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Die Geschichte des Internationalen Privat und Zivilverfahrensrechts beschreibt die historische Entwicklung des Internationalen Privatrechts und des Internationalen Zivilverfahrensrechts Inhaltsverzeichnis 1 Antike pro3enos und ius gentium 7 Jahrhundert v Chr bis 5 Jahrhundert 2 Personalitats und Territorialitatsprinzip 5 bis 12 Jahrhundert 3 Statutenlehre 13 bis 18 Jahrhundert 4 Rezeption der comitas Lehre im common law 18 oder 19 Jahrhundert 5 Begrundung des modernen IPR Friedrich Carl von Savigny 1849 6 Universalismus und Nationalismus um 1850 1950 7 Restatement Second of the Conflict of Laws und American Legal Realism in den USA 8 20 und 21 Jahrhundert 9 Siehe auch 10 Literatur 11 EinzelnachweiseAntike pro3enos und ius gentium 7 Jahrhundert v Chr bis 5 Jahrhundert BearbeitenIn der Antike galten Fremde zunachst als rechtlos Recht galt grundsatzlich nur innerhalb der polis bzw civitas Die Gerichte wandten also auch ihr eigenes Recht die sog lex fori an Mit der Zunahme des Handels innerhalb Griechenlands zeigte sich diese Haltung bald als ungeeignet Man ging dazu uber Staatsvertrage zu schliessen oder den Fremden unter den Schutz eines Proxenos altgr pro3enos Gastfreund zu stellen Im Romischen Recht bildete sich bald das ius gentium heraus ein Sonderrecht fur Fremde Fur romische Burger galt das ius civile Seit 242 v Chr existierte mit dem praetor peregrinus ein Prator dessen Aufgabe die Anwendung des ius gentium war Dieses galt sowohl fur Beziehungen unter Fremden als auch fur Beziehungen zwischen Romern und Fremden Mit der Constitutio Antoniniana Kaiser Caracallas 212 verlor diese Unterscheidung ihre Bedeutung 1 Personalitats und Territorialitatsprinzip 5 bis 12 Jahrhundert BearbeitenMit der Volkerwanderung ab dem 5 Jahrhundert begannen germanische Stamme auf ehemals romischem Territorium zu siedeln Das romische Recht galt hier zunachst auch fur Germanen fort Bald begannen jedoch Entwicklungen und Verschmelzungen zu eigenen Rechtsnormen beispielsweise die Lex Romana Visigothorum Alarichs II Galt es das anwendbare Recht zu ermitteln ging man von der Personalitat des Rechtes aus Jede Person wurde nach dem Recht ihres Volkes der lex originis behandelt ius suum cuique tribuere Bald verschmolzen die verschiedenen Volksgruppen miteinander und so verschmolzen oft auch ihre Rechtsordnungen 1 Ab dem 12 Jahrhundert trat an die Stelle des Personalitatsprinzips das Territorialitatsprinzip Statutum non ligat nisi subditos Ob jemand vor Gericht gebracht werden konnte hing davon ab ob er Untertan war Untertan war wer mindestens ein Jahr und einen Tag innerhalb der Grenzen des Territoriums verbrachte Spater kam es in einigen deutschen Stadten zur Errichtung von Gastgerichten bei denen Fremde Klage einreichen und verklagt werden konnten Vor diesen Gerichten entwickelten sich die ersten allseitigen Kollisionsnormen So wurden Rechtsgeschafte nach dem Recht des Ortes an dem sie getatigt wurden behandelt locus regit actum Spater wurde diese Regel auch auf unerlaubte Handlungen ausgeweitet Diese unterlagen der lex loci delicti dem Ort an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde Gleichermassen galt fur Rechte an Sachen die lex rei sitae das Recht an dem die Sache belegen war 1 Statutenlehre 13 bis 18 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Bartolus de SaxoferratoDie Statutenlehre ist eine im Mittelalter entstandene Lehre mit der die scholastischen Autoren die Anwendungsbereiche lokaler Rechte voneinander abgegrenzt haben 2 Davon zu unterscheiden ist die Statutenanwendungslehre die im Zusammenhang mit der Rezeption des romischen Rechts im Heiligen Romischen Reich entwickelt wurde Im Norden Italiens und im Suden Frankreichs bestand ab dem 11 und 12 Jahrhundert eine Vielzahl lokal begrenzter Rechte die in schriftlicher oder in mundlicher Form uberliefert waren statuta und Gewohnheitsrechte