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Bei dem Jungen von Kayhausen handelt es sich um eine mannliche Moorleiche aus dem 4 bis 1 Jahrhundert vor Chr aus dem Kayhauser Moor nahe der Ortschaft Kayhausen bei Bad Zwischenahn im Landkreis Ammerland in Niedersachsen Die Uberreste des Jungen von KayhausenDie Moorleiche wird im Landesmuseum fur Natur und Mensch in Oldenburg unter der Inventarnummer OL 5935 aufbewahrt das Pelzcape und weitere Informationen zu dem Fund des Jungen von Kayhausen finden sich in der Dauerausstellung Inhaltsverzeichnis 1 Auffindung 2 Beschreibung 3 Befunde 3 1 Isotopenanalysen 3 2 Datierung 4 Deutung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAuffindung Bearbeiten nbsp Umhang aus KalbfellAn der Fundstelle wurde bereits fruher die oberste etwa 50 60 cm starke Torfschicht im Moorbrandverfahren abgetragen Am 3 Juli 1922 stiess der Torfstecher Roggemann bei seiner Arbeit im Kayhausener Moor etwa 120 cm unterhalb der Oberflache auf einen Unterschenkelknochen und Stucke eines Pelzumhangs des auf dem Rucken liegenden Jungen Er legte die Leiche vollkommen frei und informierte den Vertrauensmann des Museums Sandstede in Bad Zwischenahn der die Nachricht an J Martin den Direktor des Staatlichen Museums fur Naturkunde und Vorgeschichte in Oldenburg weitergab Martin reiste am folgenden Tag an und untersuchte und fotografierte die Leiche und die Fundstelle Beim Freilegen des Leichnams wurden beide Hande die noch im Torf steckten abgerissen und konnten nur in einzelnen Knochen geborgen werden Roggemann brachte auf Bitten Martins die Leiche auf einer Schubkarre nach Bad Zwischenahn wo er sie in einem Nebenraum des Gasthofs Spieker bis zum endgultigen Transport ins Museum einige Tage zwischenlagerte Auf dem Weg zum Gasthof beschrieb Roggemann mehreren Personen die von dem Fund erfahren hatten den genauen Fundort ohne diesen jedoch zu verraten dass er die gesuchte Moorleiche gerade auf seiner Schubkarre mit sich fuhrte Wahrend die Leiche im Nebenraum der Gaststatte lagerte kamen zahlreiche Schaulustige und nahmen einzelne Knochen und Fingernagel der Leiche als Andenken mit Nach der Ankunft im Museum in Oldenburg wurde die Leiche von einem Arzt und das mitgefundene Wollgewebe von einem Textilfachmann untersucht deren Berichte jedoch nicht mehr existieren Fundort 53 9 45 N 8 2 31 2 O 53 1625 8 042 Koordinaten 53 9 45 N 8 2 31 2 O 1 Beschreibung BearbeitenBeim Auffinden war die Haut der Leiche nahezu weiss Auf der Vorderseite verfarbte sie sich jedoch dunkelbraun da die Leiche mehrere Tage der Luft und Sonne ausgesetzt und bereits stark eingetrocknet war Auf der Ruckseite bewahrte sie ihre hellgraue Farbe Der Junge war mit einer komplizierten Vorrichtung aus zwei verdrehten Streifen Wollstoff gefesselt Mit einem zu einem Strick verdrehten groben mehrmals geflickten Wollstoff wurden beide Unterarme auf dem Rucken gefesselt und die losen Streifen um den Hals befestigt Ein zweites zusammengeschlagenes langes Stuck aus einem feineren Wollstoff wurde am Hals verknotet uber die verschnurten Arme hinweg durch den Schritt zwischen den Beinen hindurch auf die Vorderseite gefuhrt und wieder am Hals verknotet Allerdings riss diese Verschnurung bei der Bergung der Leiche sowohl vorne als auch hinten in Halsnahe Neben der Leiche lag eine weitere