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Das linearquadratische Modell LQM ist eine Formel mit der in der Strahlentherapie die biologische Wirkung von unterschiedlich fraktionierten Strahlendosen verglichen werden kann Die Formel ergibt fur nichtkonventionelle Fraktionierungen die biologisch aquivalente konventionell fraktionierte Dosis Sie verwendet zwei gewebespezifische Faktoren fur einen linearen und einen quadratischen Term was einerseits gut zu den Versuchsergebnissen passt andererseits auch radiophysikalisch begrundet werden kann Das LQM hat in der Praxis die alteren Strandqvist 1944 und Ellis Formeln nominal Standard dose NSD 1969 abgelost 1 Die Strahlendosen die zur Vernichtung bestimmter Krebsarten notwendig sind und ebenso die Toleranzdosen der Normalgewebe sind durch die langjahrigen Erfahrungen mit der konventionell fraktionierten Strahlentherapie bekannt Bei der konventionellen Fraktionierung werden taglich 1 8 2 0 Gy bis zum Erreichen der verordneten Gesamtdosis eingestrahlt Bei schwerkranken Patienten oder zur Behandlung von besonders schnellwachsenden Tumoren kann es wunschenswert sein kurzere Abstande als 24 Stunden Akzelerierung oder hohere Tagesdosen als 2 Gy Hypofraktionierung zu wahlen bis hin zur Schlagbestrahlung der gesamten Zieldosis in einer einzigen Sitzung Die biologische Wirkung auf den Tumor und bestimmte Nebenwirkungen erhohen sich aber erheblich wenn die Gesamtbehandlungszeit um Tage oder gar Wochen verkurzt wird und die sogenannten Spatnebenwirkungen hangen ebenso stark von der Hohe der taglichen Einzelfraktion ab Die Starke der fruhen und spaten Gewebsreaktionen hangt von den Eigenschaften der bestrahlten Gewebe ab vor allem vom Zellumsatz und von der Anzahl der teilungsfahigen Stammzellen Beispielsweise wird die oberste Zellschicht der Schleimhaut alle 2 3 Tage ausgetauscht eine Strahlenschadigung der Stammzellen fuhrt also sehr schnell zum Epithelverlust und zu schweren Nebenwirkungen Andererseits kann sich die Schleimhaut wegen ihres hohen Stammzellanteils auch schnell wieder erholen Ein Gegenbeispiel ist Knochengewebe mit geringen Fruhreaktionen aber eingeschrankter Langzeittoleranz Die quantifizierten klinischen Strahlenreaktionen Tumorverkleinerung Entzundung Narbenbildung etc sind proportional zur Dosis D und damit zum Logarithmus des abgetoteten Anteil S der bestrahlten Zellen S0 denn der Zelluntergang folgt einer Exponentialbeziehung mit der Basis e Uberlebende Zellfraktion S S 0 e D D 0 displaystyle S S 0 e D D 0 und Strahlenwirkung Effekt E D D 0 ln S S 0 displaystyle E approx D D 0 ln S S 0 D0 ist eine fraktionierungs gewebe und effektabhangige Empfindlichkeitskonstante die nicht bekannt ist Die Formel kann also in der klinischen Praxis nicht verwendet werden um die zu erwartende Wirkung einer Dosis zu berechnen Strandqvist und spater Ellis versuchten deshalb fur die Effekte neuer Fraktionierungsschemata zusatzliche Terme und Exponenten anzufugen die sie in Tierversuchsreihen ermittelt hatten z B Frank Ellis 1969 2 N S D D N 0 24 T 0 11 displaystyle NSD D cdot N 0 24 cdot T 0 11 mit NSD nominal standard dose konventionell fraktionierte Dosis mit gleicher Wirkung D bestrahlte Dosis N Zahl der Fraktionen T Gesamtbehandlungszeit in Tagen Es zeigte sich jedoch bald dass die so gewonnenen Schatzungen nicht fur alle Gewebe zutrafen und nicht die Unterschiede der fruhen und spaten Gewebsreaktionen erfassten Zudem war die Formel nicht aus der Strahlenbiologie heraus begrundbar 1974 fand Fowler eine auffallende Ubereinstimmung der Ergebnisse von Fraktionierungsexperimenten an Zellkulturen mit der FunktionS S 0 e a d b d 2 displaystyle S S 0 e alpha cdot d beta cdot d 2 mit d Hohe einer Einzelfraktion und a b Gewebekonstanten 3 Der Exponent in Fowlers Formel hat einen linearen und