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Amphirhagatherium ist eine ausgestorbene Gattung fruher Paarhufer die vom mittleren Eozan bis zum fruhen Oligozan vor allem im Europa nordlich der Alpen lebte Die Arten der Gattung waren zwar relativ klein gehorten jedoch zu den grossten Paarhufern des mittleren Eozans Besonders gut erhaltene Funde die nicht nur vollstandige Skelette sondern auch Reste der Weichteile umfassen sind aus dem Geiseltal bei Halle in Sachsen Anhalt bekannt und ermoglichen eine umfassende Rekonstruktion der Tiere AmphirhagatheriumLebendrekonstruktion von AmphirhagatheriumZeitliches Auftretenmittleres Eozan bis fruhes Oligozan48 bis 34 Mio JahreFundorteGeiseltal Eckfelder Maar Headon Hill FormationSystematikSaugetiere Mammalia Hohere Saugetiere Eutheria LaurasiatheriaPaarhufer Artiodactyla ChoeropotamidaeAmphirhagatheriumWissenschaftlicher NameAmphirhagatheriumDeperet 1908 Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 2 Fossiluberlieferung 3 Palaobiologie 4 Systematik 5 EinzelnachweiseMerkmale Bearbeiten nbsp Rekonstruiertes Skelett von Amphirhagatherium anhand von Funden aus dem Geiseltal nbsp Skelett von Amphirhagatherium aus dem GeiseltalDie Vertreter von Amphirhagatherium waren verglichen mit den meisten rezenten Paarhufern klein Die Kopf Rumpf Lange betrug etwa 50 cm zuzuglich eines bis zu 20 bis 25 cm langen Schwanzes die Schulterhohe lag bei 25 cm Der hochste Punkt des Tieres befand sich im Bereich der Lendenwirbel und erreichte hier 30 cm Das Gewicht wird auf 3 7 bis 4 8 kg rekonstruiert Damit gehorten die Arten dieser Gattung jedoch zu den grossten Paarhufern des mittleren Eozans Bemerkenswert ist vor allem der lange Schwanz der ein Viertel der gesamten Korperlange ausmacht und so untypisch ist fur heutige Paarhufer Insgesamt war der skelettanatomische Bau dadurch eher urtumlich und ist aus heutiger Sicht vergleichbar mit dem einiger der gegenwartigen Vertreter der Nagetiere 1 Der Schadel war langgestreckt und besass ein niedriges Schadeldach in der Lange mass er etwa 11 bis 13 cm Das Hinterhauptsbein war kurz und rechtwinklig wahrend das Nasenbein schmal und spitz zulaufend war Der Unterkiefer zeigte eine keilartige Form mit spitzer Symphyse und besass niedrige Kieferaste Er war zwischen 9 und 10 cm lang Sowohl im Ober als auch im Unterkiefer befand sich die vollstandige Bezahnung fruher Saugetiere womit Amphirhagatherium folgende Zahnformel aufwies 3 1 4 3 3 1 4 3 displaystyle frac 3 1 4 3 3 1 4 3 nbsp Die Molaren waren bunodont mit Ansatzen selenodonter mondsichelformiger Zahnschmelzhocker Die beiden letzten Pramolaren waren gross und deutlich molarisiert die vorderen wiesen eine wesentlich kleinere Form auf und besassen nur singulare Hocker Bei manchen Arten bestand zwischen dem ersten und zweiten Pramolar ein kleines Diastema von 5 mm Weite ausgebildet Ein weiteres grosses Diastema befand sich zum Vordergebiss hin welches aus den drei Schneidezahnen und den Eckzahnen gebildet wurde 2 3 1 Die Wirbelsaule ahnelte jener der heutigen Paarhufer und bestand aus 7 Hals 13 Brust 7 Lenden und 4 Kreuzbeinwirbeln die Anzahl der Schwanzwirbel betrug mindestens 20 Markant waren die gegenuber den Vorderbeinen deutlich langeren Hinterbeine Dabei war das Schienbein mit 10 bis 11 amp cm wiederum langer als der