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Das Wiener Findelhaus wurde 1784 von Kaiser Joseph II gegrundet und bestand bis 1910 Es gehorte zu den grossten derartigen Institutionen der Welt die Sterblichkeitsrate zu den hochsten Ein Grossteil der rund 750 000 Kinder die wahrend seines Bestehens aufgenommen wurden kamen im angeschlossenen Gebarhaus zur Welt Das Findelhaus hatte keine Drehlade es wurden nur Kinder von ledigen Muttern aufgenommen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Politisches Ziel und weitere Massnahmen zu dessen Erlangung 3 Das Gebarhaus 3 1 Aufnahmebedingungen und Anonymitat 3 2 Die Mutter 3 3 Ablauf 4 Das Findelhaus 4 1 Aufnahmezahlen 4 2 Aufnahme und Einteilung der Kinder 4 3 Klima 4 4 Die Ammen 5 Hierarchien und Trinkgelder 6 Die Pflegeplatze 6 1 Anforderungen an die Pflegefrauen und Kontrollen 6 2 Stillen 6 3 Wohnort und soziale Lage der Pflegefamilien 6 4 Missbrauch des Findelwesens 7 Entlassung aus der Versorgung durch das Findelhaus 8 Mortalitat 9 Der Umgang mit dem Tod 10 Diskriminierung von judischen Frauen und ihren Kindern 11 Die Vater 12 Das Saugammeninstitut 13 Das Schutzpockenhauptinstitut 14 Das Ende des Findelhauses 15 Direktoren 16 Kurioses 17 Siehe auch 18 Literatur 19 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAls Vorlaufer des Wiener Gebar und Findelhauses fungierten seit dem 17 Jahrhundert das Chaossche Stiftungshaus mit einem Haus fur die Findel und unerzogenen Hausarmenkinderwaisen und seit Beginn des 18 Jahrhunderts das Wiener Burgerspital mit einer Aussenstelle in Sankt Marx in der die Gebaranstalt fur ledige und Heilanstalt fur syphilitische Frauen untergebracht war Die gemeinsame Unterbringung von unehelich gebarenden und syphiliskranken Frauen erfolgte weil fur beides dieselbe Ursache gesehen wurde die als Krankheit geltende Unzucht worunter jede sexuelle Handlung ausserhalb der Ehe fiel Die Kinder wurden gegen Bezahlung einer Taxe oder bei Mittellosigkeit gratis im Stiftungshaus aufgenommen und an Pflegeeltern weitervermittelt Zwecks Abschreckung konnten die Frauen von der Bevolkerung besichtigt werden wodurch sie Spott und Hohn uber sich ergehen lassen mussten Die Gebaranstalt diente ausserdem seit Grundung des Lehrstuhls fur Geburtshilfe im Jahr 1754 der Universitat Wien als Ausbildungsstatte die gebarenden Frauen waren anders als bei den damals noch ublichen intimen Hausgeburten den Blicken der Auszubildenden ausgesetzt Die Situation machte das Gebarhaus wenig attraktiv und von seiten der Universitat wurde daruber geklagt dass rund 500 Geburten pro Jahr nicht fur eine ausreichende Ausbildung genugten Maria Theresia ordnete im Jahr 1764 per Hofdekret die Errichtung eines Findelhauses an Ihr Vorhaben wurde zwar nicht verwirklicht jedoch ebnete sie damit den Weg fur die durch Joseph II 1781 erlassenen alle Gebiete der Wohlfahrtspflege umfassenden Reformen 1 2 Im Wiener Burgerspital das auf mehrere kleine Spitaler aufgeteilt war gab es ursprunglich keine Trennung es wurden alle Arten von Hilfesuchenden gemeinsam untergebracht Alte Kranke Behinderte invalide Soldaten Geisteskranke und Obdachlose ebenso wie Gebarende und Kinder Die Trennung der unterschiedlichen Bedurftigen war einer der wichtigsten Punkte in den von Joseph II erlassenen Direktiv Regeln Die Errichtung eines Findelhauses stand dabei an erster Stelle Zentraler Sammelpunkt fur hilfsbedurftige Kinder wurde ab Anfang 1784 zunachst das in Wien Landstrasse gelegene Waisenhaus am Rennweg das bisher nur fur sechs bis dreizehnjahrige Waisen zustandig gewesen war wobei Kinder von Burgern Soldaten und Handwerkern bevorzugt aufgenommen wurden Hierher wurden nun auch die in Sankt Marx geborenen und von den Muttern zuruckgelassenen Kinder gebracht Die Eroffnung des Gebarhauses erfolgte zugleich mit der Eroffnung des Allgemeinen Krankenhauses am 16 August 1784 Im Oktober 1784 ubersiedelte das Findelhaus vom Rennweg gemeinsam mit dem Chaosschen Stiftungshaus unter dem Namen k k Wienerisches Findel und Waisenhaus in den so genannten Strudlhof einen Teil des kurz zuvor geschlossenen Spanischen Spitals Dadurch ergab sich eine kurzfristige Trennung des Findelhauses vom Waisenhaus am Rennweg das erst ein Jahr spater im Oktober 1785 nachfolgte und bis 1788 wieder unter einer gemeinsamen Verwaltung stand Mit der am 1 Juli 1788 erfolgten neuerlichen Ubersiedlung des Findelhauses in den so genannten Molkergarten einem ehemaligen Trinitarierkloster an der Alser Strasse heute Nr 23 kam es zur endgultigen Trennung des Findelhauses vom Waisenhaus Ab dem Jahr 1801 wurden durch das neu gegrundete Ammeninstitut im Findelhaus auch Ammen an Private vermittelt Im Jahr 1802 wurde das Schutzpockenhauptinstitut als Bestandteil des Findelhauses in Wien gegrundet Ab 1806 unterstand das Findelhaus der Direktion des Allgemeinen Krankenhauses und damit der k k Niederosterreichischen Statthalterei 1819 kamen das Gebarhaus und das Findelhaus als Provinzial Staatsanstalten in den Zustandigkeitsbereich der Hofkanzlei was eine Trennung vom Allgemeinen Krankenhaus bedeutete Als medizinische Ausbildungsstatte der Wiener Universitat war das Gebarhaus zugleich dem Unterrichtsministerium unterstellt 3 4 1851 wurde die bereits 1848 von einer Kommission vorgeschlagene Umorganisation realisiert Das Gebarhaus wurde organisatorisch vom Allgemeinen Krankenhaus getrennt und mit dem Findelhaus vereint was sich in einer eigenen gemeinsamen Direktion dokumentierte 1852 erfolgte die neuerliche Unterstellung unter die k k Niederosterreichische Statthalterei Der Status einer k k Anstalt blieb erhalten finanziell bestritt der Staat zwei Drittel der Ausgaben und das Erzherzogtum Niederosterreich ein Drittel Das Findelhaus wurde 1857 um 138 Platze fur Ammen und doppelt so viele fur Kinder erweitert 5 Anlasslich der Einrichtung der osterreichischen Landesvertretungen im Jahr 1861 sollte das Wiener Findelhaus unter Beibehaltung der bisherigen Kostenaufteilung an das Land Niederosterreich ubergeben werden allerdings furchtete das Land fruher oder spater zur Ganze auf den Kosten sitzenzubleiben 1865 wurde erst das Gebarhaus und 1868 das Findelhaus vom Land Niederosterreich ubernommen was einen Kompetenzstreit uber das Vorrecht zur Beforschung der Kinderleichen zwischen Anatomie Pathologie und Findelhaus zur Folge hatte 6 Beide Anstalten bekamen wieder eine gemeinsame Direktion Das Organisationsstatut war von geringfugigen Anderungen abgesehen 40 Jahre lang gultig Nachdem sich in den 1890er Jahren das Verhaltnis zwischen Gebar und Findelhaus zu andern begann kam es mit Beginn des 20 Jahrhunderts zu einer Reorganisation Das Gebarhaus beschrankte sich nicht mehr auf ledige Mutter es kamen auch viele verheiratete Mutter die ihre Kinder anschliessend mit nach Hause nahmen Das Findelhaus entwickelte sich immer mehr zu einer Fursorgeeinrichtung an der mittellose Eltern ihre Kinder vorubergehend unterbringen konnten Zwischen 1893 und 1902 stieg der Anteil zeitweiliger Aufnahmen von knapp vier auf 16 Mit 1 Janner 1909 kam es zur offiziellen Trennung bei der die Gebaranstalt in die Verwaltung des k k Krankenanstaltenfonds uberging Aus der Findelanstalt wurde das weiterhin unter niederosterreichischer Landesverwaltung stehende und nach Gersthof ubersiedelte Landeszentralkinderheim 2 Politisches Ziel und weitere Massnahmen zu dessen Erlangung BearbeitenDas Ziel der Grundung des Wiener Findelhauses und des angeschlossenen Gebarhauses waren der Schutz der Neugeborenen vor den unkontrollierbaren Ereignissen nach einer erfolgten Kindesweglegung oder Kindsmord dieser kam jedoch weitaus seltener vor als die Argumente der Befurworter vermuten liessen und der gleichzeitige Schutz von Mutter und Kind durch eine Geburt unter medizinischer Aufsicht Oder wie es Joseph II in seinen Direktiv Regeln ausdruckte die Erhaltung der Menschheit 1 Es war das merkantilistisch populationistisch gepragte Zeitalter der Aufklarung in dem eine Vermehrung der Bevolkerung und somit auch das Uberleben moglichst vieler Kinder zwecks Starkung von Wirtschafts und Verteidigungskraft angestrebt wurden Die Errichtung des Findelhauses wurde daher auch von anderen Massnahmen begleitet die das Uberleben der Neugeborenen sichern sollten So wurden von arztlicher Seite das Selbststillen das Impfen und ein Ende des Faschens propagiert und eine Verbesserung der Arzte und Hebammenausbildung gefordert Juristen befassten sich mit Benachteiligungen unehelicher Kinder und den Strafen fur Unzucht Der Verkauf abtreibender Mittel wurde ebenso verboten wie eine gemeinsame Bettstatt fur Mutter und Kind damit Mutter ihre Kinder nicht im Schlaf erdruckten Seit den 1780er Jahren durften uber nicht verheiratete Eltern keine Geld und Schandstrafen mehr verhangt werden der politische Ehekonsens wurde aufgehoben der Makel der unehelichen Geburt sowie jener der gefallenen Frauen ebenso wobei die Anderung der rechtlichen Stellung nicht vor Diskriminierung schutzte Eine 1786 erfolgte rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder wurde vier Jahre spater wieder annulliert 7 Die Illegitimitatsrate lag in Wien um 1800 bei 30 erreichte 1847 51 und betrug zwischen 1848 und 1868 50 wodurch in dieser Phase uber 30 aller Neugeborenen