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Der Neupfarrplatz und die namensgebende Neupfarrkirche liegen im Zentrum der Regensburger Altstadt etwas sudlich des Regensburger Doms Die Entstehung des heutigen grossen Platzes und auch der den Platz pragenden Neupfarrkirche sind zuruckzufuhren auf die Vertreibung der judischen Bevolkerung im Jahr 1519 die sich dort um 1000 n Chr angesiedelt hatte Alle Hauser der Juden und auch die Synagoge im Judenviertel wurden von den Burgern der Stadt zerstort die Steine entwendet und als Baumaterial genutzt Die weitere Geschichte des Platzes von der Neuzeit bis in die Moderne wurde gepragt durch die zentrale Lage des grossen Platzes in der beengten Altstadt die den Platz mit der Kirche als Ort fur Versammlungen und Markte auszeichnete Schwerwiegend waren die am Beginn des 20 Jahrhunderts zunehmenden Belastungen des Platzes durch infrastrukturelle Erfordernisse Unterbodenbau von Bunkern Loschwasserreserven und Toiletten In der Nachkriegszeit am Ende des 20 Jahrhunderts uberwogen die Belastungen durch fliessenden und ruhenden Verkehr verursacht durch eine neue umfangreiche Randbebauung des Platzes mit einem Grosskaufhaus weiteren Geschaftshausern und Banken nachdem um 1970 viele denkmalgeschutzte Altbauten kurz vor Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes in Bayern abgebrochen worden waren NeupfarrplatzPlatz in RegensburgNeupfarrplatz mit NeupfarrkircheBasisdatenOrt RegensburgOrtsteil InnenstadtAngelegt 1519Neugestaltet 2005 Einweihung Denkmal Alte Synagoge Regensburg Einmundende Strassen Gesandtenstrasse St Kassians Platz Wahlenstrasse Residenzstrasse Drei Helm Gasse Tandlergasse Pfarrergasse KramwinkelBauwerke Neupfarrkirche Denkmal Misrach Alte Synagoge Regensburg Alte Wache Palais LoschenkohlNutzungNutzergruppen Fussverkehr Radverkehr OPNVPlatzgestaltung Denkmal Misrach Alte Synagoge Regensburg PflasterTeil Stadtplan um 1700 Neupfarrplatz Neupfarrkirche Inhaltsverzeichnis 1 Lage und Alte Geschichte 2 Mittelalter und beginnende Neuzeit 3 Neuzeitliche Bebauungen und Ausgrabungen 4 Neuere Geschichte 5 Literatur 6 Weblinks 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseLage und Alte Geschichte BearbeitenDer Neupfarrplatz und die namensgebende protestantische Neupfarrkirche liegen im Zentrum der Regensburger Altstadt sudlich vom Regensburger Dom Auf dem Platz enden die beiden etwas breiteren Strassen Residenzstrasse und Gesandtenstrasse die heute zur Querung des Altstadtgebiets vom Elektro Stadtbus befahren werden fruher aber auch von den sehr voluminosen Stadtbussen genutzt wurden Auch die etwas breitere Wahlenstrasse die in der Nahe vom Alten Rathaus beginnt endet auf dem Neupfarrplatz Der Verlauf der Wahlenstrasse entspricht dem Verlauf der ehemaligen westlichen Mauer des Romerlagers Castra Regina Diese Romermauer verlief dort uber den heutigen Neupfarrplatz im Pflaster markiert noch ca 300 m weiter nach Suden bis hin zum heutigen St Peters Weg wo sie damals nach Osten schwenkte um das Sudtor des romischen Legionslagers Castra Regina die Porta Decumana heute Peterstor zu erreichen Diese westliche Mauer des Romerlagers wurde bereits nach 900 n Chr unter Herzog Arnulf I abgebrochen Um den von ihm beherrschten Stadtbereich zu erweitern entstand ca 500 m weiter westlich die neue Arnulfinische Stadtmauer Diese Mauer bestand gut 300 Jahre bis zum Bau der noch weiter westlich ausgreifenden mittelalterlichen Stadtmauer Mehrere teilweise kurze und schmale Gassen wie Drei Helmen Gasse Pfarrergasse Malergasse Pfauengasse Vier Eimer Gasse Untere und Obere Bachgasse verbinden den Neupfarrplatz mit weiteren eng benachbarten kleineren Platzen und weiteren Strassen Mittelalter und beginnende Neuzeit BearbeitenSeit 981 n Chr gibt es Belege fur eine judische Gemeinde in Regensburg und bereits im fruhen Mittelalter bot der Platz Raum fur die Hauser eines Regensburger Judenviertels