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Der Vishnuismus oder Vaishnavismus von Sanskrit व ष णव Vaiṣṇava ˈʋaiʂɳʌʋʌ zu Vishnu gehorig ist eine Richtung des Hinduismus die Vishnu als hochstes Allwesen annimmt Ihm sind hier alle anderen Gotter untergeordnet oder gehen aus ihm hervor Der Vishnuismus ist neben Shivaismus und Shaktismus eine der drei wichtigsten Richtungen des Hinduismus Nach einer Schatzung von Johnson und Grim aus dem Jahr 2010 ist der Vishnuismus auch die grosste hinduistische Richtung die etwa 641 Millionen oder 67 6 der Hindus ausmacht 1 2 Vishnu Miniatur von 1730 Der Vishnuismus enthalt mehrere religiose Stromungen unterschiedlichen Ursprungs Die drei Hauptstromungen beziehen sich auf Vishnu Vasudeva Krishna und Rama den heldenhaften Prinzen im Epos Ramayana Dem Selbstverstandnis nach sind einige vishnuitische Stromungen monotheistisch da sie Vishnu den Einen ohne einen Zweiten verehren beziehungsweise seine Inkarnationen die Avataras Andere Gottheiten wie etwa Shiva und Brahma werden als Vishnu untergeordnet und als seine Diener verstanden Ausser Shiva gelten diese Devas als Halbgotter oder als gewohnliche Seelen Nach vishnuitischen Lehren kann Vishnu sich in unzahlige spirituelle Gestalten vervielfaltigen die alle mit ihm identisch sind Dies gilt als Ausdruck seiner unbegrenzten Macht und nicht als die Manifestation unterschiedlicher in Konkurrenz stehender Gottheiten Um diese Haltung vom traditionellen Monotheismus abrahamitischer Pragung abzugrenzen bezeichnete sie der Indologe Friedrich Max Muller als Henotheismus Die heutige religionswissenschaftliche Literatur dagegen betrachtet Vishnuismus haufig als Monotheismus Eng mit Vishnuismus verknupft ist die Avatara Lehre Danach kehrt Vishnu in zahllosen Inkarnationen auf die Welt zuruck wenn der Dharma Recht und Ordnung schwinden Am bekanntesten sind die Zehn Avataras wovon der letzte Kalki erst im Kali Yuga dem Ende des jetzigen Zeitalters erscheinen soll Die anderen Herabgestiegenen sind Matsya der Fisch Kurma die Schildkrote Varaha der Eber der Lowenmensch Narasimha Vamana der Zwerg Parashurama Rama Krishna und Buddha den manche Traditionen durch Balarama den alteren Bruder von Krishna ersetzen Die Vorstellung einer Vielheit an Inkarnationen wird in der Bhagavad Gita angedeutet und im Bhagavatapurana ausfuhrlich dargestellt Zu den wichtigsten Schriften des Vaishnavismus gehoren die Veden die Upanishaden die Bhagavad Gita die Pancharatra Agama Texte Naalayira Divya Prabhandham und die Bhagavata Purana 3 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Traditionelle Schulen 2 1 Sri Sampradaya und Ramanandi Sampradaya 2 2 Brahma Sampradaya und Gaudiya Sampradaya 2 3 Rudra Sampradaya 2 4 Kumara Sampradaya 2 5 Reformierte Gruppen 3 Heilige 4 Die wichtigsten Texte des Vishnuismus 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 QuellenGeschichte BearbeitenDie genaue antike Entstehung des Vishnuismus ist unklar da die Belege widerspruchlich und sparlich sind 4 Es wird jedoch vermutet dass die Verehrung Vasudeva Krishnas wahrscheinlich schon Ende des 2 Jahrhunderts v Chr verbreitet war was die Garuda Saule von Heliodorus belegt Vishnu selbst wurde bereits im Rigveda erwahnt und man nimmt an dass sich im 9 bis 6 Jahrhundert v Chr eine monotheistische Theologie um ihn entwickelte 5 Rama und Krishna wurden als Inkarnationen Vishnus aufgefasst Den Begriff Vaishnava Vishnuiten verwendete man ungefahr ab dem 4 5 Jahrhundert fur diese Bewegungen die Ursprunge liegen aber sehr viel weiter zuruck Die komplexe Entsehungsgeschichte spiegelt sich auch in den beiden historischen Hauptkonfessionen des Vishnavismus wider Die Bhagavats verehren Vasudeva Krishna und sind Anhanger des brahmanischen Vaishnavismus wahrend die