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Ramanuja Devanagari र म न ज Ramanuja vermutlich um 1050 in Sriperumbudur im heutigen Bundesstaat Tamil Nadu wohl 1137 in Srirangam war ein indischer Philosoph und religioser Lehrer des Hinduismus Er war der Begrunder der Vishishtadvaita Lehre eines modifizierten bzw eingeschrankten Monismus und gilt als zentraler Lehrer der Sri Vaishnava Tradition Diese Auffassung stellte er dem radikalen Monismus des Advaita Vedanta Vedanta des Nicht Dualismus entgegen Damit schuf er die theoretische Grundlage fur eine theistische Weltanschauung die den Konsequenzen des radikalen Monismus entgeht ohne dabei den Monismus zugunsten einer dualistischen Weltsicht aufzugeben Inhaltsverzeichnis 1 Quellen 2 Leben 3 Werke 4 Lehre 4 1 Ontologie 4 2 Erkenntnistheorie 4 3 Kosmologie und Seelenlehre 4 4 Erlosungslehre 4 5 Sprachphilosophie 5 Rezeption 6 Textausgaben und Ubersetzungen 7 Literatur 8 AnmerkungenQuellen BearbeitenVon den zahlreichen Lebensbeschreibungen Ramanujas die nach seinem Tod entstanden stammen zwei angeblich von Zeitgenossen Die alteste erhaltene Biographie die zuverlassig datierbar ist wurde jedoch erst mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod geschrieben Die Biographen waren bestrebt Ramanujas Heiligkeit zu demonstrieren Eine Trennung des legendenhaft hagiographischen Materials von historischen Fakten ist unter diesen Umstanden schwierig Leben BearbeitenRamanuja stammte aus einer Brahmanenfamilie gehorte also der obersten Kaste an Den uberlieferten Angaben zufolge wurde er im Jahr 1017 geboren und starb 1137 Diese Chronologie wonach er ein Alter von rund 120 Jahren erreicht hatte macht einen legendenhaften Eindruck Daher wird in der Forschung vermutet dass seine Geburt mehrere Jahrzehnte spater anzusetzen ist Auch das uberlieferte Todesjahr ist angezweifelt worden 1 Seine erste Ausbildung erhielt Ramanuja bei dem Vedanta Lehrer Yadavaprakasha Nach Meinungsverschiedenheiten uber die Interpretation des Vedanta trennte er sich jedoch von ihm 2 Er gehorte zur Gemeinschaft der Vaishnavas der Verehrer des Gottes Vishnu die diesen Gott nicht als einen unter anderen sondern als hochstes Wesen betrachten Vishnuismus Die Vaishnavas legen traditionell grossen Wert auf ihre Behauptung es gebe eine ununterbrochene Kette von Meistern von denen jeder die Lehre die er von seinem eigenen Meister empfing unverfalscht an seine Schuler weitergab Ramanuja gilt als der letzte von drei besonders prominenten und verehrten Acharyas religiosen Lehrern Meistern Der erste war Nathamuni 10 Jahrhundert der zweite sein Enkel Yamuna 10 11 Jahrhundert Ramanuja soll Yamuna nicht begegnet sein aber von funf Schulern Yamunas Unterweisung empfangen haben Jeder der funf fuhrte ihn in einen besonderen Aspekt der Lehre Yamunas ein Der Uberlieferung zufolge wurde Ramanuja von einem seiner funf Lehrmeister in ein religioses Geheimnis eingeweiht nachdem er geschworen hatte es nicht zu enthullen Am folgenden Tag bestieg er aber einen Tempelturm nach einer anderen Version begab er sich auf einen Balkon des Tempels und enthullte das Geheimnis den versammelten Glaubigen mit lauter Stimme Vom Meister zur Rede gestellt bekannte er dass er damit ungehorsam gewesen war Er sagte er wisse dass ihm deswegen die Holle drohe aber die Glaubigen wurden durch ihre Teilhabe an dem Geheimnis mit dem Lehrer verbunden und damit erlost werden und dafur nehme er das Opfer auf sich Davon war Ramanujas Lehrer so beeindruckt dass er ihn daraufhin als echten Meister anerkannte dem er selbst der Lehrer unterlegen sei 3 So erlangte Ramanuja das Ansehen das ihm die Fuhrung der Vaishnava Gemeinschaft verschaffte In dieser Erzahlung spiegelt sich der Ubergang von einer exklusiven auf Geheimhaltung