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Die Marktsoziologie oder Soziologie des Marktes ist ein Forschungsbereich der Soziologie innerhalb dessen Markte zum Gegenstand soziologischer Analysen werden Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 1 1 Die Anfange der Marktsoziologie 1 2 Markte und Netzwerke 1 3 Markte und Kultur 1 4 Aktuelle Ansatze in der Marktsoziologie 1 5 Markte als Felder 1 6 Der Embeddedness Ansatz 1 7 Die Performativitat von Markten 1 8 Economie des Conventions 1 9 Markte als innere Umwelten 2 Aktuelle Vertreter der Marktsoziologie im deutschsprachigen Raum 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseUberblick BearbeitenMarkte gibt es konkret seit dem Altertum vermutlich seit der Neolithischen Revolution Sie trugen seither wesentlich zur Bedeutung der entstehenden Handelswege Messen und Stadte bei In der Neuzeit werden Markte als wichtige Institutionen die fur die Entwicklung des Kapitalismus entscheidend sind betrachtet Vertreter der Marktsoziologie beschaftigen sich mit strukturellen institutionellen und kulturellen Grundlagen von Markten Diese genuin soziologische Erklarung reicht weiter als viele wirtschaftswissenschaftliche Ansatze insbesondere der neoklassischen Wirtschaftstheorie in denen der Marktteilnehmer als homo oeconomicus konzeptionalisiert wird der im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern steht und rein der marktwirtschaftlichen Logik von Angebot und Nachfrage unterliegt Am nachsten steht ihr noch Hans Albert Sie entstehen aus soziologischer Sicht aber keineswegs spontan und regulieren sich auch nicht von selbst sondern bedurfen gerade anfangs des religiosen vgl Kula 1 oder politischen und rechtlichen Schutzes vgl Messewesen Marktrecht Stapelrecht Somit werden soziologisch die umfangreichen sozialen Aspekte betrachtet die erforderlich sind damit Markte moglich werden wie z B der regionale und der Fernhandel Akteurkompetenzen fur die Bewaltigung von Unsicherheit und die Interpretation von Marktsituationen kulturelle Wissensordnungen und religiose Praktiken als Grundlage fur das Wirtschaften die Rolle des Staates als Garant von Rechtsordnungen und Kontrollinstanz u a m Hier haben bereits Ferdinand Tonnies Max Weber und Bronislaw Malinowski grundlegende Studien vorgelegt Neue Impulse erhielt die Soziologie des Marktes aus der so genannten Neuen Wirtschaftssoziologie die sich in den letzten 25 Jahren hauptsachlich im US amerikanischen Raum vor allem im Anschluss an Harrison C White und Mark Granovetter entwickelte Jungste Arbeiten betrachten die Marktsoziologie allerdings nicht mehr als Teilgebiet der Wirtschaftssoziologie Die Anfange der Marktsoziologie Bearbeiten Die soziologische Auseinandersetzung mit Markten findet sich bereits bei fruhen Theoretikern wie Adam Smith Karl Marx Ferdinand Tonnies Max Weber und auch Georg Simmel Fur Smith ist der Markt eine Institution die ermoglicht dass eigennutzig Handelnde ihre Tauschgeschafte erledigen und gleichzeitig auch die Arbeitsteilung und somit das Gemeinwohl gefordert werden Obwohl die Austauschverhaltnisse auf dem Markt und die damit verbundene Steigerung der Arbeitsproduktivitat durch Nutzung von Spezialisierungsvorteilen auch in die Vergangenheit zuruckreichen verengte sich das Interesse der okonomischen Forschung auf die seit dem 19 Jahrhundert vorherrschende Form der Markte auf denen Waren zwecks Profiterzielung ausgetauscht werden Erst Tonnies und Max Weber sowie die britische Schule der Sozialanthropologie Bronislaw Malinowski u a gelangten zu einer genuin soziologischen Betrachtung von Markten Im Gegensatz zur klassischen Okonomie die aus der Notwendigkeit der individuellen Beschaffung