www.wikidata.de-de.nina.az
Die Katorga russisch ka torga abgeleitet vom griechischen kateirgon zwingen war nach der Todesstrafe die schwerste Strafe im Russischen Zarenreich bei welcher der Strafling verbannt wurde und Zwangsarbeit zu leisten hatte Meist erfolgte eine Verschickung in die unwirtlichen Gebiete des Landes wie etwa nach Sibirien und ab den 1870er Jahren auch auf die Insel Sachalin am ostlichsten Ende des Zarenreichs Ebenfalls verloren die Haftlinge samtliche Burgerrechte Burgerlicher Tod und durften auch nach Ablaufen der Strafzeit nicht ins europaische Russland zuruckkehren sondern mussten den Rest ihres Lebens in der Verbannung verbringen Straflinge in einem Lager vor Antritt der Arbeit beim Bau der Amur Eisenbahn um 1908 1913 Das Katorgasystem kann man in zwei historisch unterschiedlichen Zeitabschnitten finden die zaristische Katorga die Peter der Grosse in Russland einfuhrte und die stalinistische Katorga der Jahre von 1943 bis 1948 Ihr Wesen war jedoch recht ahnlich Die Baltische Historische Kommission beschreibt die Katorga des russischen Strafkodexes von 1845 unter anderem wie folgt Katorga war die schwerste Freiheitsstrafe verbunden mit der Entziehung aller Standesrechte und Verlust der Familien und Eigentumsrechte 29 Sie war entweder lebenslanglich oder zeitig 4 bis 20 Jahre und wurde in Bergwerken Festungen oder Fabriken vollzogen 1 Fur die Katorgalager der Stalinzeit gilt das Gleiche Jacques Rossi vergleicht beide Systeme wobei man daraus den Schluss ziehen kann dass die stalinistische Katorga einem noch scharferen Regime unterzogen wurde 2 3 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Zielsetzungen 3 Organisation 4 Quellen 5 Darstellungen 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenVerbannung als Strafe ssy lka ssylka wurde erstmals mit dem Strafkodex von 1649 unter Zar Alexei I begrundet Peter der Grosse begrundete 1696 die Strafe der Katorga die zunachst nicht in Sibirien geleistet wurde sondern dazu dienen sollte eine russische Flotte aufzubauen Erst ab 1767 wurden die Haftlinge vermehrt nach Sibirien geschickt um dort Zwangsarbeit zu leisten Mit der faktischen Abschaffung der Todesstrafe unter Zarin Elisabeth im Jahr 1753 nahm die Zahl der Katorga Haftlinge weiter zu Noch weiter stiegen die Verschickungen ab 1760 da nun auch adlige Dorfbesitzer das Recht erlangten Leibeigene nach eigenem Ermessen in die Verbannung zu schicken Im Vordergrund stand die Ausbeutung der zahlreichen sibirischen Bodenschatze wie Gold Silber Eisen und Blei in Erzminen Bis Mitte der 1850er Jahre war der Minendistrikt von Nertschinsk das grosste und wichtigste Haftlager in Sibirien verlor danach aber immer weiter an Bedeutung da die Erzvorkommen erschopft waren und die Zustande in den Lagern rapide schlechter wurden Aus diesen Grunden wurde in den folgenden Jahrzehnten ein neuer Minendistrikt im Tal der Kara eingerichtet der jedoch auch die Massen an Haftlingen nicht aufnehmen konnte Besonders durch die Aufstande in Kongresspolen zwischen 1830 und den 1860er Jahren stieg die Zahl der zu Katorga Verurteilten massiv an Wahrend anfangs vor allem russische Adlige aufgrund politischer Agitationen und Verschworungen verbannt wurden wie etwa die Teilnehmer des Dekabristenaufstandes 1825 waren es nun vor allem Angehorige der aufstrebenden Intelligenz die den grossten Anteil der Verbannten stellen Mit den Reformen von 1890 wurden seitdem auch politische Haftlinge und reine Kriminelle nicht langer getrennt was zu Konflikten in den Lagern fuhrte Mit der Revolution von 1905 und den gewandelten politischen Verhaltnissen wurden bis zum Untergang des Zarenreichs nun vor allem politische Gefangene wie Sozialdemokraten und Sozialrevolutionare in die Verbannung und Zwangsarbeit geschickt Insgesamt wurden zwischen 1807 und 1917 etwa 1 5 Millionen Menschen nach Sibirien verbannt 4 Exakte Zahlen liegen nicht vor Die statistischen Daten sind aufgrund mangelhafter Aufzeichnungen nicht eindeutig Als mit der Februarrevolution 1917 das Zarenreich zusammenbrach endete auch