bedachten spirituellen Schule deren Lehrinhalte nur nach eingehender Vorbereitung an einzelne Schuler weitergegeben wurden zu einer offenen Religionsgemeinschaft deren Lehren universal verkundet wurden und deren Praxis der volkstumliche Vishnu Kult war Neben dieser Offnung zur Offentlichkeit hin hielt Ramanuja aber auch streng am Prinzip eines personlichen Meister Schuler Verhaltnisses fest Er legitimierte sich als Lehrer durch eine Einweihung Initiation die ihm sein Meister Tirukottiyur Nampi erteilt hatte und weihte seinerseits Schuler ein die er damit bevollmachtigte die Einweihung an andere weiterzugeben Der fur Ramanuja charakteristische Verzicht auf die traditionelle von den Brahmanen gepflegte Exklusivitat brachte ihn in Konflikt mit dem herkommlichen strikten Kastendenken Wahrend die Brahmanen konsequent an den Vorrechten ihres Ranges als Angehorige der obersten Kaste Priester festzuhalten pflegten wurde Ramanuja obwohl er Brahmane war Schuler eines Meisters der einer niedrigeren Kaste angehorte Damit anerkannte er den Vorrang der individuellen spirituellen Qualifikation vor dem durch die Kastenzugehorigkeit gegebenen Status Ramanujas Frau soll das missbilligt haben worauf er sie verliess und Monch wurde 4 Ein solcher Verzicht auf ein Familienleben war bei religiosen Lehrern haufig im Fall Ramanujas handelte es sich aber nicht um eine grundsatzliche Abwertung oder Ablehnung des Ehestands sondern um eine fundamentale Meinungsverschiedenheit an der seine Ehe scheiterte Ramanuja erwies sich als fahiger Erneuerer und Organisator des Vishnu Kults Aus dem Haupttempel der Vaishnavas in Srirangam dem Ranganathaswamy Tempel machte er das Zentrum seiner wachsenden Schulergemeinschaft Auf weiten Reisen suchte er Pilgerzentren auf um den dortigen Tempelkult in seinem Sinne zu reformieren Dies fuhrte zu einer starkeren Beteiligung nichtbrahmanischer Gruppen am Tempelkult Auf der Suche nach Kommentaren zu den als heilig verehrten Schriften gelangte er bis nach Kaschmir Im sudindischen Chola Konigreich wo er lebte regierte ein Herrscher der ein eifriger Anhanger des Shivaismus war Daher kam es dort zu einer Verfolgung von Vaishnavas Ramanuja musste nach Norden ins Hoysala Reich fliehen wo er einen Teil seines spateren Lebens verbrachte Dort gewann er die Gunst des Konigs und drangte den Jainismus zuruck Eine Skulptur mit Inschrift die ihn mit dem Hoysala Konig zeigt ist der alteste Beleg fur seine historische Existenz Spater konnte er nach Srirangam zuruckkehren 5 Werke BearbeitenTraditionell werden Ramanuja neun Werke zugeschrieben Vermutlich als erstes von ihnen entstand die Abhandlung Vedarthasamgraha Zusammenfassung des Sinns des Veda Dort fasst er seine philosophische Position mit Berufung auf die Upanishaden zusammen Spater verfasste er sein Hauptwerk Shribhashya Der ehrwurdige Kommentar auf dem sein Ruhm hauptsachlich beruht Es ist eine Auslegung der Brahmasutras die einen Dialog mit einem philosophischen Gegner enthalt Darin entwickelt er seine theistische gemassigt monistische Lehre in Auseinandersetzung mit dem radikalen Monismus dessen Hauptvertreter der beruhmte Philosoph Shankara war Ein Teil seiner besonders ausfuhrlichen Kommentierung des ersten Brahmasutra wurde in Ramanujas Schule Mahasiddhanta genannt Zwei weitere kurzere Kommentare zu den Brahmasutras tragen die Titel Vedantadipa Vedanta Leuchte und Vedantasara Die Essenz des Vedanta Das Vedantadipa wurde sicher das Vedantasara vermutlich nach dem Shribhashya verfasst das Vedantasara ist moglicherweise eine von Ramanuja autorisierte Arbeit eines seiner Schuler 6 Ramanuja schrieb auch einen Kommentar zur Bhagavadgita das Bhagavadgitabhashya vermutlich ein Spatwerk Dort wendet er sich gegen radikal monistische Gott