zusammengeknauelte Schlinge aus einem feinen Wollstoff Alle Wollstoffe waren in Leinwandbindung gewebt und stammen vermutlich von der Kleidung des Jungen Die Fusse waren mit einem Umhang aus Kalbfell zusammengebunden Zu diesem Umhang gibt es mehrere erhaltene Vergleichsfunde wie den der Frau von Elling des Madchens von Drobnitz der Frau von Haraldskaer oder des Mannes aus Jurdenerfeld Diese Verschnurungen wurden erst nach dem Tode des Jungen angebracht und dienten vermutlich zum Tragen der Leiche Die Leiche ist aufgrund der entkalkten Knochen und des Drucks im Moor auf 5 bis 8 cm zusammengedruckt Das Muskel und Fettgewebe ist vollig abgebaut das Bindegewebe der Hauthulle ist dagegen vollstandig erhalten wirkt etwas aufgequollen mit deutlich sichtbaren Poren Die Knochen waren bei der Auffindung weich und biegsam hatten jedoch ihre ursprungliche Form bewahrt und waren dunkel verfarbt Die Haare des Jungen sind durch die Mooreinwirkung uberwiegend rot gefarbt nur an wenigen Stellen ohne Mooreinfluss erhielt sich ihre dunkelblonde Farbe 2 Die Haare sind auf dem Kopf etwa 45 mm lang wohingegen sie im Nacken angeschnitten und deutlich kurzer sind Der Schadel zeigt keine Bruche die Knochen sind aufgeweicht und stark deformiert Das Gesicht fehlt beide Ohren gingen bei der Bergung verloren Im Oberkiefer sind die Zahnlocher deutlich sichtbar die Zahne gingen ebenso wie die Fingernagel wahrend und nach der Bergung verloren Lediglich ein Backenzahn konnte an der Fundstelle geborgen werden Das Skelett sowie der Schadel der Leiche sind teilweise vergangen und durch die Lagerung im Moor flachgedruckt Die gesamte Hauthulle ebenso wie Gesicht und Kopf sind in Folge vollig deformiert und unkenntlich Die ursprunglich erhaltenen und nur wenig veranderten Zehen und Fingernagel gingen bis zum Eintreffen im Museum verloren Befunde BearbeitenDer Junge lag lang ausgestreckt auf dem Rucken Er wurde im Moor versenkt ohne dass dafur eine Grube ausgehoben wurde Die Uberreste des Kindes wurden mit langeren Abstanden mehrfach untersucht 1922 ergab eine arztliche Untersuchung dass es sich um einen Jungen handelt dessen Haut weich war wie feines Leder Der Arzt entdeckte drei parallele Einstichstellen im Halsbereich und schloss auf eine gewaltsame Totung des Jungen Es folgte die Konservierung der Leiche mit einer Mischung aus Formaldehyd Glycerin und Wasser Einige isoliert vorliegende Knochen der Wirbelsaule wurden getrocknet und separat aufbewahrt 3 Der rechte Oberarmknochen war gebrochen und die Enden durchstachen die Haut Diese Verletzung muss kurz vor oder wahrend der Versenkung des Jungen im Moor eingetreten sein Der Bauchbereich des Jungen weist eine grossere Verletzung auf Sie wurde vermutlich von einem Stock verursacht mit der die Leiche unter der Mooroberflache gehalten wurde oder aber durch ein Platzen des Magens und der Bauchdecke in Folge sich bildender Faulgase Alle Eingeweide lagen sehr flach gedruckt im Korper des Jungen vor 1952 erfolgte eine zweite Untersuchung die das Geschlecht und die Todesursache bestatigte In den erhaltenen Eingeweiden fanden sich im Magen zwei Apfelkerne aus denen Ruckschlusse auf die letzte Mahlzeit und den Todeszeitpunkt im Herbst oder Winter gezogen werden konnten Teile der Haut wurden der Leiche zu Probezwecken entnommen und separat gelagert Diese Untersuchung