www.wikidata.de-de.nina.az
Das Madchen von Drobnitz war eine hallstattzeitliche Moorleiche die 1939 bei Drobnitz heute Drweck Landkreis Osterode in Ostpreussen gefunden wurde Sie war eine der wenigen dokumentierten Moorleichenfunde auf dem Gebiet Ostpreussens bzw Osteuropas Der Fund ging am Ende des Zweiten Weltkriegs verloren 1 Inhaltsverzeichnis 1 Fund 2 Befunde 2 1 Anthropologische Befunde 2 2 Beifunde 2 3 Datierung 3 Deutung 4 Literatur 5 Anmerkungen und Einzelnachweise 6 WeblinksFund BearbeitenDas Madchen von Drobnitz wurde am 15 Juli 1939 von Erich Redmann einem Arbeiter des Reichsarbeitsdienstes bei Arbeiten im Drobnitzer Moor entdeckt Zunachst stiessen sie auf ein Stuck Fell und versuchten es aus der Erde zu ziehen wobei sie der darin eingewickelten Leiche beide Beine aus den Huftgelenken rissen Die Fundmeldung ging am 19 Juli im Landesamt fur Vorgeschichte ein und am 20 Juli wurden die von ihrem ursprunglichen Fundort verlagerten Uberreste geborgen Beide Beine der Leiche waren grosstenteils verloren und bei der Nachgrabung konnte lediglich ein Oberschenkelknochen wiedergefunden werden Der Finder Redmann wurde zu den genauen Fundumstanden befragt und dazu ein Protokoll angefertigt Anschliessend wurden die Uberreste in das Prussia Museum in Konigsberg gebracht wo der Fund wissenschaftlich untersucht und konserviert wurde 2 Etwaige Lage 53 33 33 N 20 12 26 O 53 559166666667 20 207222222222 Koordinaten 53 33 33 N 20 12 26 O 3 Befunde Bearbeiten nbsp Gesicht des Madchens kurz nach der AusgrabungDas Madchen lag ausgestreckt auf dem Rucken und war in einen Pelzumhang gewickelt Sowohl die Leiche als auch der Pelzumhang waren in einem sehr guten Erhaltungszustand Ihre Arme waren uber der Brust verschrankt und der Kopf nach rechts gedreht Die genaueren Umstande wie ihre geographische Ausrichtung die Tiefe oder die Fundschicht liessen sich nicht mehr genau ermitteln da der Fund undokumentiert von dem Liegeplatz entfernt und die Fundstelle bereits weiter abgegraben worden war Der Biologe Dr Gross untersuchte die Fundstelle am 24 Juli und zog einige Proben fur die Pollenanalyse In acht Metern Entfernung liess er eine 260 cm tiefe Bohrung im Moor durchfuhren Vergleiche der an der Leiche anhaftenden Torfreste mit Proben des Drobnitzer Moores ergaben dass die Leiche in einer Tiefe von 160 bis 205 Zentimetern in stark zersetztem Sphagnumtorf gelegen haben muss Als einzige Beigabe wurden Reste eines Kamms gefunden 2 Anthropologische Befunde Bearbeiten Bei der Moorleiche von Drobnitz handelte es sich um ein etwa 12 bis 14 jahriges Madchen Ihr Korper war bis auf die bei der Bergung verloren gegangenen Beine vollstandig erhalten Die Haut war bei der Auffindung noch schwammig und weich Eine Obduktion durch die Konigsberger Mediziner Krause und Zeiger ergab dass alle inneren Organe deutlich erkennbar waren und die Struktur der Gewebe erhalten geblieben war Ebenso waren Knochen Zahne und Fingernagel erhalten Die Todesursache liess sich weder anhand der Obduktion noch durch die von Dr Loepp angefertigten Rontgenaufnahmen ermitteln An den Knochen wurden insgesamt elf Harris Linien gefunden die wie bei der Moorleiche von Windeby I Anzeichen fur wiederkehrende Phasen der Mangelernahrung im Leben des Madchens sind 4 Der Magen und Darminhalt wurde von Walter von Stokar und H Gross untersucht Es konnten noch zahlreiche Speisereste identifiziert werden die vor allem aus Blattern Bluten und