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Die Sonderlager des Innenministeriums der UdSSR MWD ehemals NKWD die in der Sowjetunion ab Februar 1948 errichtet wurden waren besondere Einrichtungen des Gulag Lagersystems fur politische Gefangene Die Bezeichnung Sonderlager lautet russisch osobyj lager ossoby lager kurz russisch osoblag Ossoblag Es existierten insgesamt zwolf solche Sonderlager Nach Stalins Tod 1953 wurden sie nach und nach wieder aufgelost beziehungsweise umstrukturiert Inhaltsverzeichnis 1 Bezeichnung 2 Zweck der Sonderlager 3 Geschichte 4 Ubersicht der Sonderlager 5 Insassenzahlen 6 Abkurzungen der Verwaltungen 7 Anmerkungen 8 Literatur 9 Einzelnachweise 10 WeblinksBezeichnung BearbeitenIn den Gesetzestexten die zur Errichtung der Sonderlager fuhrten 1 wie auch in den Arbeiten welche die Auswertung der Geschichte der Lager aufgrund von Dokumenten der NKWD MWD und anderen mit den Lagern befassten Behorden der damaligen Sowjetunion vorgenommen haben 2 3 4 wird so gut wie ausschliesslich der Begriff Sonderlager russisch osobyj lager verwendet Daneben findet man in der Sekundarliteratur wie beispielsweise bei Ralf Stettner 5 oder Jacques Rossi 6 die Bezeichnung Speziallager zuruckgehend auf das russische specialnyj lager Siegfried Jenkner spricht in einer seiner Arbeiten von besonderen Lagern mit verscharftem Regime kurz Regimelager genannt und verwendet den Begriff Regimelager auf die 1948 errichteten Lager fur politische Haftlinge spricht jedoch an einer anderen Stelle von insgesamt siebzehn Lagern 7 Inwieweit es sich bei diesen unterschiedlichen Begriffen um eine andere Ubersetzung handelt eine Ausdehnung des Begriffes Sonderlager auf andere Gulag Lager usw ist bisher nicht hinreichend geklart Zweck der Sonderlager BearbeitenDie Sonderlager waren ein besonderer Teil der Einrichtungen des allgemeinen sowjetischen Strafvollzugs der Jahre 1948 bis etwa Anfang der 1960er Jahre die auf Haftlingsarbeit ausgerichtet waren und verschiedenen haufig wechselnden Hauptverwaltungen unterlagen 3 Sie sollten der Entlastung der allgemeinen Gulag Lager und der Isolierung von Personen dienen Sie wurden in erster Linie fur Haftlinge errichtet die wegen so der damalige Sprachgebrauch Spionage Zersetzung und Sabotage Terrorismus verurteilt wurden ferner fur Trotzkisten Menschewiki Sozialrevolutionare rechte Elemente Anarchisten Nationalisten Weissgardisten und andere ob ihre Verurteilung auf Tatsachen basierte oder nicht war nebensachlich Diese Haftlingsgruppen wurden durch die MWD Behorden allgemein als Sonderkontingente bezeichnet 2 4 Anm 1 Geschichte BearbeitenDie Einrichtung der Sonderlager in der Sowjetunion geht auf das Dekret Nr 00219 des Innenministeriums MWD vom 21 Februar 1948 zuruck hier wurde auch die Finanzierung beschlossen Staatshaushalt der UdSSR und die Orte festgelegt in denen die ersten Lager errichtet werden sollten ebenfalls wurde die Verwaltungsstruktur beschlossen 1 Im Februar 1948 entstanden die ersten funf Sonderlager Sonderlager Nr 1 bis 5 im August 1948 das Sonderlager Nr 6 und im Dezember 1948 Sonderlager Nr 7 von 1949 bis 1952 kamen noch funf weitere hinzu 4 Zur gleichen Zeit wurde uber die Errichtung von Sondergefangnissen Osobye tyurmy entschieden Sie wurden in Wladimir Gefangenenlager Wladimirowka Alexandrowskoje und Werchneuralsk errichtet 4 Die Lager entstanden haufig in nachster Nachbarschaft bereits bestehender Besserungsarbeitslager ITL oder gar auf deren Gelande durch die Ubernahme bisheriger Lagerabteilungen wurden jedoch streng von diesen getrennt und isoliert und durch spezielle Wachmannschaften bewacht Es handelte sich hierbei um regulare Einheiten des Ministeriums fur Staatssicherheit MGB d h Einheiten fur den inneren Schutz des Staates russ Akronym VOHR fur