bestatigte auch dass sich der Zustand der Leiche seit der Feuchtkonservierung im Jahre 1922 nicht merklich verandert hatte Eine Rontgenuntersuchung zeigte eine krankhaft veranderte Geometrie des rechten Oberschenkelkopfes was mit einer Versteifung des Huftgelenkes und damit erheblicher funktioneller Einschrankung beim Gehen verbunden gewesen sein muss Dieses Gelenk hatte eine entzundliche Vereiterung uberstanden die zum Todeszeitpunkt des Jungen jedoch abgeheilt war 1996 erfolgte eine Untersuchung durch Archaologen Gerichtsmediziner und einen Zahnarzt Der gegenwartige Befund wurde durch eine Kernspintomographie dokumentiert Eine Computertomographie erbrachte aufgrund der entkalkten Knochen keine aussagekraftigen Befunde Die wollene Verschnurung wurde gelost und am Hals des Jungen zeigten sich die drei dicht beieinander liegenden Einstichstellen eines Messers zwei unter seinem linken Ohr und eine vorn am Hals Die Stiche waren dem Jungen vor seiner Fesselung beigebracht worden denn die Einstichstellen waren von unversehrtem Wollstoff uberdeckt Eine weitere 4 cm lange Stichwunde befindet sich innen am linken Oberarm Diesen Stich hat der Junge von vorn bei erhobenem Arm erhalten Die Untersuchung der Eingeweide erbrachte weitere sieben Apfelkerne sowie zahlreiche Samen des Ampfer Knoterichs Polygonum lapathifolium Rontgenuntersuchungen zeigten deutliche Harris Linien am linken Schienbein die auf wiederkehrende Wachstumsstorungen infolge von Mangelernahrung oder Krankheiten hindeuten 4 Das Geschlecht der Leiche konnte nicht mehr sicher bestatigt werden da die Genitalien aufgrund der langen Lagerung nicht mehr erhalten sind Das Alter des Jungen wurde aufgrund eines erhaltenen Backenzahns aus dem Milchgebiss auf maximal siebeneinhalb Jahre geschatzt Seine Korpergrosse wird auf etwa 1 20 bis 1 35 m zu Lebzeiten eingegrenzt Isotopenanalysen Bearbeiten Die Befunde einer rontgenfluoreszenzspektroskopischen Untersuchung von Metallisotopen in Zahnen und Knochen zur Eingrenzung der geographischen Herkunft des Jungen ergab dass die Konservierungsflussigkeit in der die Leiche des Jungen uber Jahrzehnte aufbewahrt wurde zahlreiche Isotopen aus den Knochen ausgewaschen hat Dies erschwert die Heranziehung dieser Isotopenmuster fur eine geochemische Einordnung Dagegen wiesen die trocken praparierten Knochen aus der Wirbelsaule deutlich hohere Isotopenwerte auf Die Auswertung der Strontiumisotopenanalyse an den Trockenpraparaten im Vergleich mit den geochemischen Daten der Region um die Fundstelle ergaben dass der Junge hochstwahrscheinlich in der Umgebung der Fundstelle aufgewachsen war Die Trockenpraparate wiesen dagegen ungewohnlich erhohte Blei und Zinkisotopenwerte auf deren Ursache nicht sicher erklarbar sind Moglicherweise wurden diese Praparate nach der Bergung im noch feuchten Zustand uber langere Zeit in einem metallenen Behalter aufbewahrt der diesen Metallioneneintrag verursachte 3 Datierung Bearbeiten Eine in den 1950er Jahren durchgefuhrte pollenanalytische Bestimmung ergab einen Todeszeitpunkt in der romischen Eisenzeit etwa im 1 oder 2 Jahrhundert nach Chr 5 Durch 14C Untersuchungen einer Haar zweier Knochen und zweier Textilproben konnte er in das 4 bis 1 Jahrhundert v Chr datiert werden 6 Eine genauere Eingrenzung der Datierung war aufgrund des Zustands der Proben