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Mars Thincsus oder auch Mars Thingsus ist der Name eines romisch germanischen Gottes der einzig in einer Inschrift auf einem Votivstein aus der ersten Halfte des 3 Jahrhunderts aus Housesteads am Hadrianswall in Nordengland Northumberland uberliefert ist Der Beiname Thincsus ist die latinisierte Form von germanisch THingsaz Er wird von einem Grundwort abgeleitet das im Begriff Thing die germanische Volks und Gerichtsversammlung vorliegt und wird daher als Schutzgott der Volksversammlung und des Kampfverbandes als Gottheit der Zeit der Himmelserscheinungen des Gerichts und als genereller Kriegsgott gedeutet Des Weiteren wird dieser Gott als Hypostase Erscheinungsform des Tiwas Tyr gesehen Inhaltsverzeichnis 1 Auffindung 2 Inschrift 3 Thincsus als Gott des Rechts 4 Sprachliches 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenAuffindung BearbeitenAm Nordhang des Chapel Hill bei Housesteads wurde 1883 im zum Castrum Vercovicium gehorigen Tempelbezirk der Stein in situ in einem separaten Tempel des Mars zusammen mit einem mit Skulpturen verzierten Tursturz ausgegraben vermutliche Darstellung des Mars mit Schild Speer und Gans sodass es sich bei dem Stein moglicherweise um einen der Turpfosten des Gebaudes gehandelt hat 1 Er befand sich in einer Vergesellschaftung mit weiteren Votivsteinen der Alaisiagae wie den hier inschriftlichen fur Beda und Fimmilena und den Anfang der 1920er Jahre unmittelbar im Planum der Kultstatte ergrabenen Stein fur die Baudihillia und Friagabis Zugleich wurde ein weiterer Stein gefunden der dem Deo Marti ohne den Beinamen Thincsus und den gleichfalls beinamenlosen Alaisiagen gewidmet ist Beide Steine befinden sich im Depot und in der Ausstellung des Chesters Roman Fort and Museum in Hexham Inschrift Bearbeiten nbsp RIB 1593 Rekonstruktion nach Abklatsch nbsp RIB 1594Der saulenformige rechteckige MARS THINCSO Votivstein aus hellem Sandstein weist ein absolutes Mass von circa 182 X 58 cm in Hohe und Breite auf mit einem ausgepragten schlichten dekorlosen Sockel und Aufsatz An der rechten Schmalseite ist eine weibliche Figur abgesetzt die vermutlich eine Gottin darstellt wohl eine der Alaisiagen Das Schriftfeld zeigt in elf Zeilen die kaum gestorte Inschrift lediglich das initiale DEO ist durch Abrieb beschadigt Deo Marti Thincso et duabus Alaisiagis Bede et Fi mmilene et N umini Aug usti Ger m ani cives Tu ihanti v otum s olverunt l ibentes m erito 2 Dem Gott Mars Thincsus und den zwei Alaisiagen Beda und Fimmilena und der Gottlichkeit des Kaisers die Germanen vom Stamm der Tuihanten die willig und gern ihren Eid erfullten Ein zweiter aus demselben Material gefertigter und ebenfalls diesem germanischen Mars zugeordneter Stein ist der DEO MARTI Stein 127 X 55 cm Er ist aufwandiger gestaltet und an Schmalseiten und Kapitell mit Dekor versehen Auf der linken Seite sind Axt und Messer auf der rechten Seite Opferschale und Krug dargestellt Deo Marti et duabus Alaisiagis et N umini Aug usti Ger mani cives Tuihanti cunei Frisiorum Ver covicianorum Se ve r iani Alexand riani votum solverunt libent es m erito 3 Dem Gott Mars und den zwei Alaisiagen und der Gottlichkeit des Kaisers die Germanen vom Stamm der Tuihanten des Cuneus der Friesen von Vercovicium loyal dem Alexander Severus die willig und gern ihren Eid erfullten Durch die Nennung des Alexander Severus sind diese Steine in die Regierungszeit des Kaisers zwischen 222 und 235 n Chr zu datieren Sie wurden durch Soldaten aus Kontingenten der bisher nur durch diese Inschriften belegten Tuihanten gestiftet die einer romischen Auxiliareinheit dem Cuneus Frisiorum Vercovicianorum angehorten 4 Neben der Stammesbezeichnung und der militarischen Zuordnung mit ethnischem Bezug ist die ubergeordnete Selbstbezeichnung Germani auffallig In der Notitia dignitatum ist der Ort als Borcovicium aufgefuhrt durch den Inschriftenbeleg ist die Verschreibung Bor lt Ver offenkundig 5 Thincsus als Gott des Rechts BearbeitenSeit der wissenschaftlichen Erstbeschreibung des Votivsteins und der zeitnah folgenden Rezeption durch Wilhelm Scherer 6 