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Die Rechtsgeschichte Italiens ist abgesehen vom antiken romischen Recht etwa ab dem Jahr 1000 n Chr nachvollziehbar Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalter 1 1 Rechtsschule von Bologna 1 2 Stadtrecht und Kollisionsrecht 2 Humanismus 2 1 Usus modernus 2 2 Nationales Recht und Kodifikationsbewegung 3 Konigreich Italien 4 Faschismus 5 Jungere Geschichte 6 Literatur 7 EinzelnachweiseMittelalter BearbeitenRechtsschule von Bologna Bearbeiten Rechtshistorisch gilt die Wiederentdeckung der Digesten konkret der Handschrift der Littera Florentina im 12 Jahrhundert als ein bedeutsames Ereignis fur die italienische Rechtswissenschaft Bei dem Fund handelte sich namlich um eines der Bucher des spatantiken Corpus iuris civilis wie die iustinianische Kodifikation seit der fruhen Neuzeit genannt wurde Als wissenschaftliche Zentren dieser Zeit stiegen Pavia und Bologna auf In Pavia lehrte man zwar schon seit 1050 das langobardische Recht anhand des Liber Papiensis Parallel dazu entstand etwas spater in Bologna eine Rechtsschule in der Irnerius von Bologna als erster beginnend mit den Digesten das iustinianische Gesamtwerk im scholastischen Stil systematisch zu erforschen begann 1 Anhand der Institutionen und des Codex wurde unter Magister Pepo beruflich schliesslich sogar auf die Beamtenlaufbahn vorbereitet Die Verbreitung der als glossatorische Lehrmethode bekannten Arbeiten des wirkmachtigen Irnerius durch die quatuor doctores Bulgarus Martinus Jacobus und Hugo fuhrte ab den 1230er Jahren dazu dass Bologna zum Zentrum der europaischen Rechtswissenschaft wurde Zeitweise studierten bis zu 1000 Auslander in Bologna und verbreiten die Lehre in ganz Europa Als studia generalia verliehen die bolognesische Rechtsschule und die fur die Disziplin der Medizin sich hervortuende Universitat Salerno akademische Grade die allgemeine Anerkennung im In und Ausland fanden Dafur ausschlaggebend war auch dass die Lehrmeister innerhalb Europas zwischen den Lehranstalten wanderten was zu einem steigenden Interesse ihrer Arbeit in Laienkreisen fuhrte 2 Die dritte Generation der Glossatoren waren Johannes Bassianus Azo und Accursius Sie fassten die bisherigen Randkommentierungen des Werks die sogenannten Glossen zur Glossa ordinaria zusammen Die wissenschaftliche Aufmerksamkeit wandte sich zwischen 1150 und 1250 auch dem mittelalterlichen Lehnsrecht zu wobei im Ergebnis die libri feudorum entstanden Besonders erforscht wurden sie in Neapel von Carolus de Tocco und Matthaeus de Afflictis 3 Die vornehmlich wissenschaftlich orientierte Tatigkeit der Glossatoren die noch weit entfernt war von der Methodik des empirisch kritischen Ansatzes der spateren Wissenschaft wird auch im Bereich des Rechts begrifflich von der Renaissance des 12 Jahrhunderts erfasst Dabei unterlag der Rechtsbetrieb durchaus noch den autoritatsgebundenen und in der Theologie sich manifestierenden scholastischen Zugen mit den Vorzugen jedoch dass die Suche nach Regeln und Wahrheiten zur Aufstellung eines Systems fuhrte 2 Auf Accursius und die Glossatoren folgten in Bologna die Kommentatoren Ihre Erlauterungen des Corpus iuris erfolgten nicht mehr in Glossen an den Randern des Originaltextes sondern in Form fortlaufender Texte Die wichtigsten Kommentatoren sind Cino da Pistoia Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis Die Kommentatoren verfassten auch zahlreiche publizierte Rechtsgutachten sogenannte Consilia weshalb sich in der Literatur auch ihre Bezeichnung als Konsiliatoren findet 3 Der Rechtsunterricht der Bologneser Schule verbreitete sich zunachst in Italien Modena 1175 Padua 1222 Neapel 1224 und bald in ganz Europa Salamanca 1239 Paris 1200 Oxford 1170 Prag 1348 Wien 1365 Heidelberg 1386 Koln 1388 und Erfurt 1392 Die Verbreitung des mos italicus gilt als erste Phase der romischen Rechtsrezeption 3 Stadtrecht und Kollisionsrecht Bearbeiten Neben dem romischen Recht existierten zahlreiche