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Peter Raabe 27 November 1872 in Frankfurt Oder 12 April 1945 in Weimar war ein deutscher Dirigent und Musikwissenschaftler In der Zeit des Nationalsozialismus betrieb er Kulturpolitik Signatur 1938 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Musikwissenschaftliches Wirken 1 2 Kulturpolitiker im Nationalsozialismus 2 Ehrungen 3 Schriften 4 Nachlass 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenRaabes Eltern waren ein Kunstmaler und eine Klavierlehrerin 1 Raabe studierte an der Berliner Musikhochschule bei Woldemar Bargiel Als Kapellmeister ging er nach Konigsberg i Pr Zwickau Wuppertal Elberfeld Amsterdam und Munchen wo er die Volks Symphoniekonzerte des Kaimorchesters vom 7 Oktober 1903 bis zum 21 Marz 1906 dirigierte 1907 ubernahm er die Leitung der Weimarer Hofkapelle In dieser Position erwarb er sich bis zum Ende seiner Amtszeit 1920 zahlreiche Verdienste als Dirigent Von 1920 bis 1934 war er Generalmusikdirektor beim Sinfonieorchester Aachen 2 Von 1924 bis 1934 war er Honorarprofessor an der RWTH Aachen Raabes Repertoire umfasste neben Werken der Wiener Klassik und der Musik der Romantik auch die damalige zeitgenossische Musik bzw Neue Musik Er bestand ausdrucklich darauf seinen Aufruf zur Grundung des Vereins zur Pflege Neuer Musik in seiner Eigenschaft als privat schaffender Kunstler und nicht im Auftrag der Stadt Aachen zu verstehen 3 Dieser Verein wurde schliesslich nach einigen Presseankundigungen der Lokalpresse am 18 Dezember 1927 gegrundet Raabe setzte sich gleichermassen fur moderne wie fur konservative Komponisten ein wobei ihm allerdings letztere deutlich naher standen Besonders intensiv forderte er unter seinen Zeitgenossen Hugo Kaun und Richard Wetz 1923 machte Raabe in einem Vortrag deutlich dass es seine samtlichen Aktivitaten im deutsch nationalen Sinne verstand Er versuchte nachzuweisen dass die deutsche Musik vor der Musik anderer Volker gewisse Vorzuge besitze die in ihrer besonderen Tiefe und ihrem Gehalt zum Ausdruck kamen 4 Diese Auffassung war zeittypisch und fuhrte auch unter Raabes Einfluss zu dem Begriff der ernsten Musik deren Realisierung er insbesondere in den Kulturorchestern sah und 1938 im Tarifrecht definierte Erst 2019 verabschiedete man sich in der Orchesterlandschaft Deutschlands von diesen tarifirechtlichen Definitionen der Kulturorchester und dem damit verbundenen kulturpolitischen Raabe Verstandnis einer von den Konzertorchestern besonders gepflegten ernsten Musik Sein Sohn Felix Raabe mit dem er eng zusammenarbeitete war ebenfalls von 1946 bis 1953 Generalmusikdirektor in Aachen Musikwissenschaftliches Wirken Bearbeiten Seine Hauptbeschaftigung galt dem Werk von Franz Liszt das er als Kustos des Weimarer Liszt Museums seit 1910 systematisch untersuchte 1916 wurde er an der Friedrich Schiller Universitat Jena mit einer Dissertationsschrift Die Entstehungsgeschichte der ersten Orchesterwerke Franz Liszts zum Dr phil promoviert 1 1931 erschien eine zweibandige Monografie uber Liszts Leben und Schaffen welche auch das erste umfassende Liszt Werkeverzeichnis enthalt und Raabes musikwissenschaftliches Hauptwerk darstellt Kulturpolitiker im Nationalsozialismus Bearbeiten nbsp Berufsverbot fur den Berliner Musiker Dr Werner Liebenthal unterzeichnet von Dr Peter Raabe 9 August 1935Raabe war ein deutschnationaler Konservativer und begrusste die nationalsozialistische Musikpolitik Er war gegen die Negermusik und die moderne Musik eines Alban Berg und Arnold Schonberg 5 Ausserdem gibt es antisemitische Ausserungen von ihm wie in folgender Ausserung aus dem Jahr 1940 sichtbar wird Der Niedergang der Operette forderte die Neigung zur Schamlosigkeit so dass es auch Menschen die sonst in kunstlerischen Dingen ein