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Bei dem Mann von Osterby handelt es sich um den Schadel einer Moorleiche aus dem Kohlmoor sudostlich von Osterby bei Eckernforde Kopf von Osterby mit Suebenknoten Frisur Inhaltsverzeichnis 1 Fundumstande 2 Befunde 2 1 Anthropologische Befunde 2 2 Frisur 2 3 Fellumhang 2 4 Manipulationen 2 5 Datierung 3 Deutung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseFundumstande BearbeitenBeim Torfstechen wurde der Schadel am 26 Mai 1948 von den Brudern Otto und Max Muller aus Osterby auf der Parzelle ihres Vaters aufgefunden Er lag in einer Tiefe von etwa 65 bis 70 cm unter der damaligen Moor Oberflache Max Muller bemerkte die von seinem Spaten herunterhangenden Fellreste Daraufhin durchsuchten beide den abgeworfenen Torf und bargen die Teile des Schadels und des Umhangs Der Damendorfer Landwirt Detlef Thomes meldete den Fund dem Museum in Schleswig Trotz intensiver Nachsuche in der Umgebung der Fundstelle wurden keine weiteren Leichenteile gefunden Fundort 54 26 50 9 N 9 46 9 5 O 54 447461 9 769292 Koordinaten 54 26 50 9 N 9 46 9 5 O 1 Befunde Bearbeiten nbsp Seitenansicht des Kopfes mit SuebenknotenDas geborgene Bundel bestand aus Fellstucken mit einem darin eingewickelten Schadel die ursprunglich in dem Moor versenkt wurden Beides wurde vor der Bergung durch Spatenstiche beschadigt Daneben wurden keine weiteren Funde gemacht Anthropologische Befunde Bearbeiten Der Schadel liegt in zahlreichen Fragmenten nahezu vollstandig vor Die Knochen sind durch die Einwirkung der Moorsauren entkalkt sind etwas geschrumpft und von dunkelbrauner Farbe Wenige Teile der Kopfhaut sowie die Haare sind gut erhalten Haut und Gewebe im Gesicht sind dagegen vollstandig vergangen An der linken Schadelseite wurde eine grossflachige Verletzung festgestellt die moglicherweise zum Tod gefuhrt hatte Auf einer Flache von etwa 12 cm Durchmesser war der Schadel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen worden der Knochen war an der linken Schlafe vollig zersplittert und teilweise tief in das Gehirn eingedrungen Allerdings ist der Schadel auch im Ganzen durch die auf ihm lastenden Erdmassen deformiert worden Das Gesichtsskelett ist insgesamt gut erhalten und das Obergesicht ist nahezu unbeschadigt Aufgrund des Verwachsungsgrades der Schadelnahte sowie der anatomischen Merkmale wird der Schadel einem etwa 50 bis 60 Jahre alten Mann zugeschrieben Deutlich erkennbare Schnittspuren am zweiten Halswirbel belegen dass der Kopf mit einem scharfen Gegenstand gewaltsam vom Rumpf abgetrennt worden war Die Haupthaare waren flachwellig und dunn Eine mikroskopische Untersuchung ergab dass die durch die Einwirkung der Moorsauren rotlichbraun verfarbten Kopfhaare ursprunglich dunkelblond waren und der Mann altersbedingt schon einzelne weisse Haare hatte Isotopenanalysen an Proben der Kopfhaare ergaben bei der Neubearbeitung im Jahre 2005 dass der Mann zumindest in seinem letzten Lebensjahr auffallend selten Fleisch ass wobei Pflanzenfresser den Hauptanteil seiner tierischen Ernahrung stellten Dagegen hatten Seetiere wie Fische oder Muscheln nachweislich keinen Anteil an seiner Ernahrung Die parasitologischen Untersuchungen der Haare ergaben dass sie fur die damalige Zeit ungewohnlich frei von Kopflausen waren 2 Zur Konservierung und Vorbereitung fur die Ausstellung im Museum wurde der Schadel zur Stabilisierung mit einer Gipsmasse ausgefullt Frisur Bearbeiten nbsp Wappen der Gemeinde Osterby mit SuebenknotenAuffalligstes Merkmal des Kopfes ist die Frisur mit den ausserordentlich gut erhaltenen Haaren die uber der rechten Schlafe zu einem sogenannten Suebenknoten gebunden sind Dazu wurden die langen Haare des Mannes am Hinterkopf vertikal in zwei Strange geteilt Der linke Strang wurde links um den Kopf tief uber die Stirn auf die rechte Kopfseite gelegt Der rechte Strang wurde oberhalb des rechten Ohres an der Schlafe uber den linken