Stadtrechte Statuten und ungeschriebene Rechtsregeln consuetudines Diese waren auf den Geschaftsverkehr der oberitalienischen Stadte zugeschnitten und deshalb praktikabler als das statische romische Recht Romisches Recht galt als ius commune daher nur subsidiar Das fruheste Statut entstand bereits in Genua im 10 Jahrhundert 1160 folgten in Pisa das Constitutum usus 1216 in Mailand die Consuetudines 1242 die Gesetze des Dogen Tiepolo und 1546 das neapolitanische Stadtrecht Stadtrecht wurde grundsatzlich eng ausgelegt sodass dem romischen Recht eine wichtige Rolle zukommen konnte Ein wichtiger Beitrag der Kommentatoren in der Geschichte des Internationalen Privatrechts war die Entwicklung des Kollisionsrechts fur die Statuten Die enge wirtschaftliche Verflechtung der oberitalienischen Stadte brauchte eine Losung bei der Kollision verschiedener Stadtrechte Die Kommentatoren teilten deshalb die Stadtrechte in verschiedene Klassen ein die jeweils fur ein bestimmtes Sachgebiet Anwendung fanden die statuta personalia fur das Personenrecht die statuta personalia fur unbewegliche Sachen und die statuta mixta fur Vertrag und Delikt 3 Humanismus BearbeitenUsus modernus Bearbeiten In der Zeit des Humanismus schwand der wissenschaftliche Einfluss Italiens und der Schwerpunkt der humanistischen Jurisprudenz verlagerte sich nach Bourges in Frankreich wo sich der sogenannte mos gallicus etablierte In Italien verlagerte sich das juristische Schrifttum in die Auseinandersetzung mit der Praxis In grossen Monographien wurden die Gerichtsentscheidungen der Obergerichte decisiones und Gutachten consilia gesammelt besprochen und systematisiert Unter dem Einfluss von Giovanni Battista De Luca Il dottor volgare 1673 setzte sich nicht nur in Italien die Nationalsprache als Sprache der Rechtswissenschaft gegenuber dem Lateinischen durch Wahrend im ubrigen Europa im 17 und 18 Jahrhundert Aufklarung und Naturrecht an die Stelle des Humanismus traten und die neuen Zentren der Naturrechtsbewegung hauptsachlich in den Niederlanden und Deutschland mit seinem speziellen Stil des usus modernus lagen blieb die italienische Rechtswissenschaft auf die Rezeption und Kritik dieser Theorien beschrankt Insbesondere die Gegenreformation verhinderte dass die Theorien von Grotius Pufendorf Thomasius und Wolff in Italien Fuss fassen konnten 3 In dieser Zeit konnte sich Italien jedoch auf dem Gebiet des Handelsrechts behaupten Als Begrunder des modernen Handelsrechts gelten Benvenuto Stracca Tractatus de mercatura et de mercatore 1553 und Sigismondo Scaccia Weitere wichtige Beitrage stammen von Raffaele della Torre im Wechselrecht und Giuseppe Lorenzo Maria Casaregi im Seehandelsrecht Die Strafrechtswissenschaft begann sich zu emanzipieren und erfuhr europaweit Impulse durch Julius Clarus Tiberio Deciani und Prospero Farinacci Praxis et theorica criminalis Demgegenuber fristete das Offentliche Recht insgesamt noch ein Schattendasein jedoch legten Niccolo Machiavelli Il Principe und Giovanni Botero Della ragione di stato die Fundamente der modernen Staatstheorie 3 Nationales Recht und Kodifikationsbewegung Bearbeiten Ab der Zeit des Humanismus nahm die Gesetzgebung in ganz Europa einen zunehmend grosseren Raum ein Beispiele hierfur sind in Italien die Nouve Costitzioni del Dominio di Mailand 1541 unter Karl V oder die Nouvi Ordini 1561 im Piemont Die Rechtswissenschaft setzte sich auch mit diesen territorial begrenzten Normen auseinander und setzten somit den Beginn der Nationalisierung der Rechtswissenschaft in Gang Schon vor den franzosischen Kodifikationen gab es Bestrebungen die wachsende Anzahl territorialen Rechts zusammenzufassen wie der Codice Estense 1771 und das venezianische Strafrecht von 1751 zeigen Ab der Einfuhrung der Cinque Codes in Frankreich wurden diese bald auch in zahlreichen italienischen Staaten erlassen Der Code civil 1804 im Piemont 1805 in Parma 1806 im Konigreich Italien 1808 in der Toskana und 1809 in Rom und Neapel Der Code penal