Die gelehrten Juristen begannen deswegen Uberlegungen dazu anzustellen welches Recht bei grenzuberschreitenden Streitigkeiten war Erste Losungsversuche finden sich im 12 Jahrhundert bei Magister Aldricus der der Meinung war dass der Richter das Recht anwenden sollte das ihm als besseres erscheine consuetudo quae potior et utilior videtur Die Kommentatoren des 13 und 14 Jahrhunderts beschaftigten sich umfassender mit der Kollisionsfrage und entwickelten die Statutenlehre die universelle Regelungen dazu traf wie weit Statuten aber auch Gewohnheitsrechte sich erstrecken sollten Nach fruhen Arbeiten unter anderem von Pierre de Belleperche und Jacques de Revigny ist in diesem Zusammenhang die Lehre des Bartolus de Saxoferrato besonders beruhmt geworden 3 Bartolus ist sicherlich nicht der Vater der Statutenlehre aber ihm kommt das Verdienst zu diese umfassend verschriftlicht zu haben Bartolus unterscheidet in seiner beruhmten Kommentierung der lex cunctos populos C 1 1 1 bei der Erstreckung des Statuts nach dem Personenkreis und dem Territorium und beantwortet die einzelnen Problemfalle nach Massgabe der Gesetzgebungsmacht der ortlichen Gesetzgeber iurisdictio Hier wog er die gesetzgeberischen Interessen in den verschiedenen Kollisionsfallen ab und kam insofern zu differenzierten Ergebnissen Die Lehre des Bartolus ebenso wie die darauf aufbauende seines Schulers Baldus de Ubaldis wurde in den folgenden Jahrhunderten in weiten Teilen Europas aufgegriffen und zitiert Dabei ubertrug man die Rechtswertungen die sich ursprunglich auf die mittelalterlichen lokalen Rechte bezogen hatten auf die rechtlichen Gegebenheiten am jeweiligen Ort Da diese Gegebenheiten teilweise erheblich von der Rechtssituation der Kommentatoren abwichen sahen die spateren Statutisten dann auch erhebliche Anderungen der bartolinischen Lehre vor Charles Dumoulin Molinaeus stellte in seinem Consilium LIII und den Conclusiones de statutis et consuetudinibus localibus einen hypothetischen Parteiwillen conventio tacita als Anknupfungsmoment in den Vordergrund Sein Zeitgenosse Bertrand d Argentre Argentraeus kritisierte in seiner Kommentierung der Coutume der Bretagne die alteren Statutisten scharf und vereinfachte die Lehre erheblich indem er nicht mehr differenziert die Interessen der verschiedenen Gesetzgeber abwog sondern eine zwingende Einteilung aller lokaler Rechte in statuta realia personalia und mixta vorsah 4 Bei sachbezogenen Rechtsfragen sollte das Ortsrecht greifen bei personenbezogenen Rechtsfragen das Heimatrecht Konnte der Sachverhalt nicht eindeutig als sach oder personenbezogen eingeordnet werden sollte es sich um ein gemischtes Statut handeln und wie bei sachbezogenen Fragen das Ortsrecht anwendbar sein Insofern starkte d Argentre das Territorialitatsprinzip Auch die deutschen und niederlandischen Juristen des Usus modernus arbeiteten mit der bartolinischen Lehre Mit der endgultigen Lossagung der Vereinigten Niederlande aus dem Reichsverband im Zuge des Westfalischen Friedens von 1648 gingen indes neue kollisionsrechtliche Uberzeugungen der niederlandischen Juristen einher Die niederlandischen Provinzen verstanden sich als souveran und dementsprechend nicht zur Anwendung fremden Rechts verpflichtet Der Utrechter Jurist Paul Voet sein Sohn Johannes Voet sowie der friesische Jurist Ulrik Huber entwickelten in diesem Zusammenhang den Begriff der comitas gentium wonach die niederlandischen Provinzen nur aus freundlichem Entgegenkommen fremdes Recht anwenden um so einerseits die staatliche Souveranitat zu ermoglichen andererseits aber auch den Handel zwischen den Provinzen nicht durch fehlende Rechtssicherheit erheblich zu storen 5 Die deutschen Juristen des 17 Jahrhunderts waren dieser Lehre gegenuber hingegen ausserst kritisch eingestellt Wahrend Heinrich von Cocceji und Samuel Stryk sie mit keinem Wort erwahnen lehnt Johan Nikolaus Hert in seiner Dissertatio