in Wien zu Findelkindern wurden Mit der Aufhebung des Ehekonsens im Jahr 1868 kam es in den Alpenlandern zu einer sprunghaften Verringerung der Illegitimitatsrate um vier Prozent Mitte der 1870er Jahre fiel die Rate der unehelich geborenen Kinder in Wien zeitweise auf unter 40 8 Das Gebarhaus BearbeitenAufnahmebedingungen und Anonymitat Bearbeiten Die wichtigste Bedingung fur die Aufnahme der Mutter ins Gebarhaus war dass sie ledig waren wobei verwitwete Mutter diesen gleichgestellt waren Die Moglichkeit der anonymen Geburt war den Muttern von Beginn an garantiert und selbst vor Gericht durfte der Aufenthalt im Gebarhaus nicht als Indiz fur eine heimliche Geburt gewertet werden Allerdings waren die Bedingungen fur wohlhabende und arme Frauen unterschiedlich Die Gratisabteilung konnte von Frauen in Anspruch genommen werden wenn sie ein Armutszeugnis vorlegten und somit dem Gebar und Findelhaus ihre personlichen Daten bekanntgaben Diese Variante wahlten in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts mehr als 90 der Frauen Die Unterbringung erfolgte in den damals ublichen grossen Schlafsalen In der Zeit vor der Geburt wurden sie fur Arbeiten herangezogen Von den Frauen wurde weiters erwartet dass sie fur die Ausbildung von Geburtshelfern und Hebammen als Studienobjekte und spater fur vier Monate dem Findelhaus als Ammen zur Verfugung standen 9 Frauen konnten die Dienste des Gebarhauses gegen Bezahlung einer festgelegten Taxe in Anspruch nehmen wodurch sie besser untergebracht wurden und ihr Neugeborenes im Findelhaus zurucklassen konnten ohne nach ihrem Namen gefragt zu werden Sie hatten lediglich einen versiegelten Umschlag mit ihrem Namen abzugeben damit im Todesfall ihre Familien verstandigt werden konnten den Umschlag bekamen sie beim Verlassen des Gebarhauses wieder zuruck Ihnen wurde die Moglichkeit geboten das Allgemeine Krankenhaus durch ein eigenes Tor in einer stillen Seitengasse das Schwangerthor in der Rotenhausgasse diskret mit Larven verschleyert und uberhaupt so unkennbar als sie immer wollen 10 zu betreten und wieder zu verlassen In den ersten Jahren der Anstalt konnten sich noch 70 der Frauen diese Anonymitat leisten ihre Zahl sank allerdings im Laufe der Jahre Spatestens ab den 1820er Jahren war die Taxe fur Frauen aus der Unterschicht nicht mehr bezahlbar im zweiten Semester des Jahres 1868 konnten sich nur 20 Frauen die eigene Anonymitat und damit auch die heimatrechtliche Zustandigkeit des Kindes nach Wien leisten In den 1860er Jahren setzte eine Diskussion um die Anonymitat ein Diese war getragen von der Ansicht dass Ehrenrettung nicht Aufgabe einer offentlichen Wohltatigkeitsanstalt sein konne und dass dadurch das seit 1811 festgeschriebene Recht der Kinder auf Versorgung durch die Eltern geschmalert und das Konzept der Mutterliebe konterkariert wurden 11 In der Folge kam es 1870 zu einer Anderung des Findelhaus Statuts die auch fur zahlende Frauen das Ende der totalen Diskretion brachte Diese war ab nun fur die Dauer der Findelpflege begrenzt Nur wenn das Kind gestorben ist wurde der Umstand der unehelichen Geburt weiterhin diskret behandelt Als Folge der neuen Regelung nahm die Frequenz der Bezahlabteilung weiter ab weshalb 1878 wieder die alte Regelung in Kraft gesetzt wurde 1899 kam es schliesslich zur endgultigen Aufhebung des Anspruchs auf Anonymitat 9 Die Mutter Bearbeiten Das Bild der ledigen Mutter welches zur Zeit der Existenz des Gebarhauses kolportiert wurde lasst sich anhand eines anlasslich der Eroffnung des Allgemeinen Krankenhauses verfassten Textes ablesen 12 Ruckwarts zur Rechten stosst das sogenannte Gebarhaus an wo die Aufnahme wieder nach verschiedenen Klassen geschieht Hier wird das Schlachtopfer der Verfuhrung und die schamlose Freudendirne mit gleicher Menschlichkeit aufgenommen Hier wird sie Mutter und verlasst das Haus ohne erkannt zu werden Die Frauen die ins Gebarhaus kamen entstammten uberwiegend den lohnabhangigen Unterschichten deren Heirat haufig durch den politischen Ehekonsens verhindert wurde Frauen dieser Klasse konnten es sich ausserdem nicht leisten langere Zeit dem Erwerbsleben fernzubleiben Frauenlohne lagen weit unter jenen der Manner und ein Pflegeplatz fur ein Kind war damit nicht finanzierbar Zu einem uberwiegenden Teil waren die Frauen die das Gebarhaus aufsuchten Dienstmagde 1857 gehorte fast die Halfte 1888 zwei Drittel zu dieser Berufsgruppe Sie lebten in hausrechtlicher Abhangigkeit und waren daher nicht oder erst in spaten Lebensjahren in der Lage an eine eheliche Hausstandsgrundung zu denken Die zweitgrosste Gruppe machten Tagelohnerinnen und Handarbeiterinnen aus Diesen beiden grossten Gruppen unterprivilegierter Berufssparten waren unter den Findlingsmuttern 1857 mit einem Anteil von 77 vertreten im Jahr 1888 betrug ihr Anteil fast 90 denn die Aufhebung des Ehekonsens anderte nichts an den okonomischen Problemen der untersten gesellschaftlichen Klassen Bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts ist uber die geographische Herkunft der Mutter nur wenig bekannt Da von der Moglichkeit die Verpflegungskosten von der Herkunftsgemeinde der Mutter einzufordern zunachst kein Gebrauch gemacht wurde das Dienen der Frauen als Studienobjekte galt als ausreichende Gegenleistung wurden keine Aufzeichnungen uber die Herkunftsorte gefuhrt Das Einzugsgebiet der Anstalt durfte aber aufgrund der geringen Mobilitat zu dieser Zeit nicht besonders gross gewesen sein Im Jahr 1851 wurde im Gebarhaus eine Statistik uber die Herkunftsorte der Frauen begonnen Systematisch gefuhrt wurde sie ab 1864 nach Inkrafttreten des im Dezember 1863 beschlossenen Heimatgesetzes wonach sich auch die Zustandigkeit der Findelkinder nach der Herkunft der Mutter richtete Die Herkunftsorte die sich uber die Monarchie verteilten waren jedoch nicht unbedingt identisch mit den Wohnorten Die Heimatgemeinde anderte sich fur Frauen ublicherweise nur durch Heirat Zwischen 1830 und 1900 vervierfachte sich die Einwohnerzahl Wiens in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts besass weniger als die Halfte der Wiener Bevolkerung das Wiener Heimatrecht Die Aufzeichnungen der Herkunftsorte sagen daher nichts daruber aus wo die Mutter tatsachlich lebten Die Frauen die das Gebarhaus aufsuchten waren demnach uberwiegend in Niederosterreich Bohmen Mahren und Ungarn heimatberechtigt Die Mehrheit setzte sich aus Frauen mit Herkunftsorten in Niederosterreich und Bohmen zusammen Ab Mitte des 19 Jahrhunderts waren in Niederosterreich heimatberechtigte Frauen mit 35 bis 50 stets die grosste Gruppe Der Grund fur die Verringerung des Anteils an Frauen aus Bohmen Mahren und Ungarn waren jeweils sozialpolitische Massnahmen auf Landesebene Etwa beschloss der Mahrische Landesausschuss 1881 nur mehr fur jene Frauen aufzukommen die vom Gebarhaus in Fallen der dringendsten Unabweisbarkeit aufgenommen werden mussten Ihr Anteil betrug danach trotzdem noch rund zehn Prozent es kam aber infolge zu einem Anstieg an Kindesweglegungen und Kindermorden bei mahrischen Muttern Aufzeichnungen uber den letzten Wohnort liegen lediglich fur das Jahr 1888 vor wonach 76 5 der Mutter in Wien und dem zwei Jahre spater eingemeindeten Umland lebten Dass die Gebarhausklientel sich zu einem grossen Teil aus zugewanderten Frauen zusammensetzte wird auch durch die soziale Stellung der Frauen bestatigt denn die Wiener Dienstmadchen die die grosste Gruppe unter den Muttern ausmachten waren ebenfalls vorwiegend Zuwanderinnen 8 Ablauf Bearbeiten Frauen kamen ublicherweise am Tag vor der Geburt in das Gebarhaus Uber ihre Aufnahme entschied die Oberhebamme nach einer korperlichen Untersuchung Bereits zu einem fruheren Zeitpunkt konnten die Schwangeren aufgenommen werden was zum Beispiel die Geheimhaltung erleichterte wenn sie sich den Warterinnen als Magd zur Verfugung stellten Die Statuten sahen grundsatzlich vor dass die Schwangeren der Gratis Abteilung zu Arbeiten die fur den Betrieb des Findelhauses notwendig waren eingeteilt wurden Erst 1900 wurden sie von groben Arbeiten ausgenommen zu diesen gehorten etwa Holzspalten Waschetragen und bis zur Anbindung an die Wiener Hochquellenleitung 1875 Wasser in hohere Stockwerke tragen Ab 1900 wurden schwere Arbeiten von Taglohnern erledigt Den Neuaufgenommenen wurde zunachst die Beichte abgenommen ab 1822 bekamen sie zudem Religions und Sittenunterricht was sonst im Allgemeinen Krankenhaus nur in der Syphilis Abteilung ublich war Verena Pawlowsky stellt dazu fest 13 Das als Humanitatsanstalt gepriesene Gebar und Findelhaus brach keineswegs mit der moralischen Verurteilung ledig gebarender Frauen Die Oberhebamme war fur die Geburtsbetreuung zustandig ihr standen zwei Praktikanten zur Seite Die grosse Zahl an Entbindungen lasst jedoch vermuten dass einfache Geburten von Praktikanten oder Hebammenschulerinnen allein begleitet wurden Erst bei schwierigen Fallen wenn etwa der Einsatz der Geburtszange notwendig war musste die Oberhebamme den Professor oder dessen Assistenten zu Hilfe holen Sie musste dann als Kunstgehulfinn und gleichsam als einzige weibliche Autoritat und Zeuge selbst zur Beruhigung der leidenden Gebarenden bey der Operation gegenwartig seyn 14 Die Betten in den zu