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Aethicus oft falschlich Aethicus Ister 1 ist der fiktive Verfasser einer Reisebeschreibung die in der Antike entstanden sein soll Uberliefert ist nur ein fruhmittelalterlicher Text dessen unbekannter Autor welcher sich als Hieronymus ausgibt behauptet es handle sich um eine ins Lateinische ubersetzte und uberarbeitete Version des ursprunglich in altgriechischer Sprache abgefassten Werks des Aethicus das den Titel Weltbeschreibung Cosmographia bzw in der Schreibweise des Autors Chosmografia trage Nach der heute vorherrschenden Auffassung ist die lateinische Kosmographie im 8 Jahrhundert entstanden Die Umstande der Entstehung sowie Identitat Volkszugehorigkeit und Ziele des unbekannten Verfassers sind umstritten Als sicher gilt nur dass der Name Aethicus frei erfunden ist und dass die angebliche antike griechische Reisebeschreibung nie existiert hat Letzte Seite einer Handschrift der Cosmographia des Aethicus mit Geheimalphabet Inhaltsverzeichnis 1 Die Kosmographie 1 1 Inhalt Quellen und Sprache 1 2 Verfasser Datierung Textuberlieferung 2 Textausgaben 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenDie Kosmographie BearbeitenDem Titel und den einleitenden Worten zufolge hat ein Priester namens Hieronymus gemeint ist der Kirchenvater dieses Namens der im 4 und fruhen 5 Jahrhundert lebte das Werk auf der Grundlage des Berichts eines Reisenden namens Aethicus verfasst Aethicus der als Skythe bezeichnet wird und der Fiktion zufolge in vorchristlicher Zeit lebte 2 soll alle Lander und Inseln der Erde zwischen Indien und der Iberischen Halbinsel von Afrika bis in den hohen Norden bereist haben Er wird als kuhner Seefahrer und als der bedeutendste Gelehrte seiner Zeit geschildert und soll uberdies Ingenieur und Philosoph gewesen sein Der angebliche Bearbeiter Hieronymus will aber auch den Eindruck vermitteln gegenuber den Schilderungen des Aethicus die er wiederzugeben und zu kommentieren behauptet kritisch eingestellt zu sein er warnt vor Leichtglaubigkeit Dies hindert ihn jedoch nicht daran eine Fulle von sagenhaftem Material auszubreiten Inhalt Quellen und Sprache Bearbeiten Die Kosmographie beginnt mit einer Darstellung der biblischen Schopfungsgeschichte und geht dann zur Beschreibung der Erde des Meeres der Gestirne und astronomischer Erscheinungen uber wobei der Autor auch eine Theorie des Vulkanismus vorlegt Die Erde betrachtet er als flache Scheibe das Festland wird rundum vom Ozean umflossen Die Holle und der biblische Himmel der fest mit der Erde verbunden ist erscheinen als Bestandteile der materiellen Welt Die Holle die sich unter der Erdoberflache befindet besteht aus vier Teilen die den vier Himmelsrichtungen entsprechen den sudlichen Teil bildet das Fegefeuer Dann berichtet der Autor uber die teils abenteuerlichen Reisen des Aethicus Dabei beginnt er mit den Inseln im aussersten Norden und geht dann zum Suden uber danach wendet er sich der Westkuste Europas mit ihren Inseln zu Ausfuhrlich beschreibt er die Volker Innerasiens und des Kaukasus darunter die mythischen Amazonen sowie Griechenland und den Balkan Sein besonderes Interesse gilt den Inseln Den sagenhaften Grunder Roms Konig Romulus lasst er gegen Francus und Vassus angebliche Stammvater der Franken erfolgreich Krieg fuhren Dann befasst er sich nochmals mit Asien wobei er Indien als Ausgangspunkt wahlt und sich von dort nach Westen wendet Uber Persien Mesopotamien und Syrien fuhrt er den Leser nach Nordafrika wo er bis nach Mauretanien