als letztlich unpersonlich darstellende Deutungen dieses religiosen Gedichts Vier weitere Werke Ramanujas sind nicht philosophisch sondern fur die Praxis der Frommigkeit bestimmt Das Nityagrantha ist ein Handbuch der taglichen hingebungsvollen Gottesverehrung Das Sharanagatigadyam ist ein literarisch stilisiertes personliches Gesprach zwischen Gott und dem bei ihm Zuflucht Nehmenden die Zuflucht wird erbeten und gewahrt Das Shrirangagadyam und das Vaikunthagadyam sind hymnenartige Gebete in Prosa Dieses Schrifttum unterscheidet sich der literarischen Form nach stark von den funf philosophischen Werken Seine Echtheit ist im 20 Jahrhundert bezweifelt worden Die Grundhaltung die in diesen vier Werken zum Ausdruck kommt zeigt jedoch keine wesentlichen Unterschiede zu der bekannten philosophischen Einstellung Ramanujas Daher besteht unter inhaltlichem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit die traditionelle Auffassung wonach das Handbuch und die Gebete von ihm stammen zu verwerfen 7 Lehre BearbeitenWie sein philosophischer Gegner Shankara akzeptiert Ramanuja vorbehaltlos die Autoritat der Upanishaden des Mahabharata des Ramayana und des Vishnu Purana Er beruft sich auf diejenigen Stellen in dieser Literatur die geeignet sind seine Position zu stutzen so wie Shankara sich auf die Auslegung anderer Stellen konzentriert die fur seine Auffassung sprechen Ontologie Bearbeiten In der Ontologie vertritt Ramanuja hinsichtlich der Wirklichkeit der Einzeldinge eine gemassigte Position Im Gegensatz zu Shankara lehrt er nicht Gott sei die einzige absolut einheitliche und alles umfassende Realitat und die Vielheit in der Welt eine blosse Illusion maya Er halt die einzelnen Lebewesen und die unbelebten Dinge fur Formen Gottes Diese Formen sind fur ihn nicht blosser Schein sondern er billigt ihnen ein eigenes reales Sein zu Dieses Sein ist allerdings vom Sein Gottes untrennbar Ramanuja akzeptiert somit wirkliche Unterschiede vishesha zwischen real existierenden Entitaten jedoch ohne ihnen ein separates Dasein in der Weise zuzusprechen wie es im Dualismus geschieht Daher kann er eine individuelle Unsterblichkeit der Einzelseelen lehren und zugleich an dem monistischen Gedanken festhalten dass deren Wesen mit demjenigen Gottes ubereinstimmt und sie insofern Teile von ihm sind tat tvam asi Mit dieser differenzierten Position begrundet er seinen Theismus dem zufolge die Einzelwesen nicht absolut mit Gott zu identifizieren sind sondern ewige Partner der als Person aufgefassten Gottheit sind Waren sie im Sinne des Advaita mit Gott als der einzigen Wirklichkeit absolut identisch so ware alle Gottesliebe reine Selbstliebe was fur Ramanuja nicht akzeptabel ist Diese Lehre wurde spater unter der Bezeichnung Vishishtadvaita bekannt die Ramanuja selbst noch nicht verwendet hat Dieser Begriff bedeutet modifizierter oder eingeschrankter Nicht Dualismus Gegen die Idee der radikalen Monisten die ganze wahrnehmbare Welt mit ihrer Mannigfaltigkeit sei nur eine durch Unwissenheit entstandene Illusion und es gebe in Wirklichkeit nur das eigenschaftslose Brahman argumentiert Ramanuja indem er nach dem Urheber der Unwissenheit fragt Das Brahman konne es nicht sein da es damit seiner Natur widersprache wodurch es sich selbst aufheben wurde Also kamen nur die Einzelseelen als Urheber in Betracht Bei ihnen stelle sich die Frage ob ihre Unwissenheit wirklich oder unwirklich ist Ist sie unwirklich so ist sie kein wirklich vorhandener Mangel und der Versuch sie auf einen solchen zuruckzufuhren fuhrt zu einem infiniten Regress Ist die Unwissenheit wirklich so enthalt die Welt etwas Wirkliches 8 Ferner argumentiert Ramanuja auch gegen die buddhistische Auffassung es gebe nichts Bleibendes sondern nur Vergangliches