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Der Brotfrieden war ein am 9 Februar 1918greg zwischen den Mittelmachten Deutsches Reich Osterreich Ungarn Bulgarien und Osmanisches Reich einerseits und der Ukrainischen Volksrepublik andererseits geschlossener Separatfrieden wahrend des Ersten Weltkrieges Der Vertrag wurde in Brest Litowsk vor dem Hintergrund der dort stattfindenden Friedensverhandlungen zwischen Sowjetrussland und den Mittelmachten geschlossen Er brachte Deutschland und Osterreich Ungarn dringend benotigte Lebensmittellieferungen allerdings nicht im ursprunglich erhofften Umfang Unterzeichnung des Friedens mit der Ukraine am 9 Februar 1918Sonderdepesche vom 9 Februar 1918 Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 2 Verhandlungen 3 Vertragsbedingungen und Begriff Brotfrieden 4 Folgen 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksAusgangslage Bearbeiten nbsp Artikel bzw Karte der New York Times vom 17 Februar 1918 uber die Auswirkungen des Brotfriedens auf den Zerfall Russlands grau die von der Ukrainischen Volksrepublik beanspruchten Gebiete einschliesslich der Sowjetrepubliken in Charkow und Odessa schwarz das polnische Gebiet von CholmUnmittelbar nach der Oktoberrevolution 1917 hatte die neue Regierung Sowjetrusslands am 8 November das Dekret uber den Frieden proklamiert Die Bolschewiki wollten durch ein Ausscheiden aus dem Ersten Weltkrieg eine aussenpolitische Atempause und somit Zeit fur die Vorbereitung auf den drohenden Burgerkrieg im Innern gewinnen 1 Am 3 Dezember begannen Sowjetrussland und das Deutsche Reich Waffenstillstandsverhandlungen am 7 Dezember befahl die Sowjetregierung den Ruckzug russischer Truppen von der Kaukasusfront gegen das Osmanische Reich und Persien am 15 Dezember wurde ein Waffenstillstand geschlossen und am 22 Dezember begannen Friedensverhandlungen in der Frontstadt Brest Litowsk Truppen des Deutschen Reichs und Osterreich Ungarns hielten bereits weite Teile im Westen des ehemaligen Russischen Reiches militarisch besetzt Polen Baltikum und in einigen unbesetzten Regionen waren bereits Gegenregierungen entstanden die nicht mehr der sowjetrussischen Regierung in Petrograd folgten Ukraine Finnland Kaukasus Im Kampf gegen die im Dezember 1917 vom bolschewistischen Volkskomitee der Ukraine in Charkow Donezk Poltawa Jekaterinoslaw und Kriwoi Rog gebildete Sowjetrepublik Sowjetukraine hatte die ukrainische Zentralrada in Kiew eine Ukrainische Volksrepublik ausgerufen Gegen diese wiederum war vom Rumtscherod im Januar 1918 auch in Odessa eine Sowjetrepublik gebildet worden die sich mit Charkow und Petrograd verbundete Diesen Konflikt hofften die Mittelmachte ausnutzen zu konnen um einerseits Druck auf Sowjetrussland auszuuben einem nachteiligen Friedensdiktat zustimmen zu mussen andererseits aber auch um die Ukraine selbst in Abhangigkeit zu bringen Deutsche und osterreich ungarische Interessen gegenuber der Ukraine waren jedoch nicht deckungsgleich was wiederum deutsch osterreich ungarische Differenzen in der Polnischen Frage zur Ursache hatte 2 Osterreich Ungarn favorisierte die trialistische Austropolnische Losung unter Einbeziehung Galiziens das Deutsche Reich hatte jedoch eigene Annexionsabsichten gegenuber Polen Um Druck auf Osterreich Ungarn zu machen begann der Generalstabschef der deutschen Ostfront Max Hoffmann am 2 Januar 1918 ohne Osterreich Ungarn Vorverhandlungen mit der Zentralrada Gegen die Zusage deutscher Waffenhilfe boten die ukrainischen Diplomaten Lebensmittel an verlangten jedoch von Osterreich Ungarn den Anschluss des polnischen Bezirks Cholm sowie der Bukowina und Ostgaliziens an die Ukraine 3 Osterreich Ungarn und seine Armee wiederum brauchten die Lebensmittellieferungen aus der Ukraine dringend die Ernahrungslage war verzweifelt In Wien und anderen Stadten brachen bereits Hungerrevolten aus 4 auf die dann der Jannerstreik folgte Hoffmann