Gewissen hatten unempfindlich dagegen machte dass man sich an den Meisterwerken der Operettenkunst vergriff und sie durch Bearbeitungen die nur den Zweck hatten dem verrotteten Zeitgeschmack Zugestandnisse zu machen entstellte und damit Riesensummen verdiente Der entscheidende Einfluss lag bei den Juden 6 Am 6 Juni 1943 wurde die Heirat von Herbert von Karajan mit der Vierteljudin Anna Maria Anita Gutermann 2 Oktober 1917 vermerkt und wenige Wochen spater wurde Lt Ministerentscheid v 26 6 1943 festgehalten dass in dieser Angelegenheit nichts zu unternehmen sei Ungeachtet dessen wandte sich Raabe im April 1944 an die Reichsleitung und bat um Auskunft uber Karajans NSDAP Mitgliedschaft da seine Gattin Vierteljudin sei woraufhin die Mitgliedschaftsdaten ubermittelt wurden 7 Okrassa kommt mit Berufung auf weitere Quellen zu dem Ergebnis Raabes Diktion verweise deutlich auf antisemitische Denkmuster 8 Raabe hatte schon lange vor 1933 fur eine neue Musikpolitik gestritten und auch eine Musikkammer einfuhren wollen Bereits seit 1934 war er Mitglied des Verwaltungsausschusses und des Prasidialrats der Reichsmusikkammer des Fuhrerrats des Reichsverbands der gemischten Chore Deutschlands Prasidialbeirat der Kameradschaft der deutschen Kunstler e V und Treuhander der Spende Kunstlerdank des Reichsministeriums fur Volksaufklarung und Propaganda 9 Ausserdem wurde er Mitglied des Kuratoriums der Goebbels Stiftung fur Kulturschaffende 10 Raabe machte 1934 mehrfach unmissverstandlich deutlich dass der Neubau deutscher musikalischer Kultur nur moglich sei wenn die Orchestermusiker existentiell besonders abgesichert seien Schon wenige Monate nach Bekanntwerden dieser Forderungen gab es konkrete Schritte zur Etablierung einer tariflich abgesicherten sinfonischen Monokultur die deutschlandweit als sogenanntes Kulturorchestersystem fur alle grosseren Kommunen bis heute Realitat blieben 11 1935 erhielt er den Vorsitz der Reichsmusikkammer nachdem Richard Strauss 1935 als Prasident zuruckgetreten war Raabe fuhrte die RMK bis 1945 Auf Antrag vom 21 Mai 1937 wurde Raabe ruckwirkend zum 1 Mai 1937 in die NSDAP aufgenommen Mitgliedsnummer 3 934 040 9 Als Prasident der Reichsmusikkammer sorgte Raabe dafur dass Vertreter der modernen Musik und vor allem die nichtarischen Musiker entweder erst gar nicht in die RMK aufgenommen oder entlassen wurden Das bedeutete fur die betroffenen Musiker ein existenzbedrohendes Berufsverbot weil eine Mitgliedschaft in der RMK Voraussetzung fur eine Tatigkeit als Kunstler war Insgesamt sind mehr als 3000 von Raabe personlich unterzeichnete Berufsverbote bekannt wie auch dasjenige das am 15 April 1937 gegen Carl Stenzel dessen Ehefrau Judin war verhangt worden war Gemass 10 der Durchfuhrungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1 November 1933 lehne ich Ihren mir zur endgultigen Entscheidung vorgelegten Aufnahmeantrag ab da Sie die nach der Reichskulturkammergesetzgebung erforderliche Eignung im Sinne der nationalsozialistischen Staatsfuhrung nicht besitzen Durch diese Entscheidung verlieren Sie mit sofortiger Wirkung das Recht der weiteren Berufsausubung 10 Raabe war einer der wichtigsten Reprasentanten der nationalsozialistischen Musikpolitik Sein Gegenspieler im Reichsministerium fur Volksaufklarung und Propaganda war Heinz Drewes mit dem er um Kompetenzen rang Bezeichnend war sein Einsatz auf Reichsparteitagen So dirigierte er bei der Kulturtagung des Reichsparteitages 1935 des Parteitages der Freiheit in Anwesenheit von Hitler und allen NS Oberen Beethovens Egmont Ouverture zur Einleitung der Reden von Rosenberg und Hitler Hitler hielt dann eine Rede uber Kunstpolitik in der er die Kunst als die Verkunderin des Erhabenen und Schonen und Tragerin des naturlichen und Gesunden kennzeichnete