Blutenknospen von Ampfer Huflattich und Lungenkraut bestanden Weiter wurden Reste von Erbsen Weizen und einige wenige Fleischfasern sowie tierische Fette gefunden Ausserdem konnten die Pollen von Lungenkraut sowie von verschiedenen Grasern Kreuzbluten und Hahnenfussgewachsen nachgewiesen werden Dies lasst vermuten dass das Madchen vor seinem Tode einen Brei gegessen hatte Das Vorhandensein von Pollen von Erle Birke und Haselnuss fuhrte zu der Annahme das Madchen sei im Fruhjahr gestorben 5 Der Darm des Madchens wurde von Lothar Szidat 1892 1973 untersucht der sehr gut erhaltene Eier von zwei Parasiten nachweisen konnte Der Darm war stark mit Peitschenwurmern schwacher mit Spulwurmern belastet Nach Szidat entsprach die Schwere des Befalls den Ergebnissen von Untersuchungen solcher Infektionen bei der ostpreussischen Landbevolkerung seiner Zeit 6 Szidat schatzte das Sterbealter des Madchens aufgrund von Befallsstatistiken der damaligen ostpreussischen Landbevolkerung auf 15 bis 19 Jahre und damit etwas hoher als die anthropologische Untersuchung ergeben hatte 7 Beifunde Bearbeiten Das Madchen war vollstandig in einen Umhang aus Schafsfell eingewickelt Dieser war aus vier Teilstucken zusammengenaht und hatte eine Hohe von 80 und eine Breite von etwa 150 Zentimetern Die Nahte waren mit feinen etwa 1 bis 1 2 mm breiten verdrillten Lederschnuren im Uberwendlichstich ausgefuhrt Im Halsbereich waren die Rander umgeschlagen An einer Ecke des Halsbereiches waren ein Lederband und an der gegenuberliegenden eine lederne Schlaufe als Verschluss angenaht Fur einen besseren Sitz auf den Schultern waren zwei Abnaher in den Schulterbereichen des Mantels angebracht An der unteren Kante war der Mantel durch einen angenahten Fellstreifen verlangert worden Auf der Innenseite waren zahlreiche Stopfstellen mit aufgesetzten Lederflicken ausgebessert die mit einem feinen Steppstich aufgenaht waren Alle diese Nahte waren sehr sorgfaltig ausgefuhrt Dagegen war der quer durch den kompletten Umhang laufende Riss etwas nachlassiger mit gedrehten Sehnen vernaht 2 Zu diesem Umhang gibt es mehrere erhaltene Vergleichsfunde wie den des Jungen von Kayhausen der Frau von Elling der Frau von Haraldskaer oder des Mannes aus Jurdenerfeld 8 Als einzige Grabbeigabe wurden bei dem Madchen die Reste eines einreihigen Holzkammes mit breiter Griffplatte gefunden Dieser war relativ grob aus einem etwa drei Millimeter dicken Holzstuck gearbeitet Der in zwei Teilen erhaltene Kamm hatte ursprunglich eine Lange von etwa zehn Zentimetern Die Griffplatte war geschweift die Griffflache war flachig mit Kreisaugen verziert und wies an beiden Enden Osen auf Durch die erhaltene Ose war eine Schnur aus verzwirnter Wolle gezogen die deutliche Gebrauchsspuren zeigte und vermutlich zu einer Tragvorrichtung gehorte 2 9 Datierung Bearbeiten Eine moorgeologische Datierung aufgrund der Torfschichten oder Tiefe war nicht moglich da diese bei der Ausgrabung nicht beachtet worden waren Die Pollenanalyse der an der Leiche anhaftenden Torfreste im Vergleich mit den in 8 Metern Entfernung gezogenen Proben ergab dass die Leiche etwa um 500 vor Chr in das Moor gelangt war Typologische Vergleiche des Kamms vor allem mit Kammdarstellungen auf fruheisenzeitliche Keramikgefassen und Gesichtsurnen aus Mittel und Osteuropa bestatigten diese Datierung in die fruhe Eisenzeit genauer in die Hallstattzeit Stufe Ha D nach Eggers zwischen 650 und 475 v