und damit keine metaphysische Ewigkeit also weder eine Gottheit noch eine ewige Existenz der Seelen 9 Erkenntnistheorie Bearbeiten Ramanujas Erkenntnistheorie ist realistisch denn sie nimmt eine korrekt erkennbare objektive Realitat der Aussenwelt an Sie geht davon aus dass Wissen aus Wahrnehmung und Folgerung gewonnen wird und dass diese beiden Wissensquellen grundsatzlich vertrauenswurdig sind Auch Traume sind real ihre Ablaufe sind nicht weniger wirklich als Vorgange der Aussenwelt sie spielen sich in einer eigens dafur erzeugten besonderen Stofflichkeit ab Irrtumer entstehen durch Storungen der Wahrnehmungsvorgange oder durch fehlerhaftes Folgern Eine dritte Wissensquelle sind die als heilig betrachteten religiosen Schriften sie informieren uber metaphysische Gegebenheiten die sich der normalen Sinneswahrnehmung entziehen insbesondere uber das Wesen der Gottheit Bei der Deutung dieser Schriften geht Ramanuja im Gegensatz zu Shankara nicht von zwei verschiedenen Wahrheitsstufen unterschiedlichen Ranges aus sondern betrachtet alle Texte auf derselben Ebene Er meint scheinbare Unstimmigkeiten und Widerspruche zwischen verschiedenen Aussagen der heiligen Schriften seien nicht dadurch aufzulosen dass man der einen eine hohere Ebene zuweist als der anderen Vielmehr ergebe sich die Auflosung der Widerspruche durch eine die Gegensatze umfassende Synthese Beispielsweise ist Gott fur Ramanuja sowohl unpersonlich als auch personlich Demnach ist die Lehre der Advaita Anhanger die Gott als unpersonlich auffassen nicht an sich falsch sondern nur unvollstandig und dadurch irrefuhrend Kosmologie und Seelenlehre Bearbeiten Die Gesamtwirklichkeit besteht fur Ramanuja aus der unbelebten Materie achit den empfindungsfahigen begrenzten Einzelwesen als Bewusstseinstragern chit und der Gottheit als dem hochsten Selbst paramatma Das physische sinnlich wahrnehmbare Universum besteht aus materiellen Objekten darunter den belebten Korpern die in bestimmtem Ausmass der Kontrolle der sie belebenden Seelen unterliegen Zwar existieren die Korper nur vorubergehend aber das Material aus dem sie bestehen hat ebenso wie die Seelen von denen sie bewohnt werden keinen Anfang in der Zeit Fur die Gottheit verwendet Ramanuja auch die Bezeichnung Brahman Das Brahman hat sowohl einen personlichen als auch einen unpersonlichen Aspekt wobei der personliche der wesentliche ist Insoweit Brahman Person ist wird dafur unter anderem auch die Bezeichnung Vishnu verwendet Nachdrucklich wendet sich Ramanuja gegen die Behauptung der radikalen Monisten das Brahman sei eigenschaftslos Er will nur uble Eigenschaften ausschliessen und schreibt der Gottheit eine Fulle von guten Eigenschaften zu 10 Ramanuja unterscheidet in den einzelnen Individuen zwischen einem begrenzten Selbst atma und einem inneren oder hochsten Selbst paramatma von gottlicher Qualitat In den Einzelseelen ist das hochste Selbst die Gottheit als antaryamin innerer Lenker anwesend 11 Das begrenzte Selbst verhalt sich zum inneren oder hochsten Selbst wie der materielle Korper zum begrenzten Selbst indem es namlich die Funktion eines Instruments hat Analog ist das Verhaltnis der Welt zu Gott dessen Korper sie insofern ist 12 Da die Welt standigem Wandel unterworfen ist ist Gott somit uber seinen Korper am Wandel beteiligt obwohl er an sich vollig unwandelbar ist Ramanuja vergleicht dieses Verhaltnis auch mit dem zwischen dem Subjekt und dem pradikativen Eigenschaftswort in der Grammatik Das begrenzte Selbst ist dem hochsten Selbst insofern ahnlich als es von Natur aus wie dieses mit den Wesensmerkmalen Bewusstheit und Seligkeit ausgestattet ist Allerdings ist es nicht wie dieses allmachtig und alldurchdringend Uberdies ist es infolge seiner Unwissenheit an ein