de collisione legum 6 die comitas Lehre ausdrucklich ab weil sie den rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland nicht gerecht werde auch innerhalb eines Staats konne es Kollisionen geben Diese liessen sich nicht durch Erwagungen der comitas losen Stattdessen ging Hert im Anschluss an die Erwagungen Coccejis davon aus dass das zentrale Argument fur die Losung von Kollisionsfragen in der Unterwerfung unter ein Recht subiectio liegen musse Zwar sah auch Hert eine Dreiteilung der Statuten vor Allerdings verstand er unter statuta mixta jetzt die Rechte die sich auf Handlungen beziehen Insgesamt war die Territorialitat in seiner Lehre damit weniger ausgepragt als bei den Niederlandern und d Argentre Rezeption der comitas Lehre im common law 18 oder 19 Jahrhundert BearbeitenIn den Vereinigten Staaten verbreitete Joseph Story die Ideen Hubers Commentaries on the Conflict of Law ist eine IPR Theorie die die Anwendung fremden Rechts mit volkerrechtlicher Rucksichtnahme der comity begrundet Die Gliederung des Werkes entsprach nicht mehr der herkommlichen Statutenlehre sondern war nach Rechtsgebieten geordnet 1 Das englische common law war von kontinentaleuropaischen Einflussen bis ins 18 Jahrhundert vollig abgeschirmt Auch durch die Insellage bedingt kam es seltener zu Rechtsfallen mit Auslandsberuhrung Traten solche Falle auf wurden sie nur dann von den Gerichten entschieden wenn die englische jurisdiction gegeben war Englische jurisdiction bestand fur alle Falle im Inland Englische Gerichte urteilten dann stets nach der lex fori dem common law Als erstes Zeichen der Rezeption kontinentaler IPR Theorien kann die Entscheidung Robinson v Bland 1790 gelten Lord Mansfield erwog auf Grundlage der comitas Lehre die Entwicklung von Kollisionsregeln Erst hierdurch wurde die Entwicklung des IPRs in England ermoglicht 1 Begrundung des modernen IPR Friedrich Carl von Savigny 1849 Bearbeiten nbsp Friedrich Carl von SavignyKarl Georg von Wachters Schrift Uber die Kollision der Privatrechtsgesetze verschiedener Staaten beendete die Fortentwicklung der Statutenlehre indem sie ihre mangelnde Flexibilitat aufzeigte Jedoch konnte sich weiterhin keine Alternative durchsetzen Ein entscheidender Durchbruch gelang erst Friedrich Carl von Savigny Im achten Band Uber die ortliche und zeitliche Geltung der Gesetze 1849 seines Systems des heutigen romischen Rechts begrundet er das moderne IPR das den Sitz des Rechtsverhaltnisses als Ausgangspunkt fur die Bestimmung des anzuwendenden Rechts sieht Fremdes Recht wird aus Freundlichkeit gegenuber anderen Staaten angewandt also aus Grunden der comitas Anders als in der Statutenlehre wird nun aber nicht eine inlandische Norm nach ihrem Anwendungsbereich befragt Stattdessen geht von Savigny vom Lebensverhaltnis aus und pruft es auf die Rechtsordnung die am besten auf dieses Anwendung findet 1 Universalismus und Nationalismus um 1850 1950 BearbeitenIn Italien entwickelte sich kurz nach von Savignys Schrift die italienische Schule Grundlegend fur diese war ein Vortrag Pasquale Stanislao Mancinis 1851 in Turin mit dem Titel Della nazionalita come fondamento del diritto delle genti Unter dem politischen Einfluss des italienischen risorgimento stelle Mancini die Staatsangehorigkeit als tragende Anknupfung des IPR heraus Dies sei ein Gebot des Volkerrechts Dies wird als universalistischer Ansatz bezeichnet Ebenfalls auf Mancini und seine Schule zuruck geht die Fortentwicklung des ordre public Mancini wurde in Kontinentaleuropa weithin rezipiert Die IPR Kodifikationen Italiens 1842 1942 und 1995 Spaniens 1889 Osterreichs 1978 das deutsche EGBGB und viele internationale Abkommen ubernahmen die Anknupfung an die Staatsangehorigkeit 1 Der universalistische Ansatz Mancinis wurde in Frankreich von Antoine Pillet modifiziert Der nationale Gesetzgeber wolle dass ein Gesetz fur alle seine Staatsangehorigen unabhangig von ihrem