www.wikidata.de-de.nina.az
Als Tonsysteme im Afrika sudlich der Sahara sind hier vereinfachend nur die Tonsysteme derjenigen traditionellen Musik des Subsahara Afrika gemeint die sich zunachst ohne Einfluss der modalen arabisch gepragten Musik Nordafrikas und der teilweise europaisch gepragten Musik des sudlichen Afrikas entwickelt haben Sie sind den vielen Kulturen Sprachen Lebensformen und Anlassen sowie den vokalen und instrumentalen Gepflogenheiten entsprechend sehr unterschiedlich Dennoch lassen sich die bisher bekannten und untersuchten Tonsysteme grob in drei Hauptkategorien fassen Tonsysteme mit funftonigen Tonleitern Pentatonik Tonsysteme mit siebentonigen Tonleitern Heptatonik und Tonsysteme mit sonstigen Tonleitern Meist sind diese Tonsysteme ganz anders geartet als die abendlandisch westlichen Trotzdem ist es moglich und notig fur deren Beschreibung Begriffe aus unserer Intervallehre zu benutzen denn es gibt keine entsprechenden afrikanischen Begriffe und keine der abendlandischen und islamischen vergleichbare afrikanische Musiktheorie Sogar von Temperierung kann bei einigen Tonsystemen gesprochen werden Auch der Gebrauch von naturreinen Intervallen kommt vor Insgesamt ist die subsaharische Musik demnach extrem vielschichtig und in verschiedenen lokalen Auspragungen formal und satztechnisch hoch entwickelt oft bis hin zu komplexer Mehrstimmigkeit Ihre Tonsysteme sind in ihrer langen im Wesentlichen notationslosen Tradition nie wie etwa die westlichen in der gleichstufigen Stimmung im Sinne einer allgemeinen Temperierung vereinheitlicht worden Allerdings hat sich die europaische gleichstufige Stimmung in moderner afrikanischer Tanz und Popmusik im afrikanischen Schlager und im afrikanischen Jazz langst durchgesetzt Inzwischen werden manche typisch subsaharische Instrumente entsprechend gestimmt Inhaltsverzeichnis 1 Tonsysteme mit funftonigen Tonleitern 2 Tonsysteme mit siebentonigen Tonleitern 3 Tonsysteme mit sonstigen Tonleitern 4 Die Erforschung der subsaharischen Tonsysteme 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseTonsysteme mit funftonigen Tonleitern BearbeitenAnnahernd gleichstufig aquidistant also mit nahezu gleich grossen Intervallen Die Quarten tendieren dazu sehr eng zu sein die Quinten sind etwas grosser als die reinen Intervalle Von C aus gesehen entspricht diese gleichstufige Pentatonik ungefahr den Tonen C hohes D tiefes F G hohes A Die Quarten weichen etwas von der aquidistanten Quarte 480 Cent die Quinten von der aquidistanten Quinte 720 Cent ab Terzen fehlen in dieser Pentatonik Diese Tonleitern mit dem Grundintervall von ungefahr 240 Cent werden oft so eingesetzt dass einfache Ruckungen vorgenommen werden z B im ostafrikanischen Miko Transpositionssystem des Lamellophons Amadinda in Sud Uganda 1 Gesungen wird die Musik aus diesen Tonleitern meist einstimmig bei den Pygmaen in den Waldgebieten des Kongo allerdings auch extrem polyphon in Hoquetustechnik wobei die Aquidistanz nur hypothetisch ist da die Tonhohen beim Singen sehr frei getroffen werden Pentatonisch ohne Halbtone anhemitonisch Dieser Typ entspricht der uns gelaufigen Pentatonik etwa in der Tonleiter C D E G A Meist wird dieser Typ zweistimmig im Ubersprungverfahren angewendet Wenn wir eine Pentatonik mit C D E G und A annehmen werden jeweils C und E D wird ubersprungen D und G E wird ubersprungen sowie E und A G wird ubersprungen zusammenklingen tiefer Ton zuerst notiert alle Tonnamen geben relative Tonhohen an keine absoluten Quarten und Quinten tendieren zur Naturreinheit ebenso die Terzen Eine seltene Ausnahme hin zur Dreistimmigkeit findet sich bei den Wahenga in Malawi mit Akkordfolgen wie G C E A D G C E A letzter Akkord