herrscht in der Forschung die Annahme vor dass ein hypothetischer Gott THingsaz als Gott des Things der Volks und Kriegsversammlung zu deuten sei 7 Die namenkundlich etymologische Deutung des Beinamens des Mars Thincsus und damit verbunden die religionswissenschaftlich fixierbare Funktion und das Wesen des Gottes sowie seine Bedeutung fur die germanischen Kulturen haben in der Forschung zu heftigen Debatten gefuhrt Otto Hofler vs Klaus von See Der franzosische Religionswissenschaftler Georges Dumezil verteidigte ab 1939 vehement die These es handle sich um einen germanischen Kriegsdiplomatie und Rechtsgott der ein Gegenstuck zum in der Nazizeit verherrlichte Kriegsgott Odin bilden sollte 8 9 Der norwegische Historiker Frode Iversen argumentierte neuerdings aufgrund der skandinavischen Quellen es gabe tatsachlich Hinweise auf die Existenz eines germanischen Systems von festen Rechtsversammlungen die als Thincsus bezeichnet wurden mit Sondersitzungen sowie informellen Sitzungen die nach den Gottinnen Beda und Fimmilena benannt worden sind Sprachliches BearbeitenDie inschriftliche Form THINCSO zeigt eine lateinische o Deklination und kann als Reflex einer germanischen a Deklination sein dessen Stammform THings a lautete Hierbei wird in der Forschung allgemein anerkannt dass das inschriftliche C dem Laut G entspricht Der Name beziehungsweise der Stamm bildet sich aus der Wurzel germanisch thing a mit neutraler a Deklination aus der fur das Theonym die Form THingsaz konstruierbar ist Diese Wurzel liegt als Appellativ im althochdeutschen Wort thing mit der weiteren Bedeutung der Volksversammlung vor dem Ort einer solchen Verhandlung den Zeitpunkt und Ergebnis einer solchen Versammlung oder auch generell den Gegenstand einer Gerichtsversammlung wie im Neuhochdeutschen ein Ding eine Sache bedeutet Varianten altenglisch ding altsachsisch altniederfrankisch altfriesisch thing und altnordisch thing 10 Das inschriftliche C siehe Abklatsch hat dazu gefuhrt dass es in Hinsicht der etymologischen Anbindung an thing a in manchen alteren Darstellungen zum G emendiert wurde Falls im C ein Frikativ Reiblaut gekennzeichnet ware Tiefenbach zieht hier den Vergleich zu dem Ethnonym der Tencteri so liesse sich die inschriftliche Form zu gotisch theihs stellen Dies ebnete in der Forschung den Weg fur einen zweiten Erklarungsansatz Im gotischen Lexikon fehlt der Begriff thing der ubrigen altgermanischen Idiome an seiner Stelle erscheint der Beleg bibelgotisch theihs lt thinhs Zeit mit der Bedeutung von festgesetzter Zeitpunkt zu NT griechisch kairos xronos lateinisch Vulgata tempus mit grammatischem Wechsel aus germanisch thenx theihs flektiert als neutraler a Stamm der aus einem ursprunglichen s Stamm uberfuhrt wurde sodass nach Tiefenbach das gleiche Suffix in Thincs o vorliegen konnte Er verweist auf die in der Forschung beigebrachten Vergleiche aus dem Langobardischen thinx gairethinx als Positivbelege fur diese Suffixbildung Daraus schloss Klaus von See mit Verweis auf Rudolf Much 11 und Siegfried Gutenbrunner 12 auf einen Zeit Wetter Himmelsgott und lehnte den Bezug zum Rechtsinstitut des Things vehement ab 13 Aufgrund der Singularitat des Namens und dessen Verbindung mit den Tuihanten wurde versucht im Ortsnamenbestand Toponymie der engeren Niederrhein Region Anbindungen zu finden wie beispielsweise im Namen von Dinslaken Dieser Ansatz lieferte jedoch keine sicheren Anhaltspunkte Des Weiteren wurde im Namen des Wochentags Dienstag und seiner niederdeutschen und besonders niederlandischen und nieder mittelfrankischen Varianten dinx en dach dinsen dincen dis en dingesdach dingse dinx s te ein Motiv nach der Vorlage der Interpretatio Germanica als Lehnubersetzung nach romischem Vorbild Marti dies fur die Wochentagsbenennung aus Thincso gesehen 14 Bei dieser Deutung bleibt nach Tiefenbach die Klarung der Lautersetzung von t durch d im Anlaut und einer sekundaren Nasalierung wie im Vergleich mit niederlandisch Woensdag Wodanstag fur den Mittwoch offen Schwierigkeiten fur ein sicheres Urteil in Bezug auf die Ableitung vom Gottesnamen sieht Tiefenbach im grossen zeitlichen Abstand