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Die Strahlenbiologie auch Radiobiologie untersucht die biologischen Wirkungen ionisierender Strahlung das heisst von Alpha Beta und Gammastrahlen und Rontgenstrahlen auf Lebewesen Neben der akuten Strahlenkrankheit z B durch Unfalle mit Kernkraftwerken sind vor allem chronische Wirkungen an Tumor und Normalgeweben im Zusammenhang mit der Strahlentherapie Forschungsgegenstand Inhaltsverzeichnis 1 Wirkung auf Zellen 2 Wirkung im Gewebe 3 Wirkung auf Tumoren 4 Methodik 5 Weitere Themen der Strahlenbiologie 6 Bekannte Strahlenbiologen 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseWirkung auf Zellen BearbeitenIonisierende Strahlen beeinflussen Korperzellen durch Ionisation und Anregung der Molekule Bedingt durch die viel hohere Konzentration sind nicht die wenigen direkten Treffer an den Makromolekulen sondern weit uberwiegend die Bildung von Radikalen des Gewebewassers von Bedeutung Radiolyse Die Radikale oxidieren wichtige zellulare Makromolekule und storen deren Funktion indirekte Strahlenwirkung Dabei ist nur der im Gewebe absorbierte Anteil der eingestrahlten Energie wirksam Eine Strahlung kann durch die Energiemenge die ein Strahlungsteilchen pro Mikrometer abgibt charakterisiert werden Linearer Energietransfer LET Einheit keV mm Beispielsweise hat Rontgenstrahlung einen LET von 2 5 keV mm schnelle Neutronen von gt 20 keV mm In der Strahlenbiologie wird stattdessen auch die relative biologische Wirksamkeit RBW verwendet ein Faktor der die Schadlichkeit einer Strahlung im Vergleich zu 250 kV Rontgenstrahlen angibt Im Strahlenschutz verwendet man statt der exakten RBW grob abgeschatzte ganzzahlige Qualitatsfaktoren Strahlenschaden an Biomolekulen wie Proteinen und Lipiden konnen problemlos ertragen werden ihre Auswirkungen auf die Zellfunktionen sind minimal Dagegen fuhren Radikalreaktionen mit der DNA Erbsubstanz manchmal zum Zelltod oder zur Entartung da jede Zelle nur uber zwei Kopien verfugt und die Reparaturmechanismen begrenzte Kapazitat haben Die Chromosomen im Zellkern sind das Hauptziel der biologischen Strahlenwirkung Pro Gray absorbierte Energie entstehen in jeder Zelle ca 1000 Einzelstrang und 40 Doppelstrangbruche die allerdings fast alle reparabel sind Folge von unreparierten DNA Schaden sind Storungen der Zellfunktion Mutation oder Tod der betroffenen Zelle Die meisten Strahlenfolgen sind erst ab einer gewissen Mindestdosis nachweisbar das heisst Strahlung in der Grossenordnung der naturlichen Hintergrundstrahlung gilt in dieser Beziehung als ungefahrlich Da theoretisch eine einzelne mutierte Zelle zum Krebs heranwachsen oder eine embryonale Fehlbildung verursachen kann gibt es fur diese sogenannten stochastischen Strahlenschaden keine bekannte Mindestdosis Man nimmt gegenwartig eine lineare Dosis Wirkungs Beziehung an fur Rontgenstrahlung z B 5 Krebstodesfalle pro Sievert diese Angaben sind allerdings Gegenstand einer intensiven Debatte Neben der Mutation und dem Zelltod kommt es in Saugetierzellen nach Bestrahlung auch zu Verzogerungen des Zellzyklus und zuvor unbegrenzt teilungsfahige Stammzellen und Krebszellen konnen nach Bestrahlung ausdifferenzieren und ihre Klonbildungsfunktion verlieren Experimentelle Uberlebenskurven erfassen neben dem direkten Zelltod auch diesen klonogenen Zelltod der eine wichtige Rolle in der Strahlentherapie spielt Sie haben immer eine charakteristische S formige Gestalt die mathematisch mit einer linear quadratischen Modellfunktion beschrieben werden kann Wirkung im Gewebe Bearbeiten nbsp Strahlenbiologe 1944 nbsp Moderne StrahlentherapieUnterschiedliche Gewebe sind unterschiedlich strahlenempfindlich Dazu tragen