mangelhaftes Dasein in der materiellen Welt gefesselt Das Verhaltnis zwischen dem begrenzten Selbst und seinem Bewusstsein vergleicht Ramanuja mit demjenigen zwischen einer Lampe d h deren Flamme und dem von ihr ausgehenden Licht Flamme und Licht bestehen aus demselben Stoff Ebenso ist Bewusstheit der Stoff der das Wesen des Selbst ebenso wie das Wesen von dessen bewussten Akten ausmacht Das Selbst ist die permanente Basis der von ihm ausgehenden Bewusstseinsakte und ist zugleich numerisch von ihnen verschieden und die Akte sind auch voneinander numerisch verschieden Das Selbst als bewusstes Subjekt und seine Bewusstheit sind nicht wie die radikalen Monisten meinen im Grunde identisch Ramanuja bekampft die Behauptung der radikalen Monisten dass der Erkennende der Erkenntnisakt und das Erkenntnisobjekt letztlich in eins zusammenfallen und sich als eine undifferenzierte Realitat Wissen erweisen Das Subjekt der alltaglichen bewussten Erfahrungen ist nach seiner Lehre nicht eine hohere universale uberindividuelle Bewusstheit sondern das Individuum als solches In diesem Zusammenhang setzt er sich mit dem Gegenargument auseinander das Selbst sei dann als erlebendes Subjekt der Veranderung unterworfen und somit nicht ewig sondern ein Bestandteil der verganglichen Welt Er unterscheidet zwischen einer ausserlichen Veranderung durch die wechselnden Einflusse der Erkenntnisobjekte auf den Erkennenden und einer innerlichen Unveranderlichkeit des Erkennenden die auf der Unwandelbarkeit seines Wesens beruht 13 Die einzelnen Individuen im Zustand der Erlosung also befreit von ihren wechselhaften kontingenten Eigenschaften die sie wahrend ihres Aufenthalts in der materiellen Welt annehmen betrachtet Ramanuja als qualitativ identisch und nur numerisch verschieden 14 Ramanuja ist der Uberzeugung dass eine Seele stets eines Korpers bedarf Daher hat sie auch nach ihrer Befreiung moksha aus der materiellen Welt wenn sie eine gottahnliche Qualitat annimmt einen feinstofflichen Korper Die Seele ist lokalisierbar sie hat nicht die Ausdehnung ihres jeweiligen Korpers sondern ist winzig 15 Erlosungslehre Bearbeiten Den durch ihre Unwissenheit irregeleiteten Lebewesen stellt die Literatur des Vedanta korrektes Wissen uber die Wirklichkeit zur Verfugung Damit soll ihnen Befreiung aus der Sklaverei des Daseins in der materiellen Welt ermoglicht werden Dazu gehort das Wissen uber die richtige Erfullung der sozialen und der rituellen Pflichten die von der religiosen Tradition festgelegt sind Erforderlich ist auch die religios philosophische Einsicht in den Weltzusammenhang und seine Gesetzmassigkeiten Wichtiger als diese beiden Erlosungsmittel ist aber die liebevolle Hingabe bhakti an Gott 16 Die Ausrichtung des Bewusstseins auf Gott geschieht indem der bhakta Bhakti Praktizierende sich Gottes Eigenschaften unablassig in Erinnerung ruft bis sie ihm permanent gegenwartig sind und so real erscheinen wie die Objekte seiner Sinneswahrnehmung Dadurch entsteht eine hochst intensive emotionale Beziehung zwischen dem bhakta und Gott so dass der bhakta meint ohne die bestandig erlebte Gegenwart Gottes nicht leben zu konnen Ramanuja charakterisiert bhakti als ehrfurchtiges Uberdenken das ein bestandig festes Erinnern ist Sofern diesem Erinnern ein Hochstmass an Vergegenwartigen eigen ist erhalt es die Form einer Schau die das Eintreten in den Zustand der Wahrnehmung bedeutet Es handelt sich also bei dem bestandig festen Erinnern nicht einfach darum sich etwas ins Gedachtnis zu rufen sondern um eine Meditation die durch die Intensitat des Vergegenwartigens den Charakter einer Anschauung Gottes gewinnt In dem meditativen Akt setzt sich der Meditierende dem Getroffensein durch das woran er sich erinnert willentlich aus Der Meditierende