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Oswald Schneidratus 13 August 1881 in Berlin 22 August 1937 in Moskau war ein deutscher Bauingenieur und Architekt Mit seiner politischen Emigration 1924 in die Sowjetunion importierte er als erster Architekt zugleich das Gedankengut des Bauhauses in die UdSSR Am 22 August 1937 wurde er im Zuge der sogenannten Deutschen Operation des NKWD wegen angeblicher konterrevolutionarer trotzkistischer Tatigkeit zum Tod verurteilt und am selben Tag auf dem militarischen Ubungsgelande Butowo bei Moskau durch Erschiessen hingerichtet 1 Am 24 Dezember 1954 wurde Oswald Schneidratus posthum rehabilitiert Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1 1 Familie und Ausbildung 1 2 Berufliche Tatigkeit in Berlin 1907 bis 1916 1 3 Erster Weltkrieg Novemberrevolution und Emigration 1 4 In der UdSSR 1924 bis 1937 1 5 Verhaftung und Hinrichtung 1 6 Familie 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseBiografie BearbeitenFamilie und Ausbildung Bearbeiten Der Architekt Oswald Schneidratus war der Sohn von Oswald Schneidratus und dessen Ehefrau Sein 1934 gestorbener Vater war wahrend des Ersten Weltkriegs leitender ziviler Angestellter der kartografischen Abteilung des deutschen Generalstabs Er besuchte in Berlin die Schule und absolvierte dort eine technische Fachschule Schneidratus war verheiratet mit Elisabeth Schneidratus geb Kamischke 1890 1975 Der Ehe entstammten der Sohn Werner Schneidratus 1908 2001 und die Tochter Ilse Schneidratus 1913 1987 Berufliche Tatigkeit in Berlin 1907 bis 1916 Bearbeiten Von 1907 bis 1909 war Oswald Schneidratus als Lehrer an einer Betriebsberufsschule fur Bauwesen und von 1909 bis 1916 als leitender Angestellter verschiedener Baugeschafte in Berlin und Hamburg tatig Erster Weltkrieg Novemberrevolution und Emigration Bearbeiten Oswald Schneidratus war Mitglied der SPD bzw USPD und des Spartakusbunds Wegen offentlicher Proteste gegen den Ersten Weltkrieg wurde er 1916 bis 1918 zum Frontdienst in einem Strafbataillon verurteilt Wahrend der Novemberrevolution 1918 war er Fuhrungsmitglied des Arbeiter und Soldatenrats Berlin Sofort nach ihrer Grundung trat er 1919 in die KPD ein und wurde Stadtverordneter der KPD in Berlin Friedenau An der illegalen teilweise bewaffneten Tatigkeit der KPD so auch an der Vorbereitung des von der KPD fur 1923 landesweit geplanten Aufstands Deutscher Oktober war Oswald Schneidratus als Regionalkommandeur des geheimen M Apparats der KPD aktiv beteiligt Beruflich war er von 1919 bis 1922 als technischer Leiter einer Berliner Wohnungsbaugenossenschaft und von 1922 bis 1924 in der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland als stellvertretender Leiter der Abteilung Objektschutz tatig 1924 wurde parteiintern bekannt dass Oswald Schneidratus gemeinsam mit Hugo Eberlein und anderen KPD Funktionaren die Verhaftung drohte Es blieb der Familie nur die Flucht in die UdSSR die als Ubersiedlung im Rahmen der damaligen Anwerbung internationaler Experten vollzogen wurde In der UdSSR 1924 bis 1937 Bearbeiten Oswald Schneidratus war einer der ersten deutschen Architekten der einer gross angelegten sowjetischen Regierungskampagne zur Anwerbung auslandischer Experten zur Unterstutzung des wirtschaftlichen Aufbaus im Land Folge leistete Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Russlands Bolschewiki und 1924 bis 1925 als