Man geht heute von 39 erbauten Hausern aus darunter einige offentliche Gebaude wie etwa die Synagoge Die Judengemeinde hatte eine eigene Verwaltung ein Siegel und eigene Richter Religioser Judenhass konstruierte Ritualmordbeschuldigungen wirtschaftliche Interessen der Einwohner Kaufleute und Handwerker fuhrten in Regensburg in der Wendezeit vom 15 zum 16 Jahrhundert zur Forderung an den Kaiser die Juden ausweisen zu durfen Kaiser Maximilian I der gegen Bezahlung als Schutzherr der Juden fungierte lehnte den Wunsch der Stadt ab weil seine finanziellen Interessen hinsichtlich der von ihm erwarteten Ablosungssumme nicht abgesichert waren Der Rat der Stadt blieb in den Folgejahren bei der Forderung nach Ausweisung der Juden und der Regensburger Domprediger Balthasar Hubmaier heizte die Stimmung gegen die Juden massgeblich an Als der Kaiser 1519 starb nutzte der Rat der Stadt die Gunst der Stunde und es kam in einer geplanten den kaiserlichen Reichshauptmann Thomas Fuchs von Wallburg angeblich uberraschenden Aktion zur Vertreibung der judischen Gemeinde damals ca 500 Burger zum Abbruch der Synagoge und der ubrigen Gebaude des Viertels 1 2 Bereits Mitte des 13 Jahrhunderts war am westlichen Ende des Platzes auf dem Gelande sudlich ausserhalb des von den Juden besiedelten Platzes das Augustinerkloster mit der Augustinerkirche und den zugehorigen Klostergebauden erbaut worden Heute sind dort noch als Gaststatte nutzbare Gebaude einiger Klostergebaude erhalten denn die Augustinerkirche und weitere Gebaude wurden 1883 abgebrochen Neuzeitliche Bebauungen und Ausgrabungen Bearbeiten nbsp Loschenkohl Palais ehem kursachsische Gesandtschaft nbsp Fassade der Alten Wache nbsp Neupfarrplatz im Jahr 1893 Ausschnitt NordwestIn der Mitte des Platzes steht die Neupfarrkirche deren Bau nach der Zerstorung des judischen Viertels 1519 begonnen aber wegen Geldmangels bereits 1528 wieder eingestellt wurde Der Renaissancebau war ursprunglich als katholische Wallfahrtskirche geplant denn nach der Zerstorung des judischen Viertels hatte eine judenfeindlich gepragte Marien Wallfahrt begonnen In der spater entstandenen Legende von der wundertatigen Maria wurde die Wallfahrt auf ein angebliches Wunder wahrend der Zerstorung der ehemaligen Synagoge auf dem Platz zuruckgefuhrt Nach der Einstellung des Kirchbaus wurde die Westfassade des entstandenen Kirchentorsos der aus Ostchor und unfertigen Turmen bestand provisorisch geschlossen Als 1542 der Rat der Stadt zur evangelisch lutherischen Konfession uberging wurde dieser Kirchentorso als erste evangelische Pfarrkirche der Stadt genutzt Erst 1860 wurde die provisorische Westfassade nach Planen des Architekten Ludwig Foltz durch einen neuen Westchor endgultig geschlossen Auf der Sudseite des Platzes befindet sich das Palais Loschenkohl Neupfarrplatz 14 das der aus Osterreich zugewanderte Regensburger Bankier und Kaufmann Hieronymus Loschenkohl 1733 nach Planen von Johann Michael Prunner im Rokoko Stil errichten liess Nach dem Konkurs seiner Geschafte verliess er 1743 seine Familie und fluchtete nach Osterreich Seine verlassene Ehefrau finanzierte in den folgenden Jahren den Unterhalt der Familie durch Vermietungun der grosszugigen Raume des Palais Neben anderen hatte sich dort bis 1806 auch die kursachsische Gesandtschaft beim Immerwahrenden Reichstag eingemietet In der Neuzeit wurden im Gebaude auch ein Kaufhaus ein Kino und ein Bankgeschaft betrieben Seit einigen Jahren steht das Gebaude leer Stand 2022 Westlich des Loschenkohlpalais bis hin zur Bachgasse erstreckte sich das Areal des Mitte des 13 Jahrhunderts gegrundeten Augustinerklosters mit der Augustinerkirche und den zugehorigen Klostergebauden Von den Gebauden ist in zweiter Reihe liegend nur noch das ehemalige Refektorium erhalten das heute als Gaststatte genutzt wird Alle ubrigen Klostergebaude und auch die Augustinerkirche wurden 1838 abgebrochen