ist als solcher Gott besonders lieb und wird daher von ihm erwahlt das heisst Gott zeigt sich ihm so wie er wirklich ist Nur derjenige ist geeignet die Gotteserkenntnis zu erlangen dem der Gegenstand des Erinnerns und ebenso der Akt des Erinnerns uber alles lieb ist Dem Hochstmass der Vergegenwartigung in der als bhakti verstandenen Meditation entspricht ein Hochstmass der liebenden Beziehung zum gottlichen Wesen 17 Die Schule Ramanujas betont die Anwesenheit Gottes in dessen Bildnissen Diese Annahme bildete die Grundlage der rituellen Verehrung der Bildnisse im Tempel Ramanujas Betonung des personlichen Verhaltnisses zwischen Gott und dem ihn liebenden Menschen fuhrt ihn zu weitreichenden Konsequenzen Er bricht mit der philosophischen Vorstellung wonach Gottes Vollkommenheit bedeutet dass es nichts gibt dessen er bedarf Gott wendet sich den Lebewesen zu in der Absicht sie vor den Folgen ihrer Unwissenheit zu retten Zu diesem Zweck ergreift er die Initiative denn sonst ware eine Erlosung unmoglich Er wendet den bhaktas nicht nur seine Liebe zu sondern bedarf auch seinerseits der ihrigen die er durch seine Anwesenheit entzundet 18 Somit ist nicht nur die liebevolle Hingabe an ihn ein Mittel ihn zu erreichen sondern er selbst ist zugleich auch durch seine fur den bhakta wahrnehmbare Anwesenheit ein Mittel mit dem der Zustand einer unerschutterlichen Hingabe erreicht werden kann So vereint Ramanuja das traditionelle Konzept wonach der Mensch durch seine aktive Hingabe die Gnade erlangt mit einer Gnadenlehre der zufolge die Gnade passiv als reines Geschenk empfangen und dadurch Hingabe moglich wird Damit gelangt Ramanuja auch hier zu einer Synthese scheinbar gegensatzlicher Sichtweisen Die von den Advaita Anhangern angenommene Wesenseinheit der Einzelseelen mit dem Brahman als unpersonlichem Aspekt der Gottheit bestreitet Ramanuja nicht Er meint dass Seelen nicht nur in einer personlichen Beziehung zu Gott Erlosung erlangen konnen sondern auch in der Einheit mit dem unpersonlichen Brahman Wenn sie diese Einheit verwirklichen sind sie leidfrei doch fehlt ihnen dann die Gemeinschaft mit der Person Gottes Dies ist das nach Ramanujas Ansicht durchaus erreichbare aber nicht erstrebenswerte Ziel der Advaita Anhanger Nach Ramanujas Uberzeugung ist es fur den nach Erlosung Strebenden nicht erforderlich dass er als Einsiedler oder Wandermonch lebt Vielmehr steht der Pfad auch denen offen die verheiratet sind und einen Haushalt fuhren Unumganglich ist aber Unterweisung durch einen Meister 19 Ramanuja lehrt dass Erlosung nicht erst durch ein endgultiges Verlassen des materiellen Universums mit seinen leidbehafteten Daseinsweisen erlangt wird Verkorperten Individuen die der Macht des Karma unterliegen erscheint die Welt in ihrer Gesamtheit insoweit sie als etwas von Brahman vollig Verschiedenes erlebt wird als sorgenerfullt oder in begrenztem Ausmass erfreulich je nach dem individuellen Karma der Person Aber gerade das Erleben der Welt als etwas vollig von Brahman Verschiedenes macht die Erfahrung in der Welt sorgenerfullt oder nur begrenzt erfreulich Es ist das Erleben der scheinbaren Verschiedenheit das dazu fuhrt und die Ursache fur dieses Erleben ist das Karma Wenn daher jemand vom Karma in dessen Form als Unwissenheit befreit wird dann wird diese selbe Welt zu etwas was nur noch Freude bereitet 20 Sprachphilosophie Bearbeiten Ramanuja ist der Meinung dass die Hauptaufgabe der Sprache darin bestehe Aussagen uber objektive Fakten zu machen Dabei bezieht er sich auf das Sanskrit als heilige Sprache und meint in erster Linie die vedischen Texte aber auch den alltaglichen nichtreligiosen Sprachgebrauch Die Beziehung zwischen einer Sanskrit Bezeichnung und dem von ihr Bezeichneten halt er fur