Pacaratrins Narayana als ihren Grunder betrachten und Anhanger des tantrischen Vaishnavismus sind 6 Mit dem Vishnuismus entwickelte sich eine dem Kshatriya Ethos verpflichtete konigliche herrschaftsorientierte Vishnu Mythologie die vor allem in Gestalt der Inkarnation Rama im grossen Epos der Konig von Ayodhya sichtbar wird Neu am Vishnuismus war zu jener Zeit die Konzeption dieses Gottes als hochster und einzig wahrer wirklicher Gott der die Welt und alle Wesen einschliesslich der anderen Gotter in sich tragt und hervorbringt Neu war auch der Weg zur Erlosung einerseits pflichtgemasses und vor allem selbstloses Handeln in der Gesellschaft Karma Yoga und andererseits Bhakti die bedingungslose liebende Hingabe an Vishnu Bhakti vor allem an die Inkarnationen Krishna oder Rama wurde zu einem wichtigen Teil der religiosen Praxis Bhakti kennzeichnet die neue Beziehung zwischen Mensch und Gottheit welche das vedische Opfer ablost und zugleich die intellektuelle Suche nach erlosendem Wissen Jnana Yoga in eine starke emotionale Beziehung einbindet Vor allem in der Bhagavad Gita wird Bhakti Yoga als einer der Wege zur Erlosung geschildert Neu war auch eine weitgehende Ablehnung der traditionellen Kastenordnung Schon bei den im 8 Jahrhundert wirkenden Alvars einflussreiche vishnuitische Poeten in Sudindien hatte sie keine Bedeutung unter den zwolf anerkannten Heiligen gab es einige Shudras Angehorige der untersten Kaste Auch spatere Vertreter des Vishnuismus wie Ramananda 13 Jahrhundert Kabir 15 Jahrhundert und Chaitanya 15 16 Jahrhundert machten bei ihren Anhangern keinen Unterschied nach Kastenzugehorigkeit sie lehnten die Ungleichheit dezidiert ab Wenn man auch nicht das System als solches angriff so sah man doch alle Menschen gleich im Angesicht Gottes Traditionelle Schulen BearbeitenVishnuismus besteht aus mehreren Richtungen die voneinander abweichende Philosophien entwickelt haben Diese werden durch verschiedene traditionelle Schulen den Guru Sampradayas mit zahlreichen Zweigen die oft als eigenstandige Sampradayas wahrgenommen werden uberliefert Die meisten der heutigen Lehren leiten sich von einem dieser Philosophen ab In allen ist Bhakti die liebende Hingabe zu Vishnu Narayana den Avataras Krishna und Rama ein zentraler Punkt ihrer Verehrung und Lehre Sri Sampradaya und Ramanandi Sampradaya Bearbeiten Hauptartikel Sri Vaishnava Der bekannteste Vertreter der nach der Gottin Sri Lakshmi benannten Sri Sampradaya ist der Philosoph Ramanuja 1017 1137 Er lehrte vishisht advaita qualifizierten Nicht Dualismus wonach der all eine Gott Narayana nicht ein all umfassendes von sich aus aller Unterschiede bares Sein ist sondern von Natur aus schon die Einzelseelen und das Unbelebte als Qualitaten besitzt 7 Manche Lehrer dieses Zweiges nutzen die Metapher des Tropfen im Ozeans um den qualifizierten Nicht Dualismus zu erklaren So ist Gott Narayana der Ozean und die Einzelseelen die Tropfen In Qualitat sind sie gleich in Quantitat jedoch nicht Somit ist die Seele ein Teil des Gottlichen und beinhaltet dessen Qualitat sie ist jedoch nicht Gott gleich wie zum Beispiel in der Advaita Lehre sondern ist als ergebener Diener Gottes zu sehen 8 Ramanuja vertritt das Konzept eines personlichen hochsten Wesen Narayana Der verbindende Faktor zwischen dem hochsten Wesen und den individuellen Seelen sei gottliche Liebe Ein heute eigenstandig auftretender Zweig ist die Ramanandi Sampradaya Sie geht auf Ramananda 13 Jahrhundert zuruck der ein Schuler in der Linie Ramanujas war aber spater eigenstandig wurde Ramananda stellte Rama und Sita in das Zentrum der religiosen Verehrung Ein grosser Teil der vishnuitischen Sadhus sind heute Ramanandis Die bekanntesten Anhanger waren Kabir 1440 1518 der eine eigene Schule begrundete sowie