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Die Zentralstelle fur Erforschung der Kriegsursachen war eine ab 1921 vom Auswartigen Amt finanzierte private Einrichtung die in revisionistischer Absicht Informationen und Argumenten gegen die in Art 231 des Versailler Vertrages festgestellte deutsche Kriegsschuld sammeln und veroffentlichen sollte Dadurch versuchte man Einfluss nicht nur auf Entscheidungstrager und Multiplikatoren in Deutschland sondern auch im Ausland auszuuben Neben dem Arbeitsausschuss Deutscher Verbande war die Zentralstelle eine der wichtigsten Propagandisten fur die deutsche Position in der Debatte zur Kriegsschuldfrage Mit der faktischen Aufkundigung des Versailler Vertrages durch Adolf Hitler verlor diese Arbeit an Bedeutung und die Zentralstelle wurde 1937 aufgelost Inhaltsverzeichnis 1 Zielsetzung 2 Organisation und Tatigkeit 3 Inhaltliche Position und Kritik 4 Historiker und Zentralstelle 5 Auslandsarbeit 6 Zentralstelle zur Zeit des Nationalsozialismus 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseZielsetzung BearbeitenInnerhalb des Auswartigen Amtes bestand mit dem Kriegsschuldreferat eine eigene Abteilung zur Entkraftung der Kriegsschuldfeststellung im Versailler Vertrag Durch die argumentative Widerlegung der Kriegsschuld sollte die deutsche Revisionspolitik unterstutzt werden Das Kriegsschuldreferat grundete aus Grunden der Effizienz 1921 zwei formal unabhangige Organisationen Die Grundung erfolgte vor dem Hintergrund des Streits um den Kriegsschuldparagraphen auf der Londoner Reparationskonferenz von 1921 De facto wurden beide aber vom Auswartigen Amt kontrolliert und finanziert Der Arbeitsausschuss Deutscher Verbande war ein Dachverband von etwa 2000 Verbanden organisierte Veranstaltungen und gab die Zeitschrift Der Weg zur Freiheit heraus Prasident war Heinrich Schnee 1 Inhaltlich anspruchsvoller und auch nach aussen an die internationale Offentlichkeit gerichtet war die Zentralstelle Anfangs stand die Zentralstelle unter der Leitung des Schweizers Ernst Sauerbeck Im Gegensatz zur Massenpropaganda des Arbeitsausschusses erhob die Zentralstelle einen wissenschaftlichen Anspruch und wandte sich an ausgewahlte Adressaten aus Wissenschaft und Publizistik Sie gab sich unabhangig und vermied alles um als Sprachrohr der Regierung zu erscheinen Als Ziele definierte sie Sammlung und Sicherung der Quellen und der Erorterung in der Zeitungsliteratur des In und Auslandes wissenschaftliche und literarische Auskunftserteilung Vermittlung von wissenschaftlichen Arbeiten Herausgabe von Merkblattern die einzelne Gebiete der Schuldfrage ubersichtlich aufgrund der neuesten Forschungsergebnisse zusammenstellen 2 Organisation und Tatigkeit BearbeitenZwar wurden die Antikriegsschuldorganisationen wahrend der Inflationsjahre teilweise mit Goldmark finanziert was die Bedeutung der Einrichtungen unterstreicht gleichwohl hatte die Geldentwertung eine Unterfinanzierung der Zentralstelle zur Folge Auch war Sauerbeck mit der Leitung uberfordert so dass das Auswartige Amt ihm seine Kompetenzen allmahlich entzog ehe er 1923 endgultig ausschied Seit Oktober 1921 arbeitete Alfred von Wegerer fur die Zentralstelle und stieg zur leitenden Personlichkeit in der Geschaftsfuhrung auf Dieser hatte wahrend des Krieges im Generalstab als Offizier gedient und spater fur die volkische und antisozialistische Liga fur Deutsche Kultur gearbeitet Seit 1923 stand offiziell an der Spitze der Zentralstelle ein Direktorium unter dem Vorsitzenden Hans Delbruck Stellvertreter wurde Graf von Montgelas Des Weiteren sassen in dem Gremium Sauerbeck der Archaologe Georg Karo der Publizist Hermann Lutz Eugen Fischer Baling als Sekretar des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses fur die Schuldfragen sowie der spatere