voranschreitet Uber Italien und Gallien scheint er wenig zu wissen Als Fremdkorper in den Text eingefugt ist ein ausfuhrlicher Katalog von grossenteils phantasievoll erfundenen Schiffstypen Den Abschluss bilden ein Kapitel uber die Entstehung von Wind und Wasser sowie ein angeblich von Aethicus erfundenes Geheimalphabet 3 Von den geographischen Bezeichnungen sowie Personen und Volkernamen die der Autor angibt sind manche ganzlich unbekannt bei anderen handelt es sich um nur hier bezeugte Abwandlungen und Erweiterungen bekannter Worter Solche ratselhaften Ausdrucke streut er nicht nur bei der Darstellung exotischer Lander ein sondern auch bei der Behandlung damals gut bekannter Regionen wie Griechenland und Kleinasien wo er Inseln und Landschaften erfindet Diese Bezeichnungen stammen zwar moglicherweise aus seiner uns unbekannten Muttersprache oder sind durch mundliche Uberlieferung entstellt doch ist kaum zu bezweifeln dass er manchen Namen zum Zweck der Irrefuhrung gutglaubiger Leser erfunden hat 4 Auch sein Umgang mit seinen bisher ermittelten Quellen lasst die Absicht erkennen die Leser zu tauschen Indem er die Angaben seiner Quellen ohne erkennbaren Anlass gezielt und willkurlich abwandelt und verfremdet versucht er seine Abhangigkeit von ihnen zu vertuschen und eine mysteriose Gelehrsamkeit vorzutauschen Ausserdem beruft er sich gelegentlich fur seine Erfindungen auf beruhmte Autoren bei denen nichts davon zu finden ist und auf angebliche Quellen die wohl seiner Phantasie entstammen In erster Linie schopft er aus den Etymologien Isidors von Sevilla Zu den weiteren von ihm herangezogenen Schriften gehoren De mirabilibus Sacrae Scripturae des Iren Augustinus Hibernicus die Weltgeschichte des Orosius und die lateinische Ubersetzung der Revelationes des Pseudo Methodius Moglicherweise kannte er auch die fruhkarolingische Hofgeschichtsschreibung Liber historiae Francorum Fredegar Chronik Historia Daretis Frigii und den Liber monstrorum In zahlreichen Fallen ist seine Beziehung zu mutmasslich von ihm herangezogenen Quellen unklar Seit 2006 wird wiederum die schon im 19 Jahrhundert erwogene spekulative Hypothese diskutiert dass der Verfasser der Kosmographie das verlorene Gedicht Orpheus des antiken Dichters Lukan oder zumindest eine Zitate aus dem Orpheus enthaltende Schrift gekannt haben konnte denn er beruft sich auf einen Lucanus der bestimmte Namen von Tierarten erwahnt habe 5 Das Werk bewegt sich auf unterschiedlichen Stilebenen Die angeblich wortlich ubersetzten Passagen von Aethicus sind in einem besonders dunklen teils kaum verstandlichen Latein gehalten Der Autor weist die Schuld an der Verworrenheit und Unverstandlichkeit seiner fiktiven Vorlage zu 6 Den grosseren Teil des Werks bilden die angeblichen Paraphrasen und Kommentare von Hieronymus Sie sind zwar an den Stil des Kirchenvaters insbesondere an den seiner Briefe angelehnt doch von seinem gepflegten Latein weit entfernt Auch sie sind keine leichte Lekture Insgesamt gehort die Kosmographie wegen des hochst eigenwilligen Umgangs des phantasievollen Autors mit der Sprache zu den schwierigsten lateinischen Texten die es gibt 7 Zu den oft verwirrenden Besonderheiten in Morphologie und Syntax kommen individuelle Eigentumlichkeiten und Nachlassigkeiten hinzu sowie ein genereller Hang zum vorsatzlichen Verdunkeln und Erschweren des Verstandnisses Eine Fulle von neu gebildeten Wortern die teils aus griechischen und vereinzelt aus semitischen Wurzeln hergeleitet teils reine Phantasieprodukte sind erzeugt den