jeder Abteilung gehorenden Kreisszimmern unterschieden sich von normalen Betten lediglich durch bewegliche Seitengriffe fur die Hande der Gebarenden Gebarstuhle wie in anderen Stadten bereits ublich fehlten Die Sauglinge wurden schnellstmoglich in der Hauskapelle getauft in kritischen Fallen erfolgten sofortige Nottaufen durch die Hebamme Dabei wurden jene Findelkinder die in der Gratisabteilung zur Welt gekommen waren ungeachtet der Konfession ihrer Mutter katholisch getauft In der Bezahlabteilung waren Kinder von Muttern protestantischen Glaubens von der Zwangstaufe ausgenommen die Kinder wurden trotzdem katholisch erzogen Kinder judischer Herkunft wurden katholisch zwangsgetauft Erst 1868 sah man von der katholischen Zwangstaufe ab die Mutter konnten nun die Religion ihrer Kinder selbst wahlen Nach der Geburt blieben die Mutter mit ihren Kindern noch einige Tage im Gebarhaus um sie zu stillen Frauen aus der Gratisabteilung waren verpflichtet sich nach Entlassung im Findelhaus als Amme vorzustellen wobei nur ein geringer Teil aufgenommen wurde Einige wurden durch das hauseigene Saugammeninstitut an Privatpersonen vermittelt 4 15 Das Findelhaus BearbeitenAufnahmezahlen Bearbeiten In den Anfangsjahren war das Wiener Findelhaus in Bezug auf die Aufnahmezahlen fuhrend unter den vergleichbaren Einrichtungen in Europa In den ersten Jahrzehnten des 19 Jahrhunderts lagen die Aufnahmezahlen vom Pariser Hotel Dieu de Paris uber jenen von Wien Ab etwa 1820 fuhrte Moskau die Rangliste an Wien und Sankt Petersburg wechselten einander auf dem zweiten Platz ab Wahrend der Zeit seines 126 jahrigen Bestehens nahm das Wiener Findelhaus rund 750 000 Kinder in Pflege Beginnend mit 1366 Kindern im ersten Jahr stieg die Auslastung stetig an die 2000er Marke wurde bereits 1787 die 3000er Marke 1799 uberschritten Zwanzig Jahre spater wurden mehr als 4000 und weitere zwanzig Jahre spater mehr als 5000 Kinder jahrlich aufgenommen Die hochste Aufnahmezahl wurde im Jahr 1880 verzeichnet 9820 Kinder wurden in diesem Jahr dem Findelhaus uberlassen durchschnittlich 27 Kinder taglich 3 Die stark zunehmende Frequenz wird als Spiegelbild der deutlich voranschreitenden Pauperisierung der Wiener Bevolkerung gewertet 16 Aufnahme und Einteilung der Kinder Bearbeiten Aufnahme ins Findelhaus fanden hauptsachlich jene Kinder die im Gebarhaus zur Welt gekommen waren Mutter und Kinder wurden meistens am achten oder neunten Lebenstag des Kindes vom Gebarhaus in einem geschlossenen Wagen in das Findelhaus uberfuhrt 6 Dort war Platz fur 138 Ammen und mindestens 226 Sauglinge Die Mutter mussten sich der Ammenwahl stellen wobei Gesundheit ausreichende Milchproduktion und eine gute korperliche Konstitution fur die Wahl ausschlaggebend waren 17 Die Sauglinge wurden zunachst untersucht und mit einer laufenden Nummer Name Geburts und Aufnahmedaten und Angaben zur Mutter sofern sie nicht bezahlt hat in das Anstaltsprotokoll eingetragen Danach wurde ein Kopfzettel auch Kindeszeichen genannt ausgestellt Das Kindeszeichen blieb immer beim Kind auch wenn es in Pflege gegeben wurde Zusatzlich bekam das Kind ein Band mit der Aufnahmenummer um das Armgelenk genaht Die Mutter erhielt einen Empfangsschein den sie vorweisen musste wenn sie sich nach ihrem Kind erkundigen oder es zu sich nehmen wollte 5 Ab 1867 wurden die Kinder auch gewogen was eine differenziertere Einteilung der Kinder in kraftige schwache lebensschwache und Fruhgeburten erlaubte als die bis dahin ubliche Einstufung nach Augenschein Diese Kategorisierung hatte grossen Einfluss auf die Verweildauer der Kinder im Findelhaus die in diesem Aufnahmeverfahren entschieden wurde 5 Je nach Ergebnis bekamen die Kinder verschiedene Bezeichnungen Brustkinder waren die eigenen Kinder der ausgewahlten Ammen die von ihren Muttern drei bis vier Monate lang gestillt wurden Beileg oder Nebenkinder wurden einer Amme an die Brust gelegt Sie kamen nach einer Nacht oder wenigen Tagen in Aussenpflege schwachliche Kinder konnten auch langer bleiben Nachtkinder blieben nur wenige Stunden oft nicht einmal eine Nacht ehe sie einer Pflegemutter ubergeben wurden Zu dieser Gruppe gehorte die Mehrheit der Findelkinder Wasserkinder bezeichnete jene Kinder die ansteckende Krankheiten insbesondere Syphilis hatten und wegen der Ansteckungsgefahr nicht von den Ammen gestillt werden durften Sie legte man in die Wasserstuben wo sie meistens nicht an ihren Krankheiten sondern an der mit Wasser verdunnten Kuhmilch starben Als eingezahlte Kinder wurden Kinder bezeichnet deren Mutter fur die eigene Anonymitat bezahlt hatten und so auch nicht als Ammen dienen mussten ausserdem musste auch fur Kinder die nicht im Gebarhaus zur Welt gekommen sind eine Taxe bezahlt werden Eingezahlte Kinder waren daher zugleich auch Beileg Nacht oder Wasserkinder Tauschlinge waren keine Neugeborenen sondern altere Findelkinder die von ihren Pflegeeltern zuruckgebracht und fur einige Tage im Findelhaus versorgt wurden Anschliessend kamen sie auf neue Pflegeplatze es sei denn sie hatten das Entlassungsalter erreicht Nach Zahlen der 1850er und 1860er Jahre wurden jahrlich durchschnittlich 860 Kinder von ihren Pflegeeltern zuruckgebracht wobei die Halfte davon noch kein Jahr alt war 18 Anfang der 1880er Jahre entschlossen sich einige Kronlander ihre Kinder zuruckzunehmen woraufhin hunderte Kinder von ihren Pflegestellen zuruckgeholt und bis zur Weiterfahrt mit einem Sammeltransport im Findelhaus untergebracht wurden Fur Tauschlinge standen drei kleine Zimmer zur Verfugung die mit Matratzen ausgelegt waren 6 Zeitweilige Kinder waren keine Findelkinder Da in Wien keine andere Einrichtung existierte an die Kinder im Fall von Krankheit Tod oder Haft der Mutter ubergeben werden konnten wurde das Findelhaus in solchen Fallen auch zweckwidrig genutzt Fur diese stets zeitlich befristeten Aufnahmen mussten die Mutter nicht ledig sein Anfangs kam es nur vereinzelt zu Aufnahmen zeitweiliger Kinder um die Wende vom 19 zum 20 Jahrhundert machten die zeitweiligen Kinder aber schon mehr als zehn Prozent der Gesamtzahl aus Dies lag daran dass heimatrechtlich nicht nach Niederosterreich zustandige Mutter in dieser Moglichkeit einen Weg fanden ihre Kinder trotzdem im Findelhaus unterzubringen 15 11 Fur altere Tauschlinge und zeitweilige Kinder stand im Haus ein Lehrer zur Verfugung der aber nur die Buben unterrichtete Madchen besuchten die Gemeindeschule Von den 1830er Jahren bis 1843 existierte zudem eine Zweigstelle des Findelhauses im Versorgungshaus am Alserbach in der mannliche Tauschlinge untergebracht wurden 18 Klima Bearbeiten Im Findelhaus herrschte eine unmenschlich rohe und laute Atmosphare gepragt von Streitereien unter den Ammen sowie von derben Beschimpfungen und grober Behandlung durch die Warterinnen Frauen die ihre Verpflichtung als Amme zu dienen nur ungern erfullten behandelten ihre Nebenkinder lieblos Arzte der medizinischen Fakultat der Universitat Wien stellten 1811 anlasslich einer Inspektion eine erschreckende Verderbniss der Luft fest Schmutzige Windeln zum Trocknen aufgehangte Wasche und mangelnde Hygiene trugen dazu ebenso bei wie die Tatsache dass bis in die 1890er Jahre Fenster und Turen der Leichenkammer auf den Hauptgang gerichtet waren Dagegen half auch nicht die aus Angst vor Miasmen getroffene Regelung dass pro Raum stets ein Fenster geoffnet sein musste Das Findelhaus war uberdies auch stark von aussen frequentiert Es kamen Pflegefrauen die sich taglich zur Ubernahme von Findelkindern anstellten Kinder zuruckbrachten oder sich bei der Auszahlungskassa Pflegegelder auszahlen zu liessen Familien die nach Privatammen suchten Familien die ihre Kinder impfen lassen wollten und wenn auch nicht allzu haufig Besuche fur die Ammen Bis 1839 durften auch noch Kinder die auf dem Weg vom Findelhaus in das Haus der Pflegeeltern verstorben waren ins Findelhaus zuruckgebracht werden Auch der Leichentrager kam ab den 1890er Jahren zweimal taglich um die verstorbenen Kinder abzuholen und zur Leichenbeschau und Obduktion in das Allgemeine Krankenhaus zu bringen Bis dahin wurden die verstorbenen Kinder im Findelhaus seziert Auch Mutter von Findelkindern kamen um nach dem Verbleib ihrer Kinder zu fragen Die Administration die anfangs aus dem Anstaltsleiter dem Gegenhandler und zwei Amtsschreibern spater aus 29 Mannern bestand war ebenfalls im Haus untergebracht 6 5 Durch die spatestens seit Mitte des 19 Jahrhunderts extreme Raumnot konnten sich Krankheiten leicht ausbreiten Die Gonoblennorrhoe war im Findelhaus endemisch und fuhrte 1855 zu einer Epidemie bei der sowohl die Neugeborenen und etwa hundert Tauschlinge als auch Warterinnen Naherinnen und der Anstaltsleiter infiziert waren Die Epidemie dauerte bis 1857 an Zur Einrichtung einer Station fur augenkranke Kinder kam es erst in den 1880er Jahren daraufhin konnte die Krankheit eingedammt werden Die Platznot im Findelhaus veranlasste die Wissenschaft immer wieder auf die Lebensbedrohlichkeit fur die Sauglinge hinzuweisen Eine moglichst rasche Abgabe der Kinder auf Pflegeplatze wurde daher angestrebt um deren Uberlebenschancen zu erhohen 6 Die Ammen Bearbeiten Die Aufzeichnungen des Findelhauses uber die Herkunft der Mutter die als Ammen