Strang gelegt und beide mit einer scharfen Rechtsdrehung verzwirnt Dieser Strang wurde zu einer Schlaufe gelegt und das lose Ende des Stranges schlaufenformig hindurchgezogen Dieser Suebenknoten wird von dem romischen Geschichtsschreiber Tacitus im Kapitel 38 seiner Germania als ein typisches Merkmal freier Manner bei den Sueben eines germanischen Stammes beschrieben Daneben ist er aus zahlreichen romischen Abbildungen auf Plastiken und mindestens einem weiteren archaologischen Fund bekannt dem des Mannes von Datgen Seit 1998 fuhrt die Gemeinde Osterby den Suebenknoten des Mannes von Osterby in ihrem Wappen 3 4 Fellumhang Bearbeiten Das bereits stark zerfallene Kleidungsstuck in dem der Kopf eingewickelt war besteht aus gegerbten und zusammengenahten Fellstucken Das geborgene Fragment hat eine Breite von 40 cm und eine Lange von etwa 53 cm Die Fellstucke wurden mikroskopisch anhand der Haarmerkmale als rehahnlich bestimmt Die einzelnen Fellstucke wurde mit feinen Stossnahten verbunden Der Halsausschnitt ist mit einem umgeschlagenen etwa einem Zentimeter breiten Lederstreifen eingesaumt Alle Nahte wurden sorgfaltig mit sehr feinen Darmsaiten ausgefuhrt Einige der vorgefundenen Nahte lassen vermuten dass es sich um spatere Reparaturstellen handelte Aufgrund der vorliegenden Fragmente sowie einiger bekannter Vergleichsfunde wird das Kleidungsstuck als Pelzumhang gedeutet und wurde im 20 Jahrhundert von Textilarchaologen auch als Pelzschulterkragen bezeichnet Vergleichbare Pelzumhange sind aus zahlreichen archaologischen Funden bekannt wie beispielsweise den Frauen von Elling und Haraldskaer dem Madchen von Drobnitz dem Jungen von Kayhausen oder dem Mann aus Juhrdenerfeld Manipulationen Bearbeiten Die anthropologische Untersuchung des Schadels wurde durch Peter Lohr durchgefuhrt der feststellte dass der Schadel durch die Lagerung im Moor geschrumpft war Im Rahmen seiner Promotion uber das experimentelle Schrumpfen von Schadeln unternahm Lohr auch an dem Osterbyer Schadel zahlreiche Versuche Mehrfach wasserte er den Schadel wodurch dieser aufquoll und trocknete ihn anschliessend wieder begleitet von detaillierten Messungen Lohr nahm an dass der Schadel im aufgequollenen Zustand seine nahezu ursprungliche Grosse einnahm und beim anschliessenden Trocknen nicht gleichmassig einschrumpfte Fur seine Untersuchung lagen Peter Lohr der Schadel selbst stark geschrumpften Zahne sowie ein vollstandiger Unterkiefer mit einem stark vorspringenden Kinn vor 5 Neuere Untersuchungen des Osterbyer Kopfes ergaben dass der in der Dauerausstellung des Schleswig Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf ausgestellte Schadel bei der Praparation fur die Ausstellung durch Karl Schlabow wohl aus asthetischen Grunden mit einem ursprunglich nicht zu diesem Kopf gehorigen Unterkiefer erganzt wurde 6 7 Datierung Bearbeiten Der Mann von Osterby wurde aufgrund seiner charakteristischen Frisur in die Romische Kaiserzeit datiert Durch eine 14C Datierung einer Haarprobe aus dem Nachlass von Alfred Dieck einer moglicherweise unsicheren Quelle 8 konnte sein Todeszeitpunkt in dem Zeitraum zwischen 75 und 130 n Chr genauer eingegrenzt werden 9 Deutung BearbeitenDie Fundumstande die Umstande der Deponierung des Mannes von Osterby sowie die gefundenen Objekte weisen zahlreiche Parallelen zu anderen Moorleichenfunden auf Der Mann von Osterby wurde wie andere Funde aus der Eisenzeit enthauptet und im Moor niedergelegt Die Frakturen am Schadel durch Einschlagen mit einem stumpfen Gegenstand deuten auf eine beabsichtigte Mehrfachtotung hin Ob an dem Mann eine Todesstrafe aufgrund germanischer Rechtssitten vollstreckt oder ob er geopfert wurde lasst sich heute nicht mehr sicher klaren Mehrere Moorleichen belegen diese Praxis unter anderem der Mann von Datgen der ebenfalls einen Suebenknoten tragt und dessen Kopf mehrere Meter vom Korper entfernt gefunden wurde oder auch die Frau von Roum Mose