Oberschenkelknochen der eine Lange von mehr als 9 bis 10 cm aufwies Der Oberarmknochen erreichte eine Lange von 8 bis 9 cm wahrend der Radius nur 6 bis 7 cm lang wurde Alle Gliedmassen endeten in vier Zehen Dabei war der Mittelstrahl bestehend aus den dritten und vierten Metapodien am starksten ausgepragt Diese waren aber im Gegensatz zu den heutigen Paarhufern kaum verwachsen Zwei kleinere Strahlen die aus dem zweiten und funften Metapodium gebildet wurden befanden sich seitlich innen und aussen ansetzend Ein funfter aber schon deutlich reduzierter Strahl war nur an den Vorderbeinen ausgebildet Insgesamt waren die Metapodien aber noch nicht so stark verlangert wie bei heutigen Paarhufern Die letzten Zehenglieder endeten jeweils in spitz zulaufenden Hufen 2 1 4 Fossiluberlieferung Bearbeiten nbsp Schadel und Teile des Korperskeletts von Amphirhagatherium aus dem GeiseltalFunde von Amphirhagatherium stammen vor allem aus dem nordalpinen Europa Eine der bedeutendsten Fundlagerstatten ist das Geiseltal sudwestlich von Halle Sachsen Anhalt Hier stellt die Gattung die haufigsten Paarhufer und ist mit mindestens sieben nahezu vollstandigen Skeletten und zahlreichen isolierten Einzelfunden oder artikulierten Skelettelementen sowie einzelnen fossilisierten Weichteilen nachgewiesen die alle aus den mittleren Braunkohleflozen stammen und dem mittleren bis spaten Eozan zuzuordnen sind 4 5 Weitere wichtige Funde in Deutschland stammen mit dem Erstbeleg der Gattung aus Frohnstetten Baden Wurttemberg und gehoren in die Ubergangszeit von Eozan zu Oligozan In England ist Amphirhagatherium u a aus spateozanen Ablagerungen der Headon Hill Formation mit mehreren Kieferfragmenten nachgewiesen weiterhin sind Funde aus Frankreich Grisolles und Quercy und aus Belgien Mormont bekannt 3 Palaobiologie BearbeitenVor allem die hervorragend erhaltenen Funde aus dem Geiseltal ermoglichen eine umfassende Rekonstruktion der Palaobiologie Ursprunglich wurde ein schweineartiges Tier rekonstruiert 6 neuere Untersuchungen zeigen aber dass die Tiere wesentlich graziler waren und im Habitus eher den heutigen Spiesshirschen ahnelten allerdings war die Wirbelsaule im Stand deutlich konvexer gebogen Auch wurde der kurze Hals und der Kopf wesentlich horizontaler gehalten Uberlieferte Haarreste aus der Kohle verweisen auf ein sehr kurzhaariges Fell wobei die Wollhaare knapp 4 mm lang wurden und damit zu den kurzesten unter den Paarhufern gehoren Ein Geweih oder ein Gehorn war nicht ausgebildet moglicherweise begann die Entwicklung derartiger Kopfwaffen erst spater und gingen mit dem Aufkommen offenerer Landschaften im Miozan einher Weitere geschlechtsspezifische Merkmale wie vergrosserte Eckzahne gab es ebenfalls nicht Eventuell waren die Geschlechter nur anhand der Grosse zu unterscheiden 4 Die Beine setzten deutlich gewinkelt unter dem Korper an der gesamte Bau des Bewegungsapparates lasst auf agile Tiere schliessen die sowohl langsame als auch schnellere Bewegungen beherrschten Da die Mittelfussknochen keine Verlangerungen aufwiesen waren sie allerdings keine ausdauernden Laufer Die Oberschenkelknochen zeigen kraftige Muskelprofile fur eine gut entwickelte Muskulatur was einen schnellen Sprint ermoglichte Das Ein und Ausdrehen der Vordergliedmassen war aber weniger gut moglich worauf die vollstandige