dienten sind wesentlich vollstandiger gefuhrt als jene des Gebarhauses Demnach stammten die Frauen etwa im Jahr 1799 zu 30 9 aus Niederosterreich 11 4 aus Wien 9 5 aus Ungarn 7 7 aus Bohmen 7 3 aus Bayern und 6 8 aus Deutschland Anders als im Gebarhaus mussten die im Findelhaus als Ammen dienenden Mutter Anstaltskleidung tragen In den Ammensalen stand fur jede Frau ein Bett bereit zu dessen linker und rechter Seite jeweils ein Sauglingsbett Kinderbetten mit geraden Nummern waren fur die Kinder der Ammen gedacht jene mit ungeraden Nummern fur die Beileg oder Nebenkinder Ein grosser Tisch in der Mitte des Zimmers diente sowohl als Wickeltisch als auch den Ammen als Esstisch Fur ihre Dienste bekamen sie einen geringen Ammenlohn Fallweise kam es auch vor dass eine Amme zwei drei oder sogar vier Kinder neben ihrem eigenen versorgen musste Das war etwa dann der Fall wenn im Winter witterungsbedingt die vom Land kommenden Pflegefrauen ausblieben Die Findelhauswarterinnen waren vorrangig damit beschaftigt die Einhaltung der Hausordnung zu kontrollieren Die Ammen durften das Haus nur verlassen wenn sie eine Ausgangsbewilligung hatten und eine Warterin sie begleitete Auch im Areal durften sie sich nicht frei bewegen und Besuche durften sie nur sonn und feiertags empfangen Laut der Instruction fur die Aufseherin aus dem Jahr 1816 hatten diese darauf zu achten dass die Ammen an den Fenstern keine Gesprache mit Mannsbildern fuhren dass sie nicht larmen schreien oder ubermuthig singen dass sie ihr Morgen Abend und Tischgebet laut und auferbaulich verrichten 19 Kontrolliert wurde auch das Stillen insbesondere dass keine Amme ihr Nebenkind gegenuber dem eigenen benachteiligt Neben dem Stillen und der Sauglingspflege waren die Frauen wie im Gebarhaus zu diversen Arbeiten im Haus verpflichtet die vorwiegend aus Reinigungsarbeiten bestanden Ihr streng geregelter Tag begann um vier Uhr in der Fruh Die Frauen waren uber ihre Wahl als Amme zumeist unglucklich sie bezeichneten den Dienst als Ammenzwang und versuchten mit verschiedenen Tricks sich diesem zu entziehen Beispielsweise legten sie ihr Neugeborenes schon in der Gebaranstalt immer an dieselbe Brust an wodurch die andere zu wenig Milch bildete um als Amme zu dienen Als Reaktion auf die Wahl zur Amme gab es in den 1890er Jahren aber auch einen Selbstmordversuch und eine Mutter die ihr Kind totete Trotz aller Kontrolle und Funktionalisierung der Mutter durch das Findelhaus kann jedoch nicht von einer Totalen Institution im Sinne von Erving Goffman gesprochen werden da die Frauen nur befristet auf vier Monate als Ammen zur Verfugung stehen mussten Als Ansporn bekamen die Frauen zu den Mahlzeiten Bier insgesamt 1 7 Liter pro Tag Zwar wusste man um die nachteilige Wirkung fur die Kinder wenn stillende Frauen Alkohol konsumieren jedoch hielt man das Bier als Motivationsmittel fur unerlasslich 1904 wurde die Menge auf 0 6 Liter reduziert Das System des Ammenzwangs war auch unter Arzten umstritten Friedrich Benjamin Osiander der Anfang des 19 Jahrhunderts in der Findelanstalt zu Besuch war und Carl Friedinger spaterer Direktor des Findelhauses warnten davor dass die Kinder zu ihrem Gedeihen nicht nur Muttermilch brauchen sondern auch Zuwendung die aber von Frauen die sich inmitten der Stadt eingesperrt und unglucklich fuhlten nicht zu erwarten sei Carl Friedinger war es deshalb besonders wichtig dass die Kinder moglichst schnell an Pflegefrauen abgegeben werden 17 Hierarchien und Trinkgelder BearbeitenWarterinnen und Hausdiener von Gebar und Findelhaus lebten bis Mitte des 19 Jahrhunderts ebenfalls in der Anstalt und unterstanden so deren umfassender Disziplinargewalt Sie waren ungelernt nicht fest angestellt und hatten unter den Bediensteten die niedrigste hierarchische Stellung Sie entstammten derselben Klasse wie die ledigen Mutter die sie beaufsichtigten Hebammen waren Frauen mit qualifizierter Ausbildung und hatten auch eigene Rechte Sie unterstanden der Oberhebamme die fur die weibliche Ordnung zustandig und jedenfalls bis in die 1820er Jahre teilweise dem Assistenten gleichgestellt war Nur bei Abwesenheit des Professors bzw Primargeburtsarztes war sie dem Assistenten untergeordnet Zwischen den einzelnen Stufen dieser Hierarchie gab es scharfe Trennlinien um sie aufrechtzuerhalten So waren etwa Vertraulichkeiten oder Beziehungen zwischen Arzten Hebammen und Warterinnen untersagt Ebenso scharf war die Trennlinie zwischen den Warterinnen und den ledigen Frauen die insbesondere besagte dass die Warterinnen kein Geld annehmen durften Es lasst sich jedoch anhand zahlreicher Berichte und durch die vielfach erneuerten Verbote aber auch aufgrund einer 1888 durch Ernst Vergani aufgedeckten Trinkgeldaffare nachweisen dass die Frauen sowohl im Gebar als auch im Findelhaus durch das untergeordnete Personal ausgebeutet wurden Die Affare weitete sich zu einem Skandal aus der den Niederosterreichischen Landtag mehrere Sitzungen lang beschaftigte In den Berichten werden die Warterinnen als gefuhllose entmenschte Weibsbilder bezeichnet die die ledigen Mutter mit Schimpfnamen wie Mistpankerten und Hurenfratzen bezeichneten Gegen solche Erniedrigungen soll ein Zwanziger geholfen haben Von Warterinnen und Hebammen soll auch fur die Taufe abkassiert worden sein und noch mehr wenn die Mutter einen zweiten Namen wunschte oder keinen Taufpaten fur das Kind hatte Wurde die Schwangere von Verwandten oder Herrenleuten ins Gebarhaus gebracht so sollen diese ebenfalls formlich ausgeraubt worden sein Die Hand sollen auch die Hebamme bei der Aufnahme die Warterin die die Schwangere auf ihr Zimmer fuhrt die Warterin in diesem Zimmer Warterin und Hebamme im Kreisszimmer und die Warterin im Wochenzimmer aufgehalten haben Zudem mussten die Wochnerinnen fur die Warterinnen private Arbeiten wie Nahen und Stricken verrichten Auch der Verkauf von Lebensmitteln und Getranken durch die Warterinnen durfte angesichts der oft bemangelten Kuche eintraglich gewesen sein Sonntagliche Besuche fur die Ammen wurden den betreffenden Ammen haufig nur gemeldet wenn der Besucher einen Zwanziger fur die Warterin dabei hatte Im Schutzpockenhauptinstitut wurden die niederen Wartenummern fur die Impfung offen verkauft Hebammen hatten daruber hinaus noch weitere Einkunftsquellen Sie vermittelten gegen Bezahlung in Eigenregie die Sauglinge auf gute Kostplatze oder die Wochnerinnen als Ammen an attraktive Dienstgeber Letzteres war den Hebammen verboten da die Vermittlung von Ammen ab 1801 Aufgabe des hauseigenen Saugammeninstituts war Ebenso war das Vermitteln der Kinder an Kostplatze Aufgabe des Findelhauses und eine freie Wahl nur fur Mutter in der Bezahlabteilung vorgesehen Der Grund fur die Missstande wird in der schlechten Bezahlung des Personals gesehen die bereits 1811 von der Medizinischen Fakultat kritisiert wurde da man so nur minderwertiges Personal bekam Selbst nach dem Skandal Ende der 1880er Jahre anderte sich daran nichts Stattdessen wurden jene denen die Trinkgeldannahme nachgewiesen werden konnte entlassen andere kundigten selbst um der Entlassung zuvorzukommen 1888 wurden Beschwerdebucher eingefuhrt damit die ledigen Mutter erneute Zwange zum Trinkgeld oder andere Missstande eintragen konnten diese wurden jedoch aufgrund ihres Standortes in der Verwaltungskanzlei so gut wie nicht benutzt Mit einer 1889 von den weiblichen Beschaftigten eingebrachten und von den jeweiligen Abteilungsleitern unterstutzten Petition an den Niederosterreichischen Landtag wurde ebenfalls keine Lohnerhohung erreicht Stattdessen wurden die weltlichen Pflegerinnen im Findelhaus gegen Ordensschwestern ausgetauscht Die schlechte Finanzierung der Anstalt wird zudem als ein Zeichen der Geringschatzung der ledig gebarenden Frauen gesehen die sich etwa auch in dem auf acht bis zehn Tage begrenzten Wochenbett ausserte was selbst nach zeitgenossischen medizinischen Ansichten sehr kurz war 20 21 Die Pflegeplatze BearbeitenDie Organisationsform Kinder in Aussenpflege auf Pflegeplatze zu geben entsprach den Empfehlungen der Gelehrten des Waisenhausstreits in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts Ziel war dabei das Uberleben der Sauglinge padagogische Konzepte gab es nicht Angeworben wurden die Pflegefrauen ganz dem Josephinismus entsprechend in Kooperation mit der Kirche Schon im Jahr der Eroffnung des Findelhauses wurde Pfarrern aufgetragen von der Kanzel herab die Moglichkeit zu diesem gottgefalligen Werk publik zu machen und auch spater von Zeit zu Zeit zu predigen Es kamen jedoch die wenigsten Pflegefrauen aus christlicher Nachstenliebe 22 Anforderungen an die Pflegefrauen und Kontrollen Bearbeiten Die Pflegefrauen mussten verheiratet oder verwitwet sein sollten ein eigenes Haus am Land bewohnen milchgebende Tiere besitzen und nach Moglichkeit zum Stillen in der Lage sein Das Wohlfahrtszeugnis mit welchem diese Fakten zu belegen waren mussten sie gemeinsam mit einem Sittlichkeitszeugnis vorweisen ehe sie ein Kind ausgefolgt bekamen Ab 1890 mussten die Wohlfahrtszeugnisse zusatzlich Angaben uber die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder und Erwachsenen sowie Angaben zu Wohnungsgrosse und Anzahl an milchgebenden Tieren enthalten Kirchliche