Staatssekretar im Auswartigen Amt Bernhard Wilhelm von Bulow der bis 1919 Leiter des Kriegsschuldreferats des Auswartigen Amtes gewesen war Wirklichen Einfluss hatte das Direktorium nicht Es diente vor allem als reprasentatives Aushangeschild Das eigentliche Sagen hatte von Wegerer Die Zentralstelle erhielt auch Spenden von privater Seite und erzielte Erlose aus dem Verkauf ihrer Schriften und Zeitschriften aber sie blieb dennoch immer auf Zuschusse durch das Auswartige Amt angewiesen Beispielsweise erhielt die Einrichtung im Rechnungsjahr 1929 30 84 000 RM vom Ministerium Dem standen eigene Einnahmen von 24 000 RM gegenuber Davon durften der Verkauf von Schriften einen hoheren Anteil als Spenden ausgemacht haben Unter der Leitung von Wegerer gewann die Stelle in Deutschland bald ein recht hohes Ansehen Durch die deutschen Auslandsvertretungen verfugte sie auch uber wichtige internationale Kontakte Zur Forderung dieser Kontakte wurde 1923 eine Gesellschaft zur Erforschung der Kriegsursachen als eine Art Freundes und Forderkreis gegrundet Der Gesellschaft stand zunachst der Diplomat Ludwig Raschdau und ab 1929 der zum Zentrum gehorende vormalige Reichskanzler der Weimarer Republik Wilhelm Marx vor Der Gesellschaft gehorten fruhere Minister hochrangige Beamte Angehorige der Reichswehr einflussreiche Wissenschaftler Publizisten und Journalisten an Ihre Versammlungen waren nicht offentlich und die Ergebnisse wurden nicht publiziert Die Mitglieder sorgten aber als Multiplikatoren dafur dass sich weitere Vertreter der deutschen Oberschichten fur die Zentralstelle interessierten Starker auf offentliche Einflussnahme ausgerichtet war die Zusammenarbeit der Zentralstelle mit der Reichszentrale fur Heimatdienst oder dem Arbeitsausschuss deutscher Verbande Sprachrohr der Zentralstelle waren Anfangs die Merkblatter zur Schuldfrage Seit 1923 wurden diese durch die Zeitschrift Die Kriegsschuldfrage ersetzt Diese wurde 1929 in Berliner Monatshefte fur internationale Aufklarung umbenannt Sie erschien im zur Zentralstelle gehorenden Quader Verlag Die Verlagsgrundung wurde mit Hilfe einer Burgschaft des Auswartigen Amtes moglich Die Zeitschrift hatte 1931 eine Auflage von 3500 bis 4000 Exemplaren Ein Viertel der Auflage wurde an auslandische Bezieher vor allem aus den Vereinigten Staaten versandt Fur das Blatt schrieb neben den Kraften der Gesellschaft ein fester Stamm von Publizisten und Wissenschaftlern Allein von Wegerer veroffentlichte bis 1931 etwa 200 Beitrage zur Kriegsschuldfrage Die recht geringe Auflage der Zeitschrift tauscht uber die tatsachliche Reichweite der Zentralstelle etwas hinweg Beitrage die zuerst in der Verbandszeitschrift erschienen waren wurden 1930 von 53 Zeitschriften und Zeitungen aus Deutschland und dem Ausland abgedruckt Die Verantwortung fur die Veroffentlichung lag bei von Wegerer Das Auswartige Amt hatte allerdings ein Vetorecht machte davon aber kaum Gebrauch 3 Inhaltliche Position und Kritik BearbeitenInhaltlich wurde die alliierte Feststellung der deutschen Kriegsschuld weit gefasst Sie umfasst neben dem Artikel 231 etwa die scharf gefasste Mantelnote die auf Georges Clemenceau zuruckgeht Dies erlaubte es die Feststellung der Kriegsschuld in ein antideutsches Verdammungsurteil umzudeuten Eine Verantwortung fur den Kriegsausbruch durch die Mittelmachte wurde geleugnet Dagegen hatten Frankreich und Russland etwa mit Elsass Lothringen oder auf dem Balkan territoriale Interessen gehabt zu deren Verwirklichung ein Krieg notig gewesen sei Auch das im Vergleich zu Frankreich und Russland unterlegene Militar der Mittelmachte sprach nach Meinung der Zentralstelle gegen eine Aggression durch die Deutschen Die Flottenpolitik sei zwar politisch unklug gewesen ware aber letztlich von Grossbritannien nicht als wirkliche Bedrohung