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Der Stochsch sche Stein ist ein etruskischer Skarabaus aus dem fruhen 5 Jahrhundert v Chr Dabei handelt es sich um einen Schmuckstein aus Karneol auf dem funf Helden mit Namensbeischriften aus der Sage der Sieben gegen Theben dargestellt sind Der Schmuckstein stammt aus der Sammlung des Altertumsforschers Philipp von Stosch und befindet sich heute in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Inventarnummer FG 194 Er zahlt zu den bedeutendsten Kunstwerken der etruskischen Glyptik Der Stosch sche Stein Ein etruskischer Skarabaus aus dem fruhen 5 Jahrhundert v Chr Abdruck des Stosch schen Steins Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Inschriften 3 Deutung 4 Provenienz 5 Kunstgeschichtlicher Hintergrund 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBeschreibung Bearbeiten nbsp Holzstich aus der Storia antiquaria etrusca von Antonio Francesco Gori 1749 nbsp Holzstich aus der Storia antiquaria etrusca von Antonio Francesco Gori 1749 Der Schmuckstein ist aus Karneol gefertigt einer meist undurchsichtigen orangen Varietat des Chalcedon Der Stein ist elliptisch geformt und weist eine Lange von 1 6 cm und eine Breite von 1 2 cm auf Seine Dicke schwankt zwischen 0 2 und 0 5 cm In den Karneol ist eine Personengruppe geschnitten Das Bildfeld ist von einem Schmuckrand umgeben Abgebildet sind funf teilweise bewaffnete Krieger von denen drei im Vordergrund auf Schemeln sitzen und zwei im Hintergrund stehen Die beiden stehenden Krieger tragen jeweils einen Speer einen Schild einen Brustpanzer und einen Helm mit Helmbusch Die mittlere der sitzenden Figuren halt einen Speer in der Hand die anderen beiden sind ohne Waffen oder Schutzkleidung dargestellt Der Mittlere der Sitzenden ist anscheinend in ein Tierfell gehullt das die Arme aber nicht die Schultern bedeckt Der zweite Sitzende tragt einen Umhang und hat dabei eine Schulter entblosst Beide halten jeweils ein Knie abgewinkelt Der dritte Sitzende ist ganz in einen Umhang gehullt und halt mit beiden Handen ein Knie umschlungen das dadurch leicht angehoben wird Durch zwei senkrecht stehende Lanzen werden die Dargestellten in eine Dreier und eine Zweiergruppe unterteilt Diese Gruppenbildung wird wieder aufgehoben da sich durch die einander zugeneigten Kopfe neue Dreier und Zweiergruppen ergeben Vier der funf Personen wirken sinnend drei davon halten ihren Kopf gesenkt Nur ein Krieger zeigt eine gewisse Aktivitat indem er sich von der kopfzugeneigten Dreiergruppe abwendet und wie zum Aufbruch bereit die Lanze packt und den Schild schwingt Die Figuren sind nicht wie bei einer Gemme vertieft in den Stein eingeschnitten vielmehr wurde der Hintergrund des Bildmotivs weggeschnitten so dass die Figuren wie ein Relief aus dem Stein herausragen Auf diese Weise gefertigte Schmucksteine bezeichnet man als Kamee Da Gemme auch als Oberbegriff fur alle geschnittenen Edel und Schmucksteine verwendet wird kann man Schmucksteine wie diesen auch als Gemmen bezeichnen Solche Gemmen wurden in der Antike auch als Siegelsteine benutzt Diese hatten haufig die Form von kaferformigen Ringsteinen die daher auch als Skarabaen bezeichnet werden Skarabaen dieser Art wurden seit dem spaten 6 Jahrhundert v Chr von etruskischen Steinschneidern aus Karneol hergestellt und oftmals mit Bildern aus dem griechischen Mythos verziert Dieser in Etrurien weit verbreitete Typus des Siegelrings scheint eine genuin etruskische Errungenschaft gewesen zu sein die spater in ganz Mittelitalien Verbreitung fand Der Stil der Darstellung