Anschein geheimnisvoller Kenntnisse und einer exklusiven Bildung Stellenweise zeigt der Autor skurrilen Humor etwa bei Spielereien mit Namen oder im masslosen offensichtlich karikierenden Gebrauch der Alliteration Verfasser Datierung Textuberlieferung Bearbeiten Im Jahr 1854 wurde nachgewiesen dass der Kirchenvater nichts mit dem Text zu tun haben kann Eine Folge dieser Einsicht war die Erkenntnis dass auch die griechische Vorlage eine Erfindung ist Somit stellte sich heraus dass das Werk eine doppelte Fiktion darstellt die Textpassagen des Aethicus stammen von demselben fruhmittelalterlichen Verfasser wie diejenigen des Hieronymus Wer der Verfasser offenbar ein Geistlicher war und was er bezweckte ist trotz zahlreicher Untersuchungen bis heute unklar Einigkeit besteht in der Forschung daruber dass er nicht wirklich gereist ist sondern seine gesamten Angaben teils der ihm zuganglichen Literatur entnahm teils erfand bzw durch Verfalschung der Informationen seiner Quellen produzierte Auffallig ist seine Begeisterung fur das Griechentum und sein Interesse an den Legenden um Alexander den Grossen Abneigung hegte er gegen Romer Franken Sachsen und Iren Unterschiedliche Erklarungen sind vorgeschlagen worden Nach einer heute als widerlegt geltenden Hypothese von Heinz Lowe stammt die Kosmographie von dem irischen Bischof Virgilius von Salzburg 784 und wurde nach 768 verfasst Virgilius wollte damit verdeckt gegen einen bereits verstorbenen Widersacher den beruhmten Missionar Bonifatius polemisieren 8 Kurt Hillkowitz hat ebenfalls eine Entstehung nach 768 angenommen Nach seiner Ansicht stammte der unbekannte Verfasser aus Istrien und lebte in Bayern Franz Brunholzl datiert die Kosmographie in die zweite Halfte des 7 Jahrhunderts Er bezieht die Angabe am Schluss des Werks der angebliche Aethicus sei ein vornehmer Skythe gewesen auf den tatsachlichen Autor und vermutet dass es sich bei dessen ursprunglicher Heimat um die Dobrudscha ein Gebiet im heutigen Rumanien handelt und dass er in Istrien lebte 9 Otto Prinz halt Istrien fur die Heimat des Autors und glaubt dass er als Einwanderer ins Frankenreich kam Dort habe er um die Mitte des 8 Jahrhunderts seine Weltbeschreibung verfasst Prinz nennt Indizien dafur dass dies am karolingischen Konigshof geschehen sein mag 10 Michael Herren vermutet dass der Autor in jungen Jahren ins Frankenreich kam spater in Irland und in England lebte und seinen Lebensabend in der Abtei Bobbio in Norditalien verbrachte Er habe uber einen langen Zeitraum an der Kosmographie gearbeitet und sie schliesslich bald nach 727 in Bobbio vollendet 11 Nach Herrens Auffassung ist in manchen Passagen eine satirische Absicht erkennbar Leichtglaubigkeit und angeberische Gelehrsamkeit werden aufs Korn genommen Andere Teile des Textes seien aber durchaus ernst gemeint Fur einen humoristischen Hintergrund spricht beispielsweise die Behauptung am Ende der Kosmographie der Begriff Ethik sei vom Namen des Aethicus abgeleitet Erhalten sind mehr als dreissig teils unvollstandige Handschriften Diese Textzeugen sowie Erwahnungen in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen weisen auf die Beliebtheit der Kosmographie hin die allerdings im Spatmittelalter stark abnahm Textausgaben BearbeitenOtto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Monumenta Germaniae Historica Munchen 1993 Monumenta Germaniae Historica Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters Band 14 ISBN 3 88612 074 0 Michael Herren Hrsg The Cosmography of Aethicus Ister Brepols