einen quadratischen Term Kellerer und Rossi 4 pragten den Begriff linearquadratisches Modell und vermuteten eine mechanistische Erklarung dual target hypothesis Barendsen beschrieb die prinzipielle Anwendbarkeit fur fruh und spatreagierende Gewebe 5 Obwohl auch das linearquadratische Modell ursprunglich rein empirisch oder intuitiv entdeckt wurde so lasst es sich doch strahlenbiologisch fur die Wirkung von Strahlen mit niedrigem LET wie Photonen und Elektronen begrunden a d konnte die Wahrscheinlichkeit fur das Eintreten eines irreparablen Doppelstrangbruchs der DNA durch ein einzelnes Photon bzw Elektron darstellen b d die Wahrscheinlichkeit fur einen prinzipiell reparablen Einzelstrangbruch und b d2 die Wahrscheinlichkeit fur zwei solche Einzelstrangbruche in enger zeitlicher und raumlicher Koinzidenz die so schnell nicht repariert werden konnen Fur eine Behandlung aus mehreren Fraktionen ergibt sich E n a d b d 2 displaystyle E n cdot alpha cdot d beta cdot d 2 mit n displaystyle n Anzahl der Fraktionen vorausgesetzt zwischen den Fraktionen besteht genug Zeit zur Erholung empirisch mindestens sechs Stunden Die Gewebefaktoren a und b sind zwar ebenso wie D0 nicht bekannt Durch Logarithmieren und Umformung kann man jedoch E a n d 1 d a b displaystyle E alpha n cdot d cdot left 1 frac d alpha beta right erhalten Der Effekt E soll definitionsgemass konstant sein E a ist vom zeitlichen Bestrahlungsmuster unabhangig n d ist die Gesamtdosis der Bestrahlungsserie Es besteht also bei gleicher Wirkung eine umgekehrte Proportionalitat zwischen der Gesamtdosis n d und der Dosis pro Fraktion d Der Proportionalitatsfaktor a b 1 bzw das Verhaltnis a b kann fur verschiedene Gewebe und Tumoren experimentell bestimmt werden indem man Dosis Wirkungskurven auf Logarithmuspapier aufnimmt a b ist umso hoher je weniger die Gewebe dem Fraktionierungseffekt unterliegen d h je weniger die Gefahr von Spatschaden durch Fraktionierung der Gesamtdosis reduziert werden kann Typisch sind Werte von a b 2 4 fur spatreagierende Normalgewebe Lunge Nieren und 10 20 fur fruhreagierende Normalgewebe Schleimhaut Knochenmark und Tumoren Wenn das a b Verhaltnis bekannt ist kann eine zur konventionellen Fraktionierung 5 2 Gy pro Woche d 0 displaystyle d 0 2 00 Gy bezuglich der Spatfolgen wirkungsgleiche Dosis mit anderer Einzelfraktion d 1 displaystyle d 1 berechnet werden D D konv d 0 a b d 1 a b displaystyle D D text konv cdot frac d 0 alpha beta d 1 alpha beta Beispielsweise werden Knochenmetastasen konventionell oft mit 18 2 Gy 36 Gy behandelt Erhoht man die Einzeldosis auf 3 Gy und verringert die Anzahl der Fraktionen auf 10 dann sind die eingestrahlten 30 Gy aquivalent zu 32 5 Gy am Tumor und am Knochenmark a b 10 und zu 36 Gy am Knochengrundgewebe a b 3 Das bedeutet dass bei gleichen Spatfolgen wie bei der konventionellen Behandlung bei der von vier auf 2 Wochen verkurzten Behandlung eine etwas geringere antitumorale Wirkung erzielt wird Einzelnachweise Bearbeiten The New Treatments in Radiotherapy Altered Fractionation Gray Annual Report 1993 F Ellis Dose time and fractionation a clinical hypothesis In Clin Radiol 20 1969 S 1 7 J F Fowler The linear quadratic formula and progress in fractionated radiotherapy In Br J Radiol 62 1989 S 679 694 A M Kellerer H H Rossi A generalized formulation of dual radiation action In Radiat Res 75 1978 S 471 488 G W Barendsen Dose fractionation dose rate and isoeffect relationship for normal tissue response In Int J Radiat Oncol Biol Phys 8 1982 S 1981 1997 Literatur BearbeitenThomas Herrmann Michael Baumann Klinische Strahlenbiologie Fischer Jena 1997 ISBN 3 437 31140 9 Weblinks BearbeitenBiologische Aquivalenzdosis Rechner deutsch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Linearquadratisches Modell amp oldid 202981938