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Die sogenannte Turiner Institutionenglosse auch Florentiner Rechtsbuch Turiner Handschrift ist ein in Latein verfasster privatrechtssystematischer Kommentar zu den Institutionen des spatantiken Kaisers Justinian Uberwiegend wird angenommen dass das namentlich nicht bezeichnete und in freier Ordnung geschriebene 1 Werk zwischen 543 und 546 n Chr in Rom entstanden ist 2 3 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Ahnliche Glossenapparate 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenUberliefert ist die Glosse der namengebenden Nationalbibliothek Turin in einem Randglossenapparat glossa marginalis 4 zu einer Handschrift der Institutionen die im 6 Jahrhundert das justinianische Gesamtgesetzeswerk des spater so genannten Corpus iuris civilis einleitete 5 Die Institutionen grundeten auf der als Anfangerlehrbuch fur den Rechtsunterricht geschaffenen Schriftensammlung des hochklassischen Juristen Gaius den Institutiones Gai diese verfasst Mitte des 2 Jahrhunderts Der padagogische Zweck der Glosse wird vom Ausgangcharakter der gaianischen Intention nicht abgewichen sein denn etliche Anmerkungen sind stichwortartig notiert und passen damit zur Konzeption eines Lehrers der eine Unterrichtsstunde vorbereitet Die Anmerkungen sind nicht schlagwortartig gelistet vielmehr als Glossenkranz um den zugrundeliegenden Text drapiert Die einzelnen Glossen nehmen mittels Verweiszeichen aufeinander Bezug 5 Bekannt wurde der Glossenapparat einem lediglich kleinen wissenschaftsorientierten Publikum nachdem Eduard von Schrader darauf aufmerksam gemacht hatte Erstmals herausgegeben wurde die Sammlung dann im Jahr 1822 von Friedrich Carl von Savigny Savigny der rechtsmethodisch in Abkehr zum traditionellen Naturrecht stand stiess auf den Glossenapparat im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zu einem rechtsphilosophischen Ansatz seiner These dass alles Rechtsempfinden in einem Volksgeist stets in geschichtlichem Bewusstsein wachse Er vermutete dass dessen Wurzeln wiederum im romischen Gewohnheitsrecht lagen Weitere Veroffentlichungen folgten 1868 durch Paul Kruger 6 und 1933 durch Alberto Alberti 7 Da die Turiner Glosse nie in einer der Sammlungen von romischrechtlichen Nebenquellen aufgenommen worden war geriet sie nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu in Vergessenheit denn kaum einer der bedeutenden Rechtsgeschichtsforscher um Fritz Pringsheim Fritz Schulz Ernst Levy Max Kaser und Wolfgang Kunkel hatte die Quelle in den eigenen Rechtsbuchern gewurdigt 5 Zur Geschichte der Glosse ist in der Forschung bis heute vieles umstritten 5 Unbeantwortet ist die Frage ob die Glosse das einheitliche Werk eines einzelnen Verfassers ist oder ob in Wahrheit mehrere Autoren nacheinander daran tatig wurden sodass von einem Konglomerat von Textschichten auszugehen ist Fur Detlef Liebs erweist sich das Werk ursprunglich als Werkseinheit was er an den vorhandenen Querverweisen festmacht Allerdings greift er Paul Krugers Feststellung auf dass das Werk insgesamt die unterste von etwa funfzehn sich daruber legenden Schichten sei deren Uberzug er als Bearbeitungen der Glossatoren und Kommentatoren aus der Zeit zwischen dem 10 und dem 15 Jahrhundert identifiziert Alberto Alberti warf ein dass bereits die alte Glosse aus verschiedenen Schichten bestanden haben musse denn spater angeordneten