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Mehrstimmigkeit ist in der Musiktheorie ein Oberbegriff fur Musizierweisen bei denen mehrere Stimmen oder Melodien gleichzeitig erklingen Mehrstimmigkeit ist das Gegenstuck zu Einstimmigkeit oder Monophonie Diese war in der abendlandischen Musiktradition bis zum 9 Jahrhundert ublich und ist in zahlreichen anderen Musiktraditionen die Regel Auf Englisch nennt man die Mehrstimmigkeit polyphony im Deutschen wird die Bedeutung von Polyphonie zumeist enger gefasst und bezeichnet eine der Hauptformen der Mehrstimmigkeit Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Formen 2 1 Homophonie Polyphonie und Heterophonie 2 2 Weitere Formen 3 Verbreitung 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenMehrstimmigkeit existierte in der Instrumentalmusik etwa mit Bordunsaiten lange bevor man anfing mehrstimmig zu singen Die sogenannte Crota oder Rota war ein meist mit drei Saiten bespanntes altes Streichinstrument mit flachem Steg und ohne die Seiteneinbuchtungen des modernen Geigenkorpers Dadurch war der Bogen gezwungen zu gleicher Zeit uber alle drei Saiten zu streichen wodurch zur auf der ersten Saite gespielten Melodie der Grundton und die Quinte nach Art eines Dudelsackes mitklangen 1 Erst mit der Entwicklung des Organums setzte aufbauend auf dem einstimmigen gregorianischen Gesang die vokale Mehrstimmigkeit zunachst als Zweistimmigkeit ein So fugten Sanger der Choralschola ihren gregorianischen Choralen ab dem 12 Jahrhundert Texte als Tropierungen und dem cantus firmus einen discantus als zweite Stimme hinzu Bedeutende Vertreter der Mehrstimmigkeit im 15 und 16 Jahrhundert waren die Komponisten Guillaume Dufay Josquin Desprez Giovanni Pierluigi da Palestrina dessen Kyrie aus der Messe Assumpta est Maria bereits eine sechsstimmige Komposition ist Orlando di Lasso und Carlo Gesualdo Kunstvolle Mehrstimmigkeit schaffende Komponisten der Franko flamischen Schule zu denen auch Jacob Obrecht und Heinrich Isaac gezahlt werden wird auch als niederlandischer 2 Stil und deren Komponisten als Niederlander 3 bezeichnet Formen BearbeitenHomophonie Polyphonie und Heterophonie Bearbeiten Die wichtigsten Formen der Mehrstimmigkeit bilden die Homophonie die Polyphonie sowie die Heterophonie als Zwischenstufe zwischen Ein und Mehrstimmigkeit Beim homophonen Satz bzw Akkordsatz gibt es Hauptstimmen welche die Hauptmelodie tragen und Nebenstimmen die der Begleitung dienen Sie dominiert in der abendlandischen Tradition in der Wiener Klassik und Romantik in der Rock und Popmusik sowie in einigen Spielformen des Jazz In der Polyphonie oder Vielstimmigkeit sind die Stimmen melodisch und rhythmisch weitgehend selbstandig In der abendlandischen Tradition dominierte sie im Mittelalter und in der Renaissance im Barock gab es homophone und polyphone Musikstile polyphon etwa die Fuge homophon die Monodie Bei der Heterophonie folgen alle Stimmen grob der gleichen Melodie diese wird jedoch in vielen Stimmen jeweils unterschiedlich variiert Sie ist besonders in asiatischen Traditionen anzutreffen und in der abendlandischen Musizierpraxis eher selten Weitere Formen Bearbeiten Eine besondere Form der Mehrstimmigkeit findet sich ab Mitte des 17 Jahrhunderts in Werken fur Melodieinstrumente ohne Begleitung Man unterscheidet eine manifeste und eine latente Mehrstimmigkeit Am bedeutendsten sind die Solowerke von Johann Sebastian Bach BWV 1001 1013 fur Violine Violoncello und Flote Manifeste Mehrstimmigkeit bedeutet dass tatsachlich zwei oder mehr Tone gleichzeitig erklingen Diese werden z B durch Doppelgriffe bei den Streichern hervorgebracht Latente Mehrstimmigkeit bedeutet dass die Linienfuhrung wie ein zwei oder mehrstimmiger Satz zu horen und zu verstehen ist Satze fur mehrere Gesangs SATB oder Instrumentalstimmen gespielt von in der Renaissance zu homogenen Familien erweiterten und auch neu entwickelten Musikinstrumenten werden in der Notation haufig in Akkoladen auch Systemen zusammengefasst Verbreitung BearbeitenMehrstimmigkeit existiert in verschiedenen Kulturen der Welt Besonders weit ist die Heterophonie verbreitet etwa in den klassischen arabischen turkischen und chinesischen Musiktraditionen Eine voll ausgebildete Polyphonie ist neben der abendlandischen Tradition in vergleichsweise wenigen Traditionen anzutreffen Beispielsweise untersuchte der franzosisch israelische Musikethnologe Simha Arom afrikanische Formen der Mehrstimmigkeit und Polyrhythmik 4 Hauptartikel Tonsysteme im subsaharischen Afrika Weitere von der abendlandischen Tradition unabhangige Auspragungen der Mehrstimmigkeit finden sich in Georgien 5 auf dem sudlichen Balkan Iso Polyphonie sowie in Sudostasien Gamelan Literatur BearbeitenRudolf Flotzinger Mehrstimmigkeit In Oesterreichisches Musiklexikon Online Ausgabe Wien 2002 ff ISBN 3 7001 3077 5 Druckausgabe Band 3 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2004 ISBN 3 7001 3045 7 Rene Frank Mehrstimmiges Singen Einfuhrung der Mehrstimmigkeit in Kinder und Jugendchoren Praxisbuch Tectum Marburg 2005 ISBN 3 8288 8884 4 Wieland Ziegenrucker Allgemeine Musiklehre mit Fragen und Aufgaben zur Selbstkontrolle Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1977 Taschenbuchausgabe Wilhelm Goldmann Verlag und Musikverlag B Schott s Sohne Mainz 1979 ISBN 3 442 33003 3 S 152 155 Homophoner und polyphoner Satz Einzelnachweise Bearbeiten Musik In E Gotzinger Reallexicon der Deutschen Altertumer Leipzig 1885 S 674 698 bei Zeno org Vgl etwa J Wolf Der niederlandische Einfluss in der mehrstimmigen gemessenen Musik bis zum Jahre 1480 In Tijdschrift van de Vereniging voor nederlandse muziekgeschiedenis Nr 6 1900 und Nr 7 1904 Vgl etwa Oesterreichische Musiklexikon online Simha Arom African Polyphony and Polyrhythm Musical Structure and Methodology Cambridge University Press 1991 ISBN 0 521 24160 X Georgian Polyphonic Singing Website des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO abgerufen am 23 September 2021Normdaten Sachbegriff GND 4169330 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mehrstimmigkeit amp oldid 222160843