weist deutlich etruskische Eigentumlichkeiten auf Hierzu zahlen die im Verhaltnis zum Korper grossen Kopfe und die Gestaltung der teils archaisierend langen gestreiften Haare Auch die Benennung der Figuren durch Inschriften ist eine etruskische Eigenheit die sich auch auf attischen Vasen findet aber nicht auf griechischen Gemmen Dagegen kommen Besitzernamen oder Signaturen im Gegensatz zur griechischen Glyptik nicht vor Im 18 Jahrhundert wurde der Kafer abgetrennt und die verbliebene Gemme als Ring gefasst Inschriften Bearbeiten nbsp Flugblatt Foglio volante von 1756 mit dem Stosch schen Stein nach einem Kupferstich von SchweickartAus den Inschriften geht hervor dass auf dem Skarabaus funf Helden aus der Sage der Sieben gegen Theben dargestellt sind Zwei der Inschriften sind entsprechend den etruskischen Schreibgewohnheiten von rechts nach links mit spiegelverkehrten Buchstaben verfasst Die anderen drei folgen der Schreibrichtung von links nach rechts ohne Spiegelung der Buchstaben Druckt man allerdings das Siegel in ein weiches Material wie Ton so entsteht ein spiegelverkehrter Abdruck mit zwei Inschriften in der gewohnten Schreibrichtung und drei spiegelverkehrten gemass der etruskischen Schreibgewohnheiten Auf den Stichen aus dem 18 Jahrhundert stellte man meist den Abdruck des Siegels dar Inschriften von links nach rechts PARTHANAPAES Parthenopaios ATRESTHE Adrastos 1 Inschriften von rechts nach links AMPHIARE Amphiaraos TUTE Tydeus PHULNIKE Polyneikes 1 Die Tragodie der Sieben gegen Theben ist der letzte Teil der Odipus Trilogie des griechischen Dramatikers Aischylos und erzahlt die Schlacht der Bruder Eteokles und Polyneikes um die Macht in Theben Polyneikes greift dabei Theben mit seinen Verbundeten an zu denen noch Hippomedon und Kapaneus zahlen die auf dem Skarabaus nicht abgebildet sind Beide Bruder kommen in der Schlacht um Ebenso verlieren alle Angreifer bis auf Adrastos ihr Leben Der Seher Amphiaraos hat dieses Ende vorhergesehen Deutung BearbeitenDie Etrusker ubernahmen griechische Mythen und entwickelten in der bildenden Kunst haufig neue szenische Darstellungen Hier sitzt der Seher Amphiaraos in der Mitte der Verbundeten links und rechts neben ihm Parthenopaios und Polyneikes hinter ihm stehend Adrastos und Tydeus Zwei Helden fehlen ohne erkennbaren Grund Die Anwesenden sind offenbar niedergeschlagen da ihnen Amphiaraos ihr Schicksal prophezeit hat Nur Adrastos ist zum Aufbruch bereit Er wird die Helden schliesslich zum Kampf fuhren und als einziger heimkehren Zu dieser Darstellung ist in der griechischen Kunst keine vergleichbare Szenerie bekannt Denkbar ware dass die etruskischen Steinschneider Vorlagen auf attischen Vasen verwendet haben wie dies fur etruskische Bronzespiegel erschlossen werden konnte In der griechischen Sage weigerte sich Amphiaraos aufgrund seiner Vision am Kriegszug teilzunehmen und verangstigte so auch alle anderen Mit Hilfe der Eriphyle der Ehefrau des Amphiaraos konnte Amphiaraos doch noch bewegt werden am Krieg teilzunehmen und das Schicksal nahm seinen Lauf Vielleicht sollte der Ring den Trager vor verhangnisvollen Streitigkeiten in der Familie warnen und bewahren Die Sage von den Sieben gegen Theben war bei den Etruskern ebenso popular wie die Sage vom Trojanischen Krieg da in beiden Erzahlungen mit Amphiaraos und Teiresias jeweils Seher auftreten Die Verkundigung von gottlichen Botschaften Prophetie und die Auslegung der Zeichen der Gotter Divination spielten in der etruskischen Religion eine bedeutende Rolle Provenienz Bearbeiten nbsp Stich mit dem Skarabaus