trat 1810 im Konigreich Italien und in Neapel in Kraft In allen Staaten galten der Code de Procedure Civil und den Code de commerce Die Geltung dieser Gesetze war allerdings von kurzer Dauer Schon bald nach dem Ende der Herrschaft Napoleons wurden sie durch eigene Gesetze und Kodifikationen ersetzt bei denen jedoch das franzosische Vorbild klar erkennbar blieb 3 Konigreich Italien BearbeitenBis zum Inkrafttreten des Codice civile 1866 blieben die regionalen Zivilgesetzbucher in Geltung Der Codice civile war laizistisch liberalen Charakters wie die Einfuhrung der obligatorischen Zivilehe zeigt Wie der massgeblich von Giuseppe Pisanelli erarbeitete Codice civile standen auch andere Reformen dieser Zeit unter franzosischem Einfluss Ein 1882 schon wieder abgelostes Handelsgesetzbuch ein Codice di procedura civile eine Strafprozessordnung und ein Gerichtsverfassungsgesetz Etwas spater trat 1889 ein Strafgesetzbuch nach Vorarbeiten von Enrico Pessina Die Rechtswissenschaft des 19 Jahrhunderts war in Italien wenig innovativ und stand in der ersten Halfte unter franzosischem Einfluss in der zweiten Halfte unter dem Einfluss der deutschen Pandektenwissenschaft in der Tradition Friedrich Carl von Savignys Als bedeutende Vertreter des Zivilrechts sind besonders Frederico Paolo Sclopis de Salerano Carlo Fadda und Vittorio Scialoja der Savignys System ins Italienische ubersetzte Sistema di diritto Romano attuale 1886 1898 Die Grundlagen der modernen Prozessrechtswissenschaft in Italien legten Giuseppe Pisanelli Stanislao Pasquale Mancini und Antonio Scialoja Commentario al Codice di Procedura Civile degli Stati Sardi Ludovico Barassi gilt gemeinhin als Vater des italienischen Arbeitsrechts Im Bereich des Strafrechts sind Arturo Rocco und Vincenzo Manzini im Bereich des offentlichen Rechts Gian Domenico Romagnosi Santi Romano Vitorio Emanuele Orlando und Costantino Mortati zu nennen In methodischer Hinsicht liegen in der Zeit des Konigreichs die Ursprunge der modernen Rechtsvergleichung besonders bei Emerico Amari und der anthropolischen Strafrechtswissenschaft bei Cesare Lombroso 3 Mit der Einigung Italiens im Jahr 1860 beginnt auch die Geschichte des italienischen Steuerrechts Zu diesem Zeitpunkt dominierten Grundsteuern und Verbrauchsteuern Dabei wurden zuerst Regelungen aus der praunitaren Zeit ubernommen danach sukzessive am Aufbau einer eigenen Steuerrechtsordnung gearbeitet Vorbild war dabei primar die franzosische Steuerrechtsordnung Der Einfluss aus Frankreich sollte fur eine lange Zeit fur die italienische Steuerrechtsordnung pragend bleiben Kennzeichnend fur das italienische Steuerrecht waren von Anfang an also eine sehr starke Neigung zur Pauschalierung und ein breit gefacherter Ruckgriff auf Vermutungen Diese Merkmale sind bis heute pragend fur das italienische Steuerrecht Faschismus BearbeitenFuhrende italienische Rechtswissenschaftler begrussten den antiliberalen und antikapitalistischen italienischen Faschismus Der neue Korporatismus fand seinen Niederschlag in der Charta der Arbeit von 1927 1942 trat nach Vorarbeiten Vittorio Scialojas ein neuer Version des Codice civile in Kraft der nach dem Vorbild des schweizerischen Zivilgesetzbuchs auch das Handels und Gesellschaftsrecht und daneben auch das Arbeitsrecht umfasste Ideologisch gelang durch Vermittlung Emilio Bettis ein Kompromiss zwischen faschistisch korporatistischer Reform und rein technischer Uberarbeitung Ebenfalls 1942 trat die neue Zivilprozessordnung in Kraft die auf Arbeiten Giuseppe Chiovendas Piero Calamandreis Enrico Redentis und Antonio Segnis beruhte 3 Jungere Geschichte Bearbeiten1948 ersetzte eine neue Verfassung die formal nie aufgehobene Verfassung des Konigreichs Italien Nach dieser Verfassung ist Italien eine Repubblica democratica fondata sul lavoro Das Privatrecht blieb von dieser Verfassung nicht unberuhrt 1975 reformierte man das Familien und Erbrecht des Codice civile entsprechend den Vorgaben der neuen Verfassung und beseitigte