Turnhout 2011 Publications of the Journal of Medieval Latin Nr 8 ISBN 978 2 503 53577 7 Ausgabe mit Ubersetzung und Kommentar Literatur BearbeitenErnst Hugo Berger Aethicus In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band I 1 Stuttgart 1893 Sp 697 699 Terence A M Bishop Hrsg Aethici Istrici Cosmographia Vergilio Salisburgensi Rectius Adscripta Codex Leidensis Scaligeranus 69 North Holland Publishing Company Amsterdam 1966 fotografische Wiedergabe einer Kosmographie Handschrift des 10 Jahrhunderts Dagmar Gottschall Aethicus Ister In Verfasserlexikon 2 Auflage Band 11 de Gruyter Berlin 2004 Sp 22 26 Michael W Herren The Cosmography of Aethicus Ister Speculations about its date provenance and audience In Andreas Bihrer Elisabeth Stein Hrsg Nova de veteribus Saur Munchen 2004 ISBN 3 598 73015 2 S 79 102 Kurt Hillkowitz Zur Kosmographie des Aethicus Teil 1 Bonn 1934 Dissertation Teil 2 Klostermann Frankfurt am Main 1973 Kurt Smolak Notizen zu Aethicus Ister In Filologia mediolatina Band 3 1996 S 135 152 Ian N Wood Aethicus Ister An exercise in difference In Walter Pohl Helmut Reimitz Hrsg Grenze und Differenz im fruhen Mittelalter Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2000 ISBN 3 7001 2896 7 S 197 208Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Aethicus Quellen und Volltexte Literatur von und uber Aethicus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Aethicus Ister im Repertorium Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters Anmerkungen Bearbeiten Zur Unrichtigkeit des Namenszusatzes Ister siehe Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 1f Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 14 18 Siehe dazu Heinz Lowe Aethicus Ister und das altturkische Runenalphabet In Deutsches Archiv 32 1976 S 1 21 Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 78f Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 21f Richard Matthew Pollard Denuo on Lucan the Orpheus and Aethicus Ister Nihil Sub Sole Novum In The Journal of Medieval Latin 20 2010 S 58 69 vgl Michael W Herren Hrsg The Cosmography of Aethicus Ister Turnhout 2011 S XLIII XLV Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 19 Franz Brunholzl Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters Bd 1 Munchen 1975 S 63 Heinz Lowe Ein literarischer Widersacher des Bonifatius Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister Wiesbaden 1952 Heinz Lowe Salzburg als Zentrum literarischen Schaffens im 8 Jahrhundert In Mitteilungen der Gesellschaft fur Salzburger Landeskunde 115 1975 S 114 143 Siehe auch Heinz Lowe Die Vacetae insolae und die Entstehungszeit der Kosmographie des Aethicus Ister In Deutsches Archiv 31 1975 S 1 16 wo Lowe eine Datierung schon vor 768 in Betracht zieht Gegen die Virgilius Hypothese argumentiert Maartje Draak Virgil of Salzburg versus Aethicus Ister In Dancwerc Opstellen aangeboden aan Prof Dr D Th Enklaar Groningen 1959 S 33 42 Franz Brunholzl Zur Kosmographie des Aethicus In Festschrift fur Max Spindler zum 75 Geburtstag Munchen 1969 S 75 89 Franz Brunholzl Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters Bd 1 Munchen 1975 S 63f Otto Prinz Hrsg Die Kosmographie des Aethicus Munchen 1993 S 14 18 44 52 Michael Herren Hrsg The Cosmography of Aethicus Ister Turnhout 2011 S LV LXI LXXVII Normdaten Person GND 118647199 lobid OGND AKS LCCN n94071683 VIAF 66550784 Wikipedia Personensuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aethicus amp oldid 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