www.wikidata.de-de.nina.az
Schwesternbuch plur auch Nonnenviten in englischsprachiger Fachliteratur Sister Books oder Convent Chronicles ist innerhalb des deutschen Sprachraums der Begriff fur eine Gattung der klosterlichen Vitenliteratur Die einzelnen Werke entstanden in der ersten Halfte des 14 Jahrhunderts in Dominikanerinnen Klostern Suddeutschlands und der Schweiz In kurzen Berichten oder Kurzviten schildern sie Gnadenerfahrungen von Klosterangehorigen Handschrift des Tosser Schwesternbuchs Inhaltsverzeichnis 1 Werke 2 Inhalt 3 Literarische Form 4 Intentionen 5 Bedeutung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseWerke BearbeitenDer Bestand an Schwesternbuchern ist nach derzeitiger Quellenkenntnis fest umrissen indem insgesamt neun Werke bekannt sind die Schwesternbucher von Kloster Adelhausen 1 in Freiburg im Breisgau Kloster Engelthal bei Nurnberg Hauptartikel Engelthaler Schwesternbuch Kloster Gotteszell bei Schwabisch Gmund Hauptartikel Ulmer Schwesternbuch Kloster St Katharinental bei Diessenhofen Kloster Kirchberg bei Sulz am Neckar Kloster Oetenbach in Zurich Kloster Toss bei Winterthur Kloster Weil er in Esslingen am Neckar Kloster Unterlinden in Colmar in lateinischer Sprache Bei einigen Werken wird der Name der Verfasserin genannt oder kann erschlossen werden Adelhausen Anna von Munzingen nach 1327 Engelthal Christine Ebner 1356 Kirchberg Elisabeth von Kirchberg 1 H 14 Jh Toss Elsbeth Stagel um 1360 Unterlinden Katharina von Gebersweiler 1330 45 Dabei ist selbstverstandlich nicht vom heutigen Autor Begriff auszugehen Die meisten Werke ausser Engelthal und Unterlinden haben eine offene Form sodass der Grundbestand erweitert werden konnte im Ubrigen konnte hinter der Verfasserin auch mitwirkend ein Redaktorinnenkollektiv stehen Ansonsten sind die Schwesternbucher anonym uberliefert Teilweise liegen mehrere Fassungen eines Schwesternbuches vor indem der Grundbestand an Einzelviten erweitert oder gekurzt worden ist Dabei sind mehrfach auch zuvor eigenstandige Offenbarungsniederschriften oder Gnadenviten einzelner Nonnen verkurzt eingearbeitet Die erhaltenen Handschriften stammen grosstenteils aus dem 15 Jahrhundert als die Texte vor allem im Zuge der Klosterreform in Reformklostern wie Pillenreuth Inzigkofen und dem Katharinenkloster Nurnberg abgeschrieben zum Teil auch abgeandert und weitergegeben wurden Zu nennen ist besonders auch der dominikanische Klosterreformer Johannes Meyer 1422 1482 der die Abschrift von Schwesternbuchern zum Teil mit geanderter Intention forderte 2 Inhalt BearbeitenEinige der Schwesternbucher beginnen mit einem kurzen meist legendarisch uberhohten Abriss der Grundungsgeschichte des Klosters wobei jedoch weniger die historischen Fakten als vielmehr Gesinnung und heroisches Handeln der Grunderpersonen Beachtung finden Zentraler Inhalt der Bucher sind dann die folgenden Berichte uber eine mehr oder weniger grosse Anzahl von verstorbenen Klosterangehorigen wobei nicht nur Konventsschwestern sondern auch Laienschwestern und zuweilen auch mannliche mit dem Kloster verbundene Personen in den Blick kommen Dabei konzentriert sich die Darstellung auf diejenigen Ereignisse in denen die jeweilige Person besonders vorbildlich gehandelt hat oder besonderer Gnadenerfahrungen teilhaftig geworden ist Verschiedentlich wird auch ein Gegenbild aufgezeigt wenn vom Versagen einer Person oder dem Verlust von Gnadengaben berichtet wird Insgesamt kommen dabei in Bild wie in Gegenbild wesentliche Aspekte des klosterlichen ebenso wie des individuellen religiosen Lebens zur Sprache oftmals gerade auch aktuelle theologische Problemstellungen von Fragen des klosterlichen Gehorsams der Askeseformen und der Vita activa und contemplativa bis hin zu Gnadenlehre und Dreifaltigkeitsdogma Literarische Form BearbeitenVorherrschende Darstellungsform ist die Reihung von