wie weltliche Behorden die keine Findelkinder in ihren Gemeinden haben wollten boykottierten oft die Ausstellung der Zeugnisse ein Grund weshalb manchen Pflegefrauen auch ohne Zeugnisvorlage Kinder ausgehandigt wurden Samtliche Kosten wie die Anreise nach Wien oder Gebuhren fur die Zeugnisse bekamen sie ersetzt Sie mussten fur die Kinder weder Arztbesuche Medikamente oder Schulgeld noch Leichenbeschau und Beerdigung bezahlen fur Findelkinder war das kostenfrei Ubernahmen die Pflegefrauen ein Neugeborenes bekamen sie auch ein Waschebundel und zudem ein hoheres Pflegegeld als fur altere Kinder Erlebte das Kind den ersten Geburtstag stand ihnen eine Extrazahlung zu Zur Kontrolle wurden Inspektoren eingesetzt aber auch Pfarrer und Ortsobrigkeiten sowie Kreis und Distriktarzte und spater Landesimpfarzte wurden in die Uberwachung einbezogen Innerhalb Wiens und in den Vorstadten gab es einen eigenen Visitator ab 1788 waren es drei und ab 1824 vier Die Kontrollore konnten jedoch nur punktuell wirken sodass der Leitung des Findelhauses die Konfrontation mit extremen Fallen von Kindesvernachlassigung nicht erspart blieb So berichtete etwa ein Arzt der als Findelkindaufseher fungierte im Jahr 1825 von elenden feuchten Hutten in welchen sich etwa folgendes Bild bot 23 Auf einem elenden uber zwei Tische gebreiteten Strohlager lagen vier Findlinge keiner noch 2 Monate alt nebeneinander drei davon vom Durchfall besudelt der vierte vielleicht seit einer Stunde schon tot Ich kenne ein Weib welches in einem Jahr zum 13 Male einen lebenden Findling gegen einen unter ihren Handen gestorbenen erhielt Andere Arzte sprachen von industriosen Kostweibern ausgezehrten unrein gehaltenen und in stinkende Lumpen eingewickelten Findlingen von magerer Kost verabsaumter Befolgung arztlicher Anordnungen sowie von Misshandlungen Als im Laufe des 19 Jahrhunderts die Mortalitat unter den Findelkindern sank kam es seltener vor dass Pflegefrauen sich alle paar Wochen ein neues Kind holten immer mehr kummerten sich nun mehrere Jahre um ein Findelkind Die verbesserten Uberlebenschancen waren mit ein Grund dafur dass nachdem im Jahr 1880 mit 9820 Kindern die hochste Aufnahmezahl im Findelhaus erreicht wurde im Jahr 1881 mit 36 364 der Hochststand an insgesamt zu versorgenden Findelkindern erreicht wurde Das Sanktionsmittel fur besonders nachlassige Pflegefamilien oder wenn unter ihrer Pflege besonders viele Kinder gestorben waren war in der Regel der Entzug des Pflegekindes Es konnten aber auch ganze Bezirke vorubergehend von der Findelpflege ausgeschlossen werden wenn sich dort Falle schlechter Pflege hauften Das betraf etwa 1873 1874 sowohl Kojakovice im bohmischen Bezirk Trebon als auch die niederosterreichische Gemeinde Haugsdorf 1877 1878 die steirische Gemeinde Loipersdorf und das bohmische Jilovice Bezirk Trebon und 1883 1884 die Bezirke Zwettl Niederosterreich sowie Friedberg Steiermark Die in Pflege gegebenen Kinder aus der jeweiligen Region wurden dann einfach abgeholt Besonders erschwert wurden die Kontrollen indem die Findlinge ab der Mitte des 19 Jahrhunderts auch in andere Kronlander vergeben wurden 24 22 Stillen Bearbeiten Pflegefrauen die zum Stillen in der Lage waren wurden als Brustparteien bezeichnet und bei der Vergabe der Kinder bevorzugt Durch die enorme Zahl an Findlingen standen jedoch nicht genugend Frauen zur Verfugung die diese Anforderung erfullten weshalb die Sauglinge oft nach acht Tagen im Gebarhaus wo sie von ihrer Mutter gestillt wurden und einem Tag Ammenmilch im Findelhaus auf Ersatznahrung umgestellt wurden zumeist mit Wasser verdunnte Kuhmilch Das uberlebten nur sehr robuste Kinder Ein Arzt in den 1870er Jahren schatzte dass die Todesursache bei 40 bis 70 der verstorbenen Sauglinge Verdauungserkrankungen waren Wohnort und soziale Lage der Pflegefamilien Bearbeiten In den Anfangsjahren des Findelhauses gehorten die Pflegefamilien uberwiegend den Berufsgruppen der kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden an die zweitgrosste Gruppe waren Tagelohner Einer landwirtschaftlichen Tatigkeit gingen im Jahr 1799 nur 3 8 der Pflegefamilien nach Zu dieser Zeit war das Einzugsgebiet der Pflegefrauen noch sehr beschrankt sie wohnten immer in oder nahe bei Wien oft in den Vorstadten Das war auch durch die Findelhausadministration so festgelegt die verlangte dass Findlinge im Winter nur an Kostorte die nicht weiter als funf Meilen von Wien entfernt liegen abgegeben werden durften Bis 1840 waren andere Kronlander ausser Niederosterreich von der Findelkindubernahme grundsatzlich ausgeschlossen Ausnahmen wurden jedoch gemacht wenn in Niederosterreich nicht genug Pflegefrauen gefunden werden konnten oder auch wenn die Pflegefrau zugleich ein alteres Findelkind zur unentgeltlichen Pflege mitnahm So wurden beispielsweise 1821 auch Findelkinder an Ungarinnen abgegeben Offiziell war es ab den 1840er Jahren erlaubt Kinder in die Kronlander abzugeben Wien sollte nach dem Willen der Findelhausdirektion wegen der uberwiegend aus den klassischen Arbeiterbezirken kommenden Pflegefrauen als Pflegeort an Bedeutung verlieren Niederosterreich entwickelte sich zum Hauptabnehmer 1857 waren etwa 450 niederosterreichische Orte als Pflegeorte verzeichnet 1872 gab es 166 niederosterreichische Orte in denen mehr als zehn Findelkinder lebten 1882 kam auf je 140 Einwohner ein Wiener Findelkind Dabei fuhrten die Bezirke Krems Waidhofen an der Thaya und Zwettl die Rangliste an Bezirke in denen die Bevolkerung uberwiegend landlos war und als Tagelohner bei der Ernte und Heumahd arbeitete oder sie waren Kleinhausler die mit dem Verspinnen und Verweben von Flachs fur die Textilindustrie nur wenig dazuverdienen konnten Die Wohnungen bestanden oft nur aus einem einzigen schmutzigen Raum in dem gekocht gewaschen gewebt gegessen und geschlafen wurde Die regionale Haufung der Findelkindubernahme in bestimmten Gebieten wird als Indiz gewertet dass dort fur die landlose Bevolkerung kaum andere Zuverdienstmoglichkeiten vorhanden waren und die Findelpflege den Charakter eines Gewerbes hatte Neben Niederosterreich traf das auch auf einige Gebiete Westungarns zu wo 1857 ein Sechstel aller neu aufgenommenen Kinder untergebracht wurde 1888 schon mehr als ein Drittel Ebenso gab es Haufungen in Bohmen wo 1888 rund 16 der Kinder aufgenommen wurden In diesem industriell wichtigsten Teil Cisleithaniens gehorten die Pflegeeltern zu rund 20 und mehr einem Handwerk oder Gewerbe an Ab Mitte des 19 Jahrhunderts entwickelte sich weiters die Oststeiermark insbesondere der Bezirk Hartberg zu einem wichtigen Abnehmer von Findelkindern Aus einem Rechenschaftsbericht des Findelhauses Anfang der 1890er Jahre geht hervor dass hier viele Findelkinder uber das Entlassungsalter hinaus behalten wurden Uberwiegend waren die oststeirischen Pflegefamilien Selbstversorgerbauern Keuschler und Bergler fur die die Kinderubernahme ebenfalls dringend notiges Bargeld ins Haus brachte Zur Gemeinsamkeit der sozialen Klasse kam in der Oststeiermark noch ein weiteres Phanomen Ernst Mischler beobachtete im Jahr 1896 dass die Findlinge vielfach in dieselben Gegenden Dorfer und Gemeinden wieder in Pflege zuruckkommen aus denen ihre Mutter herstammten In den so entstandenen Aufnahmezentren wurden neben Kindern aus dem Wiener Findelhaus auch Kinder aus anderen Anstalten etwa Prag Brunn oder Graz in Pflege genommen wobei Wien das meiste Kostgeld bezahlte Niederosterreich war das einzige Land das Findelkinder ausschliesslich aus dem Wiener Findelhaus ubernahm 25 Missbrauch des Findelwesens Bearbeiten Pflegefrauen gelang es immer wieder Kostgeld fur bereits verstorbene Findelkinder zu beziehen indem sie entweder den Tod des Kindes nicht meldeten oder andere eigene Kinder als Findelkinder ausgaben und illegal besorgte Lebensbestatigungen vorwiesen Das brachte nicht nur das Kostgeld als finanziellen Vorteil sondern auch den Gratisbezug von Medikamenten fur ein anderes Kind Auch Nachweise der Stillfahigkeit wurden gefalscht um schneller an ein Findelkind zu kommen Da fur Kinder im ersten Lebensjahr das meiste Kostgeld bezahlt wurde hatten manche Pflegefamilien gar kein Interesse am Uberleben der Kinder sie konnten den toten durch einen neuen Findling austauschen Diese Form der Engelmacherei fand vielfach Nachahmung Fur die zum Empfang des Kostgeldes notigen Zahlbuchel wurden bei Kaufleuten Kredite aufgenommen So befand sich bei Uberprufungen in Ungarn und der Steiermark im Jahr 1881 so gut wie kein Zahlbuchl im Besitz der Pflegefrauen sondern verpfandet bei Geldboten und Kaufleuten Wie die schlechte Pflege konnte auch das mit dem vorubergehenden Ausschluss von der Findelpflege sanktioniert werden Missbrauch wurde auch durch einige Pfarramter betrieben die trotz wiederholter Ermahnungen unerlaubte Gebuhren fur die Ausstellung der Zeugnisse einhoben Von manchen Gemeinden sind illegale Gebuhren fur die Evidenzhaltung der Findelkinder bekannt Das meiste Geschaft machten jedoch Zwischenhandler die auf lokaler Ebene das Geschaft mit den Findelkindern ubernahmen Zunachst nahmen sie gegen eine Provision den Frauen die beschwerliche Reise nach Wien ab die anfangs zum Beheben des Kostgeldes notwendig war Der Zwischenhandler nahm