Chr 2 Deutung BearbeitenDie Todesursache des Madchens von Drobnitz liess sich nicht ermitteln ebenso liessen sich keine Hinweise fur eine Totung finden Die Tatsache dass das Madchen in einen Pelzumhang eingeschlagen wurde und auf dem Rucken ruhte sowie der beigegebene Kamm lassen eine Bestattung wahrscheinlich erscheinen Moglicherweise wurde diese aus unbekannten Grunden ausserhalb eines Bestattungsplatzes oder Graberfeldes und als Korperbestattung in Zeiten als die Brandbestattungssitte vorherrschte ausgefuhrt Die Deutung des Fundensembles lasst eine vielfach bei Moorleichen beobachtete Opferung eher unwahrscheinlich erscheinen Torfproben vom Rucken der Moorleiche mit darin eingelagerten Resten von Wassertieren deuten an dass die Leiche in einem flachen Tumpel abgelegt wurde der schnell verlandete 2 Literatur BearbeitenWijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor Die vor und fruhgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa Batavian Lion International Amsterdam 1996 ISBN 90 6707 416 0 S 89 96 111 123 144 niederlandisch Originaltitel Vereeuwigd in het veen Ubersetzt von Henning Stilke Marija Gimbutas Die Balten Geschichte eines Volkes im Ostseeraum Herbig Munchen 1983 ISBN 3 7766 1266 5 S 79 80 234 englisch The Balts Ubersetzt von Georg Auerbach Helmut Wurm Konstitution und Ernahrung III Zur Konstitution und Ernahrung der fruhgeschichtlichen Germanen In Gegenbaurs morphologisches Jahrbuch Nr 132 Geest amp Portig 1986 ISSN 0016 5840 S 899 951 Marija Gimbutas The Balts Thames and Hudson London 1963 S 79 80 234 englisch vaidilute com PDF 714 kB abgerufen am 5 Dezember 2011 Wolfgang La Baume Die vorgeschichtliche Moorleiche aus Drobnitz Kr Osterode Ostpr In Forschungen und Fortschritte Band 16 Nr 34 1940 S 387 389 Wolfgang La Baume Der Moorleichenfund von Drobnitz Kr Osterode Ostpr In Alt Preussen Vierteljahresschrift fur Vorgeschichte und Volkskunde Band 5 Heft 3 1940 S 17 22 Erstpublikation Anmerkungen und Einzelnachweise Bearbeiten van der Sanden S 89 a b c d e f Wolfgang La Baume Der Moorleichenfund von Drobnitz Kr Osterode Ostpr In Alt Preussen Vierteljahresschrift fur Vorgeschichte und Volkskunde 5 Heft 3 1940 S 17 22 Fundort in Literatur nicht genau spezifiziert Daten ermittelt nach TK25 Blatt 2487 Hohenstein Ausgabe 1933 Abgerufen am 5 Dezember 2011 Nordlich der Hauptstrasse in Richtung Hohenstein beginnt dicht ostlich der beiden Gehofte ein versumpfter Uferstreifen entlang eines namenlosen Baches in dem ein Dutzend Torfstiche eingetragen sind etwa drei Kilometer nordlich fallt eine regelmassige Torfstichgrube mit etwa 80 Torfabbaustellen auf die allerdings nicht mehr zu Drobnitz gehorten Wurm Abschnitt 4 van der Sanden S 111 Lothar Szidat Uber die Erhaltungsfahigkeit von Helmintheneiern in Vor und Fruhgeschichtlichen Moorleichen In Parasitology Research Band 4 Nr 13 Oktober 1944 S 265 274 doi 10 1007 BF03177148 van der Sanden S 144 van der Sanden S 123 van der Sanden S 96 Weblinks BearbeitenMarija Gimbutas Zwei Fotos des Umhangs In The Balts S 234 abgerufen am 5 Dezember 2011 englisch Marija Gimbutas Zeichnung des Kamms In The Balts S 80 abgerufen am 5 Dezember 2011 englisch PersonendatenNAME Madchen von DrobnitzKURZBESCHREIBUNG MoorleicheGEBURTSDATUM 6 Jahrhundert v Chr oder 5 Jahrhundert v Chr STERBEDATUM unsicher um 500 v Chr STERBEORT bei Drobnitz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Madchen von Drobnitz amp oldid 239082820