www.wikidata.de-de.nina.az
Das Sicherungslager Rotenfels war ein nationalsozialistisches Zwangslager das in Nachfolge des elsassischen Sicherungslagers Schirmeck Vorbruck von August 1944 bis April 1945 in Rotenfels heute ein Stadtteil von Gaggenau im Landkreis Rastatt in Baden Wurttemberg bestand In Rotenfels wurden ungefahr 1600 Haftlinge festgehalten von denen nach Schatzungen zwischen 200 und 700 starben Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Befreiung 3 Weblinks 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Gedenkstele im Kurpark 2010 Die Sicherungslager Rotenfels und Schirmeck Vorbruck waren zwei der zahlreichen Zwangslager die im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich neben dem System der eigentlichen der Inspektion der Konzentrationslager unterstehenden Konzentrationslager KZ bestanden In der Erinnerung insbesondere der Haftlinge werden diese Zwangslager haufig als KZ wahrgenommen auch herrschten dort ahnliche Haftbedingungen wie in den KZs 1 Das Sicherungslager in Schirmeck Vorbruck bestand seit August 1940 Es diente in der Zeit der deutschen Besetzung des Elsass den deutschen Polizeibehorden als Erziehungslager im Zuge der Germanisierung des Elsass unter Gauleiter Robert Wagner sowie als Sicherungslager in dem Vorbeuge und Schutzhaftlinge festgehalten wurden Am 25 August 1944 dem Tag der Befreiung von Paris durch die in der Normandie gelandeten alliierten Truppen begann die Verlegung der Schirmecker Haftlinge teils mit der Eisenbahn teils mit Lastwagen Eine Augenzeugin beschrieb spater die in Rotenfels ankommenden Haftlinge als Menschen die unheimlich aussahen zerlumpt vom Kopf bis zu den Fusssohlen unrasiert vollig heruntergekommen 2 Bis November wurden circa 1600 Gefangene nach Rotenfels verlegt In Rotenfels wurden die Gefangenen in drei Baracken untergebracht die vor Beginn des Zweiten Weltkrieges als Materiallager der Wehrmacht errichtet worden waren Wahrend des Krieges standen die Baracken zeitweise leer zeitweise wurden sie als Lager Olga zur Unterbringung von Zwangsarbeitern genutzt Unterlagen des Internationalen Suchdienstes zufolge waren ab 24 Oktober auch Frauen in Rotenfels untergebracht fur die drei kleinere etwas abseits gelegene Baracken neu errichtet wurden Das gesamte Lager war mit Stacheldraht umzaunt und mit Wachturmen versehen Lagerkommandant von Rotenfels war Karl Buck der diese Funktion bereits in Schirmeck innehatte Da Buck sich selten in Rotenfels aufhielt unterstand das Sicherungslager faktisch Robert Wunsch Haftlinge die Wunsch in Schirmeck als treuen Gefolgsmann Bucks kennengelernt hatten schildern eine deutliche Wandlung des SS Untersturmfuhrers in Rotenfels So soll Wunsch Befehle Bucks zur systematischen Disziplinierung der Haftlinge aufgehoben haben auch sei er im Alltag umganglicher gewesen 3 Insbesondere in der Anfangszeit des Lagers waren die Haftlingsbaracken vollig uberfullt zeitweise mussten sich drei Haftlinge eine 80 Zentimeter breite Pritsche teilen Die nicht fur den dauerhaften Aufenthalt von Menschen geschaffenen Baracken blieben ohne Wasseranschluss Rasch stellten sich katastrophale sanitare und hygienische Verhaltnisse ein 4 Ungeziefer insbesondere Flohe machte den Haftlingen ebenso zu schaffen wie die chronisch zu knappe Ernahrung Laut Aussage eines Haftlings gab es morgens verschimmeltes Weissbrot mittags eine Wassersuppe vom Lager abends zwei Teller Suppe 5 wobei die Suppe aus Wasser Kraut etwas Gemuse und Kartoffeln bestand Arbeitsunfahigen wurden die Rationen gekurzt Die Lebensbedingungen der Haftlinge fuhrten insbesondere im Winter 1944 1945 zu zahlreichen Todesfallen Nach Berichten uberlebender Haftlinge nahmen in Rotenfels verglichen mit Schirmeck die Ubergriffe der Wachpersonals in Zahl und Harte ab Dies wird auf das Verhalten des faktischen Kommandanten Wunsch und auf den Personalmangel der SS zuruckgefuhrt Da vermehrt SS Mitglieder an die Front abkommandiert worden waren wurden dienstverpflichtete Zivilpersonen zur Bewachung von Arbeitskommandos herangezogen 6 Den zahlreichen im Lager inhaftierten elsassischen Geistlichen gelang es ab November 1944 in zwei Baracken regelmassig die Heilige Messe zu feiern Hierbei wurden sie von einem Teil des Wachpersonals unterstutzt die Hostien und Messwein ins Lager