Zitierungsverboten unterliegende Textpassagen seien beispielsweise weiterhin enthalten geblieben was fur Wiederaufnahmeverfahren bei den Bearbeitungen sprache jungere Schichten jedoch seien nicht lokalisierbar Unbeantwortet ist auch die Frage wo die Glosse entstanden ist und wann 2 Franz Wieacker geht bei der zeitlichen Bestimmung von einer Entstehung im 7 Jahrhundert aus damit einer fruheren Handschrift der Institutionen aus dem 6 Jahrhundert nachlaufend der Theophiliusparaphrase 8 Contardo Ferrini ging bei der ortlichen Bestimmung davon aus dass die Sammlung westromischen Ursprungs sei Dessen uneingedenk hatten die dort konzipierten Lehrmethoden im 6 Jahrhundert gleichermassen fur die Rechtsschulen von Beirut und Konstantinopel gegolten Seiner Auffassung nach hatten die Rechtsschulen dieselbe gaianische Textgrundlage verwendet gegebenenfalls in griechischer Ubersetzung mit griechischem Scholienapparat Max Conrat hingegen stellte sprachliche Ungereimtheiten fest woraus er folgerte es handle sich eher um eine im Osten des Reichs gefertigte Ubersetzung eines griechischen Scholienapparates der vergleichbar mit der Epitome Iuliani den Westprovinzen zugutekommen sollte Etwa drei Funftel des alten Glossenapparats sind erhalten geblieben Vom ersten Buch fehlt der gesamte Anfang bis zum 12 Titel vom zweiten besteht zwischen dem 20 und 23 Titel eine grossere Lucke das nahezu gesamte dritte Buch hingegen ist erhalten und vom vierten nur noch die Kommentierung der ersten 16 Paragraphen Der fehlende Teil wurde im spaten Mittelalter suppliert Diese spater eingefugten Glossen verteilen sich in unregelmassig uber das Werk Nachvollziehen lassen sich Zitate aus den Werken der justinianischen Gesamtgesetzgebung so vier Codex 9 acht Digesten 10 und funf Novellae Stellen 11 und einmal eine zwischenzeitlich verbotene Stelle aus der Lex Decisiones 12 Einigkeit besteht in der Forschung daruber dass die Glosse viele rechtliche Fehler aufweist 5 So stellt sich die condictio ex causa furtiva aus dem Diebstahlsrecht tatbestandlich uberzogen dar In Abweichung zum Urtext lasst die Glosse Kondiktionsrechte nicht allein gegen den Dieb beziehungsweise gegebenenfalls dessen Erben zu sondern nimmt jeden Besitzer in Haftung 13 Liebs Auffassung nach wurde der Urtext auch im Akkreszenz Niessbrauchs Stipulations und Pfandrecht missverstanden Ahnliche Glossenapparate BearbeitenDie Turiner Handschrift scheint nicht der einzige in Umlauf gebrachte Glossenapparat zur justinianischen Gesetzgebung gewesen zu sein Die sogenannte Altere Bamberger Institutionenglosse erhalten in der altesten vollstandigen Handschrift der Institutiones Bamberg Staatsbibliothek Msc Jur 1 gehen nach Max Conrat ebenfalls auf sehr fruhe Glossen zuruck 14 Auch die kurze Inhaltsangabe aus dem 6 Buch des Codex Iustinianus 6 4 4 in der Pistojer Codexglosse wird als alt vermutet 15 16 In das fruhe 7 Jahrhundert reichen wohl Fragmente eines Veroneser Palimpsests zuruck ins 9 Jahrhundert Bruchstucke des Berliner Rosnyanus 8 Literatur BearbeitenMax Conrat Cohn Geschichte der Quellen und Literatur des romischen Rechts im fruheren Mittelalter Hinrichs Leipzig 1891 S 118 f Max Conrat Cohn Das Florentiner Rechtsbuch Ein System romischen Privatrechts aus der Glossatorenzeit Neudruck der Ausgabe Berlin 1882 Scientia Verlag Aalen 1969 Luigi Chiappelli Neue Bemerkungen uber die Pistoieser Glosse zum Justinianischen Codex