selten 2 Asymmetrisch Ein Beispiel findet sich in der Spielweise der Harfe kundi der Azande 3 Die Tonhohen entsprechen zwar ungefahr der Tonleiter G tiefes A C D tiefes E doch ist namentlich das oberste Intervall fast ein Halbton Die Schritte betragen kumuliert aus drei Messungen verschiedener Harfen 165 169 Cent sehr kleiner Ganzton 282 335 Cent um eine kleine Terz 221 227 Cent ubergrosse Sekunde 113 148 Cent Sekunde nah an einem Halbton Obertonspektral Diese Tonleiter entspricht den Tonen 4 bis 9 der Naturtonreihe Oft werden allerdings nur vier Haupttone verwendet selten wird der oberste Ton 9 hinzugefugt Beispiele aus Ost und Zentralafrika die Chorgesange und die Kombination von Gesangsstimme und der Fidel zeze oder dem Lamellophon ilimba bei den Wagogo in Zentraltansania 4 Der zweistimmige Satztyp ware wieder im Ubersprungverfahren C G E tiefes B G C tiefes B D das letzte Intervall selten gestimmt gemass der Naturtonreihe mit Naturterz E Ton 5 der Naturtonreihe und Naturseptime tiefes B Ton 7 Das D 9 Ton der Naturtonreihe kann aber auch in die Mitte der Tonleiter gesetzt werden zu einer Gesamttonleiter tiefes B C D E G tiefes B Beispiel Stamm der Makua Kongo Brazzaville ahnliche Tonleitern finden sich in der Zentralafrikanischen Republik 5 Die funftonigen Tonsysteme werden in manchen Musikstucken keineswegs ausschliesslich verwendet So konnen beispielsweise heptatonische Gesangsmelodien mit pentatonischer Instrumentalbegleitung versehen sein siehe dazu die Klangbeispiele bei den Weblinks Tonsysteme mit siebentonigen Tonleitern BearbeitenSiebentonige Tonleitern haben oft einen sehr komplexen Aufbau Die zu ihnen gehorende Musik wird in ungefahr der Halfte der Falle dreistimmig gesungen Die dreistimmige Singeweise im doppelten Ubersprungverfahren ergibt eine Folge von ungefahren Dur Dreiklangen C E G D Fis A E Gis H F A C usw Das klangliche Leitbild ist immer der Dur Dreiklang der aber in diesen Tonleitern nicht ohne Kompromisse in Folge zu verwenden ist Im Beispiel oben mussten die Stufen F Fis und G Gis gespalten vorkommen Hierbei ergeben sich zweierlei Auspragungen 6 Chromatische Tendenzen teils im westlichen Zentralafrika beispielsweise bei den Mpyemo in der Zentralafrikanischen Republik Temperierungen Typisch hierfur sind labile Terzen Angola und Sudkongo beispielsweise bei den Achokwe und Vambwella Diatonische Siebenertonleitern ahnlich den europaischen Stimmungen findet man auch oft als Grundlage von reiner Instrumentalmusik beispielsweise beim Spiel auf einem Lamellophon siehe Weblinks Gleichstufige aquidistante Siebenertonleitern die im Idealfall eine neutrale Terz von 343 Cent enthielten kommen hauptsachlich in der Instrumentalmusik kaum in der Vokalmusik jedenfalls nicht in der oben geschriebenen Dreistimmigkeit vor Die Aquidistanz ist wo sie denn vorliegt beispielsweise in Stimmungen der Mbira Dza Vadzimu in Simbabwe immer nur der eine extreme Pol in einer grossen Bandbreite bis hin zu einer ausgepragten siebenstufigen Diatonik 7 Tonsysteme mit sonstigen Tonleitern BearbeitenViertonige Tonleitern Sie gehen beispielsweise auf die Technik des Mundbogenspielens zuruck so bei den ǃKung im sudlichen Afrika Die schwingende Saite des Mundbogens erzeugt im Mundraum des Spielers ahnlich wie bei einer Maultrommel Naturtone Wird die Saite abgegriffen ergibt sich eine zusatzliche Naturtonreihe Dabei werden jeweils die ersten vier Naturtone genutzt Die ǃKung erzeugen auf diese Weise die Tone C und G sowie D und A Der Intervallabstand des Abgreifens ist hier eine grosse Sekunde Sechstonige Tonleitern Auch sie konnen beim Mundbogenspiel unter Ausnutzung der ersten sechs Naturtone erzeugt werden Dabei kann es z B beim Abgreifen einer