Das Areal wurde zur Bebauung an die Fabrikantenfamilie Maffei aus Munchen verkauft 3 1939 40 wurden bei der Anlage einer Loschwasserzisterne unter dem nordostlichen Platz und beim Bau eines von den Nationalsozialisten geforderten ringformigen Luftschutzbunkers viele verbliebene Restfundamente von Hausern im Judenghetto schwer beschadigt zumal der Ringbunker durch unterirdische Gange mit den zu Luftschutzkellern ausgebauten mittelalterlichen Kellern der umgebenden Hauser verbunden wurde 4 Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Neupfarrplatz Teil der West Ost Verkehrsachse auch fur den Stadtverkehr der damaligen grossen Doppelbusse Zunehmend wurde der Platz auch als Autoparkplatz genutzt Dadurch wurde der Platz auch als Standort fur ein bereits seit langerer Zeit geplantes Grosskaufhaus attraktiv Um die Bauplane fur das Kaufhaus zu verwirklichen wurden am Beginn der 1970er Jahre nur drei Jahre bevor das Bayerische Denkmalschutzgesetz in Kraft trat an der Ost und der Sudseite des Platzes insgesamt 22 alte Wohn und Geschaftshauser abgebrochen darunter auch das Gebaude der ehemaligen Hauptwache von der trotz des Einsatzes von Kulturdezernent Walter Boll nur die Fassade erhalten blieb die in die Westfassade des Kaufhausneubaus integriert wurde Anm 1 5 Diese Baumassnahme die in der Stadtverwaltung und in der Bevolkerung stark umstritten war hatte starke Veranderungen im Stadtbild des ostlichen Platzes und der benachbarten Gassen und kleinen Platze zur Folge 6 In den 1990er Jahren wurde der Platz verkehrsberuhigt und umgestaltet Bei Bauarbeiten zur Neugestaltung des Platzes wurden 1995 westlich der Neupfarrkirche die Mauerreste der 1519 zerstorten gotischen Synagoge und eines romanischen Vorgangerbaus aus dem 11 oder 12 Jahrhundert gefunden Bis dahin war die alte Synagoge von Regensburg direkt unter der Neupfarrkirche vermutet worden Von Albrecht Altdorfer gibt es zwei detailgetreue Radierungen der Synagoge die die Identifizierung erleichterten Bei den Ausgrabungen in den Folgejahren wurden grosse Teile der mittelalterlichen Kelleranlagen des Judenviertels freigelegt und unter anderem ein Goldschatz aus dem 14 Jahrhundert mit 624 Goldmunzen und ein Fingerring mit dem Siegel der judischen Gemeinde gefunden Der Goldschatz ist heute im Historischen Museum zu sehen Die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen um die Ausgrabungen riefen starkes burgerschaftliches Engagement hervor was sich auf den Umfang und die Art der Ausgrabungen 1995 97 auswirkte 7 8 Das von den Regensburger Architekten Lydia Lehner und Franz Robold konzipierte Informationszentrum document Neupfarrplatz stellt heute multimedial die 2000 jahrige Geschichte des Platzes dar 9 In den unterirdischen Schauraumen sind Mauern des romischen Legionslagers drei Keller des mittelalterlichen Judenviertels Fundamente der Neupfarrkirche und Teile des 1940 erbauten Ringbunkers zu sehen Ein Dokumentarfilm fuhrt den Besucher virtuell durch die Zeiten Der israelische Kunstler Dani Karavan machte den Grundriss der Synagoge durch ein am 13 Juli 2005 eingeweihtes begehbares Bodenrelief aus weissem Beton sichtbar nbsp Bodenrelief der SynagogeDer Brunnen am Platz mit kaiserlichem Doppeladler Stadt und Reichswappen stammt aus der Mitte des 17 Jahrhunderts der obeliskartige Brunnenpfeiler und das Gitter von 1730 Neuere Geschichte BearbeitenDer Platz war das Geschaftszentrum der Stadt Zahlreiche historische Ereignisse fanden dort statt 1796 ereignete sich dort eine Soldatenrevolte die sich zu einem allgemeinen Burgeraufstand auszuweiten drohte 1919 wurde dort die Raterepublik ausgerufen 1933 war der Platz Schauplatz der Bucherverbrennung Im Herbst 1942 verhaftete die Gestapo uber 40 Personen und warf ihnen staatsfeindliches Verhalten vor das hauptsachlich aus dem angeblichen Empfang auslandischer Rundfunksender und dem Austausch von dabei gewonnenen Informationen