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Die Frauenmystik war eine christliche mystische Bewegung des 12 bis 14 Jahrhunderts in Mitteleuropa 1 Christus erscheint den Nonnen von Helfta Gemalde von Warathy 1720 in der Klosterbibliothek Metten Wahrend das Tragen der Wundmale Christi und das ekstatische Erleben der Eucharistie sie mit anderen Formen der Christlichen Mystik verbindet lasst sich die Frauenmystik in ihrer Zeit durch eine angebliche korperliche Christuserfahrung als Mutter oder Braut Jesu eingrenzen Die Frauenmystik kam kurz vor der Zeit der sogenannten deutschen Mystik auf und teilt einige Elemente mit dieser Inhaltsverzeichnis 1 Beginn der Frauenmystik im Hochmittelalter 2 Beginen und Mystik ausserhalb des Klosters 3 Frauenmystik im Spatmittelalter 4 Weitere Mystikerinnen 5 Rezeption 6 Literatur 7 EinzelnachweiseBeginn der Frauenmystik im Hochmittelalter BearbeitenAls erste deutsche Mystikerin gilt Hildegard von Bingen die nach eigener Aussage prophetische Visionen empfing und diese niederschrieb Sie verbreitete ihre Vorstellungen auch auf Reisen und mit offentlichen Predigten Im 12 und fruhen 13 Jahrhundert beobachtete und beschrieb der Klerus in Luttich Brabant sowie in Italien vermehrt geistliche Frauen die neuartige Formen der Christus und Marienverehrung praktizierten Hierzu gehorten Gelubde der Jungfraulichkeit Askese und Armut sowie Ekstasen und extreme Eucharistieverehrung Diese frommen Frauen wurden zunehmend von Hagiographen in Heiligenvitae beschrieben Zu diesen gehorten vor allem Ordensfrauen etwa die Zisterzienserinnen Lutgard von Tongern Ida von Leau Ida von Lowen Adelheid von Scharbecke Ida von Nivelles und Beatrijs von Nazareth aber auch weitere Frauen wie die aus dem Benediktinerorden ausgeschlossene Juliana von Cornillon die wundertatige Christine von St Trond Juliana von Luttich Jutta von Huy und Christina von Retters Anders als bei mannlichen Orden denen weltlich spirituelle Taten wie Klostergrundungen Konventsorganisation oder Ketzerbekampfung offenstanden entwickelten die niederdeutschen Frauen gerade die Beginen und Zisterzienserinnen eine eigene Spiritualitat die sich um innere Erfahrungswelten drehte Dabei kam es zu Visionen intensiven Vereinigungserlebnissen mit Christus und einem ekstatischen Erlebnis der Eucharistie Die Christuserlebnisse umfassten das Spuren des Herzen Jesus sowie direkte Begegnungen mit dem Jesuskind dem Jesusknaben oder dem leidenden Jesus 2 Obwohl angenommen werden kann dass diese frommen Frauen mulieres sanctae bzw religiosae gebildet und des Schreibens kundig waren gibt es von dem Beginn der Frauenmystik mit Ausnahme eines Traktats von Beatrijs von Nazareth heute keine Selbstzeugnisse mehr sondern nur die von Hagiographen verfassten Vitae Beginen und Mystik ausserhalb des Klosters Bearbeiten nbsp Holzgravur einer Begine entnommen dem Totentanz von Matthaus Brandis 1489 Die Beginen die gemeinsam mit den oben ausgefuhrten Besonderheiten der Frauenmystik auch Elemente der Deutschen Mystik aufgriffen und verbreiteten setzten sich im Laufe des 13 Jahrhunderts immer starker dem kirchlichen Verdacht der Haresie aus da sie in schwer kontrollierbaren Laiengemeinschaften wirkten und eigene Lehren aufstellten Aus ihren Reihen haben nur wenige Frauen schriftliche Zeugnisse hinterlassen Die Autorin Hadewijch 13 Jahrhundert orientierte sich mit ihren Werken an existierenden teilweise hofisch poetischen Modellen Es wurde vermutet dass sie ihre Schriften als Lehrmeisterin aus dem Exil an ihre Gefolgsleute schrieb Mechthild von Magdeburg 1207 1282 stellte in Thuringen mit Das fliessende Licht der Gottheit eine Sammlung von religios mystischen Schriften zusammen die sich nicht in eine literarische Tradition einfugten Die teilweise formulierte Kritik in ihrem Werk fuhrte zu Aufsehen sodass sich die Begine nach jahrelangen Anfeindungen in das Zisterzienserkloster Helfta zuruckzog Marguerite Porete Mitte 13 Jahrhundert 1310 die zuerst im Hennegau und spater in Paris lehrte und deren theologische Auffassungen ihrem Zeitgenossen