der Lebensmittel und der Rolle der Arbeit innerhalb der Gemeinschaft den Zwang oder gar einen naturlichen Trieb des Menschen zum Tauschen und daraus die Existenz von Markten ableitete hoben Tonnies und Max Weber auf die sozialhistorische Bedeutung des Fernhandels ab der sukzessive immer mehr Regionen und Gesellschaften in den Weltmarkt integriere und die Beziehungen zwischen ihnen und den Menschen allein durch den Tauschwert regele Dieser Fernhandel konne ganz unterschiedliche Ausloser haben z B die Sklavenjagd oder die Suche nach seltenen Objekten Auch Malinowski zeigte dass Markte zuerst durch den Austausch zwischen Regionen und Gemeinschaften und nicht durch die Notwendigkeit der Tausches innerhalb der Gemeinschaften entstanden Marx und Weber nahern sich dem Phanomen des Marktes auch aus einer konfliktsoziologischen Perspektive Wahrend fur Marx der Markt ein Ausbeutungsinstrument zur Herstellung und Verfestigung von Klassenunterschieden im Kapitalismus ist zeigt Weber in seinen Schriften zur Wirtschaft und Gesellschaft die Vielschichtigkeit des Marktes auf Dem Markt liegen Mechanismen wie Macht Konflikte und unterschiedliche Interessen zu Grunde der Tausch ist auch immer ein Konkurrenzkampf Daruber hinaus befasst sich Weber in seiner protestantischen Ethik wesentlich mit den Ursachen der Entstehung des kapitalistischen Marktes im rationalen Okzident und mit der Rolle des Marktes fur die Entstehung der okzidentalen Stadt Einen Teilaspekt des Marktes untersucht auch Georg Simmel in seiner Philosophie des Geldes in der wirtschaftliche Tauschprozesse durch das okonomische Medium Geld als zentrale Institution des Marktes im Vordergrund stehen Malinowski unterscheidet als erster Soziologe strikt zwischen okonomischem und sozialem zeremoniellem institutionellen Tausch Getauscht wird auch wenn unter okonomischen Gesichtspunkten gar keine Notwendigkeit dafur besteht Beim zeremoniellen Zirkel des Gebens und Nehmens wie beim Tausch im Rahmen des Kula Rings auf einigen Inseln Melanesiens wird nicht auf die exakte Aquivalenz der getauschten Gegenstande gemachte Ziel ist vielmehr besonders prestigereiche Objekte zu erwerben 2 ein Nebenziel vielleicht Endogamie und Inzest zu vermeiden Erwirtschaftete Uberschusse werden in diesen einfach strukturierten Gesellschaften nicht individuell getauscht sondern zentralisiert und als Vorrate fur Notsituationen gelagert oder dem gemeinsamen Konsum zugefuhrt z B in Form von Festen und rituellem Verschwendungskonsum 3 Als weiterer wichtiger Vordenker der Marktsoziologie gilt der Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi der in seinem 1944 veroffentlichten Werk The Great Transformation die Wechselwirkung zwischen der Entstehung von Marktwirtschaften und Nationalstaaten untersucht Polanyi betrachtet Markte als vormals eingebettet in die Gesellschaft und sieht die Verselbstandigung und Herauslosung disembedding von Markten aus der modernen Gesellschaft kritisch Erst durch den Marktliberalismus werde dieses Verhaltnis umgekehrt die Gesellschaft werde in die Okonomie eingebettet In allen Gesellschaften vor dem 17 Jahrhundert habe die Okonomie nicht in erster Linie auf Markten basiert sondern auf drei durch soziale Normen regulierten Prinzipien Reziprozitat des Tausches Symmetrie Redistribution Zentralisierung und Umverteilung durch kollektive Institutionen und Produktion fur den Eigenbedarf Autarkie des geschlossenen Haushalts des Oikos des Aristoteles der keinen Markt benotigt Die Zentralisierung von Produkten sei notwendig weil die Resultate kollektiver Anstrengungen z B bei der Jagd nicht regelmassig teilbar seien und der Streit darum den Zusammenhalt der Gemeinschaft bedrohe oder