Vojska vnutrennej ohrany respubliki die de facto dem MGB Vorgangerorganisation des KGB unterordnet waren 6 8 Es befanden sich haufig auch mehrere Sonderlager auf einem kleinen Gebiet Zu den grossten Lageransammlungen gehorten Lagerkomplex bei Karaganda in der Kasachischen SSR wo sich ausser dem Sonderlager Nr 8 PestschanLag und Sonderlager Nr 9 LugLag auch das Karaganda ITL auch KarLag Hauptverwaltung in Dolinka ITL der Karaganda Kohle Saran ITL ITL des Wohnungsbaus Karaganda Kriegsgefangenenlager 99 sowie in einiger Entfernung auch Sonderlager Nr 4 StepLag und Sonderlager Nr 11 DalLag befanden Lageransammlung im Gebiet von Workuta in der ASSR der Komi darunter das grosste Lager das Arbeitslager Workuta richtiger WorkutLag bzw Workuta ITL einige Quellen sprechen von insgesamt 16 verschiedenen Lagern die zur Lagergruppe Workuta gehorten allen voran das Workuta ITL 9 Von den Sonderlagern kann man dazu folgende zahlen Sonderlager Nr 6 RetschLag sowie etwas mehr entfernt Sonderlager Nr 1 MinLag 10 der Lager und Industriekomplex Dalstroi wo sich ausser Sonderlager Nr 5 BerLag gut zwei Dutzend ITL Lager befanden 11 Das Arbeitsregime war ausserordentlich rucksichtslos in den Unterkunften rechnete man mit einem Platzbedarf von einem Quadratmeter pro Person etwa der Halfte verglichen mit den ubrigen Lagern Vergitterte Fenster das Verbot die Unterkunft zu verlassen und andere Massnahmen hatten den Charakter eines strengen Gefangnisses 2 Die Verwaltung und Aufsicht oblag dem Innenministerium MWD und dessen verschiedenen Abteilungen Dies galt auch nach 1953 als die meisten ubrigen Gulag Lager z B dem Justizministerium ubergeben wurden Die Insassen der Sonderlager wurden fur schwerste Arbeiten im Kohle und Erzbergbau beim Strassen und Eisenbahnbau im Holzeinschlag und andere grobe Arbeiten eingesetzt Im Zeitraum 1953 1954 kam es in den Sonderlagern zu drei grosseren Revolten in GorLag Aufstand von Norilsk RetschLag Aufstand von Workuta und in StepLag Kengir Aufstand 4 Ubersicht der Sonderlager BearbeitenNach Februar 1948 wurden folgende Sonderlager errichtet 2 MinLag Sonderlager Nr 1 1948 ASSR der Komi GorLag Sonderlager Nr 2 1948 Region Krasnojarsk DubrawLag Sonderlager Nr 3 1948 Mordwinische ASSR StepLag Sonderlager Nr 4 1948 Karaganda Kasachische SSR BerLag Sonderlager Nr 5 1948 Region Magadan Dalstroi Komplex Jakutische ASSR RetschLag Sonderlager Nr 6 1948 Workuta ASSR der Komi OserLag Sonderlager Nr 7 1948 Taischet Oblast Irkutsk PestschanLag Sonderlager Nr 8 1949 Karaganda Kasachische SSR LugLag Sonderlager Nr 9 1949 Karaganda Kasachische SSR KamyschLag Sonderlager Nr 10 1951 Region Kemerowo Sudsibirien DalLag Sonderlager Nr 11 1952 Karaganda Kasachische SSR WodorasdelLag Sonderlager Nr 12 1952 ASSR der KomiDie Lager besassen ursprunglich keine Namen und wurden lediglich chronologisch nach dem Datum ihrer Grundung durchnummeriert Erst spater erhielten sie verschiedene Namen die jedoch nur selten einen Bezug zur Realitat hatten so gibt es in der Umgebung vom Lager Nr 7 OserLag dessen Name von See Seelandschaft abgeleitet ist keine Seen Man nimmt an dass in vielen Fallen einfach die den Lagern zugeteilten Telegraphencodes ubernommen wurden Diese Telegraphencodes wurden ab 1949 haufig als Tarnung zugeteilt 2 12 13 6 Beim Sonderlager Nr 17 das vereinzelt in der Literatur vorkommt handelt es sich offenbar um das Sonderlager Nr 7 OserLag 2 Ab Sommer 1954 nach Stalins Tod und nach den Aufstanden in einigen Lagern wurden die Sonderlager nach und nach zuruckgefahren sie wurden aufgelost oder als die sonstigen Besserungs und Arbeitslager eingestuft und gefuhrt 4 Insassenzahlen BearbeitenUrsprunglich wurde die maximale Zahl der in Sonderlagern gehaltenen Haftlinge durch einen Beschluss der Gulag Verwaltung auf 145 000 limitiert