Trennung von Elle und Speiche am Unterarm hindeutet Vermutlich lebten die Tiere in dichten Waldern als Buschschlupfer die schnell im dichten Unterholz verschwanden konnten gelegentlich aber auch offenere Bereiche aufsuchen Die beiden ausseren verkleinerten Zehen beruhrten im Stand oder beim Aufsetzen ebenfalls den Boden und bildeten dadurch eine grossere Aufstellflache was fur Tiere von Vorteil ist die in Landschaften mit weicherem Untergrund leben wie Sumpfgebiete oder Sandboden Anhand der Florenfunde aus dem Geiseltal ist ein kraut und lichtreicher Palmen Kiefer Wald mit drei oder vier Wuchsebenen nachgewiesen der von feuchten Biotopen durchsetzt war 1 4 Die weite Ausdehnung des Nasenraumes und der Bau des Nasenbeins am Schadel sprechen fur einen gut ausgepragten Geruchssinn bei Amphirhagatherium Die Augenhohlen sind normalgross ausgebildet und sitzen seitlich am Kopf Dies weist auf ein tag bis dammerungsaktives Tier hin Auch zeigt die Gehorregion eine gute Entwicklung auf allerdings fehlen einige Elemente die Tiere mit besonders hohen Horleistungen aufweisen Wahrscheinlich nutzte Amphirhagatherium zur Fernorientierung eher den Sehsinn wahrend das Gehor eher im Nahbereich eingesetzt wurde 1 Aufgrund der buno bis bunoselenodonten Backenzahne mit niedrigen Zahnkronen kann von einer Spezialisierung auf weiche Pflanzennahrung geschlossen werden Als Hauptnahrung durften Fruchte und Blatter in Betracht kommen die vom Boden gefressen wurden Fruchte uberwogen dabei jedoch entwickelten spatere Vertreter von Amphirhagatherium deutlich selenodontere Zahne wobei unklar ist ob dies mit einem vermehrten Verzehr von Blattern oder einer starkeren Saisonalisierung des Klimas verbunden ist Tierisches Protein welches beim Durchstobern des Oberbodens aufgenommen wurde kann auch eine untergeordnete Rolle gespielt haben Da die Ansatzflache am Kiefer fur den Kaumuskel deutlich verbreitert war ist von einer hoheren Kaukraft auszugehen so dass auch hartere Pflanzenteile aufgenommen werden konnten Mageninhalte aus der Fundstatte Geiseltal konnten aus praparatorischen Grunden nicht untersucht werden Analysen an solchen aus der Grube Messel Hessen die zur nah verwandten Gattung Masillabune gehoren enthielten einen hohen Anteil an Lorbeergewachsen Anhand makroskopischer Abrasionsspuren in Form von markanten Schleifflachen an den erhohten Zahnschmelzhockern der Backenzahne von Amphirhagatherium zeigt sich dass die Tiere ihre Nahrung durch charakteristische mahlende Kaubewegungen zerkleinerten 1 3 4 Systematik BearbeitenInnere Systematik der fossilen Familie Choeropotamidae nach Hooker et al 2001 3 Choeropotamidae Amphirhagatherium Rhagatherium Hallebune Haplobunodon Choeropotamus ThaumastognathusVorlage Klade Wartung 3 Lophiobunodon Tapirulus Masillabune CuisitheriumVorlage Klade Wartung StyleVertreter von Amphirhagatherium lebten vom mittleren Eozan bis zum fruhen Oligozan etwa vor 48 bis 34 Millionen Jahren und starben vermutlich im Zusammenhang mit dem Grande Coupure Ereignis aus 7 Erstmals beschrieben wurde die Gattung Amphirhagatherium 1908 von Charles Deperet Die Typusart und gleichzeitig den stammesgeschichtlich jungsten Vertreter stellt A fronstettense aus einer spateozanen bis fruholigozanen Spaltenfullung bei Frohnstetten Weitere Arten sind A edwardsi A louisis A weigelti