stellte sich den ukrainischen Forderungen nur scheinbar entgegen Er versprach die Abtretung Cholms riet den Ukrainern aber hinsichtlich der Bukowina und Ostgaliziens nur deren Autonomie als ein neuzubildendes eigenes Kronland innerhalb Osterreich Ungarns zu fordern darauf aber zu beharren 2 Fur den osterreichischen Aussenminister Ottokar Czernin der am 4 Januar dazustiess aber auf den ukrainischen Forderungen entgegengesetzte polnische und ungarische Interessen und Gereiztheiten Rucksicht nehmen musste gestalteten sich die Vorverhandlungen daher ausserst kompliziert Erst am 9 Januar konnte die Friedenskonferenz beginnen Verhandlungen Bearbeiten nbsp Die ukrainische Delegation in Brest Litowsk V l n r Mykola Ljubynskyj Wsewolod Holubowytsch Mykola Liwyzkyj Lussenti Mychailo Polos und Oleksandr Sewrjuk nbsp Wsewolod Holubowytsch Vorsitzender der Zentralrada Delegation und spater Premier der Ukrainischen VolksrepublikNachdem am 9 Januar 1918 gemeinsame Gesprache begonnen hatten erklarte am 10 Januar der Vorsitzende der Delegation der Zentralrada Wsewolod Holubowytsch dass die Sowjetregierung in Petrograd nicht auch im Namen der Ukraine Frieden schliessen konne Der sowjetrussische Verhandlungsfuhrer Leo Trotzki stimmte daraufhin am 12 Januar zunachst einer selbststandigen ukrainischen Delegation zu obwohl die Zentralrada zu diesem Zeitpunkt in weiten Teilen der Ukraine die Macht schon an die Bolschewiki verloren hatte 5 Nach der Unterbreitung deutscher Forderungen bat am 18 Januar 1918 die sowjetrussische Seite zunachst um eine Unterbrechung Auch die ukrainische Zentralrada Delegation reiste am 20 Januar zwischenzeitlich nach Kiew zuruck und proklamierte dort die Unabhangigkeit der Ukraine was zum Ukrainisch Sowjetischen Krieg bzw einer sowjetrussischen Intervention in den ukrainischen Burgerkrieg fuhrte Nachdem am 29 Januar die Kiewer Arsenalwerk Revolte ausgebrochen war erschienen am 30 Januar auch Vertreter der Sowjetukraine in Brest Litowsk und forderten ein Teilnahmerecht Die Mittelmachte erklarten jedoch mit Verweis auf Trotzkis Entscheidung nur die Zentralrada als Gesprachspartner anerkannt zu haben und auch weiterhin nur mit dieser Verhandlungen zu fuhren Golubowitsch jedoch inzwischen Premierminister der sich in Auflosung befindlichen Volksrepublik war es erst am 31 Januar gelungen sich von Kiew nach Brest Litowsk durchzuschlagen 6 Mit Hilfe der von Osterreich Ungarn in Galizien aufgestellten Sitscher Schutzen konnte die Zentralrada zwar bis zum 4 Februar die Revolte in Kiew niederschlagen musste jedoch vor den erneut vorruckenden Bolschewiki am 8 Februar 1918 aus der ukrainischen Hauptstadt fliehen Das stimmte die ohnmachtige ukrainische Zentralrada Delegation zwar nachgiebiger doch auch fur die erschopfte deutsche Westfront und die hungernde osterreichische Armee drangte die Zeit In Berlin hatten sich bereits am 6 Februar der deutsche Aussenminister Richard von Kuhlmann OHL Chef Erich Ludendorff Czernin und Vertreter des osterreich ungarischen Armeeoberkommandos darauf geeinigt 24 Stunden nach Abschluss eines Separatfriedens mit der Ukraine die Delegation Sowjetrusslands ultimativ ebenfalls zu einem Vertragsabschluss aufzufordern oder die Verhandlungen abzubrechen 6 Vertragsbedingungen und Begriff Brotfrieden Bearbeiten nbsp Der Friede mit der Ukraine Postkarte aus dem Jahr 1918Vertraglich festgehalten wurde schliesslich dass das Deutsche Reich und Osterreich Ungarn von der Ukrainischen Volksrepublik bis zum 31 Juli 1918 fast 1 Million Tonnen 60 Millionen Pud Getreide 400 Mio Eier und 50 000 Tonnen Rinder Lebendgewicht erhalten sollte sowie Speck Zucker Flachs Hanf Manganerze u a m Im Gegenzug sollten deutsche und osterreich ungarische Truppen der Ukrainischen Volksrepublik militarischen Beistand leisten 6 Der Bezirk Cholm wurde der Ukraine zugesprochen Die Vereinbarung dass bis zum 31 Juli 1918 Ostgalizien innerhalb