Meister Eckhart nahestanden wurde fur die fortgesetzte Verbreitung ihrer Hauptschrift Spiegel der einfachen Seelen 1310 als ruckfallige Ketzerin verbrannt Abgesehen von der Tradition einer mystischen Erfahrung der Nahe zur Christus und Gott ergibt sich kein durchgangiges Bild einer Beginenmystik im deutschsprachigen Raum gerade wenn man anders gelagerte Beginen Visionen wie das der Christina von Stommeln berucksichtigt Gemeinsam war den genannten Autorinnen eine mystische Spekulation uber die unmittelbare Liebe Gottes zum gottglaubigen Menschen direkt und ohne Einfluss von kirchlichen Einrichtungen 2 Hierdurch unterschieden sie sich von den niederdeutschen mulieres sanctae des 12 Jahrhunderts die streng orthodox innerhalb der Kirchenhierarchie gelebt hatten Die Beginenbewegung wurde vor allem aus diesem Grund ab dem Beginn des 14 Jahrhunderts offen bekampft Ihre Anhanger wurden gedrangt sich in Klostergemeinschaften einzugliedern Frauenmystik im Spatmittelalter BearbeitenIn Helfta wirkte nach Mechthild von Magdeburg ihre Schulerin Gertrud von Helfta als Abtissin unterstutzt durch Mechthild von Hackeborn In den Buchern Liber specialis gratiae Buch der besonderen Gnade und Legatus divinae pietatis Gesandter der gottlichen Liebe berichteten sie bildhaft neben dem Alltagsleben und den strikten Riten des Klosters uber vielfaltige und erkennbar weibliche Christuserfahrungen Visionen und gottliche Errettung aus Krankheit Unter anderem wurde der Tod allegorisch als jenseitige Ehelichung Jesus Christus zelebriert Die Offenbarungsschriften die ein auf die Gemeinschaft mit Jesus Christus ausgerichtetes Bild ausbreiteten konzentrierten sich stark auf die Belehrung der Mitschwestern in klosterlicher Tugend 2 Caroline Walker Bynum konstatierte hierin den Unterschied zu Mechthild von Magdeburg die als volkstumliche Einzelkampferin gegen die Kirchenhierarchie schrieb Doch auch die beiden nachfolgenden Helftaer Mystikerinnen hatten sich mit grosser Selbstverstandlichkeit eine Kirchenautoritat zugemasst die ihnen als Frauen nach damaliger Kirchenlehre eigentlich nicht zugestanden hatte 3 Neben Helfta traten Dominikanerinnenkloster im suddeutschen und schweizerischen Raum als Zentren der Frauenmystik hervor In sogenannten Schwesternbuchern stellten dominikanische Nonnen die Vitae der Konventsmitglieder vor Hierbei gab es neben dem Typus der kurzen Vita im Rahmen der Klostergemeinschaft auch den des ausfuhrlichen hagiographischen Gnadenzeugnisses vergleichbar den fruhen Brabanter und Lutticher Mystikerinnen In genauen Beschreibungen legten die Nonnen Zeugnis ab uber ihre Askesepraktik die spirituelle Bewahrungsprobe der Krankheit und die damit verbundene Gottesbegegnung sowie uber in der Regel korperliche Christuserfahrungen Zu letzterer gehorten unter anderem die Konfrontation mit den Wundmalen Christi susse Geschmacks und Sinneserfahrungen Schwangerschaftssensationen der Maria und ein mehr als nur allegorischer Umgang mit dem Brautigam Jesus Christus durch Umarmung Kuss und Vereinigung Wichtige Vertreterinnen dieser mystischen Erfahrungen waren wohl Margareta Ebner und Christine Ebner 2 sowie Anna von Munzingen Adelheid Langmann und Lukardis von Oberweimar Beeinflusst wurden diese Mystikerinnen aber auch von mannlichen Seelsorgern wie Heinrich Seuse Heinrich von Nordlingen sowie Friedrich Sunder von letzterem der Klosterkaplan eines Dominikanerinnenklosters war ist ebenfalls eine Vita im Stil der Frauenmystik uberliefert 4 Weitere Mystikerinnen BearbeitenNeben dem niederdeutschen Raum gab es auch in Frankreich und Italien Mystikerinnen die sich jedoch nicht deutlich in eine Bewegung einordnen lassen so etwa Alpais Margareta von Cortona und Klara von Montefalco welcher Jesus sein Kreuz ins Herz eingepflanzt haben soll Vergleichbare mystische Erfahrungen werden auch Maria Franziska von den funf Wunden Christi der heiligen Birgitta von Schweden und Caterina de Ricci nachgesagt Auch in spateren Jahrhunderten und in anderen Regionen traten Frauen auf deren mystische Erfahrungen mit dem Schema der