im Museum des Conte Vincenzio AnsideiDer Skarabaus wurde zwischen 500 und 480 v Chr angefertigt und spater in Perugia gefunden das im alten Etrurien gelegen war und heute die Hauptstadt der Region Umbrien ist Die Gemme gelangte in den Besitz des Conte Vincenzio Ansidei der ein Antikensammler war und seine Stucke in einem eigenen Museum ausstellte Ansidei war Mitglied in der 1726 gegrundeten Accademia Etrusca einer Gelehrtengesellschaft zur Erforschung der Kultur der Etrusker die heute noch besteht und ihren Sitz in Cortona hat Baron Philipp von Stosch 1691 1757 der zu dieser Zeit in Italien lebte war einer der bedeutendsten Antikensammler des 18 Jahrhunderts und hatte bis Mitte des Jahrhunderts die umfangreichste Gemmensammlung seiner Zeit angelegt Zum Dank und zur Erganzung seiner Sammlung vermachte ihm Ansidei im Namen der Accademia Etrusca 1755 den etruskischen Skarabaus In der Stosch schen Sammlung befand sich ein weiterer wertvoller Schmuckstein der etruskische Skarabaus mit Tydeus Nach dem Tod des Barons 1757 erbte sein von ihm adoptierter Neffe Heinrich Wilhelm Muzel die Sammlung und verkaufte sie 1764 vollstandig an Konig Friedrich II Die Sammlung wurde spater zu einer der Grundlagen der Antikensammlung Berlin Der Skarabaus befindet sich heute in der Antikensammlung im Alten Museum auf der Berliner Museumsinsel Kunstgeschichtlicher Hintergrund Bearbeiten nbsp Titelblatt des Hauptwerks von Johann Joachim Winckelmann mit dem Kupferstich von Schweickart als TitelvignetteAntonio Francesco Gori 1691 1757 ein italienischer Altertumsforscher der sich insbesondere um die Erforschung der etruskischen Kunst verdient gemacht hat erhielt 1742 von Conte Vincenzio Ansidei die Erlaubnis in dessen Museum in Perugia den etruskischen Skarabaus mit den Sieben gegen Theben in Augenschein zu nehmen und eine Zeichnung anzufertigen 1749 veroffentlichte er den Band Storia antiquaria etrusca worin er sich auch mit dem etruskischen Skarabaus befasste und als Abbildung einen Holzstich prasentierte 2 Da er sich auch mit der etruskischen Schrift beschaftigte konnte er die Inschriften nahezu fehlerfrei entziffern und den griechischen Vorbildern richtig zuordnen Nachdem Philipp von Stosch den Skarabaus 1755 erhalten hatte beauftragte er Johann Adam Schweickart 1722 1787 die Gemmen seiner Sammlung zu zeichnen und Kupferstiche anzufertigen Unter den dargestellten Artefakten befand sich auch der Skarabaus dessen Abbildung schnell Verbreitung fand und aufgrund seiner Qualitat sehr geschatzt wurde Von Stosch plante schliesslich auch die Publikation seiner Gemmensammlung und wollte den Kunstschriftsteller und Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann 1717 1768 fur die Veroffentlichung gewinnen Nach seinem Tod setzte sein Erbe Heinrich Wilhelm Muzel das Vorhaben um Zwischen 1758 und 1759 wertete Winckelmann die Antikensammlung wissenschaftlich aus und veroffentlichte seine Ergebnisse 1760 unter dem Titel Description des pierres gravees de feu Baron de Stosch in Florenz In diesem Gemmenkatalog lieferte Winckelmann erste treffende Beschreibungen etruskischer Kunstwerke die an Hochschatzung kaum zu uberbieten sind In den Beschreibungen der etruskischen Gemmen findet man erste Betrachtungen zum etruskischen Stil der Figuren zur Proportion und Komposition Winckelmann gelangte auch zu der modernen Erkenntnis dass die Steinschneider in der Archaik eine grosse Sorgfalt und Finesse besassen und ihre kunstlerische Technik bereits perfektioniert hatten Unter der Katalognummer 172 ging Winckelmann ausfuhrlich auf den etruskischen