A neumarkensis und moglicherweise A ruetimeyeri Letztere ist aber nur von einigen wenigen Zahnen und einem Oberkieferfragment uberliefert A weigelti und A neumarkensis gehorten ursprunglich der Gattung Anthracobunodon an sie wurden jedoch aufgrund des paraphyletischen Ursprungs dieses Taxons ausgegliedert und Amphirhagatherium zugeordnet 3 Amphirhagatherium gehort zur ebenfalls ausgestorbenen und recht umfangreichen Familie der Choeropotamidae die nachstverwandten Gattungen sind Rhagatherium und Hallebune Die Choeropotamidae zeichnen sich durch bunodonte bis bunoselenodonte Molaren eckzahnahnliche vordere Pramolaren und ein Diastema zwischen dem ersten und zweiten Pramolar aus Sie sind Teil der Uberfamilie Hippopotamoidea fruher auch Anthracotherioidea und werden somit in die nahere Verwandtschaft der schweine oder flusspferdartigen und zeitlich etwas spater auftretenden Anthracotheriidae gestellt 3 8 In den weiteren Verwandtschaftskreis gehoren auch die heutigen Flusspferde und Wale 9 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f Jorg Erfurt Rekonstruktion des Skelettes und der Biologie von Anthracobunodon weigelti Artiodactyla Mammalia aus dem Eozan des Geiseltales Hallesches Jahrbuch fur Geowissenschaften Reihe B Beiheft 12 2000 S 57 141 a b Florian Heller Anthracobunodon weigelti gen et n sp ein Artiodactyle aus dem Mitteleozan des Geiseltales bei Halle a S Palaontologische Zeitschrift 16 1934 S 247 263 a b c d e f Jerry J Hooker und Katherine M Thomas New species of Amphirhagatherium Choeropotamidae Artiodactyla Mammalia from the late Eocene Headon Hill Formation of Southern England and phylogeny of endemic European Anthracotheroids Palaeontology 44 5 2001 S 827 853 a b c d e Jorg Erfurt und Hans Altner Habitus Rekonstruktion von Anthracobunodon weigelti Artiodactyla Mammalia aus dem Eozan des Geiseltales In Jan Michal Burdukiewicz Lutz Fiedler Wolf Dieter Heinrich Antje Justus und Enrico Bruhl Hrsg Erkenntnisjager Festschrift fur Dietrich Mania Veroffentlichungen des Landesmuseums fur Vorgeschichte in Halle 57 Halle Saale 2003 S 153 176 Meinolf Hellmund Exkursion Ehemaliges Geiseltalrevier sudwestlich von Halle Saale Aus der Vita des eozanen Geiseltales In Jorg Erfurt und Lutz Christian Maul Hrsg 34 Tagung des Arbeitskreises fur Wirbeltierpalaontologie der Palaontologischen Gesellschaft 16 3 bis 18 3 2007 in Freyburg Unstrut Hallesches Jahrbuch fur Geowissenschaften BH 23 2007 S 1 16 Ehrhard Voigt Die Tierfunde aus der alttertiaren Braunkohle Mitteldeutschlands Arbeitskreis Palaontologie Hannover 17 1989 S 35 51 Jorg Erfurt Stratigraphische Bedeutung der Artiodactyla Mammalia im Palaogen Europas In Jorg Erfurt und Lutz Christian Maul Hrsg 34 Tagung des Arbeitskreises fur Wirbeltierpalaontologie der Palaontologischen Gesellschaft 16 3 bis 18 3 2007 in Freyburg Unstrut Hallesches Jahrbuch fur Geowissenschaften 23 2007 S 175 182 Jean Renaud Boisserie Family Hippopotamidae In Donald R Prothero und Scott E Foss Hrsg The Evolution of Artiodactyls Johns Hopkins University Baltimore 2007 S 106 119 Jonathan Geisler und Mark D Uhen Morphological support for a close relationship between hippos and whales Journal of Vertebrate Paleontology 23 4 2003 S 991 996 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Amphirhagatherium amp oldid 239259992