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Dieser Artikel beschaftigt sich mit dem mathematischen Begriff Ultrafilter fur das technische Filtrationsverfahren siehe Ultrafiltration Ein Ultrafilter ist in der Mathematik ein Mengenfilter auf einer Menge X displaystyle X so dass fur jede Teilmenge A displaystyle A von X displaystyle X entweder A displaystyle A selbst oder ihr Komplement X A displaystyle X setminus A Element des Mengenfilters ist Ultrafilter sind somit genau diejenigen Mengenfilter zu denen keine echte Verfeinerung existiert Diese Definition von Ultrafiltern lasst sich von Mengenfiltern auf allgemeine Filter im Sinne der Verbandstheorie ubertragen Ultrafilter mit der Eigenschaft dass die Schnittmenge aller ihrer Elemente nichtleer ist heissen fixierte Ultrafilter Punktfilter oder Elementarfilter Sie bestehen aus allen Teilmengen die einen bestimmten Punkt enthalten Alle Ultrafilter auf endlichen Mengen sind fixierte Ultrafilter Fixierte Filter sind die einzigen explizit konstruierbaren Ultrafilter Die zweite Art der Ultrafilter sind die freien Ultrafilter fur die die Schnittmenge aller ihrer Elemente die leere Menge ist Ultrafilter finden Anwendungen etwa in der Topologie und der Modelltheorie Der zum Begriff des Ultrafilters duale Begriff ist der des Primideals 1 Inhaltsverzeichnis 1 Formale Definition und grundlegende Eigenschaften 2 Vollstandigkeit 3 Verallgemeinerung von Ultrafiltern auf Halbordnungen 4 Ultrafilter auf Verbanden 5 Arten und Existenz von Ultrafiltern 6 Beispiele 7 Anwendungen 8 Literatur 9 EinzelnachweiseFormale Definition und grundlegende Eigenschaften BearbeitenEs sei X displaystyle X nbsp eine Menge Ein Filter F displaystyle mathcal F nbsp ist eine Familie von Teilmengen auf X displaystyle X nbsp mit folgenden Eigenschaften F X F displaystyle emptyset notin mathcal F X in mathcal F nbsp F F G F G F displaystyle F in mathcal F G supseteq F Rightarrow G in mathcal F nbsp F 1 F n F i 1 n F i F displaystyle F 1 dotsc F n in mathcal F Rightarrow left bigcap limits i 1 n F i right in mathcal F nbsp Ein Ultrafilter ist ein Filter F displaystyle mathcal F nbsp mit der Eigenschaft Ist G displaystyle mathcal G nbsp Filter auf X displaystyle X nbsp mit G F displaystyle mathcal G supseteq mathcal F nbsp dann gilt G F displaystyle mathcal G mathcal F nbsp Dieser Punkt kann auch so ausgedruckt werden dass F displaystyle mathcal F nbsp in der Menge aller Filter auf X displaystyle X nbsp maximal ist wobei als Ordnung die Inklusion auf P P X displaystyle mathcal P mathcal P X nbsp also auf der Potenzmenge der Potenzmenge von X displaystyle X nbsp verwendet wird Beachte Ein Filter ist eine Teilmenge von P X displaystyle mathcal P X nbsp und daher ein Element von P P X displaystyle mathcal P mathcal P X nbsp Es gilt folgender Satz Ist F displaystyle mathcal F nbsp ein Filter auf der Menge X displaystyle X nbsp dann existiert ein Ultrafilter G displaystyle mathcal G nbsp der den Filter F displaystyle mathcal F nbsp umfasst Da X displaystyle X nbsp ein Filter auf der Menge X displaystyle X nbsp ist existiert auf jeder nichtleeren Menge ein Ultrafilter Ultrafilter lassen sich durch folgenden Satz charakterisieren Es sei F displaystyle mathcal F nbsp ein Filter auf X displaystyle X nbsp Dann sind folgende Aussagen aquivalent L1 Fur alle Filter G displaystyle mathcal G nbsp auf X displaystyle X nbsp mit G F displaystyle mathcal G supseteq mathcal F nbsp folgt G F displaystyle mathcal G mathcal F nbsp Fur alle Teilmengen A B X displaystyle A B subset X nbsp gilt A B F A F displaystyle A cup B in mathcal F Rightarrow A in mathcal F nbsp oder B F displaystyle B in mathcal F nbsp A X displaystyle forall A subseteq X nbsp gilt dass entweder A F displaystyle A