eine objektive unabanderliche naturgesetzliche Gegebenheit Die Sprache der Veden sei auch unpersonlich da die Reihenfolge der Worter aus denen die vedischen Texte bestehen nicht von der personlichen Willkur eines Urhebers abhange sondern einer naturgegebenen Notwendigkeit folge Mit dieser Auffassung wendet sich Ramanuja gegen die Sprachphilosophie der Prabhakara Schule Diese Schule lehrt die Aufgabe der Sprache sei nicht Aussagen uber objektive Sachverhalte wie etwa das Brahman zu machen sondern beschranke sich darauf dem Angesprochenen mitzuteilen was er zu tun hat Das Ziel der sprachlichen Mitteilung sei nicht Erkenntnis sondern die Ausfuhrung einer angeordneten Handlung Zwar konne die Alltagssprache auch dem Aufstellen von Behauptungen dienen doch sei auch in diesen Fallen das Ziel der Kommunikation letztlich eine Handlung oder Unterlassung des Angesprochenen 21 Die Sprachphilosophie spielt auch eine Rolle in Ramanujas Auseinandersetzung mit seinen philosophisch theologischen Gegnern den Anhangern des radikalen Monismus Dabei argumentiert er dass Sprache ihrer Natur nach ungeeignet sei Aussagen uber eine nichtdifferenzierte Realitat wie ein radikal monistisch aufgefasstes Brahman zu machen 22 Rezeption Bearbeiten nbsp Kultstatue RamanujasUnter den Vaishnavas genoss Ramanuja schon zu seinen Lebzeiten und in allen nachfolgenden Generationen hochstes Ansehen Ihm verdanken sie die dauerhafte Verbindung einer in Sanskrit formulierten philosophischen Lehre mit der auf Vishnu ausgerichteten tamilischen Volksfrommigkeit Sudindiens die als Sri Vaishnava Tradition bekannt ist Daher entstanden nach seinem Tod zahlreiche in hagiographischem Stil abgefasste Lebensbeschreibungen Ramanujas sowohl in Sanskrit als auch in der tamilischen Sprache Fast die Halfte der Literatur des Vishishtadvaita besteht aus Schrifttum das seine Werke kommentiert oder sich auf solche Kommentare bezieht Als sich spater die Vaishnavas in verschiedene Zweige spalteten beriefen diese sich weiterhin auf die Autoritat Ramanujas In der Gnadenlehre uberwog bei seinen Nachfolgern eine Betonung des passiven Empfangs der Gnade Textausgaben und Ubersetzungen BearbeitenShribhashya Vasudev Shastri Abhyankar Hrsg Sri Bhashya of Ramanujacharya 2 Bande Band 1 Text Band 2 Introduction and notes Government Central Press Bombay 1914 1916 nur Sanskrit Text M Rangacharya M B Varadaraja Aiyangar Hrsg The Vedantasutras with the Sribhaṣya of Ramanujacarya 3 Bande Munshiram Manoharlal New Delhi 1988 1991 ISBN 81 215 0090 7 englische Ubersetzung Rudolf Otto Hrsg Siddhanta des Ramanuja Ein Text zur indischen Gottesmystik 2 Auflage Mohr Tubingen 1923 Ubersetzung des ersten Abschnitts des Shribhashya Ubrige Werke Johannes A B van Buitenen Hrsg Ramanuja s Vedarthasaṃgraha Deccan College Poona 1956 kritische Edition und englische Ubersetzung Adam Hohenberger Hrsg Ramanuja s Vedantadipa Seine Kurzauslegung der Brahmasutren des Badarayaṇa Orientalisches Seminar der Universitat Bonn Bonn 1964 nur Ubersetzung V Krishnamacharya M B Narasimha Ayyangar Hrsg Vedantasara of Bhagavad Ramanuja Adyar 1953 Sanskrit Text mit englischer Ubersetzung Isvaradatta Ramanuja s Commentary on the Bhagavadgita Muzaffarpur 1930 nur Ubersetzung Gerhard Oberhammer Hrsg Saraṇagatigadyam In Gerhard Oberhammer Zur spirituellen Praxis des Zufluchtnehmens bei Gott Saraṇagatiḥ vor Veṅkaṭanatha Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2004 S 142 152 Sanskrit Text und deutsche Ubersetzung Literatur BearbeitenJohn Braisted Carman The Theology of Ramanuja Yale University Press New Haven 1974 ISBN 0 300 01521 6 Adam Hohenberger Ramanuja Ein Philosoph indischer Gottesmystik Orientalisches Seminar der Universitat Bonn Bonn 1960 Robert C Lester Ramanuja on the Yoga Adyar