angesehen worden Zwar hatte Berlin Osterreich Ungarn unterstutzt hatte aber nach der serbischen Antwort auf das Ultimatum aus Wien auf eine Lokalisierung des Konflikts gedrangt Dem Kurs hatte die russische Mobilmachung die Grundlagen entzogen Letztlich wurde die russische Mobilmachung als eigentlicher auslosender Faktor gesehen wahrend man die deutsche Kriegserklarung wie auch den Einmarsch in Belgien herunterspielte Auf Basis dieses Thesengerustes versuchten die fur die Zentralstelle schreibenden Autoren in zahlreichen Beitragen die fur den Kriegsausbruch schuldigen Staaten auszumachen An der Spitze standen danach Russland Serbien und Frankreich Deutlich geringer war danach die Verantwortlichkeit von Osterreich Ungarn Deutschland und Grossbritannien Die Zentralstelle betonte insbesondere die Schuld Serbiens Dabei stutzte man sich teilweise auf sehr zweifelhafte Zeitungsberichte und nicht auf wirkliche amtliche Dokumente In Deutschland kam Kritik gegen die Positionen der Zentralstelle weitgehend nur von einigen wenigen meist linken Pazifisten Dazu gehorten etwa Hans Wehberg Hermann Kantorowicz Walter Fabian Siegfried Kawerau Otto Lehmann Russbuldt Friedrich Wilhelm Foerster Richard Grelling oder Heinrich Kanner Deren Beitragen gegen die Zentralstelle wurden nur in wenigen Blattern abgedruckt Zwar wandte sich die Mehrheit dieser Autoren gegen die Position von einer deutschen Alleinschuld wie sie Clemenceau vertreten hatte aber sie sahen die Mittelmachte als Hauptverantwortliche fur den Krieg Sie kritisierten insbesondere die Propaganda der Zentralstelle und des Ausschusses deutscher Verbande als Generalstab der deutschen Unschuldkampfer 4 Historiker und Zentralstelle BearbeitenVon den Historikern beteiligten sich nur relativ wenige an den Arbeiten der Zentralstelle Am deutlichsten hat Bernhard Schwertfeger die Beteiligung von Historikern an der Kriegsschuldforschung eingefordert Beteiligt haben sich zeitweise Hans Delbruck Friedrich Thimme Paul Herre Hans Rothfels Hans Herzfeld Siegfried Kachler oder Wilhelm Mommsen Dies bedeutet nicht dass die meisten Historiker andere Positionen hinsichtlich des Kriegsschuldartikels hatten Den eher antirepublikanischen Teil der Historikerschaft durfte die enge Anbindung der Zentralstelle an das Auswartige Amt und der Verzicht auf das Argument der Dolchstosslegende von einer Beteiligung abgeschreckt haben Ausserdem war fur die Mehrzahl der Historiker der Weltkrieg zeitlich noch zu nah um wissenschaftlich Thema sein zu konnen Es gab auch methodische Kritik etwa von Paul Herre an der fragwurdigen und selektiven Quellenbehandlung der Zentralstelle Auch von anderen kamen kritische Ausserungen Die letztlich wenig kompromissbereite Haltung der Zentralstelle liess die Bereitschaft der bisher beteiligten Historiker zur Mitarbeit zuruckgehen Im Laufe der Zeit entwickelte die Zentralstelle ein Eigenleben das sich von den anderen Organisationen der Revisionsbewegung entfernte und inhaltlich sich der nationalen Opposition annaherte Das auswartige Amt war mit der Arbeit zunehmend unzufrieden Zu einem grundlegenden Umbau kam es jedoch nicht 5 Auslandsarbeit BearbeitenVon besonders grosser Bedeutung war es publizistische Fursprecher fur die deutsche Position zur Kriegsschuldfrage unter auslandischen Autoren Wissenschaftlern und Politikern zu finden Die diplomatischen Vertretungen meldeten mogliche Ansprechpartner der Zentralstelle Meist sprach diese die in Frage kommenden Personen auch an In einigen Fallen uberliess sie dies anderen Stellen Die Auslandsvertretungen sammelten auch Informationen zur Haltung zur Kriegsschuldfrage in den Gastlandern Texte der Zentralstelle wurden ubersetzt und publiziert Das Auswartige Amt bemuhte sich bei dieser Tatigkeit moglichst im Hintergrund zu bleiben Die Zentralstelle