Wie eine Kommission des Innenministeriums jedoch feststellte gab es bereits 1948 in den allgemeinen Besserungs und Arbeitslagern etwa 175 000 Haftlinge die in die neuen Sonderlager uberfuhrt werden sollten daruber hinaus rechnete man mit neuen Kontingenten Das Limit wurde daher angehoben 4 Wahrend es 1949 in den Sonderlagern 106 573 Haftlinge gab andere Quellen geben 197 000 Personen an 2 waren es im Januar 1950 bereits 185 000 im Januar 1951 215 000 und im Januar 1952 schliesslich 257 000 4 im Februar 1953 sank die Zahl bereits auf 234 000 Haftlinge 4 2 In dem folgenden Jahre sank die Zahl im Zuge der Auflosung beziehungsweise Umstrukturierung der Sonderlager weiter kontinuierlich Der russische Historiker Smykalin macht aufgrund von vielen Dokumenten folgende Angaben uber die Nationalitatenstruktur der Haftlinge andere als Russen in den sowjetischen Sonderlagern im Jahre 1954 14 Land Anzahl Land AnzahlDeutschland 10 542 Lettland Litauen und Estland 49USA 2 836 Osterreich 40Japan 1 171 Bulgarien Jugoslawien 36Grossbritannien a 1 164 Italien 27China 988 Danemark Schweden Norwegen 18Rumanien 554 Griechenland 8Ungarn und Tschechoslowakei 303 Niederlande Belgien Luxemburg 7Finnland 326 Vatikan 6Frankreich 276 Iran Syrien Agypten Transjordanien b 5Polen 202 Spanien 4Iran b 182 Lateinamerikanische Lander c 3Afghanistan 92Turkei 87 andere 61Anmerkungen a einschl britischer Dominions b Einmal muss es Irak statt Iran heissen c Brasilien Mexiko Chile Argentinien u a In der gleichen Veroffentlichung ist noch eine Ubersicht uber die Aufteilung der Haftlinge nach der Urteilsbegrundung ohne dass diese naher definiert wird sie entspringt dem damaligen Parteivokabular der KPdSU 14 Art des VergehensTerroristen Saboteure Trotzkisten rechtsgerichtete Elemente Sozialrevolutionare Menschewiki Anarchisten Anzahl9 595 3 714 1 505 455 197 153 65Abkurzungen der Verwaltungen BearbeitenDie Aufsicht und Leitung der Sonderlager oblag verschiedenen Verwaltungen Die wichtigsten waren 15 GGWDS Hauptverwaltung der Lager fur den Bau des Wolga Don Kanals GlawLesLag Hauptverwaltung Lager in der Forstwirtschaft GTU Hauptverwaltung der Gefangnisse GUITK Hauptverwaltung der Besserungsarbeitskolonien GULAG Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und kolonien GULGMP Hauptverwaltung der Lager in der Bergbau und metallurgischen Industrie GULGTS Hauptverwaltung der Lager fur Wasserbau GULLP Hauptverwaltung Lager in der Forstwirtschaft GULPS Hauptverwaltung der Lager fur Industriebau GULSchDS Hauptverwaltung der Lager fur Eisenbahnbau GUMS Hauptverwaltung der Haftanstalten GUPR Hauptverwaltung fur Zwangsarbeit OITK Abteilung fur Besserungsarbeitskolonien UITK Verwaltung der Besserungsarbeitskolonien UITL Verwaltung der des Besserungsarbeitslager s UITLK Verwaltung der Besserungsarbeitslager und kolonienAusserdem kommen in diesem Zusammenhang folgende Abkurzungen vor ITK Besserungsarbeitskolonie ITL Besserungsarbeitslager KGB Komitee fur Staatssicherheit MJu Ministerium der Justiz MWD Ministerium des Innern NKWD Volkskommissariat fur Innere AngelegenheitenAnmerkungen Bearbeiten Zur Verwendung des Begriffs Kontingent kann folgendes festgestellt werden Im Sprachgebrauch des NKWD MWD bedeutete Sonderkontingent Haftlinge der Sonderlager d h politische Haftlinge die unter einem verscharften besonderen Regime in Sonderlagern gehalten wurden allgemeines Kontingent waren dann die ubrigen Haftlinge des allgemeinen Regimes der sonstigen Gulag Lager Literatur BearbeitenMichail Borisovic Smirnow Hrsg Das System der Besserungsarbeitslager in der Sowjetunion 1923 1960 Ein Handbuch Ubers aus dem Russ und Bearb Reinhold Schletzer Reinhold Schletzer Verlag Berlin 2003 ISBN 3 921539 72 2 Einzelnachweise Bearbeiten a b Prikaz MVD SSSR 00219 Ob organizacii