weil man Vorratshaltung fur Notzeiten betreiben musse Der individuelle Besitz von Gutern sei weitaus weniger wichtig gewesen als der Zusammenhalt der Gemeinschaft Auch der Austausch zwischen auf dem gleichen Territorium lebenden Viehzuchtern und Ackerbauern in Afrika die romische Wirtschaft mit ihrer Redistribution von Getreide und Olivenol oder die Abgabenregelungen zwischen den verschiedenen Standen der europaischen Feudalgesellschaft habe sich diesen Prinzipien untergeordnet Auch wenn dieser Austausch Elemente von Ausbeutung in unterschiedlichem Grade enthalten habe sei sein Ziel nie die Profiterzielung gewesen So habe sich u a das feudale Vasallentum aus solchen regulierten Austauschbeziehungen ergeben 4 Es habe zwar immer wieder Phasen gegeben so in den Handelszentren des Hellenismus wo das Profitstreben den Austausch dominiert habe doch sei dies bis zum Merkantilismus die Ausnahme geblieben Aus den drei in jeder Form des Wirtschaftens geltenden Prinzipien der Symmetrie Zentralitat und Autarkie entstunden nicht automatisch neue Institutionen wie die des Marktes Symmetrie Reziprozitat verknupfe nur existierende Akteure und Institutionen Zentralitat z B in Form der Besteuerung erfulle zahlreiche unterschiedliche Funktionen und Autarkie sei nur ein Merkmal bestehender Gruppen neben anderen Der Markt sei mehr als die Summe dieser Merkmale fur seine Entstehung seien nicht okonomische Zwange sondern das letzten Endes sozial begrundete Profitmotiv entscheidend 5 Markte und Netzwerke Bearbeiten Unter dem Namen Neue Wirtschaftssoziologie bildete sich seit den 1980er Jahren eine soziologische Forschungsrichtung heraus die sich der Untersuchung von Markten aus einer strukturellen netzwerkanalytischen Perspektive widmet So gelten das soziologische Marktmodell von Harrison C White und der viel zitierte Aufsatz Economic Action and Social Structure The Problem of Embeddedness von Mark Granovetter uber die Einbettung von Markten in soziale Strukturen als Ausgangspunkte fur zahlreiche wirtschaftssoziologische Annaherungen an das meist wirtschaftswissenschaftlich untersuchte Phanomen des Marktes Schon Polanyi hatte diesem Gedanken 1944 formuliert submerged in social relationships also eingetaucht in Sozialbeziehungen 6 das war aber seit den 1950er Jahren vorubergehend in Vergessenheit geraten Granovetter konzeptualisiert Marktteilnehmer nicht als rein rationale Akteure sondern stellt deren Eingebundenheit in soziale Strukturen oder Netzwerke in den Vordergrund Okonomische Beziehungen zwischen Individuen und Firmen sind demnach immer eingebettet in soziale Beziehungen Markte selbst sind dieser strukturellen Perspektive zufolge Netzwerke Vom prominenten Wirtschaftssoziologen Harrison C White stammt die Idee dass Markte uberhaupt erst aus Netzwerken entstehen Am Beispiel von Produktionsmarkten zeigt White in seinem Aufsatz Where Do Markets Come From von 1981 wie in Netzwerken eine wechselseitige Beobachtung von Produktpreisen und zugehorigen Qualitaten anderer Marktteilnehmern stattfindet die letztendlich den Markt konstituiert Der Preis wird hier als Signal aufgefasst Markte strukturieren sich demnach nicht allein durch die Mechanismen von Angebot und Nachfrage sondern vielmehr durch Positionierungen von Marktteilnehmern in bestimmten Qualitatsnischen die durch Beobachtung der jeweiligen Konkurrenten ausfindig gemacht und besetzt werden konnen Die Netzwerkperspektive auf den Markt wurde von zahlreichen Schulern von White und weiteren Wirtschaftssoziologen aufgegriffen die sich im Rahmen der Neuen Wirtschaftssoziologie mit Markten als Netzwerken beschaftigten 7 So gibt es beispielsweise empirische Analysen zu Netzwerken als