Kurzviten in denen es jeweils nicht um eine Darstellung des gesamten Lebens einer Person geht sondern einzig um ihr Verhaltnis zu Gott und ihr Verhalten in der Klostergemeinschaft Als Vorbild hierfur konnen die Vitas fratrum Vitae fratrum des dominikanischen Mannerordens gedient haben 3 die wiederum auf das Vorbild der Vitas patrum Vitae patrum zuruckweisen Stilistisch sind ahnlich wie in den Gnadenviten vor allem Formen und Strukturen legendarischen Erzahlens kennzeichnend in Wortwahl und Motiven dagegen ist die Sprache der Mystik prasent und zwar ebenso in Hinblick auf die Bilder der zisterziensischen Gottesminne wie auch auf die Begriffe der dominikanischen spekulativen Theologie 4 Grundsatzlich bedeutet das vor allem fur den heutigen Leser dass er die Bildsprache der Texte ernst nehmen muss Wenn etwa in einer Szene Jesus als Kind in der Hostie gesehen wird ist das nicht ein Phantasieprodukt einer wundersuchtigen Nonne sondern eine bildsprachliche Beglaubigung der Realprasenz Jesu Christi im Eucharistiesakrament also des Dogmas der Transsubstantiation 5 Parallelen gibt es zu den Mirakelerzahlungen der Zeit wobei in den Schwesternbuchern jedoch das Wunder mystisch verinnerlicht ist als Tugendhaltung oder Gnadengabe Intentionen BearbeitenDie Schwesternbucher zielen keineswegs auf die Herausstellung einzelner Personen und deren ausserordentliche ubernaturliche Erlebnisse wie Entruckungen oder Visionen Sie haben vielmehr in der Klostergemeinschaft ihren Sitz im Leben indem sie ebenso der Selbstvergewisserung der klosterlichen Gemeinschaft und der Memoria ihrer verstorbenen Mitglieder wie auch der klosterlichen Unterweisung dienen Nach den heroischen Zeiten der Klostergrundung galt es der nachfolgenden Generation die religiosen Intentionen und Erfahrungen der Grunderinnen zu vermitteln Zentral ist vor allem die neue Form der Spiritualitat wie sie sich seit dem 12 Jahrhundert in Form der Frauenmystik entwickelt hatte in der eine vertiefte personliche Beziehung zu Gott angestrebt wird geistig wie auch emotional wofur heute oftmals der Begriff mystisch steht So kann man schliesslich die Schwesternbucher kurzgefasst als eine Lehre von der praktischen Mystik 6 verstehen Bedeutung BearbeitenWahrend fruher die Schwesternbucher oftmals als Produkte naiver Nonnen und als Ausdruck einer verflachten Mystik abgewertet wurden finden sie heute neue Beachtung als authentische Zeugnisse einer frauenklosterlichen Schreibkultur Da theologische Traktate nur Mannern erlaubt waren benutzen hier hochgebildete Frauen narrative Formen vor allem in Art von Visionsberichten um Konzepte religiosen Denkens und Handelns darzulegen oder zu diskutieren Zugleich sind diese Bucher wichtige Dokumente fur die Geschichte der deutschen Mystik Sie lassen erkennen dass die Mystik in den Frauenklostern nicht erst eine Folge der dominikanischen Predigt war vielmehr ging sie in manchen Klostern dieser voraus Im Diskurs mit den religiosen Erfahrungen der Frauen entwickelten dann Meister Eckhart Johannes Tauler Heinrich Seuse und andere ihre mystische Theologie und Seelsorge 7 Literatur BearbeitenBeatrice W Acklin Zimmermann Gott im Denken beruhren Die theologischen Implikationen der Nonnenviten Dokimion 14 Freiburg Schweiz 1993 Walter Blank Die Nonnenviten des 14 Jahrhunderts Eine Studie zur hagiographischen Literatur des Mittelalters unter besonderer Berucksichtigung der Visionen und Lichtphanomene Diss Freiburg i Br 1962 Hester McNeal Reed Gehring The Language of Mysticism in South German Dominican Convent Chronicles of the XIVth Century Phil Diss Michigan 1957 Georg Kunze Studien zu den Nonnenviten des deutschen Mittelalters Ein Beitrag zur religiosen Literatur im Mittelalter Diss masch Hamburg 1953 Otto Langer Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrommigkeit seiner Zeit Munchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 