osobyh lagerej MVD Verordnung Nr 00219 uber die Organisierung der Sonderlager des MWD Online auf alexanderyakovlev org a b c d e f g h Vladimir Bystrov Unosy ceskoslovenskych obcanu do Sovetskeho Svazu v letech 1945 1955 Entfuhrungen tschechoslowakischer Burger in die Sowjetunion 1945 1955 Edition Svedectvi hrsg vom Urad dokumentace a vysetrovani zlocinu komunismu UDV eine Einrichtung des Innenministeriums der Tschechischen Republik Prag 2003 ISBN 80 7312 027 5 online auf szcpv org Abschnitt Osoblag S 263 a b Struktur und Aufbau der Lagereintrage Allgemeine Struktur Portal MEMORIAL Deutschland e V Memorial de online auf gulag memorial de a b c d e f g h i M B Smirnow S P Sigatschew D W Schkalow Sistema mest zaklyucheniya v SSSR 1929 1960 Das Gefangnissystem in der UdSSR 1929 1960 In M B Smirnow Hrsg Sistema ispravitelno trudovyh lagerej v SSSR Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR 1923 1960 Zwenja 1998 Online auf Portal Memorial Memorial ru old memo ru Ralf Stettner Die Lagerorganisation des GULag In Archipel GULag Stalins Zwangslager Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant Verlag Ferdinand Schoningh Paderborn 1996 ISBN 3 506 78754 3 S 197 a b c Jacques Rossi Spravochnik po GULAGu russische Ubersetzung von The Gulag Handbook London 1987 Online auf dem Portal Memorial krsk memorial krsk ru Stichwort speclag Siegfried Jenkner Der Bazillus der Freiheit wandert uber den Archipel GULAG Streiks und Aufstande in sowjetischen Zwangsarbeitslagern Dokumente des Portals Memorial de online auf gulag memorial de Jacques Rossi Spravochnik po GULAGu russische Ubersetzung von The Gulag Handbook London 1987 Online auf dem Portal Memorial krsk memorial krsk ru Stichwort VOHR Wolodymyr Kosyk Entwicklungsphasen des Konzentrationslagersystems in der UdSSR Ukrainische Freie Universitat Munchen 1981 in Mitteilungen der Arbeits und Forderungsgemeinschaft der Ukrainischen Wissenschaften e V Nr 17 Munchen 1980 online auf diasporiana org ua Zu MinLag Dmitri Schkapow MINERALLAGER zu RetschLag Dmitri Schkapow FLUSSLAGER beide auf Portal MEMORIAL Deutschland e V Memorial de in Dmitri Schkapow Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR 1923 1960 Handbuch Hrsg von Michail Smirnow online auf gulag memorial de 242 und gulag memorial de 291 Sergei Sigatschow Bauhauptverwaltung fur den Fernen Osten In Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR 1923 1960 online auf gulag memorial de Portal MEMORIAL Deutschland e V Bemerkungen der Redaktion Memorial ru Abschnitt 4 7 Telegrafnyj kod online auf www memo ru Zu dem Aufstand von 1953 siehe insbesondere Anne Applebaum Der Gulag Aus dem Englischen von Frank Wolf Siedler Verlag Berlin 2003 721 Seiten ISBN 3 88680 642 1 hier insbes Seiten 491 a b A S Smykalin Kolonii i tjurmy v Sovetskoj Rossii Jekaterinburg 1997 S 184 Strafkolonien und Gefangnisse in Sowjetrussland Zitiert nach Vladimir Bystrov Unosy ceskoslovenskych obcanu do Sovetskeho Svazu v letech 1945 1955 Edition Svedectvi hrsg vom Urad dokumentace a vysetrovani zlocinu komunismu UDV eine Einrichtung des Innenministeriums der Tschechischen Republik Prag 2003 ISBN 80 7312 027 5 online auf szcpv org S 264f Anmerkung Spisok sokrashenij In M B Smirnow Hrsg Sistema ispravitelno trudovyh lagerej v SSSR Das System der Besserungsarbeitslager in der UdSSR 1923 1960 Zwenja 1998 Online auf Portal Memorial Memorial ru memo ru deutsche Fassung auf Portal MEMORIAL Deutschland e V Abkurzungen Online auf gulag memorial de Weblinks BearbeitenUbersichtskarte der Gulag Lager in der UdSSR In Portal von Memorial Deutschland Abgerufen am 20 Dezember 2016 Die interaktive Karte fuhrt zu einzelnen Lagern in der ehemaligen UdSSR Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sonderlager des MWD amp oldid 237558492