Ungleichbehandlungen von Ehegatten und unehelichen Kindern Die Moglichkeit der Scheidung bestand bereits seit 1970 Die Bedeutung der Kodifikationen ist insgesamt gesunken Zahlreiche Einzelgesetze wurden ihnen zur Seite gestellt Natalino Irti nannte die Decodificazione Die Grunde hierfur liegen im wachsenden Einfluss philosophischer und soziologischer Stromungen auf das Recht im Gefolge Norberto Bobbio 3 Auch fur das Steuerrecht bot das Inkrafttreten der Verfassung einen Anstoss zu weitreichenden Reformen die aber sehr langsam vonstattenging Bis weit in die zweite Halfte des 20 Jahrhunderts hinein war das italienische Steuerrecht gepragt von den steuerrechtlichen Konzepten des 19 Jahrhunderts Mit dem Gesetz 825 1971 wurde aber eine neue Epoche eingeleitet Es handelte sich dabei um ein Ermachtigungsgesetz sog legge delega die der Regierung die Aufgabe uberantwortete die italienische Steuerrechtsordnung uber weite Strecken neu zu konzipieren Dies geschah im Wesentlichen in den Jahren 1972 und 1973 So wurde im Jahr 1972 das D P R 633 1972 betreffend die MwSt und das D P R 636 1972 betreffend das Steuerstreitverfahren verabschiedet Im Jahr 1973 folgte die Neuregelung der Einkommensteuer mit den D P R 597 598 und 599 die Regelung des Feststellungsvefahrens accertamento mit dem D P R 600 1973 Bestimmungen uber Steuererleichterungen D P R 601 uber die Steuereinhebung D P R 602 sowie uber die Steuerkartei anagrafe tributaria D P R 605 Der Kernbereich dieser Bestimmungen ist nach wie vor in Kraft wenngleich vielfach in erheblich modifizierter Form Im Jahr 1986 wurde ein Einheitstext fur die direkten Steuern erlassen D P R 917 1986 Im Jahr 1992 wurde der Steuerprozess vollig neu geregelt mit D P R 545 1992 sowie mit D P R 546 1992 beide am 1 April 1994 in Kraft getreten Wichtige Neuerungen wurden in den 1990er Jahren von Finanzminister Vincenzo Visco in die Wege geleitet so insbesondere die Einfuhrung der IRAP sowie die Reform der Verwaltungsstrafen sanzioni amministrative mit D P R 471 472 und 4731997 Im Jahr 2000 folgte noch eine grundlegende Reform des Steuerstrafrechts d lgs 74 2000 Wichtige Impulse wurden auch von seinem politischen Konkurrenten Giulio Tremonti gesetzt der das Ermachtigungsgesetz Nr 80 v 7 April 2003 ausarbeitete das grundlegende neue Weichenstellungen setzen sollte das jedoch nur partielle Umsetzung erfuhr Ein weiteres Ermachtigungsgesetz wurde im Jahr 2014 verabschiedet 11 2014 dessen Tragweite aber nicht an jenes aus dem Jahr 1971 heranreichte Die italienische Steuerrechtsordnung ist gegenwartig in einem umfassenden Umbau begriffen wobei insbesondere versucht wird ein kooperatives Verhaltnis mit dem Steuerpflichtigen aufzubauen und diesen damit verstarkt zu einer Einhaltung der steuerrechtlichen Pflichten anzuhalten sog cooperative compliance Ausserdem mussen immer starker internationale Vorgaben Berucksichtigung finden 4 Literatur BearbeitenFritz Pringsheim Beryth und Bologna In Festschrift Otto Lenel Leipzig 1921 S 204 ff Einzelnachweise Bearbeiten Bekannt geworden sind die im letzten Drittel des 11 Jahrhunderts als vollstandige Handschrift in Bologna beforschten Digesten als litera bononiensis vgl hierzu auch Hermann Kantorowicz Uber die Entstehung der Digestenvulgata 1910 SZ romanistische Abteilung RA ISSN 0323 4096 30 1909 S 183 f 31 1910 S 14 f a b Paul Koschaker Europa und das Romische Recht 4 Auflage C H Beck sche Verlagsbuchhandlung Munchen Berlin 1966 S 55 ff 60 f a b c d e f g h i j Klaus Luig Italienische Rechtsgeschichte eine Ubersicht In Stefan Grundmann und Alessio Zaccaria Hrsg Einfuhrung in das italienische Recht Recht und Wirtschaft Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 8005 1331 4 S 1 20 Ausfuhrlich zu diesen Entwicklungen Hilpold Peter Italienisches Steuerrecht Allgemeiner Teil 1 Auflage Nomos Dike facultas Baden Baden Zurich Wien 2016 ISBN 978 3 7089 1258 5 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rechtsgeschichte Italiens amp oldid 234987499