Osterreich Ungarns als ein ukrainisches Staatswesen Kronland Autonomie erhalten sollte wurde in einen geheimen Zusatzartikel verpackt 6 Die Bezeichnung Brotfrieden die Czernin pragte geht auf eine Rede des Wiener Burgermeisters Richard Weiskirchner bei der Ruckkehr Czernins aus Brest am 13 Februar 1918 zuruck Sie bringen uns den Brotfrieden des Ostens 7 Der heute gelaufige Begriff Brotfrieden ist insofern irrefuhrend als er nahelegt es habe sich um eine Erpressung ukrainischen Getreides fur die Heimatfront der Mittelmachte gehandelt In Wirklichkeit war er ein bilateraler Vertrag der als Erfolg der existenziell gefahrdeten Zentralna Rada in dem fragilen ukrainischen Staat gewertet werden kann 8 Folgen Bearbeiten nbsp Deutsche Truppen in Kiew Marz 1918 Obwohl Czernin der Delegation Sowjetrusslands versichert hatte dass der mit der Ukraine geschlossene Separatfrieden kein feindlicher Akt gegen Sowjetrussland sei wurde diesem am 10 Februar 1918 das vereinbarte deutsch osterreichische Ultimatum vorgelegt 6 Nach dessen Verstreichen begannen die Mittelmachte am 18 Februar eine als Operation Faustschlag bezeichnete Offensive mit 500 000 Mann 9 Deutsch osterreichische Truppen besetzten die Ukraine Im Norden ruckten deutsche Truppen gegen Petrograd vor Erst am 23 Februar konnte die nach dem Auseinanderbrechen der Russischen Armee eilig aufgestellte Rote Armee den deutschen Vormarsch bei Pskow begrenzt stoppen Nach dem Fall von Schytomyr in der Ukraine nahm die Sowjetregierung das Ultimatum am Folgetag schliesslich an In der Ukraine setzten deutsch osterreichische Truppen jedoch ihre Offensive fort und deutsche Truppen eroberten am 1 Marz 1918 Kiew Am selben Tag wurden die Verhandlungen zwischen den Mittelmachten und Sowjetrussland wieder aufgenommen und am 3 Marz 1918 wurde schliesslich der Friedensvertrag von Brest Litowsk geschlossen Mit diesem Vertrag musste auch Sowjetrussland die Ukrainische Volksrepublik offiziell anerkennen 1 und die Unterstutzung der Sowjetukraine einstellen Osterreichische Truppen konnten daraufhin am 12 Marz Odessa und am 4 April Jekaterinoslaw erobern deutsche Truppen am 19 Marz Donezk und Kriwoi Rog am 30 Marz Poltawa und schliesslich am 8 April auch Charkow Osterreich hoffte in der Ukraine von Deutschland nicht vollig beiseitegestossen zu werden sodass es der Ukraine moglich ware ihre Ziele im Osten zu verfolgen 10 Immerhin waren 250 000 Mann der k u k Ostarmee in die Ukraine eingeruckt um den Brotfrieden zu exekutieren 11 Bereits unmittelbar nach Vertragsabschluss war der Ministerrat des Regentschaftskonigreichs Polen aus Protest gegen die Abtretung Cholms zuruckgetreten in Warschau brach ein politischer Generalstreik gegen die Mittelmachte aus Der Brotfrieden mit der Ukraine trug somit wesentlich zur Entfremdung der Polen von den Mittelmachten bei mit denen sie zuvor gemeinsam gegen Russland und die Entente gekampft hatten Auch in der Ukraine wuchs der von Partisanen organisierte Widerstand gegen die deutsch osterreichische Besetzung 12 Am 28 April 1918 verhaftete die deutsche Militarverwaltung in Kiew Premierminister Golubowitsch loste die Zentralrada und damit die Ukrainische Volksrepublik auf und setzte Pawlo Skoropadskyj als Hetman des Ukrainischen Staats ein Dennoch gelang es den Besatzungstruppen und ihren ukrainischen Verbundeten nicht die vereinbarten Nahrungslieferungen einzutreiben Es wurden bis November 1918 nur etwa 120 000 Tonnen Getreide an die Mittelmachte geliefert Die Grunde fur die zu geringen Lieferungen waren die zu hohen Schatzungen der Mittelmachte und die chaotischen inneren Verhaltnisse der Ukraine 13 Das vereinbarte autonome ukrainische Kronland Ostgalizien Bukowina wurde daher nicht errichtet Dabei war die Vereinbarung uber die Teilung Galiziens von osterreichischer Seite aus durchaus nicht widerwillig und nur im Bestreben den Brotfrieden abzuschliessen zugestanden worden sondern entsprach