Aufenthalt permanent und fur alle Personen innerhalb seines Territoriums general gelte Im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs 7 muss also jeder Staat die Wirkung seiner Gesetze einschranken Gesetze zum Individualschutz gelten permanentement Gesetze im Interesse der offentlichen Ordnung generalement mit Einschrankung auf das eigene Staatsgebiet Diese Unterscheidung konnte sich nicht durchsetzen Pillets Schuler Jean Paulin Niboyet entwickelte die Theorie des realisme national Jeder Staat konne sein IPR frei festlegen allerdings nur innerhalb seines Territoriums durchsetzen Auslandisches Recht wird lediglich aus courteoisie internationale angewandt Diese territorialistische Ausrichtung des IPR zwischen den Weltkriegen wurde erst durch Henri Batiffol und seinen Schuler Paul Lagarde uberwunden 1 Restatement Second of the Conflict of Laws und American Legal Realism in den USA BearbeitenIn den USA hat jeder Bundesstaat sein eigenes IPR das bis auf Louisiana lediglich Richterrecht ist Eine Zusammenfassung dieser IPRs findet sich im Restatement Second of the Conflict of Laws von 1972 Zu ermitteln ist anhand verschiedener policies das Recht des Staates mit der most significant relationship Neue Ansatze methodischer Art finden sich bei Albert Ehrenzweig Brainerd Currie David F Cavers und Robert A Leflar 1 20 und 21 Jahrhundert BearbeitenAb Mitte des 20 Jahrhunderts wird internationaler Entscheidungseinklang in Kontinentaleuropa zum Hauptziel des IPR Savignys Ideen haben sich durchgesetzt Internationaler Entscheidungseinklang wird besonders durch rechtsvergleichende Arbeit und die Konventionen der Haager Konferenz fur Internationales Privatrecht erreicht 1 Siehe auch BearbeitenAbkommen uber das internationale Privatrecht vom 19 Marz 1940Literatur BearbeitenBertrand Ancel Elements d histoire du droit international prive Paris 2017 Christian von Bar Hans Peter Dopffel Hans Jurgen Hilling Hrsg Deutsches Internationales Privatrecht im 16 und 17 Jahrhundert 2 Bande Tubingen 2001 Kristin Boosfeld Die beiden Statutenlehren Geschichte eines rechtshistorischen Missverstandnisses In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Band 136 2019 S 76 93 Max Gutzwiller Geschichte des internationalen Privatrechts Von den Anfangen bis zu den grossen Privatrechtskodifikationen Basel 1977 Franz Gamillscheg Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts Berlin Tubingen 1955 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j Bernd von Hoffmann Karsten Thorn Internationales Privatrecht Einschliesslich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts 9 Auflage C H Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 55976 1 2 Geschichte und Theorie Kristin Boosfeld Die beiden Statutenlehren Geschichte eines rechtshistorischen Missverstandnisses In ZRG Germ 136 2019 S 76 93 Zur Vorgeschichte siehe Karl Neumeyer Die gemeinrechtliche Entwicklung des Internationalen Privat und Strafrechts bis Bartolus 2 Bde 1901 u 1916 Bertrand Ancel Elements d histoire du droit international prive 2017 S 205 320 Roeland Kollewijn Geschiedenis van de Nederlandsche wetenschap van het internationaal Privaatrecht tot 1800 1937 S 78 161 Abgedruckt und ubersetzt in Christian von Bar Hans Peter Dopffel Hans Jurgen Hilling Hrsg Deutsches Internationales Privatrecht im 16 und 17 Jahrhundert Bd II 2001 S 588 685 Dazu Gunter Herrmann Johan Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre 1963 Vgl etwa Max Pagenstecher Der Grundsatz des Entscheidungseinklangs im internationalen Privatrecht Ein Beitrag zur Lehre vom Renvoi Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Geistes und sozialwissenschaftliche Klasse Jahrgang 1951 Band 5 Verlag der Wissenschaften und der Literatur in Mainz in Kommission bei Franz Steiner Verlag Wiesbaden Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte des Internationalen Privat und Zivilverfahrensrechts amp oldid 236552846