die Praxis der Katorga In der Folgezeit kehren zahlreiche Haftlinge aus den ostlichen Regionen zuruck und es entwickelte sich in Sowjetrussland und der fruhen Sowjetunion eine rege Aufarbeitung der Ereignisse Verbannte Betroffene Angehorige und auch ehemaliges Personal veroffentlichten Tagebucher Aufzeichnungen Erinnerungen und Nekrologe an die Zeit der Haft Mit Beginn des Stalinismus und dem Aufbau des Gulag Systems endete die relativ liberale und produktive Phase und die Katorga wurde aufgrund der eindeutigen Parallelen zum neuen Haftsystem kaum weiter thematisiert Erst mit dem Tode Stalins 1953 und der folgenden Entstalinisierung ab 1956 ruckte das Thema wieder starker in den wissenschaftlichen Fokus Im Westen war die Katorga Forschung bis in die 1990er Jahre kaum vorhanden und wird vor allem durch die Arbeiten von Alan Wood betrieben Zielsetzungen BearbeitenMit der Exilpraxis und dem System der Katorga sollten vor allem drei Ziele erreicht werden Zum einen diente es als Moglichkeit Kriminelle und andere unerwunschte Personen aus dem europaischen Russland zu entfernen und erfullte somit eine gesellschaftliche Funktion Neben Schwerverbrechern wie Mordern Raubern und Vergewaltigern wurden besonders die politischen Aktivisten verbannt und mit den schwersten Strafen belegt da sie in den Augen des Zaren eine erhebliche Bedrohung fur das System der Autokratie darstellten Besonders nach Aufstanden oder Attentaten wurden die Repressionen verscharft und vermehrt Menschen aufgrund politischer Straftaten verbannt Heute ubliche Methoden im Strafvollzug die eine Resozialisierung ermoglichen sollen waren in der Vergangenheit nicht bekannt Da die Katorga eine Verbannung fur den Rest des gesamten Lebens einschloss wurden unerwunschte Personen damit dauerhaft aus den westlichen Gebieten entfernt Dass die Kriminalitat damit nicht beseitigt sondern nur verschoben wurde war unvermeidlich Die zweite Absicht betrifft die okonomische Ausbeutung Sibiriens und zeigte sich vor allem in der Praxis Zwangsarbeit in Fabriken oder Minen leisten zu lassen Die reichen Vorrate an Gold und Silber sollten auf diese Weise genutzt werden Da besondere Gebiete direkt der kaiserlichen Familie unterstanden flossen die Gewinne auch in den Privatbesitz des Zaren Jedoch verlor die okonomische Ausbeutung mit der Zeit an Bedeutung da bestimmte Vorkommen etwa in Nertschinsk Mitte des 19 Jahrhunderts erschopft waren und mit den vergleichsweise primitiven Abbaumethoden nicht weiter bearbeitet werden konnten Drittes Ziel der Verbannung und Katorga war es die weiten und nur dunn besiedelten sibirischen Gebiete zu bevolkern und zu russifizieren Damit sollten ebenso die Grenzgebiete zu China gesichert werden die lange Zeit umstritten waren Auch nach dem Vertrag von Nertschinsk flackerten immer wieder Konflikte in der Grenzregion zu China auf Organisation BearbeitenDie im westlichen Russland verurteilten Straftater und politischen Gefangenen wurden zuerst in Gefangnissen gesammelt und mussten anschliessend den Weg nach Sibirien in Marschkolonnen zu Fuss zurucklegen Da die Bestimmungsorte in Ostsibirien oftmals tausende Kilometer entfernt lagen konnte eine solche Reise mehrere Jahre dauern Getrennt wurde dabei zwischen Kriminellen und politischen Haftlingen denen teilweise Hafterleichterungen zugestanden waren So durften sie die Reise mit einem Wagen zurucklegen Auch Frauen und Kinder konnten die Verbannten ins Exil begleiten mussten allerdings meistens ahnliche Strapazen auf sich nehmen Spater wurden die Fussmarsche durch technische Moglichkeiten teilweise ersetzt etwa durch den Transport auf Schiffen oder noch spater durch die Transsibirische Eisenbahn Eine bekannte Reiseroute zu spateren Zeiten war St Petersburg Moskau Nischni Nowgorod Perm Tjumen Tomsk Die Abschnitte die zu Fuss zuruckgelegt wurden waren mit Etappengefangnissen gesaumt die regelmassig als Nachtlager errichtet wurden Das Tagespensum betrug ca 25 30 Werst 27 32 km jeden dritten Tag ruhte die Kolonne Vor der Reise wurden die Haftlinge gebrandmarkt um eine