die Kostbucher in seinen Besitz und die Pflegefrauen konnten sich auch einen Vorschusskredit auf das zu erwartende Kostgeld holen Manche der Zwischenhandler galten auch bei Pfarren und Gemeindevorstanden als Autoritat ihre Kompetenz wurde nicht hinterfragt manche gaben sich auch als Bevollmachtigte des Findelhauses aus Sie organisierten schliesslich auch die Abholung der Kinder vom Findelhaus indem sie etwa den Frauen das Geld fur die Reise vorstreckten ihnen in Wien Quartier gaben und die Ubernahme eines Sauglings uber Kontakte im Findelhaus vermittelten Oder es wurden Ammen zum Findelhaus geschickt denen sie die zugewiesenen Kinder abnahmen und an Pflegefrauen verkauften Sie verwalteten die Zahlbucher um das Kostgeld zu beheben von dem sie oft mehr als die Halfte einbehielten Dieser Kinderhandel betraf vor allem einige ungarische Bezirke wo es dem Findelhaus nicht mehr moglich war die Kinder wiederaufzufinden sie gingen einfach verloren Nach dem Bekanntwerden dieser Vorfalle in den Jahren 1888 und 1889 verscharfte das Findelhaus die Kontrollen Pflegefrauen der betroffenen Bezirke mussten eine vom Ortspfarrer verfasste und versiegelte Personenbeschreibung vorweisen Ungarischen Pflegefrauen wurden keine Zahlbucher mehr ausgehandigt sondern zur Verwaltung und Auszahlung der Pflegegelder an die jeweiligen Pfarramter gesendet Ab 1891 wurden die Verwaltung der Zahlbucher und die Auszahlung der Kostgelder auch in Niederosterreich und bald danach in der Steiermark auf die lokalen Behorden ubertragen Es wird angenommen dass die Findelkinder schon in sehr jungen Jahren neben ihrer Funktion als Geldquelle auch als zusatzliche Arbeitskrafte dienten Sie waren aufgrund ihrer unehelichen Geburt stigmatisiert und fuhrten in den Familien oft ein Aussenseiterdasein das mehr an sehr junge Dienstboten erinnerte 26 24 Entlassung aus der Versorgung durch das Findelhaus BearbeitenMit dem Erreichen des Normalalters endete fur die Kinder die Versorgung durch das Findelhaus Anlasslich dieses Ereignisses erhielten sie noch einmal dem Alter entsprechende Bekleidung und Schuhe Das Normalalter lag anfangs bei funfzehn Jahren die Kinder waren also mehr oder weniger erwachsen und konnten unter den ihnen gebotenen Moglichkeiten ihren weiteren Lebensweg wahlen Sofern sie nicht vorher gestorben sind denn dieses Alter erreichten bis 1806 nur funf Prozent der Findelkinder Das Normalalter wurde 1805 auf zwolf und 1829 auf zehn Jahre herabgesetzt Danach wurden sie entweder ihrer leiblichen Mutter zuruckgegeben blieben bei den Pflegeeltern oder sie wurden an die kommunale Armenversorgung abgegeben Kamen sie zu ihren leiblichen Muttern hing ihr weiteres Wohlergehen sehr davon ab ob die Mutter bisher mit ihren Kindern in Kontakt geblieben sind oder ob sie einander fremd waren In den Jahresberichten der 1899 von Lydia von Wolfring gegrundeten Kinder Schutz und Rettungsgesellschaft finden sich immer wieder Falle die eine solche Entfremdung in Form von Misshandlungen deutlich machen und auch am 1907 abgehaltenen ersten osterreichischen Kinderschutzkongress war die Entfremdung der Findelkinder eines der Themen Blieben die Kinder bei den Pflegeeltern so hatten diese das Recht sie bis zu ihrem 22 Lebensjahr fur diverse Arbeiten wie Feld oder Hausarbeit zu verwenden Dabei bekamen jungere Kinder noch leichtere Aufgaben ab ihrem 13 Lebensjahr mussten die meisten wie Erwachsene arbeiten Eine Statistik daruber wie viele Kinder bei ihren Pflegeeltern blieben und wie viele zu ihren Muttern kamen wurde nicht gefuhrt es liegen nur vereinzelte Zahlen vor So blieben einer Notiz aus den 1890er Jahren zufolge etwa 38 der Findelkinder bei ihren Pflegeeltern Aufzeichnungen uber die Abgange zwischen 1863 und 1872 zeigen dass etwa 60 der Kinder bereits vor Erreichen des Normalalters aus der Findelpflege entlassen wurden was nur geschehen konnte wenn eine Privatperson die weitere Versorgung ubernahm Ob das immer die eigenen Eltern waren geht daraus nicht hervor Ruckholungen durch die eigenen Eltern waren seit 1829 ohne Entschadigungszahlungen moglich Fur die Armenkinderversorgung war ausser es handelte sich um eingezahlte Kinder die Heimatgemeinde der Mutter zustandig auch wenn diese schon lange nicht mehr dort lebte Die Kinder wurden von den Pflegeeltern in das Findelhaus zuruckgebracht und von dort entweder durch die Heimatgemeinde abgeholt oder per behordlichem Wiener Schub in die jeweilige Gemeinde uberstellt Dafur mussten sie die Nacht vor dem Transport im Wiener Polizeihaus verbringen Die Praxis zehnjahrige Kinder gemeinschaftlich mit Vagabunden und Schublingen unterzubringen wurde erstmals 1874 vom Findelhausdirektor Carl Friedinger kritisiert nachdem er bei einem Besuch im Polizeihaus Findelkinder in Gesellschaft von Dirnen sah Der niederosterreichische Landtag musste in seinen Untersuchungen feststellen dass es hauptsachlich nach Niederosterreich zustandige Kinder waren die per Schub transportiert wurden wahrend etwa ungarische Kinder meistens von Verwandten abgeholt wurden Noch im selben Jahr wurde daher verordnet dass Delegierte der Heimatgemeinden die Kinder abholen mussten Nach Bohmen wurden sie ab 1891 in Gruppen verschickt Daruber wem sie letztendlich ubergeben wurden gibt es keine Aufzeichnungen im Findelhaus wurde bloss normalalt ab vermerkt Die Forschung nimmt jedoch an dass sie ihr Leben in der landlichen Unterschicht oder im stadtischen Proletariat verbrachten konfrontiert mit den gegen sie gerichteten Vorurteilen 27 Mortalitat BearbeitenBis zum Jahr 1813 starben 97 der im Findelhaus aufgenommenen Kinder wahrend der Verpflegungsdauer Gemessen an der Gesamtzahl der im jeweiligen Jahr durch das Findelhaus versorgten Kinder entspricht dies einer Mortalitatsrate von 59 Im Untersuchungsjahr 1799 starb die Halfte der Kinder wahrend des ersten Lebensmonats den ersten Geburtstag erlebten 90 nicht Wahrend des 19 Jahrhunderts sank die Sterblichkeitsrate Von den wahrend des Bestehens des Findelhauses insgesamt aufgenommenen 730 130 Kindern starben ca 493 670 oder knapp 68 28 29 Davon starben bis zum Ende des 19 Jahrhunderts rund 30 im Findelhaus 70 bei den Pflegeparteien danach sank der Anteil jener Kinder die noch im Findelhaus verstorben sind auf 9 4 Uber die Sterblichkeit im Gebarhaus gibt es keine Aufzeichnungen 30 Eine deutliche Erhohung des Pflegegeldes war ein wirksames Mittel um die Kindersterblichkeit zu senken Nach einer Erhohung im Jahr 1813 sank die Sterblichkeitsrate von 94 im Jahr 1812 auf 78 nach einer weiteren Erhohung sank sie von 76 im Jahr 1872 auf 65 im Jahr 1873 jeweils gemessen an der Aufnahmezahl Von kleineren Anpassungen abgesehen gab es jedoch im 19 Jahrhundert keine weiteren Erhohungen des Pflegegeldes 28 Das Findelhaus hatte nicht nur durch steigende Aufnahmezahlen immer mehr Kinder finanziell zu versorgen sondern auch dadurch dass aufgrund der verbesserten Uberlebenschancen mehr Kinder das kritische erste Lebensjahr uberlebten und alter wurden Nach der Pflegegelderhohung im Jahr 1813 hatte sich die Zahl der Findelkinder aus Wien innerhalb von 16 Jahren verfunffacht der Erhohung von 1873 folgte eine Verdoppelung der Zahl innerhalb von acht Jahren 24 Der Umgang mit dem Tod BearbeitenFur Findelkinder die an ihrem Kostort starben trug der totenbeschauende Arzt auf dem Kindeszeichen Todesort und Todestag ein der Pfarrer vermerkte das Datum des Begrabnisses Kinder die wahrend des Transports vom Findelhaus zum Kostort starben wurden bis 1839 ins Findelhaus zuruckgebracht danach mussten sie am Ort des Todes beschaut und begraben werden Sofern das Kind nicht langer als acht Monate uberlebt hat musste die Pflegemutter das seit 1830 ausgefolgte Waschepaket ins Findelhaus zuruckbringen abzuglich eines Hemdchens das als Totenhemd diente Starb ein Kind in der Anstalt wurde die Totenbeschau durchgefuhrt und das Kind konnte von den Angehorigen begraben werden die dann allerdings auch fur die Kosten aufkommen mussten was sich die wenigsten leisten konnten Kinder judischer Frauen holte ein Diener der judischen Kultusgemeinde ab die das Begrabnis ubernahm Der Grossteil der Kinder diente nach dem Tod der Ausbildung und Forschung der Arzte Die spatere Beerdigung fand in Form eines Armenbegrabnisses statt bei dem zehn bzw zwanzig Kinderleichen gemeinsam in einen Sarg gelegt wurden Dafur wurde eine jahrliche Pauschale bezahlt Ab dem 1 November 1874 fanden diese Begrabnisse auf dem Wiener Zentralfriedhof statt Das zahlenmassig betrachtliche Leichenmaterial teilten sich anfangs Pathologie Anatomie und die Findelanstalt Ein schwedischer Arzt der um 1840 Carl von Rokitansky besuchte berichtete 31 Zahlreiche Leichen aus dem Findelhaus lagen neben seinem Horsaal aufgeschichtet ohne seziert zu sein Ich erhielt seine Erlaubnis sie zu untersuchen unter der Bedingung dass ich ihm zeigen sollte wenn ich etwas Bemerkenswertes fand Ich sezierte Hunderte von Leichen aber ohne viel zu lernen weil ich nichts uber den vorhergehenden Krankheitsverlauf erfuhr Die Ubergabe der Findelanstalt in niederosterreichische Landesverwaltung fuhrte zu jahrzehntelangen Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Arzten des Findelhauses den Gebarkliniken und der pathologischen Anstalt des Allgemeinen