der spatere Begrunder des Sikhismus Nanak Die Ramanandi Sampradaya selbst hat zahlreiche Unterzweige Brahma Sampradaya und Gaudiya Sampradaya Bearbeiten Bekannteste Vertreter der nach dem Gott Brahma benannten Brahma Sampradaya sind Madhva wahrscheinlich 13 Jahrhundert auch Anandatirtha genannt sowie der hauptsachlich in Bengalen wirkende Mystiker Chaitanya 1486 1533 dessen Linie die Gaudiya Sampradaya eine Untergruppe der Brahma Sampradaya ist Madhva betonte besonders deutlich den Dualismus dvaita und unterschied streng zwischen Gott der materiellen Welt Prakriti und den Seelen Nicht das Einswerden mit dem Gottlichen sei das Ziel wie es Anhanger der von ihm vehement bekampften Advaita Lehre sahen sondern die Seligkeit in Vaikuntha Vishnus Himmel in der Gegenwart des Gottlichen Chaitanya dagegen betonte sowohl die Dualitat als auch die gleichzeitige Einheit von Gott Seelen und Welt Seine Philosophie wird als acintya bheda abheda tattva bezeichnet die hochste Wahrheit Gott sei auf unvorstellbare Weise gleichzeitig eins bheda und doch verschieden abheda von allem Die Lehre ist mit dem Zusatz acintya also unausdenkbar versehen da sie rational nicht fassbar sei Wahrend Vishnuiten im Sinne Madhvas nur einen sehr kleinen Teil ausmachen sind die vielen Aste und Zweige die von Chaitanyas Linie ausgingen heutzutage kaum uberschaubar Herausragend ist Bhaktisiddhanta Saraswati Thakuras Gaudiya Math aus der die im Westen bekannte Hare Krishna Bewegung als ein Zweig hervorging Rudra Sampradaya Bearbeiten In der nach dem Gott Shiva Rudra benannten Rudra Sampradaya ist der bekannteste Vertreter Vallabha 1479 1531 Er vertritt suddha advaita reinen Nicht Dualismus Danach ist Krishna identisch mit der hochsten Weltenseele dem Brahman und schliesst die Verschiedenheit der Welt in sich selber ein In seinen Kommentaren ist es Vallabha ein besonderes Anliegen seine Anhanger auf den Weg der Gnade pushiti marga zu fuhren Vallabhas Lehre soll von Vishnu Swami ca 13 Jahrhundert einem alteren Meister abstammen Er hatte advaita die reine Nichtdualitat gelehrt Kumara Sampradaya Bearbeiten Nach den vier Sohnen des Gottes Brahma den Kumaras wurde die Kumara Sampradaya auch Sanakadi Sampradaya benannt Wichtigster Vertreter dieser heute weniger popularen Schule ist Nimbarka wahrscheinlich 13 Jahrhundert Er etablierte die Philosophie der dvaita advaita der gleichzeitigen Zweiheit und Nichtzweiheit Gott sei gleichzeitig eins und unterschieden von der Welt Nach dieser Schule wird Moksha die Befreiung durch wahre Erkenntnis erlangt die man ihrerseits durch wahre Gottesverehrung gewinnen kann Fur Nimbarka ist Krishna im Gegensatz zu den anderen vishnuitischen Lehren nicht ein Avatar sondern das eigentliche Wesen Gottes und er identifiziert wie Vallabha Krishna mit dem Brahman Nimbarka war als besonderer Verehrer des gottlichen Paares Radha und Krishna bekannt Reformierte Gruppen Bearbeiten Ausser den genannten Haupt Sampradayas gibt es noch etwa zwolf grossere reformierte Gruppen deren Monche die Sadhus teilweise aussergewohnliche Praktiken ausuben wie etwa jene der Sakhi Sampradaya die in ihrer Verehrung eine weibliche Identitat annehmen Anhanger des Mahanubhoa Pantha lehnen die typisch hinduistische Anbetung des Gottlichen im Bildnis vollig ab Monche der Harshachandi Pantha bleiben auch nach ihrer Initiation Strassenkehrer aus deren Kaste sie uberwiegend stammen Auf den Poeten und Mystiker Kabir geht die Kabira Pantha zuruck Kabir war zunachst Muslim wandte sich aber schon fruh davon ab Er liess in seine Philosophie auch Lehren islamischer Mystik dem Sufismus einfliessen Seine Lieder sind noch heute in ganz Indien Volksgut Die im achtzehnten Jahrhundert gegrundete Schule des spirituellen Lehrers Swaminarayan ist vor allem im indischen