mittelalterlichen Frauenmystik verwandt sind Stigmatisierungen die ausschliessliche Ernahrung durch den Leib Christi etwa in Form von Hostien oder das mystische Erleben des Herzens Jesu sind in diesem Zusammenhang haufig berichtete Merkmale der Mystik in katholischen Regionen Rezeption BearbeitenSchon viele Zeitgenossen traten der offenbarenden Frauenmystik skeptisch bis ablehnend entgegen nicht nur aufgrund der abschatzigen Meinung die man im Mittelalter selbst gebildeten Frauen entgegenbrachte 2 Im Wissen dass sie nicht ernst genommen wurden beriefen sich geistliche Frauen bei ihren Lehren darum haufig auf gottliche Weisung anstelle den theologischen Disput mit mannlichen Theologen zu wagen Vom Klerus geduldet oder unterstutzt und nicht als Haresie verdammt wurden die Anmassungen von Autoritat wiederum haufig nur wenn die Frauen Auffassungen der Kirchenhierarchie vertraten Bereits der fromme Mystiker David von Augsburg warnte vor Irrwegen der mystischen Visionen und Offenbarungen die nicht der Gewinnung neuer Erkenntnisse sondern nur der geistigen Reinigung dienen durften 5 Der Bericht der osterreichischen Begine Agnes Blannbekin sie habe bei der Eucharistie die Heilige Vorhaut geschmeckt fuhrte im 18 Jahrhundert zu dessen Indizierung Die historische wie auch die theologische Forschung stand auch gerade den Selbstzeugnissen der klosterlichen Gnadenvitae sehr lange hochst kritisch gegenuber Die Texte gerade der spatmittelalterlichen Schwesternbucher wurden als oberflachliche Zeugnisse einer Erlebnismystik gesehen welche theologische Metaphern plump auf den eigenen Korper ubertragen habe und damit spirituelle Unwissenheit bezeuge Zuweilen wurde darin auch ein Kulturverfall Abfall von der Klosterdisziplin und eine Bildungsverflachung gesehen Nach der These von Herbert Grundmann lag die weite Ausbreitung der Frauenmystik in einer Zunahme von volkstumlicher geistlicher Erbauungsliteratur fur Frauen begrundet wobei die mystizierenden Frauen lediglich von mannlichen Kirchenlehrern verfasste theologische Texte zu wortgetreu interpretierten 6 Neuere Untersuchungen ruckten dagegen die Beschreibung der korperlichen Erfahrung in der Nachfolge Christi in den Vordergrund und stellten diese als Errungenschaft der Frauenmystik dar 2 oder untersuchten den literarischen Charakter der Texte der moglicherweise sehr wohl bloss metaphorisch gemeint war 4 Literatur BearbeitenPeter Dinzelbacher Mittelalterliche Frauenmystik Schoningh Paderborn 1993 ISBN 978 3 506 72015 3 Ursula Peters Religiose Erfahrung als literarisches Faktum Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13 und 14 Jahrhunderts Niemeyer Tubingen 1988 ISBN 978 3 484 15056 0 Kurt Ruh Geschichte der abendlandischen Mystik Bd 2 Frauenmystik und Franziskanische Mystik der Fruhzeit C H Beck Munchen 1993 ISBN 978 3 406 34499 2 Ulrike Stolting Christliche Frauenmystik im Mittelalter Historisch theologische Analyse Matthias Grunewald Verlag Mainz 2005 ISBN 978 3 7867 2571 8 Einzelnachweise Bearbeiten Uberblick in Peter Dinzelbacher Mittelalterliche Frauenmystik Schoningh Paderborn 1993 a b c d e f Ursula Peters Vita religosa und spirituelles Erleben Frauenmystik und frauenmystische Literatur im 13 und 14 Jahrhundert In Gisela Brinker Gabler Hrsg Deutsche Literatur von Frauen Band 1 C H Beck Munchen 1988 ISBN 3 406 33118 1 S 88 109 Caroline Walker Bynum Jesus as Mother Studies in the Spirituality of the High Middle Ages University of California Press Berkeley 1984 ISBN 0 520 05222 6 a b Das Gnaden Leben des Friedrich Sunder Klosterkaplan zu Engelthal In Siegfried Ringler Viten und Offenbarungsliteratur in Frauenklostern des Mittelalters Quellen und Studien Artemis Munchen 1980 ISBN 3 7608 3372 1 S 391 444 Text S 144 331 Kommentar Wilhelm Preger David von Augsburg In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 4 Duncker amp Humblot Leipzig 1876 S 782 784 Herbert Grundmann Religiose Bewegungen im Mittelalter Dr Emil Ebering Berlin 1935 S 439 ff 457 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frauenmystik amp oldid 224570989