 228 254 hier 240 244 Boethius Consolatio philosophiae 3 pr 10 23 25 Siehe dazu Michael V Dougherty The Problem of Humana Natura in the Consolatio Philosophiae of Boethius In American Catholic Philosophical Quarterly 78 2004 S 273 292 hier 283 285 292 Boethius Consolatio philosophiae 4 pr 7 1 2 Paul Bernd Luttringhaus Gott Freiheit und Notwendigkeit in der Consolatio philosophiae des Boethius In Albert Zimmermann Hrsg Studien zur mittelalterlichen Geistesgeschichte und ihren Quellen Berlin 1982 S 53 101 hier 85 101 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Trost der Philosophie amp oldid 235171691