Library and Research Centre Adyar 1976 ISBN 0 8356 7509 2 Julius J Lipner The Face of Truth A Study of Meaning and Metaphysics in the Vedantic Theology of Ramanuja Macmillan Houndsmills 1986 ISBN 0 333 38959 X Gerhard Oberhammer Der Atma als Subjekt in der Theologie Ramanujas Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2008 ISBN 978 3 7001 6500 2Anmerkungen Bearbeiten Zur Chronologie siehe Eric J Lott God and the Universe in the Vedantic Theology of Ramanuja Madras 1976 S 12 171 John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 27 Siehe dazu Gerhard Oberhammer Yadavaprakasa der vergessene Lehrer Ramanujas Wien 1997 S 9 f 100 f John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 28 f John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 39 41 Die Darstellung dieses Vorgangs in der Legende ist wiedergegeben bei Arvind Sharma Visiṣṭadvaita Vedanta A Study New Delhi 1978 S 10 f Vgl John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 31 f Einzelheiten der Exilszeit und die Chronologie erortern B R Gopal Sri Ramanuja in Karnataka Delhi 1983 S 5 ff und John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 44 46 Zur Chronologie siehe Johannes A B van Buitenen Hrsg Ramanuja s Vedarthasaṃgraha Poona 1956 S 30 32 anderer Meinung ist John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 57 60 Zur Echtheit des Sharanagatigadyam siehe Gerhard Oberhammer Zur spirituellen Praxis des Zufluchtnehmens bei Gott Saraṇagatiḥ vor Veṅkaṭanatha Wien 2004 S 140 f 160 Vorsichtige Skepsis hinsichtlich der Echtheit der drei Gebete aussert Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 116 118 John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 19 22 62 64 230 236 vermutet Echtheit aller neun traditionell Ramanuja zugeschriebenen Werke Adam Hohenberger Ramanuja Ein Philosoph indischer Gottesmystik Bonn 1960 S 40 weitere Argumente Ramanujas erlautert Hohenberger S 41 46 Zu Ramanujas Argumentation gegen die Buddhisten siehe Adam Hohenberger Ramanuja Ein Philosoph indischer Gottesmystik Bonn 1960 S 57 64 Adam Hohenberger Ramanuja Ein Philosoph indischer Gottesmystik Bonn 1960 S 28 31 38 f Zur Bedeutung dieses Begriffs bzw Theologems bei Ramanuja siehe Gerhard Oberhammer Der Innere Lenker Antaryami Geschichte eines Theologems Wien 1998 S 47 70 Zu diesem Gedanken siehe Gerhard Oberhammer Der Atma als Subjekt in der Theologie Ramanujas Wien 2008 S 12 16 Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 120 139 Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 49 57 67 f Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 74 79 Robert C Lester Ramanuja on the Yoga Adyar 1976 S 112 f Adam Hohenberger Ramanuja Ein Philosoph indischer Gottesmystik Bonn 1960 S 67 f Gerhard Oberhammer Zur Eschatologie der Ramanuja Schule vor Veṅkaṭanatha Wien 2006 S 18 f Gerhard Oberhammer Zur spirituellen Praxis des Zufluchtnehmens bei Gott Saraṇagatiḥ vor Veṅkaṭanatha Wien 2004 S 23 38 Belege bei John Braisted Carman The Theology of Ramanuja New Haven 1974 S 191 193 Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 113 Robert C Lester Ramanuja on the Yoga Adyar 1976 S 97 99 Ramanuja Shribhashya 1 3 7 die deutsche Ubersetzung folgt der englischen von Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 119 Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 7 24 Julius J Lipner The Face of Truth Houndsmills 1986 S 25 ff Normdaten Person GND 118748947 lobid OGND AKS LCCN n80086365 NDL 00621341 VIAF 237778710 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME RamanujaKURZBESCHREIBUNG indischer PhilosophGEBURTSDATUM um 1050GEBURTSORT SriperumbudurSTERBEDATUM um 1137STERBEORT Srirangam Abgerufen von https de wikipedia org 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