In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 8 Heft 1 1887 S 86 99 August von Bethmann Hollweg Der germanisch romanische Civilprozess im Mittelalter Band II Bonn 1873 S 312 f Wolfgang Kaiser Studien zu den Institutiones Iustiniani Teil I In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 133 Heft 1 2016 S 1 134 Friedrich Carl von Savigny Geschichte des romischen Rechts im Mittelalter Band III Heidelberg 1822 S 671 717 Johann Friedrich von Schulte Die Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts von Gratian bis auf die Gegenwart 1 Band erschienen 1875 80 S 217 ff Franz Wieacker Textstufen klassischer Juristen Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Gottingen philologisch historische Klasse 3 Folge Nr 45 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1960 Literatur zur Textstufenproblematik Weblinks BearbeitenDas Florentiner Rechtsbuch Ein System romischen Privatrechts aus der Glossatorenzeit Aus einer Florentiner Handschrift zum ersten Mal herausgegeben und eingeleitet archive org Anmerkungen Bearbeiten Max Conrat Cohn Das Florentiner Rechtsbuch Ein System romischen Privatrechts aus der Glossatorenzeit Neudruck der Ausgabe Berlin 1882 Scientia Verlag Aalen 1969 Einleitung Seite XII Mangels Eigenbezeichnung und mangels Literaturverweise auf das Werk kame nach Conrats Auffassung angelehnt an August von Bethmann Hollweg und Johann Friedrich von Schulte allein der Titel Summa beziehungsweise Summa legum in Betracht a b Hermann Fitting Ueber die sogenannte Turiner Institutionenglosse und den sogenannten Brachylogus Ein Beitrag zu der Geschichte des romischen Rechtes vom sechsten bis zum eilften Jahrhundert S 13 27 Datierung und 27 32 Lokalisierung online Eine andere Auffassung vertritt August von Bethmann Hollweg Der germanisch romanische Civilprozess im Mittelalter Band II Bonn 1873 S 312 f Das bedeutet dass metatextuelle Uberarbeitungen an die Rander der Vorlagen geschrieben wurden a b c d e Detlef Liebs Die Jurisprudenz im spatantiken Italien 260 640 n Chr Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Band 8 Duncker amp Humblot Berlin 1987 S 195 220 195 f und 202 f Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Band 7 1868 S 44 78 Alberto Albert La Glossa Torines e le altre glosse del ms D III 13 della Biblioteca Nazionale di Torino Turin 1933 225 Seiten a b Franz Wieacker Romische Rechtsgeschichte Quellenkunde Rechtsbildung Jurisprudenz und Rechtsliteratur Handbuch der Altertumswissenschaft Abt 10 Teil 3 Band 1 Einleitung Quellenkunde Fruhzeit und Republik Beck Munchen 1988 ISBN 978 3 406 32987 6 Codex Iustinianus 5 31 8 6 58 11 6 2 22 und 1 4 30 beispielsweise in Digesten 1 5 7 in Nr 1 Sav 10 4 12 3 in Nr 67 Sav davon zwei aus dem Jahr 535 ansonsten aus den Jahren 536 539 und 543 Codex Iustinianus 8 47 10 Vergleiche Institutiones Iustiniani 2 1 26 Glosse mit Gaius 2 79 Max Conrat Geschichte der Quellen und Literatur des romischen Rechts im fruhen Mittelalter Hinrichs Leipzig 1891 hier S 118 119 und 163 165 Digitalisat Hermann Fitting Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 7 1886 Heft 2 S 7 f Detlef Liebs Romische Rechtswissenschaft im fruhmittelalterlichen Italien Die Veroneser Scholien zum Codex Justinianus und die Pistojer Codexglosse Sonderdrucke aus der Albert Ludwigs Universitat Freiburg online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Turiner Institutionenglosse amp oldid 231912389