schmuggelten oder den Schmuggel tolerierten 7 Die Haftlinge arbeiteten uberwiegend als Zwangsarbeiter im Gaggenauer Werk von Daimler Benz Bereits in Schirmeck Vorbruck existierten zwei Fertigungsstatten in denen Haftlinge des Sicherungslagers Ersatzteile fur Daimler Benz herstellen mussten Das Daimler Benz Werk in Gaggenau wurde am 20 September und am 3 Oktober bei alliierten Luftangriffen weitgehend zerstort Als Ersatz wurde Daimler Benz am 12 Oktober eine Stollenanlage bei Haslach im Kinzigtal zugewiesen die sich im Zuge der Untertage Verlagerung bereits in Bau befand Auf Anregung des fur die Untertage Verlagerung zustandigen Daimler Benz Direktors Karl Muller wurden rund 650 elsassische ursprunglich in Schirmeck festgehaltene Haftlinge nach Haslach uberstellt um die bislang von Haftlingen des dortigen KZ Aussenlagers ausgefuhrten Bauarbeiten zu beschleunigen 8 Daneben wurden Haftlinge zu Aufraumarbeiten nach Luftangriffen zu Wald und Feldarbeiten in anderen gewerblichen Betrieben sowie bei Kriegsende verstarkt zum Bau von Luftschutzstollen herangezogen Ein Aussenkommando des Sicherungslagers Rotenfels bestand in Weisenbach die dortigen Haftlinge arbeiteten in einem Verlagerungsbetrieb von Daimler Benz in dem Lastwagenmotoren hergestellt wurden Ein zweites aus wenigen Haftlingen bestehendes Aussenkommando wurde im November 1944 in Villingendorf eingerichtet Ende November 1944 wurden im Erlichwald nahe dem Gaggenauer Waldfriedhof 27 Haftlinge des Sicherungslagers erschossen Am 25 November wurden zehn britische und amerikanische Kriegsgefangene und vier franzosische Geistliche ermordet am 30 November neun Mitglieder der franzosischen Widerstandsorganisation Reseau Alliance aus Bordeaux Die Leichen wurden in zwei Bombenkratern verscharrt 9 Ende Marz 1945 versuchte Albert Neumaier Pfarrvikar in Rotenfels den faktischen Lagerkommandanten Wunsch zur Freilassung der Haftlinge zu bewegen Wunsch sicherte sich bei vorgesetzten Dienststellen ab der uberwiegende Teil der Haftlinge wurde bis zum 5 April nach einem kurzen Verhor durch Gestapo Beamte entlassen und fand vorubergehende Unterkunft in den umliegenden Dorfern Etwa 170 Gefangene blieben in Haft sie wurden murgaufwarts Richtung Freudenstadt evakuiert 10 Verbande der 1 Franzosischen Armee erreichten Rotenfels am 10 April Befreiung BearbeitenDie Morde im Erlichwald wurden rasch nach der Befreiung durch einen Sergeant der United States Army Air Forces Jerome Harley bekannt Harley hatte im Sommer 1944 den Absturz seines Flugzeugs nahe der elsassischen Gemeinde Benfeld uberlebt und sich anschliessend als taubstummer Franzose ausgegeben ehe er im Zuge der Zwangsverpflichtung dienstfahiger Franzosen in Schirmeck und Rotenfels inhaftiert worden war Ende April 1945 zogen die franzosischen Besatzungsbehorden ehemalige NSDAP Mitglieder zur Bergung der Leichen aus den Bombentrichtern heran Die Toten wurden am 13 Mai 1945 beigesetzt Im Juni 1945 wurden die Leichen erneut exhumiert um einem britischen Offizier die Identifizierung der ermordeten Kriegsgefangenen zu ermoglichen Dem Major gelang die Identifizierung von sechs Toten Die britischen Soldaten hatten im August 1944 als Angehorige der Spezialeinheit Special Air Service zur Unterstutzung der Resistance auch hinter den deutschen Linien in den Vogesen operiert 11 Im Marz 1946 wurden in Rotenfels aus anderen Bombenkratern sowie der Abfallgrube des Friedhofs weitere Leichen von Haftlingen geborgen und auf dem Friedhof bestattet 12 Die genaue Zahl der in Rotenfels Gestorbenen bleibt unbekannt Nach Schatzungen starben zwischen 200 und 700 Haftlinge uberlebende Haftlinge gaben mehrfach die Zahl von 500 Toten an 13 Die Lagerkommandanten Buck und Wunsch wurden nach Kriegsende zusammen mit weiteren Angehorigen des Wachpersonals vor britischen und franzosischen Militargerichten angeklagt und beide wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt Das britische Verfahren befasste sich mit den Morden an den Kriegsgefangenen im Erlichwald es ergingen funf Todesurteile die anderen Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt 14 Einer der in Wuppertal Angeklagten Bernhard Ulrich wurde aufgrund eines franzosischen Todesurteils am 26 August 1947 15 bei Sandweier hingerichtet 16 Karl Buck wurde spater zu lebenslanger Haft