Krankenhauses die an dem Material gleichermassen Interesse hatten Es wurde schliesslich beschlossen dass die Leichen zunachst den Findelhausarzten zustehen wurden Jene Kinderleichen die sie nicht benotigten kamen ins Allgemeine Krankenhaus Ende der 1870er Jahre weigerte sich der niederosterreichische Landesausschuss die Begrabniskosten jener Kinder zu tragen die von Arzten des Allgemeinen Krankenhauses seziert wurden Eine Einigung in dem Streit um die Kinderleichen kam erst 1890 zustande Die Leichen wurden nun dreimal taglich aus der Gebaranstalt und zweimal taglich vom Findelhaus abgeholt und standen nach der Leichenbeschau im Allgemeinen Krankenhaus mit Wahrung des dem pathologisch anatomischen Museum zustehenden Rechtes wieder den Arzten von Gebar und Findelhaus zur Verfugung 32 Diskriminierung von judischen Frauen und ihren Kindern BearbeitenDie katholische Zwangstaufe der Kinder von judischen Frauen zeigt die rechtliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Menschen judischen Glaubens im 18 und 19 Jahrhundert Doch die Zwangstaufe hatte neben der katholischen Erziehung bei den Pflegeeltern noch weitreichendere Folgen Wollte eine judische Mutter ihr Kind zurucknehmen egal ob vor oder nach Ablauf der Findelpflege wurde ihr dies mit der Begrundung der unterschiedlichen Religionszugehorigkeit verwehrt Auch wahrend der Findelpflege wurde der Kontakt zwischen judischen Muttern und ihren katholisch zwangsgetauften Kindern konsequent unterbunden die Mutter durften weder Namen noch Aufenthaltsort ihrer Kinder erfahren Das galt nur dann nicht wenn die Mutter ihre Aufnahme in der katholischen Kirche bestatigen konnte Ab 1848 erfolgte Proteste der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurden mit Verweis auf die bestehenden Regelungen zuruckgewiesen Der damalige Findel und Gebarhausdirektor Franz Prinz bezeichnete es 1852 als undurchfuhrbar judische Pflegeeltern zu suchen oder fur eine gesonderte Speisenzubereitung im Gebarhaus zu sorgen Ausserdem sei es das Recht des Staates die ihm uberlassenen Kinder in der Religion der Mehrheit zu erziehen Erst ab dem Jahr 1868 konnten Mutter uber die Religionszugehorigkeit ihrer Kinder entscheiden 15 Bis zu diesem Zeitpunkt waren judische Mutter auch von der Ammenwahl im Findelhaus ausgeschlossen 17 Zwangsgetaufte Kinder judischer Mutter wurden bei den Pflegeparteien schlechter versorgt als Kinder katholischer Mutter Das zeigt sich in einer erhohten Sterblichkeitsrate Um die Mitte des 19 Jahrhunderts starben noch immer 94 dieser Kinder Von den 1816 bis 1868 belegten uber 2 500 judischen Kindern wurden alle getauft und von ihren Muttern getrennt Nach 1868 als die Zwangstaufe weggefallen war kamen judische Kinder aufgrund des Mangels an judischen Pflegefrauen teilweise auch zu katholischen Pflegeeltern Diese durften die verstorbenen Pflegekinder in die Findelanstalt zuruckbringen es wird angenommen dass diese Regelung ihre Ursache darin hat dass katholische Pfarrer sich haufig weigerten ein judisches Kind zu begraben Die uberdurchschnittlich hohe Sterblichkeit judischer Kinder sank schlagartig nachdem sich die Kultusgemeinde 1871 zu jahrlichen Zahlungen an das Findelhaus entschloss 33 Die Vater BearbeitenEs entsprach dem Verstandnis von Anonymitat dass nach den Vatern der unehelichen Kinder nicht geforscht wurde das besagten auch die Direktivregeln Daran anderte sich auch nichts nachdem 1811 die Unterhaltspflicht des Vaters im ABGB eindeutig geregelt wurde Allerdings finden sich in den Findelhausbuchern Aufzeichnungen fur die ersten Wochen des Jahres 1784 darin wurden die Vater in 93 4 der Falle unter Angabe ihres Berufes eingetragen Die mit 37 5 grosste Gruppe waren Angehorige verschiedener Gewerbe diese waren zur Halfte Gesellen Soldaten waren mit 29 7 die zweitgrosste Gruppe Bediente und Knechte waren zu 25 8 vertreten Ebenso berichtete der langjahrige Anstaltsdirektor Carl Friedinger von seinen Beobachtungen wonach viele der Vater Soldaten oder Handwerker waren Die Vater waren also uberwiegend selbst nicht in der Lage zu heiraten und einen Hausstand zu grunden Die allgemeine Annahme uneheliche Kinder waren in Beziehungen zwischen Dienstherren und Dienstbotinnen gezeugt worden durfte daher nicht der Realitat entsprochen haben Als das Findelhaus durch die sinkende Kindersterblichkeit immer mehr Kinder versorgen musste konnte auch die sukzessive Beschrankung der Anstalt auf die niederosterreichischen Landesangehorigen die Kostenexplosion nicht eindammen Es dauerte bis 1905 bis die Heranziehung der Vater fur den Unterhalt der Kinder ins Auge gefasst wurde Dafur war eine Anderung des Statutes durch den niederosterreichischen Landtag notwendig laut dem es bis dahin untersagt war die Mutter nach dem Kindesvater zu fragen Nach dem Vorbild der steirischen Findelanstalt wurde schliesslich im Juli 1907 eine Rechtsschutzabteilung eroffnet Deren Aufgaben waren die Abwicklung der vormundschaftlichen Geschafte und die Geltendmachung der Alimentationsanspruche der unehelichen Kinder gegenuber ihren Vatern Die Umsetzung des seit 1811 im ABGB festgeschriebenen Rechtes der Kinder nach fast hundert Jahren erfolgte somit in erster Linie aus finanziellen Aspekten 34 Das Saugammeninstitut BearbeitenFrauen die den Ammendienst hinter sich gebracht hatten wurden haufig als Privatammen weitervermittelt Das war bereits seit der Errichtung des Findelhauses ublich im Jahr 1801 wurde schliesslich das Saugammeninstitut gegrundet Die Ammen wurden arztlich untersucht und das Institut warb damit reine gesunde Ammen zu vermitteln Gleichzeitig wurde gewarnt keine Amme aufzunehmen deren Gesundheitszeugnis alter als drei Tage war Es wurde auch eine zweiwochige Garantie fur die Tauglichkeit der Amme gegeben Verlor die Amme wahrend dieser Zeit ihre Milch war das Institut verpflichtet eine andere Amme zu schicken Wurde sie hingegen vertragsbruchig wurde sie mit der Entlassung ihres Kindes aus dem Findelhaus bestraft Es sollte eine Monopolstellung erreicht und die privaten Ammenzubringerinnen verdrangt werden Doch das konnte trotz politischer Massnahmen wie der Verpflichtung zu arztlichen Untersuchungen im Findelhaus auch fur private Ammen nie erreicht werden Zwischen 1863 und 1872 stellte das Saugammeninstitut 40 aller Hausammen 1897 waren es nur noch 10 Zugleich verlor gegen Ende des 19 Jahrhunderts das Ammenwesen erheblich an Bedeutung Die Pasteurisierung von Milch wurde moglich und die ersten Surrogate fur Sauglingsnahrung kamen auf den Markt 17 Das Schutzpockenhauptinstitut BearbeitenNach der Entwicklung der Schutzimpfung gegen Pocken durch Edward Jenner Ende des 18 Jahrhunderts wurden im Jahr 1801 Versuche im Wiener Allgemeinen Krankenhaus mit 26 Kindern durchgefuhrt wovon 21 aus dem Findelhaus stammten Aufgrund des positiven Ausgangs wurde 1802 das Schutzpockenhauptinstitut im Findelhaus installiert Dieses bot der Bevolkerung eine kostenlose Impfung an und versorgte Impfarzte der gesamten Monarchie mit Impfstoff Der Impfstoff wurde dabei von Findelkindern den sogenannten Stammimpflingen gewonnen Es kam jedoch regelmassig zu Impfstoffknappheit Arzte hatten auch die Moglichkeit sich ein Findelkind als Stammimpfling auszuborgen Eine moglichst breite Immunisierung der Bevolkerung wurde angestrebt und die Massnahmen zu deren Erreichen wurden immer rigider Arzte bekamen Belohnungen wenn sie besonders viele Menschen impften Pfarrern wurde aufgetragen der Bevolkerung zweimal jahrlich von der Kanzel die Impfung ans Herz zu legen eine Meldepflicht wurde eingefuhrt die Pfarrer hatten viermal jahrlich die an den Pocken Verstorbenen zu verlesen ungeimpfte verstorbene Kinder mussten ohne Begleitung beerdigt werden 1815 und 1816 wurde das Erstellen von Listen von Familienoberhauptern angeordnet die die Impfung verweigerten Im Findelhaus selbst wurden die Kinder der Ammen geimpft da nur sie lange genug im Haus waren Die Brustkinder waren es auch die als Stammimpflinge verwendet wurden Bei den anderen Kindern mussten sich die Pflegeeltern um die Impfung kummern taten sie es nicht konnte ihnen das Kostgeld gestrichen werden Im Jahr 1893 verlor das Findelhaus seine Funktion als Impfinstitut Ein eigenes Institut zur Gewinnung von tierischem Impfstoff wurde gegrundet Dieses blieb aber in raumlicher Nahe es befand sich in einem neu errichteten einstockigen Gebaude im Garten des Findelhauses Die ersten Versuche mit Kalber Lymphe wurden wiederum an Findelkindern durchgefuhrt 35 Das Ende des Findelhauses BearbeitenIn den 1860er Jahren entbrannte der sogenannte Findelhausstreit bei dem Gelehrte uber den Sinn der Anstalt und der Findelhauser uberhaupt diskutierten Die Befurworter fanden nicht das System an sich schlecht sondern lediglich dessen Organisation Sie waren der Ansicht eine Reform weg vom Stempel der Anonymitat hin zu mehr Schutz und Wahrung der den Kindern im ABGB zugestandenen Rechte konnte die Probleme losen Die Gegner propagierten das Konzept der Mutterliebe die von selbst erwachen wurde ermoglichte man den Muttern ihre Kinder selbst zu betreuen Die Diskussion verebbte in den 1870er Jahren nachdem einige Anstalten anderer Stadte geschlossen wurden In Wien wurde ab 1870 die Moglichkeit gefordert den Muttern ihre Kinder