Diffusionsmedium von Informationen in Markten z B von Wayne Baker oder zu Netzwerken als Losungsinstrumente von Kooperationsproblemen durch die Vertrauen zwischen Marktteilnehmern entstehen kann z B von Brian Uzzi Vertreter marktsoziologischer Analysen sind in den Vereinigten Staaten aktuell weiterhin z B Neil Fligstein Paul DiMaggio Joel Podolny Richard Swedberg und Viviana Zelizer Viele der von ihnen verfassten Studien sind bereits der angewandten Marktforschung zuzurechnen Ein Beispiel fur ein eng an die Netzwerkanalyse als Methode geknupftes marktsoziologisches Konzept ist die Idee der Structural Holes von Ronald S Burt Burt zufolge nach lassen sich Unterschiede in der Dynamik von Markten und den damit einhergehenden Chancen und Barrieren unternehmerischen Handelns durch Zugang zu so genannten strukturellen Lochern erklaren Strukturelle Locher sind Locher im Netzwerk d h Bereiche die durch die Abwesenheit von Beziehungen zwischen Akteuren gekennzeichnet sind Die Besetzung eines strukturellen Lochs stellt eine Moglichkeit dar Vorteile im unternehmerischen Handeln bewirken zu konnen namlich durch den dadurch gewonnenen Vorsprung an Information Ein weiterer Ansatz den besonders auch Joel Podolny verfolgt der aber ebenfalls schon von der Sozialanthropologie und Ethnologie des fruhen 20 Jahrhunderts fokussiert wurde ist die Idee der Bedeutung von Status in Markten Durch Netzwerke konnen ihm zufolge nicht nur Ressourcen ausgetauscht werden sondern sie ermoglichen weiterhin die Beobachtung der Qualitat der anderen Teilnehmer was letztlich zur Herausbildung von Statushierarchien fuhrt Die Idee von Markten als Netzwerke aus sozialen Strukturen wurde von White selbst schliesslich noch erweitert Ihm zufolge funktioniert die soziale Struktur des Marktes durch Geschichten stories die Marktteilnehmer uber sich selbst und andere erzahlen Diese Konzeption von Netzwerken die sich aus Diskursstrukturen herausbilden offnet die strukturelle Marktanalyse fur kultursoziologischen Erweiterungen Eine auf Whites Uberlegungen anschliessende empirische Untersuchung von Narrativitat als Koordinierungsform auf Markten findet sich aktuell z B bei Sophie Mutzel Dadurch beeinflusst aber auch durch Einflusse aus dem franzosischsprachigen Raum von u a Laurent Thevenot und Michel Callon breitet sich die Marktsoziologie zunehmend auch im deutschsprachigen Raum aus und kann mittlerweile als eigenstandiger Forschungszweig bezeichnet werden der sich stetig weiterentwickelt Markte und Kultur Bearbeiten Aufbauend auf die zunachst stark strukturell gepragte Auseinandersetzung mit Markten bildete sich innerhalb der Neuen Wirtschaftssoziologie eine Forschungsrichtung heraus die kultursoziologische Ansatze zunehmend in die Analyse von Markten integriert So werden in neueren marktsoziologischen Arbeiten nicht nur strukturelle Einflusse sozialer Beziehungen auf okonomische Prozesse berucksichtigt sondern auch deren Einbettung in kulturelle Kontexte und Bedingtheit durch kulturelle Praktiken Viviana Zelizer beispielsweise untersucht Markte aus einer genuin kultursoziologischen Perspektive indem sie die Bedeutungsebene von okonomischen Transaktionen hervorhebt An Beispielen wie Lebensversicherungen und dem Kauf intimer Beziehungen zeigt Zelizer die kulturellen und symbolischen Dimensionen des Tausches auf Geld so lautet ihre These ist immer mit privaten Beziehungen verbandelt und somit emotional aufgeladen Weiterhin spielt wie ihre Forschung zeigt nicht nur Vertrauen sondern auch die Moral des Produktes eine Rolle im Verkaufsverhaltnis zwischen Produzent und Konsument Auch Mitchel Y Abolafia leistet mit seiner ethnographischen Analyse der Wall Street einen umfangreichen