technisch nicht moglich Zudem erwies sich eine Textilprobe als rezentes modernes Material das vermutlich von der unsachgemassen Behandlung der Leiche nach deren Auffindung stammt Deutung BearbeitenDer Grund fur die Totung des Jungen lasst sich aus den bisher vorliegenden Ergebnissen nicht erkennen Es bleibt offen ob er einem Totungsdelikt zum Opfer fiel oder in einem Kampf starb ob er hingerichtet oder geopfert wurde Literatur BearbeitenLandesmuseum fur Natur und Mensch Hrsg Museumsjournal Natur und Mensch Naturkunde Kulturkunde Museumskunde Nr 6 Isensee 2010 ISSN 1862 9083 S 15 157 Schwerpunkt aktuelle Untersuchungsergebnisse der Uberreste des Jungen von Kayhausen Peter Pieper u a Moorleichen In Mamoun Fansa Hrsg Weder See noch Land Moor eine verlorene Landschaft Oldenburg 1999 ISBN 3 89598 591 0 Wijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor Die vor und fruhgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa Batavian Lion International Amsterdam 1996 ISBN 90 6707 416 0 niederlandisch Originaltitel Vereeuwigd in het veen Ubersetzt von Henning Stilke Hajo Hayen Die Moorleichen im Museum am Damm In Veroffentlichungen des Staatlichen Museums fur Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg Band 6 Isensee Oldenburg 1987 ISBN 3 920557 73 5 S 27 35 Hajo Hayen Die Knabenmoorleiche aus dem Kayhausener Moor In Oldenburger Landesverein fur Geschichte Natur und Heimatkunde e V Hrsg Oldenburger Jahrbuch Band 63 1964 ISSN 0340 4447 S 19 42 J Martin Beitrage zur Moorleichenforschung Der Moorleichenfund von Kayhausen bei Zwischenahn in Oldenburg In Gustaf Kossinna Hrsg Mannus Zeitschrift fur Vorgeschichte Nr 16 Kabizsch 1924 ISSN 0025 2360 S 240 248 Erstpublikation Weblinks BearbeitenDie Kayhauser Moorleiche Bad Zwischenahn abgerufen am 6 Januar 2013 Beschreibung des Fundes Einzelnachweise Bearbeiten Landesmuseum fur Natur und Mensch Hrsg Museumsjournal Natur und Mensch Naturkunde Kulturkunde Museumskunde Nr 6 Isensee 2010 ISSN 1862 9083 Aktuelle Untersuchungsergebnisse der Uberreste des Hautstuckes Seiten 15 Falk Georges Bechara Histologische elektronenmikroskopische immunhistologische und IR spektroskopische Untersuchungen an der Haut 2000 Jahre alter Moorleichen Dissertation Ruhr Universitat Bochum 2001 S 27 29 ruhr uni bochum de PDF abgerufen am 20 Oktober 2009 a b Guinevere Granite Andreas Bauerochse X Ray Fluorescent Spectroscopy and its Application to the Analysis of Kayhausen Boy In Landesmuseum fur Natur und Mensch Hrsg Museumsjournal Natur und Mensch Naturkunde Kulturkunde Museumskunde Nr 6 Isensee 2010 ISSN 1862 9083 S 89 97 englisch Falk Georges Bechara 2001 Bechara spricht in seiner Publikation von Haarriss Linien Hajo Hayen Die Moorleichen im Museum am Damm S 35 Johannes van der Plicht Wijnand van der Sanden A T Aerts H J Streurman Dating bog bodies by means of 14C AMS In Journal of Archaeological Science Band 31 Nr 4 April 2004 ISSN 0305 4403 S 471 491 doi 10 1016 j jas 2003 09 012 englisch ub rug nl PDF 388 kB abgerufen am 2 Juni 2010 PersonendatenNAME Junge von KayhausenKURZBESCHREIBUNG MoorleicheGEBURTSDATUM zwischen 5 Jahrhundert v Chr und 1 Jahrhundert v Chr STERBEDATUM zwischen 4 Jahrhundert v Chr und 1 Jahrhundert v Chr STERBEORT bei Kayhausen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Junge von Kayhausen amp oldid 236652975