selbst in Pflege zu geben Erneut entstand eine Diskussion in den 1880er Jahren diese entbrannte jedoch an den Fragen Mortalitat und Finanzierbarkeit Das Findelwesen sah man nun immer mehr zum Bereich der Armenfursorge gehorend da der einzige Grund fur die Abgabe der Kinder die Armut der Mutter war und forderte eine Ruckfuhrung der Zustandigkeit auf Staatsebene Ein eigenes Kinderschutzgesetz eine generelle Regelung der Armenkinderfursorge und neue Institutionen wie Kinderasyle bewahranstalten und krippen wurden diskutiert und gefordert Der Direktor der Anstalt Carl Friedinger konnte den Wesenswandel der Anstalt nicht nachvollziehen Er hielt es immer noch fur vernunftiger der Mutter die Ehre zu retten und dem Kinde das Leben zu erhalten als wegen des ungewissen Erbtheils des Kindes der verschamten jungen Mutter das Vertrauen auf die Zukunft zu zerstoren 36 Zugleich uberschatzte er angesichts der Probleme mit der Aussenpflege die Fahigkeiten des Findelhauses 36 Sind die unehelichen Kinder geboren so rath die Staatsklugheit dieselben nicht zu verlassen Will man die Zunahme der Proletarier der Socialisten der Anarchisten der Nihilisten und wie die Feinde der Ordnung Alle heissen mogen Einhalt thun so muss man sich der Kinder der Armen bemachtigen und die Kinder fur das Wahre Schone und Gute mehr als die Eltern empfanglich machen Wahrend in Graz bereits ein Kinderschutzgesetz erlassen und das Findelwesen vollstandig reformiert waren kam es in Wien ab 1898 zu schrittweisen Reformen deren Umsetzung bis 1907 dauerte da der Niederosterreichische Landesausschuss ein allzutiefes Einschneiden von weitausgreifenden Neuerungen in jahrhundertelang eingelebte Gewohnheiten vermeiden wollte Diese Reformen waren zunachst die Trennung der Gebar von der Findelanstalt das Ende der Anonymitat neue auf tatsachliche Armut statt auf Unehelichkeit ausgerichtete Aufnahmebedingungen Forderung des Kontaktes zwischen Mutter und Kind Verpflichtung der Kindesvater zur Alimentationsleistung wofur 1907 eine Rechtsschutzabteilung eingerichtet wurde ein Neubau sowie die Neuorganisation der Kinderfursorge im Allgemeinen und die Vorbereitung eines Kinderschutzgesetzes Bei der Grundsteinlegung fur den Neubau im Jahr 1908 wurde auch die Namensanderung fur die neue Institution beschlossen Mit dem Verschwinden der Begriffe Findelanstalt und Findelkind wollte man gleichzeitig den diesen Kindern lebenslang anhaftenden Makel beseitigen Der Beschluss des Statuts fur das neu zu grundende Niederosterreichische Landes Zentralkinderheim erfolgte 1909 1910 und war der Abschluss der 1898 begonnenen Reformierung des Findelkindersystems Dessen Zweck war nun der Schutz bedurftiger Kinder die der elterlichen Fursorge dauernd oder vorubergehend entbehren mussten aber auch die in der Landesgebaranstalt in Wien geborenen ausserehelichen Kinder aufzunehmen Das Niederosterreichische Landes Zentralkinderheim wurde am 20 April 1910 in Gersthof eroffnet und zugleich das Findelhaus geschlossen 37 Direktoren BearbeitenDirektoren des Vereinigten Wiener Findel und Waisenhauses 1784 1785 Ignaz Parhamer 1785 1806 AndreUnter der Verwaltung des Allgemeinen Krankenhauses waren dessen Direktoren zugleich Direktoren des Gebar und Findelhauses 1805 1811 Franz Nord 1811 1818 Johann Valentin Hildenbrand 1818 1829 Johann Nepomuk Raimann 1829 1830 Andreas Belleczky 1830 1831 Johann Christian Schiffner 1831 1837 Franz Gunther 1838 1848 Johann Christian Schiffner 1848 1851 Theodor HelmDirektoren des Gebar und Findelhauses 1851 1867 Franz Prinz 1867 1888 Carl Friedinger 1889 1901 Ernst BraunDirektor des Findelhauses und des spateren Landes Zentralkinderheims 1901 1910 Gustav Riether 38 Kurioses BearbeitenAufgrund des Findelhauses aber auch der anderen Spitaler in der Umgebung besitzt die Pfarre der Alserkirche das derzeit grosste Matrikenarchiv Europas 4 Siehe auch BearbeitenFindelkindLiteratur BearbeitenVerena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 Verena Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 In Osterreichische Gesellschaft fur Geschichtswissenschaften Wien Hrsg Die Kinder des Staates Children of the State Osterreichische Zeitschrift fur Geschichtswissenschaften Band 25 2014 1 2 StudienVerlag Ges m b H Innsbruck 2014 ISBN 3 7065 1548 2 Online PDF 769 kB abgerufen am 30 August 2021 Einzelnachweise Bearbeiten a b Bernhard Grois Das Allgemeine Krankenhaus in Wien und seine Geschichte Verlag fur med Wissenschaften Wilhelm Maudrich Wien 1965 S 26 39 a b Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 2 Kapitel Die Entstehung einer Institution S 37 45 a b Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 18 21 a b c Peter Csendes Ferdinand Opll Wien Von 1790 bis zur Gegenwart Bohlau Verlag Wien 2006 ISBN 978 3 205 99268 4 S 20 21 a b c d Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 5 Kapitel Im Haus S 109 110 114 115 a b c d e Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 25 28 und Fussnote 77 auf S 39 Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 21 23 a b Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 3 Kapitel Die Mutter S 46 47 51 53 57 61 69 a b Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 25 Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 25 a b Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 31 35 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 S 46 Verena Pawlowsky Trinkgelder Privatarbeiten Schleichhandel mit Ammen Personal und Patientinnen in der inoffiziellen Okonomie des Wiener Gebarhauses 1784 1908 In Jurgen Schlumbohm Hrsg Rituale der Geburt C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen 1998 ISBN 3 406 42080 X S 213 Aus den Amtsinstruktionen zitiert in Verena Pawlowsky Trinkgelder Privatarbeiten Schleichhandel mit Ammen Personal und Patientinnen in der inoffiziellen Okonomie des Wiener Gebarhauses 1784 1908 In Jurgen Schlumbohm Hrsg Rituale der Geburt C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen 1998 ISBN 3 406 42080 X S 214 a b c Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 3 Kapitel Die Mutter Religion S 71 74 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 S 83 a b c d Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 5 Kapitel Im Haus Abschnitt 2 Die Ammen S 116 118 130 a b Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 5 Kapitel Im Haus Abschnitt 5 Altere Kinder S 146 148 Instruction fur die Aufseherin 1816 zitiert in Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 S 119 Verena Pawlowsky Trinkgelder Privatarbeiten Schleichhandel mit Ammen Personal und Patientinnen in der inoffiziellen Okonomie des Wiener Gebarhauses 1784 1908 In Jurgen Schlumbohm Hrsg Rituale der Geburt C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen 1998 ISBN 3 406 42080 X S 206 214 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 5 Kapitel Im Haus Abschnitt 3 Das Personal S 130 132 a b Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 6 Kapitel Die Aussenpflege S 151 161 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 S 159 a b c Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 28 31 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 6 Kapitel Die Aussenpflege 1 Abschnitt Die Pflegefrauen Unterabschnitt Soziale Lage S 161 171 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 6 Kapitel Die Aussenpflege Abschnitt 2 Die Pflege S 172 187 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 6 Kapitel Die Aussenpflege Abschnitt 3 Die Findelkinder S 193 198 a b Pawlowsky Das Aussetzen uberlastiger und nachtheiliger Kinder Die Wiener Findelanstalt 1784 1910 2014 S 24 37 39 Fussnote 34 Fussnote 92 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 7 Kapitel Uberlebenschancen und Todesrisiken S 200 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 7 Kapitel Uberlebenschancen und Todesrisiken 2 Abschnitt Analyse der Faktoren Unterabschnitt Geburtsort Todesort und Todesalter S 216 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 7 Kapitel Uberlebenschancen und Todesrisiken 3 Abschnitt Der Umgang mit dem Tod Totenbeschau Sektion und Begrabnis S 249 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 7 Kapitel Uberlebenschancen und Todesrisiken 3 Abschnitt Der Umgang mit dem Tod Totenbeschau Sektion und Begrabnis S 248 250 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 7 Kapitel Uberlebenschancen und Todesrisiken 2 Abschnitt Analyse der Faktoren Unterabschnitt Konfession S 242 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 4 Kapitel Die diskrete Geburt Geheimhaltung der Mutterschaft Abschnitt 4 Die Vater S 105 108 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 5 Kapitel Im Haus Abschnitt 4 Hygiene Unterabschnitt Impfung S 142 145 a b Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 Kapitel Das Ende des Findelwesens 2 Abschnitt Ein System in Diskussion S 265 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 Kapitel Das Ende des Findelwesens 2 Abschnitt Ein System in Diskussion S 257 268 Verena Pawlowsky Das Gebar und Findelhaus in Wien 1784 1910 Studien Verlag Innsbruck Wien Munchen 2001 ISBN 978 3 205 99268 4 Anhang 11 S 304 305 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wiener Gebar und Findelhaus amp oldid 236739221