Dann folgte eine Abrechnung mit den Kulturverbrechern der demokratischen Zeit wie Dadaisten Kubisten und den Vertretern der Neuen Sachlichkeit Dabei hetzte Hitler auch gegen das durch und durch kapitalistisch verseuchte und dementsprechend handelnde Judentum das niemals im Besitz einer eigenen Kunst war Raabe dirigierte danach Beethovens Funfte Symphonie 12 Vom 5 bis 7 Juni 1937 wurde die Aufstellung einer Brucknerbuste in der Walhalla als Anlass fur die Abhaltung eines Brucknerfestes benutzt Dieses wurde als Staatsakt zelebriert Raabe enthullte am 6 Juni die mit einer Hakenkreuzflagge umwickelte Buste des osterreichischen Komponisten Anton Bruckner und Hitler legte einen Lorbeerkranz nieder Es spielten die Munchner Philharmoniker die Regensburger Domspatzen sangen unter DKM Theobald Schrems die Bruckner Motette Locus iste Beim Festprogramm am nachsten Tag wurde eine Brucknermedaille an Goebbels Raabe und die Munchner Philharmonie verliehen Raabe hielt den Festvortrag 13 Sinn der Propagandaveranstaltung war nach Okrassa die Festigung der kulturellen Fassade des NS Staates Raabe trat sehr haufig als Redner auf und verkundete die Grundlinien der nationalsozialistischen Musikpolitik Anlasslich der Reichsmusiktage 1938 in Dusseldorf weigerte sich Raabe an dieser Veranstaltung teilzunehmen und bot am 8 Mai seinen Rucktritt an weil er Hans Severus Ziegler den Organisator der begleitenden Ausstellung Entartete Musik fur einen inkompetenten Laien hielt An Raabes Stelle hielt Paul Graener die Eroffnungsrede bei den Reichsmusiktagen Ebenso weigerte sich Raabe bei der Eroffnung der Ausstellung Entartete Musik in Weimar die zusammen mit der Wanderausstellung Entartete Kunst prasentiert wurde die Rede zu halten 14 Beides blieb in der Offentlichkeit unbemerkt da die Zeitungen des Dritten Reiches nicht daruber berichteten In einem Beitrag in der Zeitschrift Die Musik aus dem Marz 1941 unter dem Titel Was die Reichsmusikkammer nicht ist rechtfertigte er noch einmal die nationalsozialistische Kulturpolitik was von Fred K Prieberg folgendermassen kommentiert wird So klar und deutlich war zuvor noch keine Darstellung der Reichsmusikkammer als Instrument der politischen Kontrolle und Disziplinierung 15 Die Totalitatsforderung des Nationalsozialismus schliesst es in sich dass auch die Organisation alles Kunstwesens sich lucken und fugenlos einfugen muss in die Gesamtpolitik des Reiches Es kann im nationalsozialistischen Staat keine Kunstpolitik geben die der allgemeinen Politik widerspricht Die Linie der grossen Politik darf nicht durchkreuzt werden durch andere Linien die von der Kunstbetatigung ausgehen Darauf acht zu haben und daruber zu wachen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Reichsmusikkammer Ihr Augenmerk hat gerichtet zu sein auf die Reinerhaltung der Musik Was sich als der Staatsgesinnung feindlich erweist kann nicht geduldet werden und wenn es noch so viel Talent verriete 16 In seinen letzten Lebensjahren zog sich Raabe haufiger nach Weimar zuruck Dort wurde er 1945 auf dem Historischen Friedhof begraben In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Raabes Schriften Die Musik im Dritten Reich 1935 und Kulturwille im deutschen Musikleben 1936 auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt 17 Ehrungen BearbeitenMedaille fur Kunst und Wissenschaft Sachsen Altenburg 18 Roter Adlerorden IV Klasse 18 Hausorden vom Weissen Falken II Klasse 18 Ehrenkreuz fur Heimatverdienst 18 19 Goethe Medaille fur Kunst und Wissenschaft 1942 Schriften BearbeitenDie Entstehungsgeschichte der ersten Orchesterwerke Liszts 1916 Franz Liszt 2 Bande 1931 Vom Neubau deutscher musikalischer Kultur Rede vom 16 Februar 1934 In Presseamt der Reichsmusikkammer Hrsg Kultur Wirtschaft Recht und die Zukunft des deutschen