zwischen dem Inschriftenbeleg und den hochmittelalterlichen seit dem 13 Jahrhundert uneinheitlich belegten Formen der Dienstag Schreibungen mit den generellen Tendenzen zu Eindeutungen und Substitutionen bei Wochentagsnamen Siehe auch BearbeitenMars HalamardusLiteratur BearbeitenSiegfried Gutenbrunner Die germanischen Gotternamen der antiken Inschriften Rheinische Beitrage und Hulfsbucher zur germanischen Philologie und Volkskunde 24 Niemeyer Halle Saale 1936 S 24 25 41 49 Otto Hofler Sakraltheorie und Profantheorie in der Altertumskunde In Oskar Bandle Heinz Klingenberg Friedrich Maurer Hrsg Festschrift fur Siegfried Gutenbrunner zum 65 Geburtstag am 26 Mai 1971 uberreicht von seinen Freunden und Kollegen Universitatsverlag Winter Heidelberg 1972 ISBN 3 533 02170 X S 71 116 hier S 89ff Otto Hofler Mars Thingsus In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Band 3 1984 Sp 344 348 Google Buchsuche Frode Iversen Concilium and Pagus Revisiting the Early Germanic Thing System of Northern Europe In Journal of the North Atlantic Special Volume 5 2013 S 5 17 Klaus von See Altnordische Rechtsworter Philologische Studien zur Rechtsauffassung und Rechtsgesinnung der Germanen Hermaea Neue Folge Band 16 Max Niemeyer Tubingen 1964 ISBN 978 3 11 134938 1 S 117 122 kostenpflichtig Reprint de Gruyter Berlin u a 2011 Klaus von See Kontinuitatstheorie und Sakraltheorie in der Germanenforschung Antwort an Otto Hofler Athenaum Frankfurt Main 1972 ISBN 3 7610 7171 X S 14 19 Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X S 7 8 44 117 265 266 Heinrich Tiefenbach Mars Thincsus In Heinrich Beck Dieter Geuenich Heiko Steuer Hrsg Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band 19 de Gruyter Berlin u a 2001 ISBN 978 3 11 087955 1 S 343 345 kostenpflichtig Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter Online Weblinks BearbeitenLageplan Castrum Tempelbezirk Chapel HillAnmerkungen Bearbeiten John Clayton W T Watkin Emil Hubner G Stephens On the discovery of Roman Inscribed Altars etc at Housesteads In Archaeologia Aeliana 2 Serie 10 1885 S 148 172 RIB 1593 RIB 1594 Alexander Sitzmann Friedrich E Grunzweig Altgermanische Ethnonyme Ein Handbuch zu ihrer Etymologie unter Benutzung einer Bibliographie von Robert Nedoma Philologica Germanica 29 Herausgegeben von Hermann Reichert Fassbaender Wien 2008 ISBN 978 3 902575 07 4 S 288 289 Emil Hubner Borcovicium In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band III 1 Stuttgart 1897 Sp 720 Wilhelm Scherer Mars Thingsus In Sitzungsbericht der koniglich preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1 Berlin 1884 S 571 582 Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X S 265 Bruce Lincoln Rewriting the German War God Georges Dumezil Politics and Scholarship in the Late 1930s In History of Religions 37 1998 S 187 208 Georges Dumezil Gods of the Ancient Northmen University of California Press Los Angeles 1973 S 26 48 82 Heinrich Tiefenbach Mars Thincsus In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd 19 Berlin New York 2001 S 344 Elmar Seebold Bearbeiter Kluge Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache 24 durchgesehene und erweiterte Auflage de Gruyter Berlin New York 2002 S 201 siehe auch S 199 Rudolf Much Der germanische Himmelsgott In Festgabe fur Richard Heinzel Wien 1898 S 195 Siegfried Gutenbrunner Die germanischen Gotternamen in der antiken Inschriften Niemeyer Halle S 1936 S 30 Klaus von See Altnordische Rechtsworter Niemeyer Tubingen 1964 S 118 120 Ders in Kontinuitatstheorie und Sakraltheorie in der Germanenforschung Athenaum Frankfurt M 1972 S 15f Elmar Seebold Kluge Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache 24 durchgesehene und erweiterte Auflage de Gruyter Berlin New York 2002 S 199 Anders Wolfgang Pfeifer Das Etymologische Worterbuch des Deutschen Akademie Verlag Berlin 1993 S 283 Pfeifer will die Ableitung aus THingsaz aufgeben und postuliert analog zur ubrigen Germania ein tiwas dagaz fur den niederrheinischen Sprachraum Online Eintrag Dienstag Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mars Thincsus amp oldid 224938068