kleinen Sekunde zu einem Tonvorrat C E und G sowie Des F und As kommen Gerhard Kubik vermutet dass derlei Techniken im westlichen Zentralafrika zu Tonsystemen gefuhrt haben die auch auf andere Instrumente wie die Bogenlaute cihumba Pluriarc ein achtsaitiger Musikbogen ubertragen worden sind 8 Die Mpyemo Zentralafrikanische Republik kennen in ihren Sya Marchen eine komplexe Tonleiter aus kleinen grossen und ubermassigen Sekunden hier zwischen Des und E Der Anfang einer Melodie aus diesem Marchen lautet G F Des E E C Des C Daraus resultiert die als abwarts verlaufend empfundene Tonleiter G F E Des C Sie entspricht einer reduzierten sechstonigen Tonleiter mit As G F E Des C Die Erforschung der subsaharischen Tonsysteme BearbeitenDie Musik des Afrikas sudlich der Sahara besitzt viele orale Traditionen die sich teilweise erheblich voneinander unterscheiden Sie kennt ausser unbedeutenden Versuchen Musik in Tabulaturen zu erfassen keine Notation Da zudem in keiner afrikanischen Sprache eine Begrifflichkeit fur die Parameter von Tonsystemen entwickelt wurde war die Untersuchung der Tonsysteme zunachst ganz auf die erklingende Musik ihre aufnahmetechnische Konservierung und auf den Versuch sie zu transkribieren angewiesen Das konnten zunachst nur westliche Musiker Musikwissenschaftler und Musikethnologen ansatzweise leisten Erst ab etwa 1960 befassten sich auch Afrikaner damit in bedeutendem Umfang J H Kwabena Nketia 9 Doch selbst in seiner Darstellung der Musik Afrikas fehlen grundliche Analysen der Tonsysteme Allerdings zeigten er und andere afrikanische Wissenschaftler dass die europaische Terminologie nicht alle Phanomene der subsaharische Tonsysteme erfassen kann Erst mit dem Versuch neben der erklingenden oder auf Tonkonserven festgehaltenen Musik auch Filmaufnahmen aus der oralen Tradition kommende Zeugnisse und Kenntnisse betroffener Musiker Ergebnisse der Instrumentenkunde die schwer erforschbare subsaharische Musikgeschichte historische Zeugnisse aus der Kolonialzeit und die Erkenntnisse der Ethnologie fur die Untersuchung der Tonsysteme zu nutzen brachte befriedigende Ergebnisse Zwei wichtige Namen in diesem Zusammenhang sind Arthur M Jones 1889 1980 und Hugh Tracey 1903 1977 Im deutschsprachigen Raum waren es nach 1945 vor allem Wissenschaftler aus Wien und Berlin so zum Beispiel Gerhard Kubik 1934 und Artur Simon 1938 2022 die grundliche Feldstudien und Untersuchungen durchfuhrten und eine quellengestutzte Musikethnologie schufen und weiterfuhrten die sich mit der Musik des Afrikas sudlich der Sahara adaquat auseinandersetzen kann Dennoch muss man davon ausgehen dass bisher erst ein Bruchteil der im Afrika sudlich der Sahara existierenden Tonsysteme bekannt ist Gegenwartig stellen sich fur die Forschung neue Probleme da die traditionelle Musik des Afrikas sudlich der Sahara und ihre Merkmale im Schwinden begriffen sind und somit der wissenschaftlichen Untersuchung entzogen werden Stattdessen haben sich beginnend mit Highlife und Kwela und international bekannt geworden durch Musiker wie Mory Kante und Youssou N Dour neue meist urbane subsaharische Musikstile durchgesetzt die sich zwar teilweise wieder traditioneller afrikanischer Instrumente und Strukturen bedienen aber mit ihrem westlichen elektrischen und elektronischen Instrumentarium und ihren modernen Sample und Aufnahmetechniken eher dem gleichstufigen diatonischen Tonsystem europaischer Pragung verpflichtet sind Siehe auch BearbeitenTraditionelle afrikanische Musik Musik SambiasLiteratur BearbeitenSimha Arom African Polyphony and Polyrhythm Musical Structure and Methodology Cambridge University Press Cambridge 2004 ISBN 0521616018 Simha Arom A Synthesizer in the Central African