91 Artemis Munchen Zurich 1987 Inhaltsverzeichnis Gertrud Jaron Lewis Bibliographie zur deutschen Frauenmystik des Mittelalters Mit einem Anhang zu Beatrijs van Nazareth und Hadewijch von Frank Willaert und Marie Jose Govers Bibliographien zur deutschen Literatur des Mittelalters Heft 10 E Schmidt Berlin 1989 Gertrud Jaron Lewis By Women for Women about Women The Sister Books of Fourteenth Century Germany Studies and Texts 125 Toronto 1996 Ruth Meyer Das St Katharinentaler Schwesternbuch Untersuchung Edition Kommentar Munchener Texte zur deutschen Literatur des Mittelalters Band 104 Niemeyer Tubingen 1995 ISBN 3 484 89104 1 zugleich Dissertation Universitat Munchen 1994 Edition der Handschrift Kantonsbibliothek Thurgau Y 74 Walter Muschg Hrsg Mystische Texte aus dem Mittelalter 8 Sammlung Klosterberg Schweizerische Reihe Verlag Benno Schwabe Basel 1943 wieder Diogenes Basel 1986 ISBN 3 257 21444 8 UT Ausgewahlte Proben der schweizerischen Mystik Ursula Peters Religiose Erfahrung als literarisches Faktum Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13 und 14 Jahrhunderts Hermaea NF 56 Niemeyer Tubingen 1988 Siegfried Ringler Viten und Offenbarungsliteratur in Frauenklostern des Mittelalters Quellen und Studien Munchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 72 Artemis Munchen 1980 S 7 15 257 259 358f u o s Register Nonnenviten Rezension online Hans Jochen Schiewer Moglichkeiten und Grenzen schreibender Ordensfrauen im Spatmittelalter In Bettelorden Bruderschaften und Beginen in Zurich Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter hrsg von Barbara Helbling u a Verlag Neue Zurcher Zeitung Zurich 2002 S 179 187 ISBN 3 85823 970 4 bes uber Elsbeth Stagel um 1300 1360 Dominikanerin im Kloster Toss Wolfram Schneider Lastin Literaturproduktion und Bibliothek in Oetenbach In Bettelorden Bruderschaften und Beginen in Zurich Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter hrsg von Barbara Helbling u a Verlag Neue Zurcher Zeitung Zurich 2002 S 188 197 ISBN 3 85823 970 4 bes uber das Oetenbacher Schwesternbuch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Schwesternbucher Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Schwesternbucher Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten Siehe Martina Wehrli Johns Geschichte des Klosters Adelhausen Wolfram Schneider Lastin Meyer Johannes Nachtr In VL Bd 11 2004 Sp 1003 1004 Peter Ochsenbein MEYER Johannes In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 5 Bautz Herzberg 1993 ISBN 3 88309 043 3 Sp 1427 1429 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Siehe Gerard de Fracheto Vitae fratrum Ordinis Praedicatorum necnon Cronica ordinis ab anno MCCIII usque ad MCCLIV Hrsg v Benedictus Maria Reichert Lowen 1896 Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica I Siehe dazu Gehring s u Literatur S 18f Siehe Ringler s u Literatur S 187 189 sowie Register S 479 Kindgestalt Ringler s u Literatur S 14 Siehe bes Langer s u Literatur passim Darin Bernhard von Clairvaux Predigt am Oberrhein Aus dem lateinischen Protokoll seiner Reise im Winter 1146 Adelheid von Rheinfelden Aus der lateinischen Chronik des Klosters Unterlinden in Kolmar verfasst von der Priorin Katharina von Gebweiler Sophia von Rheinfelden Aus der Chronik des Klosters Unterlinden in Kolmar Elsbeth von Beckenhofen Aus der Chronik des Klosters Otenbach in Zurich Heinrich Seuse Zwei Briefe Elsbeth Stagel Sophia von Klingnau Aus dem Buch vom Leben der Schwestern zu Toss Arnold der Rote Von der Geburt des Herrn Predigtfragment 14 Jh online uber ihn Barthlome Fridower Predigt uber die Zehn Staffeln der gottlichen Liebe Bruder Klaus Drei Visionen Unbekannt Von einer Heidin Aus einer Zurcher Handschrift vom Jahr 1393 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schwesternbuch amp oldid 229158277