Skarabaus ein und erkannte in ihm ein bedeutendes Kunstwerk aus der etruskischen Fruhzeit 3 Dabei erwahnte er auch Goris kurze Abhandlung und bedauerte die schlechte Qualitat des Holzstichs der fur die Feinheit des Gegenstands offenbar nicht geeignet war Die Arbeit an der Gemmensammlung wurde zu einer Vorarbeit zu Winckelmanns Hauptwerk Geschichte der Kunst des Alterthums von 1764 Das Titelblatt zeigt als Titelvignette den Kupferstich des Stosch schen Steins von Johann Adam Schweickart 4 Winckelmann unterschied bei den Etruskern drei Kunststile einen archaischen einen nachfolgenden und einen letzten der sich unter dem Einfluss der griechischen Kunst verbessert habe Den der Archaik nachfolgenden Kunststil meinte er anhand von manieriert wirkenden Stilmerkmalen abgrenzen zu konnen die er auf den Gemmen der Stosch schen Sammlung erkannt hatte In seinem Spatwerk Monumenti antichi inediti von 1767 beschaftigte sich Winckelmann nochmals ausfuhrlich mit dem Problem der Abhangigkeit der etruskischen von der griechischen Kunst und revidierte einige Positionen Deutlicher als in der Geschichte der Kunst des Alterthums betonte er die Eigenstandigkeit des etruskischen Stils und stellte nun fest dass der griechische Einfluss die etruskische Kunst deutlich verandert nicht aber verbessert habe Nicht zuletzt wegen seiner eingehenden Untersuchungen der Gemmen verlegte Winckelmann entgegen der damals herrschenden Ansicht die Blute des etruskischen Kunstschaffens in das 6 und fruhe 5 Jahrhundert v Chr Auch in diesem Werk ist der Kupferstich von Schweickart abgebildet 5 und reflektiert die herausragende Bedeutung dieser Gemme fur die Wurdigung der etruskischen Kunst Literatur BearbeitenPeter Zazoff Die antiken Gemmen C H Beck Munchen 1983 ISBN 9783406088964 S 12 16 226 240 242 Maria Elisa Micheli Lo scarabeo Stosch due disegni e una stampa In Prospettiva Nr 37 1984 S 51 55 online Max Kunze Stil und Geschichtsutopie Winckelmanns Entdeckung des Etruskischen In Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt Universitat zu Berlin Bd 40 1991 Heft 6 S 69 73 online Erika Zwierlein Diehl Antike Gemmen und ihr Nachleben Walter de Gruyter Berlin New York 2007 ISBN 9783110194500 S 82 84 Erika Simon Greek myth in Etruscan culture In Jean MacIntosh Turfa Hrsg The Etruscan World Routledge New York 2013 ISBN 9781134055234 S 502 504 Ulf R Hansson Stosch Winckelmann and the Allure of the Engraved Gems of the Ancients In MDCCC 1800 Band 3 2014 S 13 33 online Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Stosch scher Stein Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag in der Datenbank der Berliner Museen Etruskischer Skarabaus sog Stosch scher Stein auf der Seite der Deutschen Digitalen Bibliothek Winckelmann Firenze e gli Etruschi Il padre dell archeologia in Toscana Parte Prima auf der Seite Letteratura artistica Winckelmann Firenze e gli Etruschi Il padre dell archeologia in Toscana Parte Seconda auf der Seite Letteratura artisticaEinzelnachweise Bearbeiten a b Willmuth Arenhovel Christa Schreiber Berlin und die Antike Katalog Deutsches Archaologisches Institut Berlin 1979 S 62 Antonio Francesco Gori Storia antiquaria etrusca Florenz 1749 S 133 online Johann Joachim Winckelmann Description des pierres gravees de feu Monsieur le baron de Stosch Florenz 1760 S 344 online Johann Joachim Winckelmann Geschichte der Kunst des Alterthums Dresden 1764 online Johann Joachim Winckelmann Monumenti antichi inediti Band 1 Rom 1767 S 234 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stosch scher Stein amp oldid 239470880