veroffentlichte fast alle prodeutschen Ausserungen Durch die Weiterverbreitung dieser Stimmen durch deutsche Publizisten verstarkte sich in der Offentlichkeit der Eindruck dass es im Ausland betrachtliche Unterstutzung fur die deutsche Position gabe Das Auswartige Amt gab sich dieser Illusion nicht hin sondern sprach sich dafur aus auch Auslander die nicht mit der deutschen Position ubereinstimmten in die Kriegszieldiskussion einzubeziehen Diese Haltung traf auf Kritik der Zentralstelle Im Jahr 1926 organisierte die Zentralstelle eine Konferenz mit Kriegsschuldforschern aus Deutschland Osterreich Ungarn und Bulgarien in Berlin Die Teilnehmer versuchten ein gemeinsames Vorgehen in der Kriegsschuldfrage zu vereinbaren Fur die anderen Lander wurden der Zentralstelle vergleichbare Einrichtungen geplant die mit dieser zusammenarbeiten sollten Die Beteiligten hofften auf die Finanzierung einer internationalen Kriegsschuldkonferenz durch die Carnegie Stiftung Abgesehen von der Geldfrage hatte dies das Unternehmen als weniger parteiisch erscheinen lassen Die konkrete Kontaktaufnahme ubernahmen Vertreter des Ausschusses deutscher Verbande wahrend sich die Zentralstelle zuruckhielt Obwohl man sich bei der Begrundung um einen wissenschaftlichen Anspruch bemuhte lehnte die Stiftung den Vorschlag ab 6 Zentralstelle zur Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenNach 1933 zogen sich immer mehr auslandische Autoren von der Mitarbeit an Publikationen der Zentralstelle zuruck Viele von ihnen waren politisch eher links Ihnen missfiel die von Wegerer durchgefuhrte bereitwillige Anpassung an die neuen Verhaltnisse und sein uberschwanglichen Lob fur Hitler als leuchtendes Vorbild im Kampf gegen die Kriegsschuldluge Auch die Zahl der auslandischen Abonnenten der von der Zentralstelle herausgegebenen Schriften ging um 60 zuruck Die praktische Erledigung der Reparationsfrage schon durch die Lausanner Konferenz 1932 und die Angriffe Hitlers auf den Versailler Vertrag fuhrten dazu dass die Kriegsschulddebatte an Bedeutung verlor Zunachst hatte es allerdings danach ausgesehen als ob die Zentralstelle ihre Position ausbauen konnte Die Zahl der Mitarbeiter war stark gestiegen Aber das Auswartige Amt hatte immer starker Zweifel an einer effektiven Arbeit der Einrichtung Gegen Kritik wehrte sich von Wegerer wortreich und er schlug vor aus der formal privaten Einrichtung eine Reichsstelle zu machen Diese Bemuhungen waren vergeblich Als die deutsche Regierung 1937 ihre Anerkennung der Kriegsschuld im Versailler Vertrag zuruckgezogen hatte hatte damit auch die Frage nach der Kriegsschuld ihre politische Bedeutung weitgehend verloren Vor diesem Hintergrund wurde die Zentralstelle noch 1937 geschlossen Die Berliner Monatshefte wurden mit einem etwas anderem Konzept weiter gefuhrt 7 Literatur BearbeitenUlrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 DigitalisatWeblinks BearbeitenKlaus Grosse Kracht Kriegsschuldfrage und zeithistorische Forschung in Deutschland Historiographische Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs Mai 2004Einzelnachweise Bearbeiten Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 21 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 94 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 94 98 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 98 104 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 104 110 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 110 117 Ulrich Heinemann Die verdrangte Niederlage Politische Offentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik Gottingen 1983 S 117 119 Normdaten Korperschaft GND 25988 3 lobid OGND AKS LCCN n88295449 VIAF 125602671 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zentralstelle fur Erforschung der Kriegsursachen amp oldid 235257639