kultursoziologischen Beitrag zur Finanzmarktsoziologie Im daraus entstandenen Buch Making Markets zeigt er wie Markte als Kulturen zu verstehen seien das heisst als Orte der wiederholten Interaktion die durch institutionalisierte Beziehungen und Bedeutungssysteme gepragt sind Andere kultursoziologische Arbeiten beschaftigen sich mit der institutionellen Einbettung von Markten Dazu zahlen beispielsweise die Arbeiten von Frank Dobbin Neil Fligstein und Paul DiMaggio Sie weisen besonders auf den Einfluss von Institutionen wie Regeln Macht und Normen auf Kognitionen und Handeln in Markten hin Aktuelle Ansatze in der Marktsoziologie Bearbeiten Im Anschluss an diese zwei grosseren Trends Markte und Netzwerke und Markte und Kultur finden sich aktuell zahlreiche theoretische und empirische Beitrage zur Soziologie des Marktes Zum einen entwickelt sich die Idee von Markten als Netzwerkstrukturen stetig weiter So werden Markte nach einer Aufteilung von Ezra Zuckerman entweder als Netzwerke aus Tauschbeziehungen verstanden oder Marktakteure als eingebettet in Netzwerke aufgefasst oder interorganisationale Netzwerke stehen im Zentrum von soziologischen Netzwerk Analysen Weiterhin finden sich zahlreiche Beitrage die die kultursoziologische Analyse von Markten weiter vorantreiben Diese lassen sich thematisch in verschiedene Bereiche sortieren wobei der nun folgende Vorschlag keineswegs uberschneidungsfrei ist Markte als Felder Bearbeiten Pierre Bourdieus Praxistheorie stellt einen Ausgangspunkt fur neuere marktsoziologische Untersuchungen dar In Markten als Feldern sind okonomisches kulturelles soziales und symbolisches Kapital ungleich verteilt Empirisch kann die Feldanalyse dann beispielsweise mit der Korrespondenzanalyse durchgefuhrt werden Besonders im Bereich der neo institutionalistischen Marktsoziologie finden sich Anschlusse an diese Art von praxistheoretischer Institutionenanalyse Der Embeddedness Ansatz Bearbeiten Aufbauend auf das Konzept der Embeddedness oder Einbettung von Markten in soziale Strukturen von Mark Granovetter entwickelten Sharon Zukin und Paul DiMaggio ein differenzierteres Konzept So sind Markte ihnen zufolge nicht nur strukturell sondern daruber hinaus auch kulturell kognitiv und politisch eingebettet Jens Beckert beschaftigt sich aktuell mit der Einbettung wirtschaftlicher Handlungen und untersucht aus dieser Perspektive wie trotz Unsicherheit Koordination auf Markten moglich ist Die Performativitat von Markten Bearbeiten Vor allem aus dem Bereich der soziologischen Analyse von Finanzmarkten auch Social Studies of Finance genannt stammt die Idee dass Markte performativ hergestellt werden Die Performativitats These u a vertreten von Donald MacKenzie und Michel Callon schreibt den Okonomen eine bedeutende Rolle als Konstrukteure von Markten zu Vertreter dieser Idee gehen davon aus dass die Wirtschaftswissenschaften durch ihre Analyse und Beschreibung die Okonomie oder okonomische Strukturen wie den Markt also den Gegenstand ihrer Disziplin quasi selbst erschaffen Okonomische Handlung ist demnach ein Ergebnis kalkulativer Prozesse Dabei ist die Idee der Performativitat der Okonomie beeinflusst von der Actor Network Theory Bruno Latours und Michel Callons innerhalb derer die Rolle technischer Artefakte hervorgehoben wird denn die Kalkulation und Modellierung beinhaltet immer spezifische Technologien Gerade in der Soziologie der Finanzmarkte ist diese Perspektive die Ansatze aus der Wissenschaftsforschung integriert prominent sie wird aber aktuell auch auf breitere marktsoziologische Analysen ubertragen Economie des Conventions Bearbeiten In Frankreich hat sich der interdisziplinare Ansatz der economie des