der Anteil an sich teilenden Zellen die Durchblutung und die Sauerstoffkonzentration bei Je niedriger der Sauerstoffpartialdruck im Gewebe desto unempfindlicher ist es auf ionisierende Strahlen Es wird daher in der Strahlentherapie empfohlen das Rauchen einzustellen und eine eventuelle Blutarmut vor Beginn der Behandlung auszugleichen Auch die proliferative Organisation des Gewebes ist wichtig wenn es eine streng abgegrenzte Stammzellfraktion besitzt aus der abgestorbene Zellen ersetzt werden sogenannte hierarchische oder Wechselgewebe wie z B Blutzellen oder Darmschleimhaut dann wird einige Tage nach Zerstorung dieser Stammzellen das gesamte Gewebe bzw Organ zugrunde gehen Gewebe mit flexibler Proliferation haben keine eindeutige Trennung von Stamm und Funktionszellen z B Leber Lunge Gehirn und konnen sich von einem subletalen Schaden besser erholen Wechselgewebe reagieren fruh Stunden bis max 6 Monate nach der Bestrahlung Flexible Gewebe konnen Spatreaktionen ausbilden definitionsgemass sind das Strahlenfolgen die nach sechs Monaten noch andauern Da die meisten Organe aus unterschiedlichen Geweben zusammengesetzt sind Stroma Parenchym Blutgefasse etc sind die Verhaltnisse in der Praxis komplizierter jedes Organ kann durch Spatfolgen einer Bestrahlung dauerhaft geschadigt werden wenn auch in unterschiedlichem Mass Auch der makroskopische Aufbau der Organe spielt eine Rolle Linear aufgebaute Organe wie der Dunndarm oder das Ruckenmark sind wesentlich starker gefahrdet als parallel aufgebaute wie z B Drusen Auf Basis der Spatfolgen die wesentlich gefurchteter sind als die fruhe Strahlungswirkung hat man fur die meisten Organe und Gewebe Toleranzdosen definiert In der Literatur sind meist TD5 5 angegeben das heisst die Dosis bei der ein bestimmter Schaden innerhalb von 5 Jahren bei 5 der Probanden auftritt Beispielsweise liegt die TD5 5 der Augenlinse fur die Linsentrubung bei 10 Gy Emami 1991 PMID 2032882 Zur Beschreibung der Strahlenfolgen an Normalgeweben gibt es weltweit standardisierte Kriterienkataloge CTC fur fruhe Strahlenfolgen LENT SOMA fur Spatfolgen 1 Wirkung auf Tumoren Bearbeiten nbsp Dosiswirkungsbeziehungen bei unterschiedlicher DosisleistungDie Empfindlichkeit von Tumoren gegenuber ionisierender Strahlung ist in der Regel hoher als die von gesunden Geweben Sie sind gekennzeichnet durch eine kurzere Zellzykluszeit lt 2 Tage und einen hoheren Anteil an sich teilenden Zellen Wachstumsfraktion gt 40 Die Dosis Wirkung Beziehung ist S oder sigmaformig ebenso wie bei normalen Geweben allerdings in Richtung zur niedrigeren Dosis nach links verschoben Mathematisch haben die Tumorgewebe ein hoheres a b Verhaltnis a und b sind die Koeffizienten der linearquadratischen Modellgleichung Die Vertraglichkeit von Strahlung ist hoher wenn die Dosisleistung Dosis pro Zeitspanne gering ist oder die Strahlung auf viele kleine Behandlungen verteilt wird Das liegt an den sofort nach Strahleneintritt anlaufenden Gewebereaktionen die der kalifornische Strahlenbiologe Hubert Rodney Withers 1975 als 4 R s zusammengefasst hat Reparatur enzymatische Korrektur der Einzel und Doppelstrangbruche und Basenfehler in der DNA Redistribution Fortsetzung der unterbrochenen Zellzyklen sodass wieder Zellen aus allen Phasen vorliegen Reoxygenierung erhohte Sauerstoffversorgung im Gewebe Repopulation Nachwachsen von Zellen In der Strahlentherapie sind ein bis zwei Behandlungen pro Tag ublich Zwischen den Behandlungen mussen Pausen von mindestens sechs Stunden liegen Schnellwachsende Tumoren sind einer verkurzten Strahlentherapie besser zuganglich wobei nur die Gesamtbehandlungszeit wichtig ist nicht die Dosis pro Behandlung Andererseits wird die