Bush A Method of Interactive Exploration of Musical Scales In Fur Gyorgy Ligeti Die Referate des Ligeti Kongresses Hamburg 1988 Hrsg von Constantin Floros Hans Joachim Marx und Peter Petersen unter Mitwirkung von Manfred Stahnke 363 Seiten mit zahlreichen Abb und 32 Notenbeispielen Hamburger Jahrbuch fur Musikwissenschaft Band 11 Laaber Verlag 1991 S 163 178 ISBN 3 89007 220 8 Klaus Peter Brenner Chipendani und Mbira Musikinstrumente nicht begriffliche Mathematik und die Evolution der harmonischen Progressionen in der Musik der Shona in Zimbabwe Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1997 mit 2 CDs ISBN 3 525 82372 X Arthur M Jones Studies in African Music London Oxford University Press 1959 Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Mit 2 Tafeln 2 Karten 13 Abb i Text Wien Bohlau 1968 65 S Osterreichische Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse Sitzungsberichte 254 Band 4 Abhandlung Gerhard Kubik Zum Verstehen afrikanischer Musik Ausgewahlte Aufsatze Reclams Universal Bibliothek Bd 1251 Leipzig 1988 ISBN 3 379 00356 5 Gerhard Kubik Theorie Auffuhrungspraxis und Kompositionstechniken der Hofmusik von Buganda Ein Leitfaden zur Komposition in einer ostafrikanischen Musikkultur In Fur Gyorgy Ligeti Die Referate des Ligeti Kongresses Hamburg 1988 Hrsg von Constantin Floros Hans Joachim Marx und Peter Petersen unter Mitwirkung von Manfred Stahnke 363 Seiten mit zahlreichen Abb und 32 Notenbeispielen Hamburger Jahrbuch fur Musikwissenschaft Band 11 Laaber Verlag 1991 S 23 162 ISBN 3 89007 220 8 Joseph H Kwabena Nketia Die Musik Afrikas Wilhelmshaven et altera 1979 ISBN 3 7959 0255 X Artur Simon Hrsg Musik in Afrika Museum fur Volkerkunde Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz Berlin 1983 ISBN 3 88609 121 X darin besonders Gerhard Kubik Musikgestaltung in Afrika S 27 40 Verstehen in afrikanischen Musikkulturen S 313 326 und Kognitive Grundlagen afrikanischer Musik S 327 400 Erich Stockmann Musikkulturen in Afrika Verlag Neue Musik Berlin 1987 Hugh Tracey Towards an assessment of African Scales In African Music Vol 2 No 1 1958 Ulrich Wegner Hrsg Afrikanische Saiteninstrumente Reimer Berlin 1984 ISBN 3886091171Einzelnachweise Bearbeiten Gerhard Kubik Theorie Auffuhrungspraxis und Kompositionstechniken der Hofmusik von Buganda Ein Leitfaden zur Komposition in einer ostafrikanischen Musikkultur In Fur Gyorgy Ligeti Die Referate des Ligeti Kongresses Hamburg 1988 Hrsg von Constantin Floros Hans Joachim Marx und Peter Petersen unter Mitwirkung von Manfred Stahnke 363 Seiten mit zahlreichen Abb und 32 Notenbeispielen Hamburger Jahrbuch fur Musikwissenschaft Band 11 Laaber Verlag 1991 S 60ff Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Wien Bohlau 1968 S 42 Gerhard Kubik Zum Verstehen afrikanischer Musik Ausgewahlte Aufsatze Leipzig 1988 S 200 Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Wien Bohlau 1968 S 32ff Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Wien Bohlau 1968 S 38 Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Wien Bohlau 1968 S 41ff Klaus Peter Brenner Chipendani und Mbira Musikinstrumente nicht begriffliche Mathematik und die Evolution der harmonischen Progressionen in der Musik der Shona in Zimbabwe Gottingen 1997 S 139 Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit und Tonsysteme in Zentral und Ostafrika Bemerkungen zu den eigenen im Phonogrammarchiv der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften archivierten Expeditionsaufnahmen Wien Bohlau 1968 S 51 Joseph H Kwabena Nketia Die Musik Afrikas Wilhelmshaven et altera 1979 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tonsysteme im subsaharischen Afrika amp oldid 227848464