Republiksingenieur fur Bauwesen vergleichbar mit dem Rang eines Ministers in Engels eingesetzt der Hauptstadt der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen Von 1925 bis 1927 fungierte er als Chefingenieur der Hauptabteilung Elektrifizierung des Obersten Volkswirtschaftsrats der UdSSR 1928 ubernahm Oswald Schneidratus die Leitung des 1928 beim Bauausschuss des Obersten Sowjets der UdSSR eingerichteten Zentralburos fur auslandische Konsultation ZAK das die Anwerbung auslandischer Experten koordinierte Nach einer Recherche von Astrid Volpert war Oswald Schneidratus an der Anwerbung und Ubersiedlung von mindestens 300 deutschen Architekten und Bauschaffenden beteiligt Nach einer Studie von Kurt Junghanns zahlte die Sektion Auslandischer Architekten im Sowjetischen Architektenverband zwischen 1933 und 1936 ca 800 bis 1000 Mitglieder Etwa die Halfte der auslandischen Architekten seien Deutsche gewesen Ernst May Hannes Meyer Bruno Taut Fred Forbat Johann Wilhelm Lehr Eugen Kaufmann Kurt Liebknecht Margarete Schutte Lihotzky Gerhard Kosel und andere mehr Hauptgrunde fur die Tatigkeit renommierter Architekten in der UdSSR waren die damals vorherrschende Hoffnung auf die Umsetzung avantgardistischer und sozialistischer Vorstellungen vom Neuen Bauen und die durch die Weltwirtschaftskrise in den Heimatlandern hervorgerufenen Existenzangste nbsp Burogebaude Orga Metall Moskau errichtet 1927 1928 Auch fur Oswald Schneidratus erfullten sich zunachst die Hoffnungen 1927 1928 gewann er die Ausschreibung zur Projektierung der Konzernzentrale der Aktiengesellschaft Oega Metall in Moskau die er als erstes Gebaude einer solchen Dimension in der UdSSR in der Formensprache des Bauhauses errichtete Im Rahmen der von Lenin und Bucharin initiierten Neuen Okonomischen Politik NOP wurden in der sowjetischen Wirtschaft wieder einige privatwirtschaftliche Strukturen zugelassen so auch die von Betrieben der Metallindustrie gegrundete Aktiengesellschaft Orga Metall 1936 nahmen alle Mitglieder der Familie Schneidratus die sowjetische Staatsburgerschaft an Auf der internationalen Konferenz zum 100 Jahrestag des Bauhauses vom 17 bis 19 April 2019 in Moskau widmete A V Slabucha seinen Beitrag der Tatigkeit von Oswald Schneidratus Das bekannteste Bauwerk von Schneidratus in der UdSSR ist das Gebaude der Aktiengesellschaft Orga Metall in Moskau in der Kalanchewskaja Strasse 1927 1928 zusammen mit D I Frenkel und B A Gaidu Das Objekt erhielt damals eine negative Bewertung seiner Zeitgenossen und wurde unter anderem in der April Ausgabe der Zeitschrift Moderne Architektur 1928 im Leitartikel Wie man nicht bauen sollte eine Architektonische Kunstkammer aufgelistet Heute ist es ein Denkmal der sowjetischen Architektur der 1920er Jahre das als Bestandteil des kulturellen Erbes anerkannt und vom Staat geschutzt ist 2 Die Situation in der UdSSR anderte sich schlagartig mit Beginn des Grossen Terrors 1936 1937 Die Mehrheit der auslandischen Experten verliess das Land der grosste Teil der Verbliebenen wurde inhaftiert und war Repressionen ausgesetzt Verhaftung und Hinrichtung Bearbeiten nbsp Schneidratus Oswald Oswaldowitsch Gedenktafel auf dem Donskoi Friedhof in Moskau 2019 3 Bei seiner Verhaftung war Oswald Schneidratus als Ingenieur und Architekt im Zentralen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut fur Industriebauten ZNII des Volkskommissariats fur