aus Danemark Ob auch der Korper des Mannes von Osterby in der Nahe des Kopfes im Moor abgelegt wurde ist ebenfalls nicht mehr ermittelbar da dieser moglicherweise unbemerkt mit dem Torf abgebaut wurde an einer weiter entfernten Stelle noch unentdeckt liegt oder bereits historisch auf andere Weise beseitigt wurde Literatur BearbeitenMichael Gebuhr Moorleichen in Schleswig Holstein Hrsg Verein zur Forderung des Archaolog Landesmuseums e V Schloss Gottorf Wachholtz Neumunster 2002 ISBN 3 529 01870 8 Karl Kersten Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernforde In Institut fur Ur und Fruhgeschichte der Christian Albrechts Universitat zu Kiel Hrsg Offa Berichte u Mitteilungen zur Urgeschichte Fruhgeschichte u Mittelalterarchaologie Band 8 Wachholtz 1949 ISSN 0078 3714 S 1 2 Erstpublikation Karl Schlabow Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby In Institut fur Ur und Fruhgeschichte der Christian Albrechts Universitat zu Kiel Hrsg Offa Berichte u Mitteilungen zur Urgeschichte Fruhgeschichte u Mittelalterarchaologie Band 8 Wachholtz 1949 ISSN 0078 3714 S 3 7 Wijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor Die vor und fruhgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa Batavian Lion International Amsterdam 1996 ISBN 90 6707 416 0 niederlandisch Originaltitel Vereeuwigd in het veen Ubersetzt von Henning Stilke Weblinks BearbeitenDer Moorleichenfund von Osterby Gemeinde Osterby archiviert vom Original am 26 Februar 2009 abgerufen am 6 Dezember 2011 Karl Schlabow Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby Gemeinde Osterby archiviert vom Original am 5 Januar 2012 abgerufen am 6 Dezember 2011 Osterby Man A D 1 100 In The Perfect Corpse homepage NOVA PBS abgerufen am 6 Dezember 2011 englisch Foto des Kopfes TK25 Blatt 1524 Hutten Ausgabe 1877 In GeoGREIF Geographische Sammlungen Universitat Greifswald abgerufen am 6 Dezember 2011 Lage der beiden Torfstiche sudostlich der Ortslage Einzelnachweise Bearbeiten Karl Kersten Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernforde In Institut fur Ur und Fruhgeschichte der Christian Albrechts Universitat zu Kiel Hrsg Offa Berichte u Mitteilungen zur Urgeschichte Fruhgeschichte u Mittelalterarchaologie Band 8 Wachholtz 1949 ISSN 0078 3714 S 1 Abb 1 Erstpublikation Heather Catherine Gill Robinson The iron age bog bodies of the Archaeologisches Landesmuseum Schloss Gottorf Schleswig Germany Dissertation University of Manitoba Manitoba Kanada 2006 ISBN 0 494 12259 5 englisch Wappen Gemeinde Osterby archiviert vom Original am 26 Februar 2009 abgerufen am 6 Dezember 2011 Gemeinde Osterby Kreis Rendsburg Eckernforde In Wappenrolle Schleswig Holstein www schleswig holstein de abgerufen am 5 Februar 2020 Peter Lohr Die Moorleiche von Osterby Die experimentelle Schrumpfung von Schadeln Anthropologisches Institut der Universitat Kiel Kiel 1950 Dissertation Thomas Brock Rehabilitation einer Moorleiche In Abenteuer Archaologie Kulturen Menschen Monumente Nr 1 2007 ISSN 1612 9954 S 58 63 hier S 61 62 Thomas Brock Windeby Geheimnis der Moorleichen geluftet In Spiegel online 17 August 2007 abgerufen am 6 Dezember 2011 Wijnand van der Sanden C14 Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig Holstein In Niedersachsischer Landesverein fur Urgeschichte Hrsg Die Kunde N F Nr 46 1995 ISSN 0342 0736 S 137 155 zur Herkunft der analysierten Probe GrA 822 Johannes van der Plicht Wijnand van der Sanden A T Aerts H J Streurman Dating bog bodies by means of 14C AMS In Journal of Archaeological Science Band 31 Nr 4 April 2004 ISSN 0305 4403 S 471 491 doi 10 1016 j jas 2003 09 012 englisch ub rug nl PDF 388 kB abgerufen am 2 Juni 2010 PersonendatenNAME Mann von OsterbyKURZBESCHREIBUNG MoorleicheGEBURTSDATUM 1 JahrhundertSTERBEDATUM zwischen 75 und 130STERBEORT bei Osterby Kreis Rendsburg Eckernforde Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mann von Osterby amp oldid 228637714