in mathcal F nbsp oder X A F displaystyle X setminus A in mathcal F nbsp Des Weiteren gilt Sind F 1 F 2 displaystyle mathcal F 1 mathcal F 2 nbsp Ultrafilter auf einer Menge X displaystyle X nbsp dann sind diese gleichmachtig Dies sieht man durch folgende Abbildungen ein f 1 F 1 F 2 A A wenn A F 2 X A wenn X A F 2 displaystyle f 1 colon mathcal F 1 rightarrow mathcal F 2 A mapsto begin cases A amp text wenn A in mathcal F 2 X setminus A amp text wenn X setminus A in mathcal F 2 end cases nbsp sowie f 2 F 2 F 1 A A wenn A F 1 X A wenn X A F 1 displaystyle f 2 colon mathcal F 2 rightarrow mathcal F 1 A mapsto begin cases A amp text wenn A in mathcal F 1 X setminus A amp text wenn X setminus A in mathcal F 1 end cases nbsp Zuerst sieht man dass die Abbildungen wegen L1 wohldefiniert sind Man sieht sofort f 1 f 2 id F 1 displaystyle f 1 circ f 2 operatorname id mathcal F 1 nbsp und f 2 f 1 id F 2 displaystyle f 2 circ f 1 operatorname id mathcal F 2 nbsp Somit handelt es sich um Bijektionen Vollstandigkeit BearbeitenUnter der Vollstandigkeit eines Ultrafilters versteht man die kleinste Kardinalzahl k displaystyle kappa nbsp sodass k displaystyle kappa nbsp Elemente des Filters existieren deren Durchschnitt kein Element des Filters ist Dies widerspricht nicht der Definition eines Ultrafilters da nach dieser nur der Durchschnitt endlich vieler Elemente wieder im Filter enthalten sein muss Aus dieser Voraussetzung folgt aber dass die Vollstandigkeit eines Ultrafilters mindestens ℵ 0 displaystyle aleph 0 nbsp ist Ein Ultrafilter dessen Vollstandigkeit grosser als ℵ 0 displaystyle aleph 0 nbsp ist also uberabzahlbar heisst abzahlbar vollstandig bzw s displaystyle sigma nbsp vollstandig da jede Schnittmenge abzahlbar auch abzahlbar unendlich vieler Elemente des Filters wieder ein Element des Filters ist Verallgemeinerung von Ultrafiltern auf Halbordnungen BearbeitenIm Kontext der allgemeineren Definition von Filter als Teilmenge einer halbgeordneten Menge zum Beispiel Potenzmenge mit Inklusion P displaystyle mathcal P nbsp heisst ein Filter F displaystyle mathcal F nbsp Ultrafilter wenn es keinen feineren Filter als F displaystyle mathcal F nbsp gibt der nicht schon ganz P displaystyle mathcal P nbsp ist formal ausgedruckt Wenn F displaystyle mathcal F nbsp ein Filter auf P displaystyle mathcal P nbsp ist mit F F displaystyle mathcal F subseteq mathcal F nbsp dann gilt F F displaystyle mathcal F mathcal F nbsp oder F P displaystyle mathcal F mathcal P nbsp Diese allgemeinere Definition stimmt in dem Spezialfall dass P displaystyle mathcal P nbsp die Potenzmenge einer Menge X displaystyle X nbsp ist mit der zuerst gegebenen uberein Mit Hilfe des Zornschen Lemmas lasst sich zeigen dass jeder Filter in einem Ultrafilter enthalten ist Ultrafilter auf Verbanden BearbeitenAls Spezialfall der Definition auf Halbordnungen ergibt sich eine Definition auf Verbanden Ein Ultrafilter auf einem Verband lasst sich alternativ als Verbandshomomorphismus in die zweielementige boolesche Algebra displaystyle bot top nbsp definieren Ein abzahlbar vollstandiger Ultrafilter lasst sich als 0 1 wertiges Mass auffassen Arten und Existenz von Ultrafiltern BearbeitenEs gibt zwei Arten von Filtern Zur Unterscheidung wird folgende Definition benutzt Ein Filter F displaystyle mathcal F nbsp heisst frei wenn F F F displaystyle bigcap limits F in mathcal F F emptyset nbsp ist andernfalls heisst er fixiert Leicht sieht man dass Ultrafilter auf einer endlichen Menge fixiert sind auf endlichen halbgeordneten Mengen besitzen Ultrafilter ein kleinstes Element sie lassen sich als F a x a x displaystyle mathcal F a x a leq x nbsp fur ein Element a displaystyle a nbsp darstellen Allgemeiner gilt auf beliebigen Mengen Ein