Flucht zu verhindern und sie eindeutig als Haftlinge zu zeichnen Dabei wurden etwa mit gluhenden Eisen Brandmale gesetzt oder die Nase aufgeschlitzt sodass charakteristische Narben entstanden Den Mannern wurde eine Kopfseite rasiert zudem war Haftlingskleidung obligatorisch Mehrere Kilogramm schwere Fussfesseln sollten ebenso dazu beitragen Fluchtversuche zu unterbinden und die Moral der Haftlinge zu senken In besonders schlechtem Zustand waren die Etappengefangnisse da kaum finanzielle Mittel bereitgestellt wurden um adaquate Unterkunfte zu errichten Meistens bestanden diese Lager nur aus einem grossen Raum an dessen Wanden Pritschen angebracht waren Uberfullung bestand dauerhaft sodass manche Lager doppelt so viele Haftlinge aufnehmen mussten wie vorgesehen Die meisten Haftlinge mussten daher auf dem blanken Erdreich in Schmutz und Ungeziefer schlafen Als Toilettenersatz standen in der Nacht Kubel bereit die jedoch regelmassig uberliefen Die allgemeine Hygiene war ausserst mangelhaft sodass Infektionskrankheiten Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten rasch um sich griffen Dostojewski verarbeitete in Aufzeichnungen aus einem Totenhaus erschienen 1860 1862 seine Erlebnisse als politischer Gefangener von 1849 bis 1853 in Sibirien und schilderte damit die seinerzeitige Realitat der Katorga Im russischen Strafgesetzbuch von 1885 5 war es eine Strafe fur politische Gefangene bei der diese zu Zwangsarbeit in Arbeitslagern verurteilt wurden In der Regel wurden die Gefangenen auf Lebenszeit verbannt wobei die Zwangsarbeit einige Jahre nach der Deportation endete Die Delinquenten hatten sich anschliessend in der Nahe des Verbannungsorts anzusiedeln Anton Tschechow reiste 1890 auf die Insel Sachalin um dort drei Monate lang die Deportierten zu befragen Seine Erfahrung schilderte er 1894 im Buch Die Insel Sachalin Quellen BearbeitenAnton Pawlowitsch Tschechow Die Insel Sachalin Reisebericht 1890 Originaltitel Ostrov Sahalin Ostrov Sachalin ubersetzt von Gerhard Dick herausgegeben und mit Anmerkungen von Peter Urban Diogenes Zurich 1987 ISBN 3 257 20270 9 Fjodor Michailowitsch Dostojewski Aufzeichnungen aus einem Totenhaus Originaltitel Zapiski iz Myortvogo doma Zapiski iz mertvogo doma ubersetzt von Dieter Pommerenke Aufbau Berlin 1983 ISBN 3 351 02304 9 George Kennan und der Zar ist weit Sibirien 1885 Originaltitel Siberia and the Exile System ubersetzt von Ingeborg Gronke Nachwort von Helmut Grasshoff Rutten amp Loening Berlin 1978 DNB 810437686 Darstellungen BearbeitenMarkus Ackeret In der Welt der Katorga die Zwangsarbeitsstrafe fur politische Delinquenten im ausgehenden Zarenreich Ostsibirien und Sachalin Osteuropa Institut Munchen 2007 ISBN 978 3 938980 11 8 Download als PDF 2 1 MB 166 Seiten Daniel Beer Das Totenhaus Sibirisches Exil unter den Zaren Im Original The House of the Dead Siberian Exile Under the Tsars S Fischer Frankfurt am Main 2018 ISBN 978 3 10 397371 6 Andrew Armand Gentes Exile to Siberia 1590 1822 Palgrave Macmillan Basingstoke 2008 ISBN 978 0 230 53693 7 Andrew Armand Gentes Exile murder and madness in Siberia 1823 61 Palgrave Macmillan Basingstoke 2010 ISBN 978 0 230 27326 9 Siehe auch BearbeitenGulag Sonderlager des MWDEinzelnachweise Bearbeiten Baltische Historische Kommission Stichwort Katorga Memento des Originals vom 22 Februar 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www balt hiko de Zhak Rossi Spravochnik po GULAGu eine Veroffentlichung des Portals memorial krsk ru online auf memorial krsk ru Ralf Stettner Katorga Lager ab 1943 In Archipel GULag Stalins Zwangslager Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant Schoningh Paderborn u a 1996 ISBN 3 506 78754 3 S 195 f Gentes Andrew Armand Vagabondage and the Tsarist Siberian exile system power and resistance in the penal landscape in Central Asian Survey 30 2011 S 407 421 hier S 407 Cathrin Meyer zu Hoberge Strafkolonien eine Sache der Volkswohlfahrt ISBN 3 8258 4512 5 Seiten 13 14 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Katorga amp oldid 234318830