Schwerindustrie der UdSSR angestellt Seine Adresse in Moskau war 1 Koptelski per Nr 9 Whg 72 Oswald Schneidratus wurde am 5 Juni 1937 verhaftet verhort und gefoltert Ihm wurde vorgeworfen bereits in Deutschland in den 1920er Jahren einer Trotzkistischen Gruppe unter Fuhrung von Ruth Fischer und Arkadi Maslow angehort zu haben Die konterrevolutionare terroristische Tatigkeit habe er wahrend seiner Tatigkeit in der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland 1922 bis 1924 und nach der Ubersiedlung in die Sowjetunion 1924 systematisch weitergefuhrt Er wurde durch das Militarkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR WKWS SSSR am 22 August 1937 wegen terroristischer Tatigkeit zum Tode durch Erschiessen verurteilt und am selben Tag im Alter von 56 Jahren hingerichtet seine Leiche wurde eingeaschert die Asche im Massengrab Nr 1 des Moskauer Krematoriums und Friedhofs Donskoi verscharrt Im damals einzigen Moskauer Krematorium Donskoi wurden wahrscheinlich mehrere Zehntausende Moskauer ermordete politische Opfer des Stalinschen Terrors eingeaschert Aber auch viele der wahrend des Terrors exekutierten Tater wurden hier verbrannt andere Uberlebende manchmal sogar in Ehren bestattet oft in Sichtweite der Massengraber Am 24 Dezember 1955 wurde Oswald Schneidratus durch das WKWS SSSR rehabilitiert Nach dem Zerfall der UdSSR begannen Angehorige an den Massengrabern Gedenktafeln fur die Ermordeten aufzustellen so auch 2019 Freunde der Familie Schneidratus Rehabilitierung des Obersten Gerichts der UdSSR 1956 nbsp Schneidratus Oswald Oswaldowitsch Bescheinigung zur Rehabilitierung Russisch nbsp Schneidratus Oswald Oswaldowitsch Bescheinigung zur Rehabilitierung Ubersetzung aus dem Russischen Familie Bearbeiten Oswald Schneidratus Frau ubte verschiedene Tatigkeiten aus Unter anderen war sie als Lehrerin an der deutschen Karl Liebknecht Schule in Moskau tatig Nach der damals verheimlichten Hinrichtung ihres Mannes wurde sie zu einer mehrjahrigen Haftstrafe im Akmolinsker Lager fur Frauen von Heimatverratern ALZHIR in Akmol bei Astana Kasachstan verurteilt Danach lebte sie in Moskau und starb dort 1975 im Altersheim verdienter Bolschewiki Ihr Sohn Werner Schneidratus 1908 2001 studierte Architektur in Moskau beteiligte sich unter anderen am Grossprojekt Generalrekonstruktion Moskau 1933 1935 war seit 1934 Oberstleutnant der Sowjetischen Armee wurde 1937 unmittelbar nach der Hinrichtung seines Vaters verhaftet und zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt 1949 wurde er erneut verurteilt und lebenslanglich nach Sibirien verbannt wo er die ebenfalls verbannte Ukrainerin Jaroslawa Salik heiratete und wo auch ihr Sohn der spatere Diplomat Oswald Schneidratus geboren wurde Nach seiner Rehabilitierung 1955 siedelte er im Alter von 47 Jahren mit seiner Familie in die DDR uber Werner Schneidratus wurde hier ein renommierter Architekt Professor und Mitglied der Bauakademie der DDR Er starb im Alter von 92 Jahren in Berlin Ihre Tochter Ilse Schneidratus 1913 1987 absolvierte von 1935 bis 1940 ein Ingenieurstudium am Moskauer Luftfahrtinstitut und am Moskauer Institut fur Maschinenbau Von 1942 bis 1956 wurde sie wegen ihrer deutschen Nationalitat nach Oktjabrski und Sterlitamak in der Baschkirischen Autonomen Sowjetrepublik heute Baschkortostan zur Zwangsarbeit in der Arbeitsarmee verbannt Danach war sie bis 1973 als Ingenieurin