bestand Da sich die Verfolgten die von KPD uber BVP bis NSDAP allen politischen Lagern angehorten in loser Folge auf dem Regensburger Neupfarrplatz trafen gab ihnen die Gestapo den Namen Neupfarrplatz Gruppe Die Taten der Festgenommenen wurden im Abschlussbericht der Staatspolizei als zersetzende Mundpropanda bewertet die viele deutsche Volksgenossen in ihrer Siegeszuversicht ganz erheblich geschwacht habe 10 Zwei der Angeklagten Josef Bollwein und Johann Kellner wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet Sechs weitere Personen kamen im KZ Flossenburg teilweise unter ungeklarten Umstanden zu Tode 11 Aufgrund der Aussagen der Inhaftierten und ihrer nicht durchdachten bzw entwickelten politischen Positionen kann man nicht von einem antifaschistischen Volksfrontbundnis sprechen sondern von einer emotional weltanschaulichen Opposition 12 Literatur BearbeitenHerbert E Brekle Das Regensburger Ghetto Foto Impressionen von den Ausgrabungen MZ Buchverlag Regensburg 1997 ISBN 978 3 931904 17 3 Martin Dallmeier Hermann Hage Hermann Reidel Hrsg Der Neupfarrplatz Brennpunkt Zeugnis Denkmal Beitrage des Regensburger Herbstsymposions zur Kunstgeschichte und Denkmalpflege vom 18 bis 21 November 1999 Regensburg 2002 ISBN 3 9806296 3 5 Wolfgang Scholler Stadtplanung und Denkmalpflege in Regensburg 1950 1975 Der Neubau des Kaufhauses Horten am Neupfarrplatz Hrsg Stadt Archiv Regensburg 2010 Regensburger Studien Band 15 S 259 270 ISBN 978 3 935052 84 9 ISSN 1438 5414 Wolfgang Scholler Stadtplanung und Denkmalpflege in Regensburg 1950 1975 Archiv der Stadt Regensburg Hrsg Regensburger Studien Band 15 Stadt Regensburg 2010 ISBN 978 3 935052 84 9 ISSN 1438 5414 S 259 270 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Neupfarrplatz Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienAnmerkungen Bearbeiten Das ehemalige Gebaude der Alten Wache war 1818 nach Planen von Michael Dobmayr und nicht wie haufig angenommen wird von Emanuel Herigoyen erbaut wordenEinzelnachweise Bearbeiten Tobias Beck Kaiser und Reichsstadt am Beginn der Fruhen Neuzeit Verlag Stadtarchiv Regensburg 2011 S 116 122 Peter Herde Regensburg Ortschaftsartikel in Germania Judaica GJ Band III 2 Teilband hg von Arye Maimon Mordechai Breuer u a Tubingen 1995 S 1178 1229 hier 1202 Karl Bauer Regensburg Kunst Kultur und Alltagsgeschichte MZ Buchverlag in H Gietl Verlag amp Publikationsservice GmbH Regenstauf 2014 ISBN 978 3 86646 300 4 S 158 f Julia Kathrin Knoll Christian Greller Von Hexen Geistern und Verbrechern Ein Rundgang zu den unheimlichsten Orten in Regensburg und Umgebung MZ Buchverlag in der Battenberg Gietl Verlag GMBH Regenstauf Regenstauf 2019 ISBN 978 3 86646 340 0 S 121 f Anke Borgmeyer Achim Hubel Andreas Tillmann Angelika Wellnhofer Stadt Regensburg Denkmaler in Bayern Band III 37 Regensburg 1997 S 404 Wolfgang Scholler Stadtplanung und Denkmalpflege in Regensburg 1950 1975 Archiv der Stadt Regensburg Hrsg Regensburger Studien Band 15 Stadt Regensburg 2010 ISBN 978 3 935052 84 9 ISSN 1438 5414 S 258 270 Eginhard Konig Burgerinitiativen und Denkmalschutz Das Beispiel Regensburg In Arbeitskreis Regensburger Herbstsymposium Hrsg 200 Jahre Denkmalschutz in Regensburg Band Dr Peter Morsbach Verlag Regensburg 2011 ISBN 978 3 937527 41 3 S 68 70 Herbert E Brekle 1997 S 6 7 tourismus regensburg de document Neupfarrplatz Helmut Halter Stadt unterm Hakenkreuz Universitatsverlag Regensburg 1994 S 215 Helmut Halter Stadt unterm Hakenkreuz S 215 Hartmut Mehringer Die KPD in Bayern 1919 1945 in Martin Brozat u a Hg Bayern in der NS Zeit Die Parteien KPD SPD BVP in Verfolgung und Widerstand Oldenbourg Verlag 1983 S 269 Strassen und Platze in Regensburg Alter Kornmarkt Arnulfsplatz Bismarckplatz Dachauplatz Haidplatz Neupfarrplatz 49 018568 12 096167 Koordinaten 49 1 6 8 N 12 5 46 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neupfarrplatz amp oldid 223671803