Empfindlichkeit eines zerfallenden schlecht durchbluteten Tumors wegen der Hypoxie reduziert Ausserdem werden immer Normalgewebe mitbestrahlt die wegen ihres niedrigem a b Verhaltnis fur Spatfolgen besonders empfindlich sind und langsamer mit kleineren Tagesdosen bestrahlt werden sollten In der Praxis muss deshalb ein Kompromiss geschlossen werden der vom jeweiligen Tumor und den vorhandenen technischen Moglichkeiten abhangt Methodik BearbeitenDie strahlenbiologische Forschung arbeitet mit molekularbiologischen zytogenetischen und zytometrischen Methoden an unterschiedlichen Organismen und Zellsystemen Auf DNA Niveau wird die strahlenbedingte Mutagenese und deren Reparatur untersucht Weitere Themen der Strahlenbiologie BearbeitenDer Mensch im Strahlenfeld Erhohung der Strahlensensibilitat um die Strahlentherapie bei Tumoren effektiver zu machen Erhohung der Strahlenresistenz um gesundes Gewebe bei der Strahlentherapie zu schonen Grundlagen des Strahlenrisikos Strahlenschaden Klinische Strahlenbiologie Niedrigstrahlung negative und positive Strahlenwirkungen im niedrigen Dosisbereich 2 Radioaktivitat in der Nahrungskette Strahlenbelastung Strahlenschutz Zellbiologische Grundlagen der StrahlentherapieBekannte Strahlenbiologen BearbeitenOtto Hug 1913 1978 Hedi Fritz Niggli 1921 2005 Begrunderin der Strahlenbiologie in der Schweiz Sie erforschte die Schadigungen durch niedrige Strahlendosen insbesondere beim Ungeborenen und in der empfindlichen Entwicklungsphase der Lebewesen Wolfgang Kohnlein 1933 Universitat Munster emeritiert Edmund Lengfelder 1943 Professor an der Universitat Munchen Er erforscht seit 1986 die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe von Tschernobyl Boris Rajewsky 1893 1974 Hermann Rink 1935 Chemiker Strahlenbiologe und Emeritus der Medizinischen Fakultat der Universitat Bonn Christian Streffer 1934 Universitat Essen emeritiert Joachim Wattendorff 1928 2008 Biologe und Strahlenbiologe Universitat Freiburg in der Schweiz Paul Wels 1890 1963 Pharmakologe und Strahlenbiologe Sein Forschungsinteresse galt insbesondere den Auswirkungen von Rontgenstrahlung auf verschiedene Zellen und von Ultraviolettstrahlung auf die Haut sowie der pharmakologischen Wirkung bestrahlter SubstanzenSiehe auch BearbeitenStrahlung Strahlendosis Dosimetrie Geschichte des StrahlenschutzesLiteratur BearbeitenEric J Hall Radiobiology for the Radiologist Philadelphia Lippincott Williams amp Wilkins 2000 5th ed ISBN 0 7817 2649 2 Thomas Herrmann Michael Baumann Wolfgang Dorr Klinische Strahlenbiologie kurz und bundig Urban amp Fischer Verlag Elsevier GmbH 4 Auflage 2006 ISBN 3 437 23960 0 Hedi Fritz Niggli Strahlengefahrdung Strahlenschutz Verlag Hans Huber 4 Aufl 1997 G Gordon Steel Basic Clinical Radiobiology London Arnold 1997 2nd ed ISBN 0 340 70020 3Weblinks BearbeitenSchweizerische Gesellschaft fur Strahlenbiologie und Medizinische Physik Deutsche Gesellschaft fur Biologische Strahlenforschung Das Institut fur Strahlenbiologie des Helmholtz Forschungszentrum fur Umwelt und Gesundheit bei Munchen erforscht die Wirkung von ionisierender Strahlung auf lebende Zellen und Organismen Die Strahlenschutz Kommission SSK ist ein Gremium unabhangiger Wissenschaftler das die deutsche Bundesregierung in allen Aspekten der Strahlenwirkung und des Strahlenschutzes berat Einzelnachweise Bearbeiten Michael Wannenmacher Jurgen Debus Frederik Wenz Strahlentherapie Springer 2006 ISBN 978 3 540 22812 7 S 279 82 google de abgerufen am 23 Februar 2013 Ralph Graeub Der Petkau Effekt Verlag Zytglogge Gumligen ISBN 3 7296 0222 5Normdaten Sachbegriff GND 4057819 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strahlenbiologie amp oldid 233628373