Bundesstaat Gujarat verbreitet Angehorige dieser Linie unterhalten besonders durch emigrierte Hindus weltweit Tempel und Zentren so etwa den grossten hinduistischen Tempel Europas in London Neasden 9 Heilige BearbeitenAusser den philosophischen Vertretern kennt der Vishnuismus noch eine weitere Reihe von bedeutenden Heiligen deren Werke neben den vishnuitischen Schriften noch heute eine wichtige Basis der Vishnu Verehrung sind Dazu gehoren in Sud Indien vor allem die tamilischen Alvars zwolf Dichter 7 bis 9 Jahrhundert deren inbrunstige Hymnen massgeblich am Verschwinden des damals in Indien verbreiteten Buddhismus mitgewirkt haben sollen Im westlichen Indien war es vor allem der schon zu seinen Lebzeiten populare Poet Tukaram 17 Jahrhundert ein leidenschaftlicher Anhanger Krishnas den er in Liedern und Gedichten verehrte Er wurde von erbosten Brahmanen verklagt da er als Angehoriger der untersten Kaste nicht die Weisheiten der Veden verbreiten durfe Fur die hindisprachige Bevolkerung dagegen war Tulsidas 17 Jahrhundert besonders wichtig der Verfasser des Hindu Ramayana Auch die Lieder der Mystikerin Mirabai 1498 bis wahrscheinl 1546 die sich schon in ihrer Kindheit als Gattin Krishnas fuhlte singen Hindus noch heute zu Ehren des Gottes Die wichtigsten Texte des Vishnuismus BearbeitenRamayana auch in der Hindi Nachdichtung von Tulsidas dem Ramacharitmanas Mahabharata mit der Bhagavad Gita Bhagavatapurana und Vishnupurana Lieder der Alvars 7 9 Jahrhundert Agamas der Pancaratra Schule Chaitanya Charitamrita und Chaitanya Bhagavata 16 Jahrhundert Heute ist der Vishnuismus vielleicht die nach der Zahl der Glaubigen grosste unter den indischen Religionen dicht gefolgt vom Shivaismus Er beherrscht den indischen Mittelstand und ist in Nordindien vor allem durch die Brahma Sampradaya und in Sudindien hauptsachlich durch die Shri Sampradaya vertreten Viele beruhmte Menschen waren Anhanger Vishnus so etwa Mahatma Gandhi der zeit seines Lebens ein Rama Mantra benutzte Der erste bekannte westliche Vishnu Verehrer war Heliodoros 2 Jahrhundert v Chr ein griechischer Botschafter am Hof von Konig Kasiputra Bhagabhadra der seine Verehrung auf einer Saule dokumentierte 10 Siehe auch BearbeitenHinduistische Orden VedantaWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Vishnuismus Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Texte aus der Tradition von Madhva Das Shri Vaishnavatum und Monotheismus englisch in der Stanford Encyclopedia of Philosophy Sehr ausfuhrlicher FAQ der Sri Ramanuja Sampradaya englisch Quellen Bearbeiten Todd M Johnson Brian J Grim The World s Religions in Figures An Introduction to International Religious Demography John Wiley amp Sons 2013 ISBN 978 1 118 32303 8 google nl abgerufen am 20 November 2023 Wayback Machine Abgerufen am 20 November 2023 Todd M Johnson Brian J Grim The World s Religions in Figures An Introduction to International Religious Demography John Wiley amp Sons 2013 ISBN 978 1 118 32303 8 google nl abgerufen am 20 November 2023 Benjamin Preciado Solis The Kṛṣṇa Cycle in the Puraṇas Themes and Motifs in a Heroic Saga Motilal Banarsidass Publishe 1984 ISBN 978 0 89581 226 1 S 1 16 google nl abgerufen am 20 November 2023 Rigveda 1 154 desa bis 1 156 desa siehe Vishnu im Rigveda None Encyclopedia of religion Detroit Macmillan Reference USA 2005 ISBN 978 0 02 865733 2 S 9500 archive org abgerufen am 20 November 2023 Helmuth von Glasenapp Die Philosophie der Inder Vishwananda The Essence of Shreemad Bhagavatam Bhakti Marga Publications Heidenrod Springen 2016 ISBN 978 3 940381 52 1 Webseite des Londoner BAPS Tempels Die Garuda Saule von Heliodurus Normdaten Sachbegriff GND 4190086 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vishnuismus amp oldid 239307522