begnadigt und 1955 aus britischer Haft entlassen Robert Wunsch entging ebenfalls der Hinrichtung nach Angaben eines Rotenfelser Pfarrers soll er spater bei der Kriminalpolizei in Essen gearbeitet haben 16 1959 verurteilte das Landgericht Offenburg Karl Hauger wegen Totschlags zu siebeneinhalb Jahren Haft Das SS Mitglied Hauger hatte bei Kriegsende einen aus Rotenfels entflohenen 17 jahrigen Sinto erschossen der zuvor von einer Volkssturm Einheit aufgegriffen worden war Die Haftstrafe wurde in der Revisionsverhandlung herabgesetzt 17 Franzosische Militars brannten die Baracken des Sicherungslagers kurz nach der Befreiung nieder um die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern Verbliebene Grundmauern des Mannerlagers wurden beseitigt als auf dem Gelande eine Minigolfanlage errichtet wurde Die Fundamente der Frauenbaracken wurden 1983 entfernt laut Angaben der Stadtverwaltung versehentlich 18 Das Lagergelande ist in der Gegenwart ein naturnah gestalteter Teil des Bad Rotenfelser Kurparks in der Nahe des Thermalbads nbsp Mahnmal im ErlichFur die im Erlichwald ermordeten Haftlinge wurde am 16 August 1947 ein Gedenkstein errichtet der spater durch eine grossere Gedenkstatte ersetzt wurde Initiativen zur Errichtung einer Gedenktafel im ehemaligen Lagergelande gingen Anfang der 1980er Jahre von Gaggenauer Sozialdemokraten und einem Betriebsrat der Daimler Benz Werke aus Der franzosische Pfarrer Joseph Friedrich als Vertreter der Haftlinge und der Gaggenauer Oberburgermeister Thomas Schauble weihten am 30 Marz 1985 im Kurpark eine vom Bad Rotenfelser Kunstler Hubert Baumstark gestalteten Gedenkstele ein Seit Oktober 2018 ist die Stele Teil der Statte der Erinnerung und Mahnung zu der auch die freigelegten Grundmauern einer Baracke und eine Informationstafel gehoren Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Sicherungslager Rotenfels Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Mahnmal im Erlich Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Sicherungslager Rotenfels bei der Stadt Gaggenau Literatur BearbeitenUdo Bohm Sicherungslager Rotenfels Ein Konzentrationslager in Deutschland Suddeutscher Padagogischer Verlag Ludwigsburg 1989 ISBN 3 922366 13 9 Udo Bohm Sicherungslager Rotenfels Ein Konzentrationslager in Deutschland Sonderveroffentlichung des Kreisarchivs Rastatt Band 11 1 uberarbeitete und erweiterte Neuauflage BadnerBuch Rastatt 2015 ISBN 978 3 944635 12 5 Einzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Benz Barbara Distel Vorwort In Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 9 Arbeitserziehungslager Ghettos Jugendschutzlager Polizeihaftlager Sonderlager Zigeunerlager Zwangsarbeiterlager C H Beck Munchen 2009 ISBN 978 3 406 57238 8 S 7 15 hier S 7 Interview mit einer Angestellten der Reichsbahn in den 1980er Jahren zitiert bei Bohm 1989 Sicherungslager S 21 Bohm 1989 Sicherungslager S 30f Bohm 1989 Sicherungslager S 31 Barbara Hopmann Zwangsarbeit bei Daimler Benz Zeitschrift fur Unternehmensgeschichte Beiheft 78 Franz Steiner Verlag Stuttgart 1994 ISBN 3 515 06440 0 S 373f Bohm 1989 Sicherungslager S 35 Bohm 1989 Sicherungslager S 34f Roland Peter Rustungspolitik in Baden Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz in einer Grenzregion im Zweiten Weltkrieg Beitrage zur Militargeschichte Band 44 Oldenbourg Munchen 1995 ISBN 3 486 56057 3 S 187f Bohm 1989 Sicherungslager S 43ff Bohm 1989 Sicherungslager S 48ff Bohm 1989 Sicherungslager S 58ff Bohm 1989 Sicherungslager S 61ff Bohm 1989 Sicherungslager S 33 64 Trial of Karl Buck and ten others British Military Court Wuppertal Germany 6 10 Mai 1946 In Law Reports of Trials of War Criminals The United Nations War Crimes Commission Band V HMSO London 1948 S 39ff Abgerufen am 9 Juli 2017 Eva Maria Eberle Tribunal General Kriegsverbrecherprozesse Rastatt 1946 1950 Ottersweier 2018 Ubersicht nach S 265 a b Bohm 1989 Sicherungslager S 65 Robert Ullmann 17 Jahrigen in den Tod geschickt 50 Jahrestag des Prozesses gegen SS Mann Hauger In Badische Zeitung vom 14 Mai 2009 Abgerufen am 22 April 2010 Bohm 1989 Sicherungslager S 70 48 80912 8 3015 Koordinaten 48 48 32 8 N 8 18 5 4 O Normdaten Korperschaft GND 4219903 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sicherungslager Rotenfels amp oldid 222588493