Musiklebens Berlin Parrhysius 204 240 Die Musik im dritten Reich Kulturpolitische Reden und Aufsatze 1936 Deutsche Meister Reden von Peter Raabe 1937 Wege zu Weber 1942 Wege zu Liszt 1943 Wege zu Bruckner 1944Nachlass BearbeitenBriefe von P Raabe befinden sich im Bestand des Leipziger Musikverlages C F Peters im Staatsarchiv Leipzig Literatur BearbeitenRaabe Peter In Robert Volz Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft Das Handbuch der Personlichkeiten in Wort und Bild Band 2 L Z Deutscher Wirtschaftsverlag Berlin 1931 DNB 453960294 S 1462 Nina Okrassa Peter Raabe Dirigent Musikschriftsteller und Prasident der Reichsmusikkammer 1872 1945 Bohlau Verlag 2004 ISBN 3 412 09304 1 Google Books Nina Okrassa Raabe Karl Ludwig Hermann Peter In Neue Deutsche Biographie NDB Band 21 Duncker amp Humblot Berlin 2003 ISBN 3 428 11202 4 S 54 f Digitalisat Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5365 5406 Lutz Felbick Das hohe Kulturgut deutscher Musik und das Entartete uber die Problematik des Kulturorchester Begriffs in Zeitschrift fur Kulturmanagement 2 2015 S 85 115 online Weblinks BearbeitenWerke von und uber Peter Raabe im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Zeitungsartikel uber Peter Raabe in den Historischen Pressearchiven der ZBWEinzelnachweise Bearbeiten a b Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5365 Richard Schaal Raabe Peter In Die Musik in Geschichte und Gegenwart Bd 10 Barenreiter Verlag 1986 S 1834 CD Rom Ausgabe S 61270 kurzer Vermerk in Echo der Gegenwart vom 15 November 1927 und ein langerer Artikel Raabes Aus dem Aachener Musikleben Aufruf zur Grundung einer Vereins zur Pflege neuer Musik in Aachen in Echo der Gegenwart vom 15 November 1927 Kurzbericht in Politisches Tageblatt vom 4 Marz 1923 Raabe war 1932 zunachst angetan von der Aachener Auffuhrung von Bergs Wozzeck 1938 widerrief er diese Auffassung Die Atonalitat war eine Zeitkrankheit der sehr begabte Kunstler vorubergehend verfallen sind Okrassa 2004 S 101 308 Joseph Wulf Musik im Dritten Reich Eine Dokumentation Frankfurt 1989 S 289 Siegfried Gollner Herbert von Karajan in Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus Biografische Recherchen zu NS belasteten Strassennamen der Stadt Salzburg Version 1 18 1 2021 S 6 Okrassa 2004 S 392 Sie beruft sich bei dieser Einschatzung auf Raabes Ausserung zu Paul Pella denn dieser sei nach Raabes Auffassung angeblich ein rucksichtslos sich vordrangelnde r Judenbengel gewesen a b Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5366 a b Ernst Klee Das Kulturlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 10 039326 5 S 470 Lutz Felbick Das hohe Kulturgut deutscher Musik und das Entartete uber die Problematik des Kulturorchester Begriffs In Zeitschrift fur Kulturmanagement 2 2015 S 29 59 Nina Okrassa Peter Raabe Dirigent Musikschriftsteller und Prasident der Reichsmusikkammer 1872 1945 Bohlau Verlag 2004 S 273 s Nina Okrassa Peter Raabe Dirigent Musikschriftsteller und Prasident der Reichsmusikkammer 1872 1945 Bohlau Verlag 2004 S 375ff Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5389 Zitat Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5398 Zitat bei Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 5398 Quelle Die Musik XXXIII 6 Marz 1941 S 189 f http www polunbi de bibliothek 1946 nslit r html a b c d Reichshandbuch 1931 GoogleBooksNormdaten Person GND 116319011 lobid OGND AKS LCCN no92015348 VIAF 15516723 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Raabe PeterKURZBESCHREIBUNG deutscher Dirigent Musikschriftsteller und NS KulturpolitikerGEBURTSDATUM 27 November 1872GEBURTSORT Frankfurt Oder STERBEDATUM 12 April 1945STERBEORT Weimar Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Peter Raabe amp oldid 239354348