Ultrafilter F displaystyle mathcal F nbsp auf X displaystyle X nbsp ist ein fixierter Ultrafilter genau dann wenn er eine der folgenden aquivalenten Bedingungen erfullt Es gibt ein x X displaystyle x in X nbsp mit F F x F x F X displaystyle mathcal F mathcal F x F x in F subseteq X nbsp Der Filter besitzt ein endliches Element In diesem Fall heisst x displaystyle x nbsp Hauptelement des Ultrafilters Freie Ultrafilter konnen nur auf unendlichen Mengen existieren Es lasst sich zeigen Tarski scher Ultrafiltersatz englisch Tarski s Ultrafilter Theorem dass jeder Filter einer Menge X displaystyle X nbsp allgemeiner jede Teilmenge Y P X displaystyle mathcal Y subseteq mathcal P X nbsp fur die die Schnittmenge endlich vieler Teilmengen von Y displaystyle mathcal Y nbsp wieder in Y displaystyle mathcal Y nbsp liegt in einem Ultrafilter von X displaystyle X nbsp enthalten ist Der Beweis des Ultrafiltersatzes ist nicht konstruktiv und ergibt sich unter Anwendung des Lemmas von Zorn setzt also die Annahme der Gultigkeit des Auswahlaxioms voraus 2 3 Ein Beispiel fur fixierte Filter sind Umgebungsfilter Beispiele BearbeitenIst X displaystyle X nbsp eine endliche Menge dann ist jeder Ultrafilter auf X displaystyle X nbsp genau durch einen Punkt fixiert Ware das nicht so und ware der Filter durch die Menge x 1 x n displaystyle x 1 x n nbsp fixiert so konnte man ihn durch Hinzufugen von x n displaystyle x n nbsp echt verfeinern Somit sind die Ultrafilter auf einer endlichen Menge gerade die Punktfilter Der Umgebungsfilter eines Punktes in der Topologie ist genau dann ein Ultrafilter wenn der Punkt isoliert ist Anwendungen BearbeitenIn der Modelltheorie und universellen Algebra dienen Ultrafilter der Definition von Ultraprodukten und Ultrapotenzen von algebraischen Strukturen Diese Konstruktionen erben dabei gewisse Eigenschaften der zugrundeliegenden Strukturen Die fur die Nichtstandardanalysis grundlegenden hyperreellen Zahlen lassen sich als eine solche Ultrapotenz konstruieren In der Topologie erlauben Ultrafilter eine Charakterisierung von Kompaktheit Ein topologischer Raum ist genau dann kompakt wenn auf ihm jeder Ultrafilter konvergiert Diese Charakterisierung lasst sich verwenden um den Satz von Tychonoff zu beweisen der fur die mengentheoretische Topologie grundlegend ist In der metrischen Geometrie verwendet man Ultrafilter zur Konstruktion des asymptotischen Kegels einem wichtigen Werkzeug zur Untersuchung der large scale geometry nichtkompakter Raume Literatur BearbeitenBoto von Querenburg Mengentheoretische Topologie 3 neu bearbeitete und erweiterte Auflage Springer Verlag Berlin u a 2001 ISBN 3 540 67790 9 Springer Lehrbuch Paul Moritz Cohn Universal Algebra Mathematics and Its Applications Band 6 Uberarbeitete Auflage D Reidel Publishing Company Dordrecht Boston 1981 ISBN 90 277 1213 1 Thorsten Camps Stefan Kuhling Gerhard Rosenberger Einfuhrung in die mengentheoretische und die algebraische Topologie Heldermann Lemgo 2006 ISBN 3 88538 115 X Berliner Studienreihe zur Mathematik 15 S 203ff Kapitel 13 Thomas Jech Set Theory The Third Millennium edition revised and expanded Springer Monographs in Mathematics Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2003 ISBN 3 540 44085 2 Horst Schubert Topologie Mathematische Leitfaden 4 Auflage B G Teubner Stuttgart 1975 ISBN 3 519 12200 6 Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Jech Set Theory 2003 S 74 ff Jech op cit S 75 Auf diesem Wege ist die Existenz freier Ultrafilter gesichert So bilden etwa die kofiniten Teilmengen einer unendlichen Menge einen Filter die freien Ultrafilter sind gerade die Ultrafilter die Oberfilter dieses Filters sind Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ultrafilter amp oldid 235861339