der von Ministerprasident Sturgkh jahrelang angestrebten austropolnischen Losung 14 Unter polnischem Druck und mit Verweis auf die nicht eingehaltenen Liefermengen an Lebensmitteln kundigte Osterreich Ungarn am 4 Juli 1918 den entsprechenden Geheimartikel Stattdessen wurde nach dem Sturz der Habsburger Monarchie im November 1918 in Ostgalizien die West Ukrainische Volksrepublik gegrundet doch schon im Mai 1919 befand sich auch Ostgalizien in polnischer Hand in den Pariser Friedensvertragen von 1919 wurde ganz Galizien Polen zugesprochen Um die Polen als Verbundete gegen die Bolschewiki zu gewinnen verzichtete die Ukrainische Volksrepublik 1920 auf Ostgalizien woraufhin sich die ukrainische Bevolkerung Galiziens gegen Kiew erhob und sich der von den Bolschewiki in Charkow neugegrundeten Ukrainischen Sowjetrepublik anschloss Im Frieden von Riga mussten Sowjetrussland und die Sowjetukraine 1921 jedoch Ostgalizien an Polen abtreten Einzelnachweise Bearbeiten a b Potjomkin S 411 f a b Potjomkin S 392 395 Insgesamt bildeten in Galizien Polen zwar eine knappe Bevolkerungsmehrheit gegenuber Ukrainern Deutschen und Juden Regional betrachtet waren die Polen jedoch nur in Westgalizien zwischen Krakau und Lemberg in der Mehrzahl ostlich von Lemberg lebten vorwiegend Ukrainer Potjomkin S 395 401 und 403 Potjomkin S 397 f a b c d e Potjomkin S 402 f Frank Grelka Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941 42 Harrassowitz Wiesbaden 2005 ISBN 3 447 05259 7 S 260 und Peter Broucek Hrsg Ein General im Zwielicht Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau Band 1 K u k Generalstabsoffizier und Historiker Bohlau Wien 1980 ISBN 3 205 08740 2 S 458 Frank Grelka Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941 42 Harrassowitz Wiesbaden 2005 ISBN 3 447 05259 7 S 94 Potjomkin S 405 und 425 Oleh S Fedyshyn Germany s Drive to the East and the Ukrainian Revolution 1917 1918 New Brunswick New Jersey 1971 S 163 Manfried Rauchensteiner Der Tod des Doppeladlers Osterreich Ungarn und der Erste Weltkrieg Bohlau Verlag Wien Graz Koln 1993 ISBN 3 222 12454 X S 543 Potjomkin S 425 f Wolfdieter Bihl Osterreich Ungarn und die Friedensschlusse von Brest Litovsk Wien Koln Graz 1970 ISBN 3 205 08577 9 S 124 Heinz Lemke Allianz und Rivalitat Die Mittelmachte und Polen im ersten Weltkrieg Bohlau Wien Koln Graz 1977 ISBN 3 205 00527 9 S 282 Literatur BearbeitenWinfried Baumgart Deutsche Ostpolitik 1918 Von Brest Litowsk bis zum Ende des Ersten Weltkrieges R Oldenbourg Verlag Munchen 1966 Peter Borowsky Deutsche Ukrainepolitik 1918 unter besonderer Berucksichtigung der Wirtschaftsfragen Historische Studien Heft 416 Matthiesen Verlag Lubeck 1970 Die Hetman Charta der gesamten Ukraine auf Grundlage des Beschlusses des Ministerrates uber die Ratifizierung des Friedensvertrags zwischen der Ukraine und Deutschland ukrainisch Gramota Getmana Vsiyeyi Ukrayini vidana na pidstavi uhvali Radi Ministriv pro ratifikaciyu Mirovogo Dogovoru Ukrayini z Nimechchinoyu Kiyiv Vidannya Derzhavnogo Visnika 1918 roku 32 s Wladimir Petrowitsch Potjomkin Geschichte der Diplomatie Band 2 Die Diplomatie der Neuzeit 1872 1919 SWA Verlag Berlin 1948 S 379 412 und 425 432 Erhard Stolting Eine Weltmacht zerbricht Nationalitaten und Religionen der UdSSR Eichborn Frankfurt am Main 1990 ISBN 3 8218 1132 3 S 81 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Brotfrieden Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Friedensvertrag zwischen Deutschland Osterreich Ungarn Bulgarien und der Turkei einerseits und der Ukrainischen Volksrepublik anderseits Quellen und Volltexte nbsp Wikisource Deutsch Ukrainischer Zusatzvertrag zu dem Friedensvertrage zwischen Deutschland Osterreich Ungarn Bulgarien und der Turkei einerseits und der Ukrainischen Volksrepublik anderseits Quellen und Volltexte Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brotfrieden amp oldid 236907099