im Lenin Schwermaschinenwerk in Sterlitamak tatig Sie starb im Alter von 74 Jahren in Ufa der Hauptstadt von Baschkortostan Literatur BearbeitenOswald Schneidratus Der Wiederaufbau der zerstorten Gebiete Vortrag gehalten in einer offentlichen Versammlung der Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Techniker in Berlin am 28 August 1919 29 Seiten Schafer Berlin 1919 B Kaufmann E Reisener D Schwips H Walther Der Nachrichtendienst der KPD 1919 1937 Dietz Verlag Berlin 1993 ISBN 3 320 01817 5 Oswald Schneidratus In Das Bauwesen in Moskau 12 Jahrgang 1927 russ Anatol Koop Foreign Architects in the Soviet Union during the first two five year plans In The Charnel House engl E V Konysheva Europaische Architekten in der sowjetischen Stadteplanung wahrend der Periode der ersten Funfjahresplane Konfliktpunkte russ A V Slabucha Architekten der Jenissej Region Sibiriens Ende XIX Anfang XXI Jahrhunderts russ Verlag Progress Tradizija Moskau ISBN 5 89826 154 0 Institut fur Geschichte der Arbeiterbewegung Hrsg In den Fangen des NKWD Deutsche Opfer des stalinistischen Terrors in der UdSSR Dietz Berlin 1991 ISBN 3 320 01632 6 S 207 f Verein Memorial Hrsg Erschiessungslisten Friedhof Donskoj Moskau 1935 1953 5065 unschuldig Exekutierte russ Verlag Prosweschenije Moskau 2005 ISBN 5 7870 0081 1 S 525 Alexander Vatlin Was fur ein Teufelspack Die Deutsche Operation des NKWD in Moskau und im Moskauer Gebiet 1936 bis 1941 Metropol Berlin 2012 ISBN 978 3 86331 090 5 Hans Coppi Die Familie Schneidratus In Ich kam als Gast in euer Land gereist Deutsche Hitlergegner als Opfer des Stalinterrors Familienschicksale 1933 1956 Ausstellungskatalog Lukas Verlag Berlin 2013 ISBN 978 3 86732 177 8 Staatliche Universitat Sudural 2013 t 13 Nr 2 Staatliches kulturhistorisches Gutachten zur Sanierung und Modernisierung des Architekturdenkmals Haus der Orga Metall AG Moskau 23 August 2016 russ Astrid Volpert Vom Traum der narrte bis zum Irresein Bauhaus Kunstler in der Sowjetunion In Berliner Debatte Initial 27 Jahrgang 2016 Heft 2 Oswald Schneidratus Alexander Baranovski Oswald und Werner Schneidratus Das Schicksal deutscher antifaschistischer Architekten Verlag Phoenix Kiew 2020 ISBN 978 966 136 759 2 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Oswald Schneidratus Architekt Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Alexander Vatlin Der Schiessplatz von Butovo Ort des Gedenkens an den Grossen Terror 1937 38 In Andreas Wirsching Jurgen Zarusky Alexander Tschubarjan Viktor Ischtschenko Hrsg Erinnerung an Diktatur und Krieg Brennpunkte des kulturellen Gedachtnisses zwischen Russland und Deutschland seit 1945 Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Band 107 de Gruyter Oldenbourg Berlin Boston 2015 ISBN 978 3 11 040476 0 S 249 257 A V Slabucha Wie der Architekt Oswald Schneidratus den Bauhausstil in die UdSSR importierte russ Beitrag auf der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz 100 Jahre Bauhaus Moskau 17 bis 19 April 2019 Von Freunden der Familie auf dem Massengrab Nr 1 aufgestellt Privatarchiv Schneidratus Urheber unbekanntPersonendatenNAME Schneidratus OswaldKURZBESCHREIBUNG deutscher Bauingenieur und ArchitektGEBURTSDATUM 13 August 1881GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 22 August 1937STERBEORT Moskau Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oswald Schneidratus Architekt amp oldid 237833115