conventions als einer der wichtigsten wirtschaftssoziologischen Bereiche in den letzten Jahrzehnten etabliert Das zentrale Konzept ist das der Konventionen die in Markten dazu beitragen dass Unsicherheit bewaltigt und Qualitatskonstruktionen und Koordination ermoglicht werden Konventionen sind dabei als Handlungslogiken oder Sinnschemata zu verstehen die sich im Rahmen der Marktsoziologie zur Bewertung von okonomischen Akteuren Gutern und Dienstleistungen eignen Die kollektiv geteilten Konventionen oder Rechtfertigungsordnungen konstituieren sich situativ und werden je nach Erfolg auf Dauer gestellt Der franzosische Ansatz der economies des conventions kann als ein institutionentheoretischer Ansatz aufgefasst werden Markte Netzwerke und Organisationen werden hier als durch eine Pluralitat von Konventionen ermoglichte Institutionen fur die kollektive Koordination Produktion Distribution Konsumption verstanden Markte als innere Umwelten Bearbeiten Im Gefolge der Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann lasst sich der Markt auch als innere Umwelt der Wirtschaft denken Als Horizont aller moglichen Investitionsentscheidungen erscheint der Markt demnach als Umwelt der tatsachlich realisierten wirtschaftlichen Investitionen Derartige innere Umwelten lassen sich Dirk Baecker zufolge allerdings auch mit Blick auf weitere Funktionssysteme der Gesellschaft beobachten Entsprechend stellt sich in den Arbeiten von Steffen Roth die Frage wie ein allgemeiner Marktbegriff bestellt sein muss auf dessen Grundlage sich Markte in Zeitaltern und Weltregionen beobachten lassen in denen funktionale Differenzierung nicht die Hauptrolle spielt e 8 Aktuelle Vertreter der Marktsoziologie im deutschsprachigen Raum BearbeitenIm deutschsprachigen Raum breitete sich die Marktsoziologie in den letzten Jahren zunehmend aus so dass aktuell eine ansteigende Anzahl an Soziologinnen und Soziologen die sich mit Markten sowohl theoretisch als auch empirisch auseinandersetzen genannt werden kann So zahlen unter anderen Patrick Aspers Jens Beckert Rainer Diaz Bone Heiner Ganssmann Karin Knorr Cetina und Sophie Mutzel zu einigen wichtigen Vertretern finanz marktsoziologischer Analysen im deutschsprachigen Raum Als institutionell bedeutsam ist vor allem das Max Planck Institut in Koln und dessen Forschungsbereich Soziologie des Marktes zu nennen daneben gibt es aber beispielsweise auch das Graduiertenkolleg Markte und Sozialraume in Europa an der Otto Friedrich Universitat Bamberg und einzelne Lehrstuhle mit wirtschafts bzw marktsoziologischer Ausrichtung Literatur BearbeitenHans Albert Marktsoziologie und Entscheidungslogik 1967 Dirk Baecker Markets In A Harrington B Marshall H P Muller Hrsg Encyclopedia of Social Theory Routledge London New York 2006 S 333 335 Wayne E Baker Market Networks and Corporate Behavior In American Journal of Sociology Jg 96 1990 S 589 625 Jens Beckert Grenzen des Marktes Die sozialen Grundlagen wirtschaftlicher Effizienz Campus Frankfurt am Main 1997 Jens Beckert Rainer Diaz Bone Heiner Ganssmann Markte als soziale Strukturen Campus Frankfurt am Main 2007 Ronald S Burt Structural Holes The Social Structure of Competition Harvard University Press Cambridge Mass 1992 G Buurman S Truby Hrsg Geldkulturen Fink Munchen 2014 Michel Callon Hrsg The Laws of the Markets Blackwell Publishing Oxford 1998 Rainer Diaz Bone Gertraude Krell Hrsg Diskurs und Okonomie Diskursanalytische Perspektiven auf Markte und Organisationen VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2009 Rainer Diaz Bone Robert Salais Hrsg The Economie des Conventions Transdisciplinary Discussions and 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